Protocol of the Session on June 21, 2007

[Martina Michels (Linksfraktion): Er ist genau richtig!]

Dumping liegt dann vor, wenn ich ein Produkt unter meinem Einkaufspreis anbiete, um den Markt zu verzerren. Lohndumping kann es gar nicht geben, weil frei ausgehandelt wird.

[Martina Michels (Linksfraktion): Purer Unsinn!]

Aber das klingt genauso gut wie diese Hülse: Lasst uns hier einen Mindestlohn einführen! – Das sind Sprechblasen.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe von der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass über den Antrag von SPD, Linksfraktion und Grünen – Drs 16/0652 – zuerst abgestimmt wird. Wer diesem Antrag seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag angenommen. Damit haben die Beschlussempfehlungen Drucksachen 16/0649 und 16/0650 ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 5 b:

a) Antrag

Mehr Ausbildungsplätze in Landesunternehmen!

Antrag der Grünen Drs 16/0606

b) Antrag

Ausbildungsquote in der Verwaltung erhöhen – Mittelverfall stoppen!

Antrag der FDP Drs 16/0635

Das ist die Priorität der Fraktion der Grünen unter Tagesordnungspunkt 16. – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Grünen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Pop.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns gerade bei den Mindestlöhnen einig mit der Koalition gewesen. Mit der Ausbildungspolitik des Senats sind wir aber gar nicht einverstanden. Auch wenn der Aufschwung den Berliner Arbeitsmarkt erreicht hat, sehen wir alle mit Sorge, dass sich diese bessere Lage überhaupt nicht auf die miserable Ausbildungsplatzsituation auswirkt. Dort sieht es immer noch sehr schlecht aus. Zurücklehnen kann man sich nicht, Frau Knake-Werner!

[Beifall bei den Grünen]

Bis heute gibt es noch nicht so viele Ausbildungsplätze wie vor dem rot-roten Regierungsantritt 2001, denn 2006 hatten wir gerade einmal 21 000 Ausbildungsplätze. Während der letzten Jahre sind wir sogar unter 19 000 gerutscht. 2000 gab es über 23 000, 2001 immerhin 22 000 Ausbildungsplätze. Dahin müssen wir mindestens zurückkommen. Auch letztes Jahr blieben über 5 000 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz. Mehr als 25 000 Jugendliche sind arbeitslos gemeldet. Frau Knake-Werner, da reicht es nicht aus, an die Berliner Wirtschaft zu appellieren, verstärkt Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen!

Wenig glaubwürdig ist ein solcher Appell, wenn der Senat selbst seine Hausaufgaben nicht macht.

[Beifall bei den Grünen]

Unter der Aufsicht der rot-roten Senatsmitglieder, z. B. von Herrn Wolf, bilden die Betriebe mit Landesbeteiligung immer weniger aus. Auch da kann ich Ihnen die Zahlen nicht ersparen. Waren es 2002 noch 2 300 Ausbildungsplätze, gab es 2005 nur noch 2 160. Die Berliner Landesunternehmen – zur allergrößten Peinlichkeit – erreichen größtenteils nicht einmal die im Ausbildungspakt festgelegte Ausbildungsquote von 7 Prozent. Diese fordern wir alle zu Recht von der Privatwirtschaft, aber unsere Landesunternehmen dümpeln bei 4 Prozent, BSR und BVG sogar unter 3 Prozent. Von anderen fordern, was man selbst nicht einhält, das geht nicht, Frau KnakeWerner!

[Beifall bei den Grünen]

Wurmt es Sie denn gar nicht, meine Damen und Herren von Rot-Rot, dass die viel gescholtenen und angeblich so unsozialen Privaten – die Wasserbetriebe oder die GASAG – Ausbildungsquoten haben, von denen Sie nur träumen können? Die Wasserbetriebe 7 Prozent, die GASAG 6 Prozent!

Da stellt sich der Regierende Bürgermeister bei der GASAG-Jubiläumsfeier hin behauptet, die GASAG müsse sich mehr anstrengen. 6 Prozent seien zwar ganz nett,

die GASAG müsse aber definitiv mehr leisten bei den Ausbildungsplätzen. Ich würde ihn gern selbst fragen, wenn er im Plenarsaal wäre: Herr Wowereit! Was leisten Sie eigentlich, damit die Betriebe in Ihrem Verantwortungsbereich mehr ausbilden?

[Beifall bei den Grünen]

Was tun Sie im öffentlichen Dienst? Die Berliner Verwaltung konsolidiert ihren Personaletat seit Jahren zulasten von Ausbildungsplätzen. Auch im letzten Jahr sind 15 Prozent der Ausbildungsmittel im öffentlichen Dienst quer über alle Hauptverwaltungen und Bezirke nicht ausgeschöpft worden. Kein Wunder, dass die Ausbildungsquote – wenn man Rechtsreferendare und Lehramtsanwärter nicht mitzählt – magere 0,25 Prozent beträgt. Da steht eine Null vorn, Ihre Ausbildungsquote beginnt mit einer Null! Ich kann Ihnen auch die konkreten Zahlen nicht ersparen. In der Berliner Verwaltung gibt es – wieder abzüglich Rechtsreferendare und Lehramtsanwärter – 253 Auszubildende. Die Zahl der Angestellten kennen wir alle. Sie sind in einem Maß untätig, das zieht einem ja die Schuhe aus!

[Beifall bei den Grünen – Beifall von Peter Trapp (CDU)]

Untätig sind Sie auch in einem Ihrer angeblich großen Politikfelder, der Integration. Sie können noch nicht einmal Auskunft darüber erteilen, wie viele Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Ausbildung im öffentlichen Dienst machen. Die gesamte Hauptverwaltung macht laut Innensenator Körting keine umfassende Erhebung zu dem Migrationshintergrund ihrer Auszubildenden, bis auf die Innenverwaltung und die Bezirke. Sie laufen aber seit Jahren durch die Stadt und erzählen den Menschen, dass die interkulturelle Öffnung der Verwaltung eines ihres wichtigsten Integrationsprojekte sei. Vor dem Hintergrund ist das ja nur peinlich!

[Beifall bei den Grünen – Anja Kofbinger (Grüne): Ja!]

Wir müssen auch in diesem Jahr Anlass zur Sorge darüber haben, wie es im September wieder aussehen könnte. Wir werden uns heute sicher nicht zum letzten Mal mit der Ausbildungssituation beschäftigen. Wir müssen auch künftig dem Senat auf diesem Feld Beine machen und zwar insbesondere dort, wo er selbst Verantwortung trägt. – Vielen Dank!

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Treichel – bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pop! Wir haben im Koalitionsvertrag die wesentlichen Grundsätze zur Ausbildungssituation in Berlin festgelegt.

[Ramona Pop (Grüne): Na prima!]

Es heißt dort unter anderem:

Die Koalition wird auch künftig durch öffentlich geförderte Verbundausbildung einen Beitrag zur Schließung der Lücke auf dem Lehrstellenmarkt leisten. In der Verbundausbildung sollen auch die öffentlichen Unternehmen eingebunden werden. Sie sollen nicht nur den eigenen Bedarf und im Rahmen der eigenen Ausbildungsprofile ausbilden. Die Koalition wird sich zudem für einen Einstellungskorridor für ausgelernte Auszubildende und Anwärterinnen und Anwärter des Landes Berlin einsetzen.

[Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne): Wann fangen Sie damit an?]

Wie man heute der Presse entnehmen kann, wird für die folgenden Jahre im Haushaltsentwurf des Senats diese Umsetzung angegangen. Deshalb, meine Damen und Herren von Bündnis 90 und der FDP: Willkommen im Club! Sie wollen unsere Bemühungen unterstützen, das ist gut. Alle Jugendlichen, die eine Berufsausbildung wollen, müssen einen Ausbildungsplatz zur Verfügung gestellt bekommen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Es ist aber fraglich, ob ein Ausbildungspakt mit den Unternehmen, die sich mehrheitlich in Landesbesitz befinden – wie es der Antrag der Fraktion der Grünen vorsieht –, ein geeigneter Weg ist. Eine nicht unerhebliche Zahl von Landesbeteiligungen befinden sich weiterhin in einem Konsolidierungsprozess. Vor dem Hintergrund einer soliden Haushaltskonsolidierung muss dieser Prozess fortgesetzt werden.

[Ramona Pop (Grüne): Aber die Vorstandgehälter!]

Ich komme später noch einmal auf die tatsächliche Ausbildungssituation in den größten Landesunternehmen zurück.

Die Erhöhung der Ausbildungsquote in den Unternehmen, die wir wollen, sollte eher über die bereits heute jährlich erstellten Zielbilder festgelegt werden. Wie man künftig mehr Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst, in Landesunternehmen und in der Privatwirtschaft bereitstellen kann, kann man sicher in den Ausschüssen vertieft beraten. Der Senat hat im Zuge – Frau Pop, Sie haben es erwähnt – des auf Bundesebene geschlossenen Ausbildungspaktes einen Appell an die Berliner Wirtschaft gerichtet, die Bemühungen um mehr Ausbildungsplätze zu verstärken und gleichzeitig angekündigt, dass er dies finanziell durch sein umfassendes Förderprogramm im Bereich der beruflichen Bildung flankieren wird. Es ist nicht hinzunehmen – ich wiederhole mich –, dass jedes Jahr viele Absolventen der Berliner Schulen keinen Ausbildungsplatz bekommen. Aber bevor wir die Landesunternehmen schelten und Backpfeifen austeilen, lassen Sie uns gemeinsam ansehen, was sich konkret tut. Bei der BVG befanden sich am Jahresende 2006 382 Auszubildende in Beschäftigung. Jährlich werden im Schnitt 100 Auszubildende neu eingestellt. Das Unternehmen bildet über seinen eigenen Bedarf hinaus aus. Auch die Ber

liner Wasserbetriebe – hier habe ich eine andere Zahl als Sie – bilden über ihren eigenen Bedarf hinaus aus. Die Quote beträgt aktuell mehr als 8 Prozent und ist für die Jahre 2007 bis 2009 auf mindestens diesen Prozentsatz festgelegt. Vivantes bildet in der Krankenpflege über den eigenen Bedarf hinaus aus. Darüber hinaus betreibt Vivantes die größte Hebammenschule in Berlin, eine der größten in Deutschland überhaupt. Besonders hervorzuheben ist das Engagement von Vivantes bei der Eingliederung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Aus Zeitgründen gehe ich hierauf nicht näher ein. Damit besteht keine Veranlassung, Backpfeifen zu verteilen und zu schelten, sondern es gibt Lob für die BVG, die Wasserbetriebe und Vivantes. Auch hierüber werden wir noch detailliert in den Fachausschüssen für Wirtschaft und Arbeit reden.

Die angeführten Zahlen im Antrag der FDP spiegeln nur einen Teil der Wahrheit wider.

[Ramona Pop (Grüne): Das sind die Zahlen des Senats!]

Da hat die Verwaltung offensichtlich auf die Kleine Anfrage der Kollegin Pop vom März diesen Jahres unpräzise geantwortet.

[Ramona Pop (Grüne): Oh! Wo gibt es denn so etwas?]

Aber Sie haben die Unterscheidung zwischen den Auszubildenden und dem, was sich sonst noch tut, vorgenommen. Die Fraktion der FDP verkennt, dass die Hauptverwaltung über die genannten Bereiche hinaus Ausbildungsleistungen erbringt. Daran können wir nicht vorbei. So sind im Jahr 2006 insgesamt 459 neue Positionen für Beamtenanwärter besetzt worden, darüber hinaus 1 297 Positionen für Referendare des Schul- und Justizwesens. Das sind Ausbildungsleistungen des Landes Berlin. Das müssen wir anerkennen. Hinzu treten Positionen für Praktikanten und Volontäre.