Protocol of the Session on July 5, 2007

Ja aber gern doch! Natürlich! – Der Volkstribun aus Kreuzberg.

Sehr geehrter Herr Kollege Ratzmann! Würden Sie mir nicht zustimmen wollen, dass es auch an der Zeit wäre, dass Sie präzise umfassen, wo Sie stehen in diesem Konfliktfeld zwischen einerseits

[Beifall bei der Linksfraktion – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

oettingerischem Föderalismus und bundesstaatlicher Ordnung, die eigentlich ein lockerer Zusammenschluss von Staaten sein soll auf der einen Seite und auf der anderen Seite einer soliden Finanzierung der Bundesaufgaben, auch auf Grundlage einer neuen Föderalismus II-Reform? Wo stehen Sie denn eigentlich, Herr Ratzmann? Und wo stehen die Grünen?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Kriege ich 30 Minuten dazu? – Nein, dann nicht. – 30 Minuten bräuchte ich mindestens, um Ihnen das zu erläutern. Aber um es kurz zu sagen, Herr Zackenfels: Ich kann Ihren Antrag unterschreiben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Ich finde nämlich, der Antrag, den Sie eingebracht haben, Herr Liebich, steht im Widerspruch zu der Rede, die Sie heute hier gehalten haben.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Ich habe zitiert!]

Ich werde es Ihnen sagen. Ich habe dieselbe Frage wie Herr Goetze. Sie sagen: Der Solidarpakt II und der ebenfalls bis 2019 vereinbarte Finanzausgleich sind in ihren finanziellen Wirkungen enthalten gewesen. – Wir haben ganz klar gesagt: Der ist nicht anzutasten, dieser Länderfinanzausgleich bis 2019 und der Solidarpakt II. Der steht, Punkt, nicht nur in seinen finanziellen Wirkungen. Sie fallen hinter die Linie zurück, die sie versucht haben, gerade aufzumachen.

Sie schreiben:

Zur Herstellung gleicher Ausgangsbedingungen bei den Schuldenständen der Länder kann z. B. für alle Länderschulden ein Altschuldentilgungsfonds aufgelegt werden.

Ja, Herr Liebich, was ist denn das? – Ein Tilgungsfonds! Kommen Sie da nicht schon sehr gefährlich in oettingersche Nähe? – Wir laden Sie demnächst ein, zu dem Frühstück mitzugehen, wenn Herr Oettinger einlädt, dann können Sie Ihren Vorschlag dort noch einmal unterbreiten. Es ist doch richtig zu sagen: Wir müssen für die Länder gleiche Ausgangsbedingungen herstellen, damit wir überhaupt über Schuldenbremsen reden können. Das haben wir immer gesagt, und wir haben das in die Kommission I eingebracht. Das haben alle unsere Vertreter deutlich gemacht: Es gibt keine Verschuldungsbeschränkung über den jetzigen Stand hinaus, wenn wir die Länder nicht in die Lage versetzen zu entschulden. Es ist doch richtig, sich darüber Gedanken zu machen, Herr Liebich: Wie fülle ich so einen Fonds? Wie kriege ich alle Länder, die ganze Ländergemeinschaft dazu, etwas von dem Gesamtkuchen, der jetzt auf eine bestimmte Art und Weise verteilt wird, in diesen Fonds zu tun?

Der Vorschlag von Oettinger, den er gemacht hat, der überhaupt noch nicht durchdacht ist und der in seinen kleinen Auswirkungen, in seinen Details noch justiert werden muss, lautet: Wir füllen einen Topf, und wir schaffen ein Anreizsystem. – Das hat übrigens Herr Schneider, wenn Sie nachlesen, Herr Zimmermann, in seinem Gutachten für die Landtage – wir haben ihn benannt – mit aufgeschrieben. Das ist der Grundgedanke und an dem weiterzudenken, einem Altschuldentilgungsfonds, ist genau richtig. – Jetzt höre ich gern Ihre Frage!

Lieber Herr Ratzmann! Dem freundlichen Teil des Vorschlags von Herrn Oettinger wird kein Berliner Politiker widersprechen. Die Frage ist, was sagen die Grünen zur Frage der Hebesätze auf die Bundesländer.

Dazu komme ich jetzt, Herr Liebich. Das finde ich sehr interessant.

Das ist falsch. Und wenn Sie das falsch finden, dann können Sie Herrn Oettinger nicht recht geben.

Passen Sie auf, Herr Liebich! Da war ich sehr erstaunt über Ihren Antrag. Da lese ich unter Ziffer 5 in Ihrem Antrag: Ein sozialer Bundesstaat verträgt keine „Steueroasen.“

Richtig, kann ich da nur sagen. Das verträgt der Bundesstaat nicht, der für uns – –

[Zuruf von Carl Wechselberg (Linksfraktion)]

Herr Wechselberg, einmal ausreden lassen, bitte! – Also: Keine Steueroasen! Der Bundesstaat, wie ich ihn verstehe, muss an dem Staatsziel: „Gleichwertige Lebensbedingungen und gleichwertige Chancen für alle!“ festhalten. Und er muss ein solidarischer Staat sein, der Unterschiede struktureller oder wirtschaftlicher Art oder Unterschiede in der Finanzkraft ausgleicht. In Ihrem Antrag lese ich aber einen weiteren Satz:

Wettbewerbsmomente im föderalen System sind unter diesen Voraussetzungen z. B. auch im Bereich der Kommunal- und Landessteuern möglich.

Herr Liebich, was ist denn das? – Es soll plötzlich ein Wettbewerb im Bereich der Landessteuern möglich sein?

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Grundsteuer! Das gibt es doch schon! – Carl Wechselberg (Linksfraktion): Gewerbesteuer!]

Sie haben doch auch recht damit, genau unter diesen Bedingungen zu sagen: Ja, wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, wie wir im Bereich der Landessteuern – je nach dem, wie wir sie gestalten, wenn wir sie umstellen – auch mit Wettbewerbselementen so, wie Sie sie verstehen, umgehen. – Sie wollten von mir wissen, wie ich dazu stehe.

[Stefan Liebich (Linksfraktion) und Carl Wechselberg (Linksfraktion): Ja!]

Ich glaube, dass man sehr genau darauf achten muss, dass dem Länderfinanzausgleich kein Volumen entzogen wird. Es darf ihm dadurch kein Volumen entzogen werden, dass einzelnen Ländern Spielwiesen bei den Steuern eingeräumt werden. Das ist für mich Fakt. Man kann darüber nachdenken, ob es nicht Bereiche gibt, wo man den Bürgern eines Landes auch sagen kann: Wenn ein bestimmtes Projekt umgesetzt werden soll, wenn ihr einen politischen Weg mitgehen wollt, dann kostet das auch etwas. Und wenn ihr bereit seid, dafür für zwei, drei, vier Jahre einen bestimmten Aufschlag auf eine bestimmte Steuer zu akzeptieren, dann können wir das machen.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Auf die Lohnsteuer?]

Das ist allemal ein weiterer Weg, den man – –

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Das ist FDP!]

Nein, das ist Ihre Position, wie Sie sie hier aufgeschrieben haben.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Nein!]

Genau so verstehe ich sie. Darüber muss man reden können, Herr Liebich, wenn man so etwas wie einen Gestaltungsföderalismus für die Länder hinbekommen will.

[Stefan Liebich (Linksfraktion): Es geht um die Lohn- und Einkommensteuer!]

Es nutzt nichts, in diesem Bereich die Schlachten von gestern zu schlagen, sondern man muss sich mit den Vorschlägen, die auf dem Tisch liegen, auseinandersetzen. Das wollen wir machen, und das ist auch die Aufforderung an das Land Berlin, sich an dieser Diskussion zu beteiligen.

Es hat noch niemand alles bis in das Kleinste durchgerechnet. Auch Herr Hoff, der so einen Ansatz ebenfalls mitträgt, hat das in seinem Gutachten noch nicht durchgerechnet. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, und ich sage Ihnen: Der Zug rollt. Wer eine Verschuldungsbremse will – und ich will sie, denn die jetzige Schuldenbremse, die wir im Grundgesetz haben, funktioniert nicht –, der wird sich mit Kochs Argument: „Ich nehme nicht nur die Schweizer Schuldenbremse, sondern ich will die ganze Schweiz – nämlich die Steuerautonomie – haben.“ auseinandersetzen müssen.

Herr Ratzmann! Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum letzten Satz: In dem beschränkten Bereich, den Sie beschrieben haben, wird man sich ernsthaft damit auseinandersetzen müssen, und das Land Berlin tut gut daran, zu sagen: Wir haben Kraft, wir können auch etwas erwirtschaften in diesem Bereich. Es ist nicht alles negativ, was uns Spielräume verschafft, sondern wir haben die Power, daraus etwas für das Land zu ziehen. – Darüber sollten wir reden, und das sollten wir einbringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen und der FDP – Stefan Zackenfels (SPD): Was ist der Unterschied zwischen Grund- und Körperschaftsteuern?]

Das Wort hat nun Herr Liebich zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!

Herr Ratzmann lehnt Ideologien ab. Deswegen ist er vielleicht ein guter Vertreter vieler Bundesländer in der Föderalismuskommission. Aber Sie haben sich vorhin um die Antwort herumgedrückt.

[Stefan Zackenfels (SPD): Ja!]

Die Frage war: Wo stehen Sie? – Ich weiß, dass es Landessteuern gibt, und Sie haben schon einmal Landessteuern genutzt, um eine Koalition von SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen nicht zustande kommen zu lassen. Wer auch immer schuld war, die Geschichten gehen dabei auseinander. Sie erinnern sich: Motorbootsteuer, Getränkesteuer! – Gerne! Da können Sie Wettbewerb haben, und den gibt es schon. Auch bei der Grundsteuer oder bei Gewerbesteuerhebesätzen gibt es überall Unterschiede. Keiner will das jetzt abschaffen.

Die spannende Frage ist aber – und da klangen Sie eben doch wieder etwas mehr wie Jamaika und weniger nach dem, was unser Antrag sagt –, wie Sie dazu bei der Lohn- und Einkommensteuer stehen. Wollen Sie tatsächlich Hebesätze auf Länderebene für die Lohn- und Einkommensteuer, um – wie Herr Oettinger das gesagt hat – gute Taten für die Stadt auch aus der Stadt gegenzufinanzieren? – Wenn Sie das wollen, dann sagen Sie das bitte klar. Dann steht Jamaika, aber dann können Sie nicht unseren Antrag unterschreiben. Wenn Sie das nicht wollen – was ich hoffe –, dann ist die Position eine andere. Dann können Sie aber auch klar sagen: Nein, wir wollen keine Hebesätze für Lohn- und Einkommensteuer auf Länderebene.

Das ist im Moment der Streitpunkt, und ich würde gern wissen, wo Bündnis 90/Die Grünen in dieser Frage stehen. Um die Antwort haben Sie sich jedes Mal gedrückt. Vielleicht können Sie sie jetzt geben.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Herr Ratzmann, wollen Sie antworten? – Ich kündige schon einmal an, dass es noch eine weitere Kurzintervention des Abgeordneten Zimmermann geben wird. – Sie möchten zunächst auch diese noch hören. Dann hat Herr Zimmermann das Wort zu einer Kurzintervention. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist ein spannender Punkt. Da Sie angedeutet haben, dass Sie unter Umständen unserem Antrag folgen könnten, ist die entscheidende Frage die, die Herr Liebich gestellt hat und die auch wir in einer etwas erweiterten Form haben: Wie ist Ihre Haltung zu dem Hebesatzrecht bei den Bundessteuern? – Das ist das, was wir mit unserer Formulierung ausschließen wollen. Wir wollen ausschließen, dass den Ländern ein eigenes Hebesatzrecht bei Bundessteuern eingeräumt wird, während Oettinger und andere das of

fenbar formulieren. Können Sie für die Grünen ausschließen, dass sie eine eigenes Hebesatzrecht der Länder bei Einkommen- und Körperschaftsteuer und allen anderen Bundessteuern fordern?

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr Ratzmann – bitte!