Berlin als kreative Stadt sollte an den drei T arbeiten, die der renommierte und international anerkannte Regionalökonom und Stadtsoziologe Richard Florida als ausschlaggebend für den Erfolg oder Misserfolg von Metro
polenregionen identifiziert hat. Das ist t wie tolerance, t wie technology und t wie talent. Während sich Berlin bei der Zahl der Homosexuellen pro Einwohner – ein wichtiger Indikator für die Offenheit, für die Toleranz einer Stadt – international gut profiliert hat und sich auch als Stadt der Einwanderer jeden Tag behauptet, während Berlin als Stadt der Wissenschaft zu den innovativsten Regionen Europas und damit auch im Bereich Technologie ein sehr gutes Potenzial besitzt, das es zu sichern und zukunftsfähig zu gestalten gilt, liegt im Bereich t wie talent – auf Deutsch: Qualifikation und Qualifikationsgrad aller Erwerbsfähigen dieser Stadt – trotz vier Universitäten, fünf Fachhochschulen, zahlreicher öffentlicher und privater Bildungseinrichtungen und des Frauenförderprogramms in der Wissenschaft immer noch erhebliches im Argen. Das haben wir auch beim letzten Tagesordnungspunkt zur Jugendarbeitslosigkeit intensiv vor Augen geführt bekommen. Darauf weist der Antrag hin. So weit, so gut! Aber leider scheint die Koalition bei diesem Erkenntnisstand stehengeblieben zu sein. Wir hätten es gerne ein bisschen weiter gehender. Wir nehmen den Antrag zum Anlass, intensiv in die Debatte einzusteigen. Denn er Antrag selbst ist erheblich verbesserungsbedürftig. d Erstens – ich fange mit den Formalien an – unterschreitet der Antrag bei den Formalien bereits die bisher schon nicht sehr hohen Mindeststandards. Denn durch ihn geschieht nicht viel, sondern er fordert nur dazu auf, die IstSituation zu ermitteln. Das tut er aber ohne Fristsetzung und Informationsverpflichtung gegenüber dem Parlament. Außerdem – Frau Holzheuer-Rothensteiner hat gerade darauf hingewiesen – gibt es diese Bestandsanalyse so allgemein formuliert wie hier schon, und zwar brandaktuell. Im März wurde im Auftrag der Senatswirtschaftsverwaltung eine Studie genau zu dieser Frage – Ersatzbedarfe auf dem Berliner Arbeitsmarkt, Fachkräfte nach Wirtschaftssektoren aufgegliedert – abgegeben. Also fragt man sich: Was will der Antrag an dieser Stelle?
Zweitens: Dieser Antrag zeigt deutlich, dass sich Rot-Rot offenbar nicht einig ist, was dieser Antrag soll. Im Antrag formulieren Sie: Wir brauchen eine Bestandsanalyse. – Dann kommen viele nette Dinge: Wir müssen wieder mehr für Ausbildung und Weiterbildung tun. – Und dann kommt ganz zum Schluss als letzter Spiegelstrich eine Anwerbekampagne zur Deckung des kurzfristigen Fachkräftebedarfs. Liest man dann aber die Begründung, dann hat man den Eindruck, der ganze Antrag hatte eigentlich nur das zum Ziel, nämlich diese Anwerbekampagne. Offenbar war es wohl so – so erschließt sich mir dieser Antrag –, dass sich Berlin Partner und die IHK an die Koalition gewandt haben mit der Bitte, eine solche gemeinsame Kampagne machen zu können. Das wollten Sie von der Koalition aber politisch eigentlich so nicht, sondern Sie fingen dann an zu diskutieren in der alten Art und Weise: zugewanderte Fachkräfte gegen Arbeitslose – als wenn es die Green-Card-Debatte und die Debatte über das Zuwanderungsgesetz in diesem Lande nie gegeben hätte. Und dann kommen so allgemeine Formulierungen wie: „Geeignete Betriebe werden verstärkt aufgefordert, ausrei
chende Aus- und Weiterbildungsangebote zu machen.“ – Genauso richtig wie seit Jahren unzureichend umgesetzt! Der Senat bringt nicht einmal selbst seine Siebenprozentquote bei der Ausbildung. Und das stellen Sie dann zusammen vor. Das ist aus unserer Sicht ein fauler Kompromiss. Der ist zu wenig für Berlin, zu wenig für die Erwerbsfähigen, und zu wenig für die Unternehmen in dieser Stadt. Wir müssen endlich aufhören, Zuwanderer und Erwerbslose gegeneinander auszuspielen. Wir müssen stattdessen beides beherzt angehen. Und dazu braucht es mehr als Ihren Antrag.
Ich muss zum Schluss kommen. Deswegen freue ich mich auf die intensive Diskussion in den beiden Ausschüssen, in die der Antrag überwiesen wird. Vielleicht kommen wir dann in Weiterentwicklung dieses Antrags zu den ersten relevanten Eckpunkten für ein Sofortprogramm für die zentralen Wirtschaftscluster in dieser Stadt, die das Land Berlin dringend braucht, um seine Potenziale zum Leuchten bringen zu können. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Paus! – Für die Fraktion der FDP hat jetzt Herr Abgeordneter Lehmann das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! Wenn Initiativen die Handschrift einer Partei widerspiegeln, ist es gut und schließlich Sinn politischer Aktivitäten. Wenn diese Handschrift aber – wie in diesem Antrag – geschmiert und unleserlich ist, ist es mehr als nur ein AhaEffekt, dass dieser Antrag von Rot-Rot kommt.
Mit diesem Antrag stellen Sie wieder sehr anschaulich dar, dass Ihnen die Funktionsweise unserer Wirtschafts- und Arbeitswelt schlichtweg nicht geläufig ist oder vehement ignoriert wird.
Es stellt sich vor allem die Frage: Was soll er bewirken? – Die Antwort drängt sich geradezu auf: Nichts! – Es geht darum, den Fachkräftebedarf zu ermitteln und dieses Personal dann bei Bedarf auf dem internationalen Markt anzuwerben. Berlin Partner soll die Hauptstadt dann vermarkten. Komisch! Ich bin bisher davon ausgegangen, dass das ohnehin deren Aufgabe sei. Falls es Ihnen entgangen ist, wir wissen bereits, dass es einen Fachkräftemangel gibt. Die Unternehmerinnen und Unternehmer wissen und spüren viel besser, in welchen Bereichen, denn sie sind als Erste davon betroffen, wenn Arbeitspro
zesse nicht mehr ausgeführt werden können, da sich auf dem Berliner Arbeitsmarkt kein geeignetes Potenzial finden lässt. Haben Sie die Warnungen verschiedener Fachzeitschriften oder die neue OECD-Studie zur Kenntnis genommen? Diese belegt, dass ohne Einwanderung neuer und qualifizierter Ausländerinnen und Ausländer die Wirtschaft langsamer wachsen wird.
Komisch nur, dass der Antrag erst in der Begründung auf internationale Rekrutierung verweist, und zwar erst dann, wenn regional oder national nichts zu holen ist! Das Problem ist nur, dass laut OECD selbst bei internationaler Anwerbung unser Bedarf nicht gedeckt werden kann. Sie wollen geeignete Betriebe verstärkt auffordern, ausreichende Aus- und Weiterbildungsangebote zu machen. Erklären Sie uns doch bitte einmal, was „geeignete Betriebe“ sind! Wer entscheidet darüber? Sind das nur Unternehmen mit Landesbeteiligung oder alle Unternehmen der Wachstumscluster? Wer soll dann wie viele aus- und weiterbilden? Und wie passt das mit den bereits fehlenden Fachkräften zusammen? Unternehmen haben dadurch weniger Umsatz und sollen dann auch noch mehr ausbilden? Wer soll dann ausbilden und auch noch produzieren? Hier gilt es also, zwei Baustellen zu bedienen. Woran machen Sie fest, was ausreichende Bildungsangebote sind? Man kann die Zeit leider nicht anhalten, um zu wissen, wie viele Maschinenbauer ich in vier Jahren brauche. Unternehmer agieren global. Diese wissen nicht, mit wem sie dann vielleicht schon fusioniert sind. Gerade in Berlin haben Unternehmerinnen und Unternehmer das Problem – übrigens dank Ihrer Bildungspolitik –, geeignete Bewerber zu finden.
An dieser Stelle erinnere ich gerne daran, dass selbst bei der Hauptverwaltung aus diesem Grund Millionen verfallen sind.
Ferner wollen Sie arbeitslose Berlinerinnen und Berliner fortbilden. Das ist natürlich naheliegend. So weit, so gut! Ebenso naheliegend ist, dass man dann auch die Bundesagentur für Arbeit in die Bemühungen einbeziehen sollte.
Nein! – Bereits hier hakt es an verschiedenen Stellen, sodass Vermittlungen manchmal scheitern. Warum lassen Sie die Arbeitsagenturen außen vor und binden diese nicht konkret in Ihre geplanten Bemühungen ein? So wichtig Weiterbildungen auch sind, müssen wir realistisch sein:
Sie machen aus einem arbeitslosen Zugführer nicht kurzfristig einen Verkehrstelematiker – unglücklich, dass dieser gerade benötigt wird. Mal sehen, wie lange sich diese Unternehmerinnen und Unternehmer dann gedulden.
Wer soll zudem die Berliner Unternehmen auf qualifizierte ältere Arbeitslose hinweisen? Zum einen traue ich diesen zu, dass sie sich von selbst auf freie Stellen bewerben, und sie können jeden Unternehmer fragen, wer besonders von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Dass dies vor allem ältere Menschen sind, ist diesen durchaus bewusst. Woran liegt es also, dass sie zu wenig eingestellt werden? – Sicher nicht an fehlenden Bemühungen der Betroffenen selbst. Es liegt vielmehr daran, dass der Verdienst in vielen Fällen vom Alter abhängt und ältere Arbeitnehmer schlichtweg zu teuer sind.
Ich komme zum Schluss. Um Unternehmen und Fachkräften entgegenzukommen, müssen Sie dafür sorgen, dass die Stadt sicherer wird und unsere Schulen sich mit anderen messen können. Stellen Sie sicher, dass Berlin forschungsfreundlicher wird, und betreiben Sie keinen Etikettenschwindel beim Kulturhaushalt, dann wird Berlin attraktiv für Fachkräfte! – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Lehmann! – Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung federführend an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Frauen sowie mitberatend an den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Das ist der frühere Tagesordnungspunkt 7. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der CDU. Das Wort hat der Abgeordnete Czaja.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Namen der CDU-Fraktion beantrage ich die Aufhebung des Straßenausbaubeitragsgesetzes.
Nachdem unsere Gesetzesinitiative in der letzten Legislaturperiode der sogenannten Diskontinuität zum Opfer gefallen ist, bringen wir diesen Antrag erneut ein, weil wir
einerseits glauben, dass die Chancen gestiegen sind, da eine Mehrheit nicht mehr so eindeutig vorhanden ist wie beim letzten Mal. Zweitens ist durch die bestehenden Ausbaubeiträge deutlich geworden, dass all das, was zum Straßenausbaubeitragsgesetz versprochen wurde, nicht eingehalten wurde.
Sechzehn Monate sind seit Inkrafttreten des Gesetzes ins Land gezogen, und es gilt, die vorgetragenen Argumente zu überprüfen und die gegebenen Versprechen der Befürworter genau zu hinterfragen. Das erste Versprechen lautete, dass ohnehin nicht viel Straßenbau stattfinden würde. Herr Wechselberg bezeichnete die Diskussion als
Unsere Finanzmittel reichen doch noch nicht einmal für die ganz normale – beitragsfreie – Straßenunterhaltung, und dann sollen wir neue Straßen bauen. Wovon? Das können Sie einfach vergessen.
Fakt ist, dass die Berliner Tiefbauämter mittlerweile in mindesten 30 Fällen ein Verfahren nach dem Straßenausbaubeitragsgesetz begonnen haben. Das erste Argument für dieses Gesetz ist nicht wahr!
Das zweite Argument war: Es wird keine hohen Beiträge geben. Die Anwohner müssten diese nicht fürchten, sagte Frau Junge-Reyer am 31. August im Parlament. Ich zitiere:
In einer typischen Situation wird es in einer Größenordnung von 500 bis 600 Euro liegen, die 2 000, 3 000 oder bei ausführlich großen Maßnahmen auch 4 000 Euro betragen könnte. Das ist allerdings schon die Grenze im Rahmen einer solchen Debatte.
Herr Kollege Doering, der wahrscheinlich gleich reden wird, sagte, dass die von der CDU benannten 30 000 Euro niemals Wirklichkeit werden würden.
Fakt ist, dass laut Vorabinformation zu einer von mir eingebrachten Kleinen Anfrage die Bezirksämter ein Spektrum von 10 000 bis 15 000 Euro als normale Ausbaubeiträge betrachten und 30 000 Euro, wie das Beispiel in Rudow zeigt, zur Realität gehören können. Welch eine Aufruhr war in diesem Parlament, als wir das 72 000-EuroBeispiel in der Malchower Straße in Pankow brachten! Frau Grosse rief: Gelogen!, Herr Müller: Unredlich!, und Herr Wechselberg schrieb, es seien frei erfundenen Märchen. In der Tat, die Zahl 72 000 ist nicht richtig. Es sind auch keine 90 000 Euro geworden, wie ich dies hochgerechnet habe, sondern 143 000 Euro. Das ist die Realität, und zwar in Pankow in der Pasewalker Straße. Das ist der höchste Straßenausbaubeitrag, den ein Grundstücksbesitzer in Berlin zu leisten hat. Ich erinnere: 500 bis 600 Euro im Durchschnitt, maximal 4 000 Euro hat Frau JungeReyer gesagt, und 143 000 Euro ist die Realität.
Das dritte Versprechen war, dass es keine Beiträge für Instandhaltungsmaßnahmen geben wird. Herr Doering schrieb bei „kandidatenwatch.de“ am 9. August:
Solange durch laufende Unterhaltung und Instandsetzung die Funktionsfähigkeit von Straßen erhalten werden kann, werden keine Beiträge erhoben.