Protocol of the Session on June 7, 2007

Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/0573 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung – federführend – sowie – mitberatend – an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie.

Zum Antrag Drucksache 16/0577 wird die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss empfohlen.

Ich höre zu den genannten Überweisungsvorschlägen keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 a:

a) Antrag

Erstausbildung in Teilzeit für junge Mütter und Väter ausbauen

Antrag der CDU Drs 16/0529

b) Antrag

Betriebliche Erstausbildung durch zinslose Darlehen fördern

Antrag der CDU Drs 16/0530

c) Antrag

Mehr Erstausbildung über Bildungsgutscheine ermöglichen – Chancen von Jugendlichen unter 25 Jahren verbessern

Antrag der CDU Drs 16/0531

Das ist die Priorität der Fraktion der CDU unter Tagesordnungspunkt 18. – Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. Das Wort hat der Kollege Luchterhand.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbst wenn sich bundesweit ein Anstieg der Ausbildungsplatzzahlen bemerkbar macht, bleibt für Berlin eine schlechte Situation zu konstatieren. Einmal gehört Berlin beim Aufschwung in der Bundesrepublik Deutschland zu den Schlusslichtern. Damit werden die Effekte auf dem Ausbildungsmarkt geringer ausfallen als in manch anderem Bundesland. Zum anderen bleibt die extrem hohe, über Jahre addierte Zahl der Altbewerber. Unsere Anträge zielen darauf ab, in Teilbereichen für Entspannung zu sorgen.

Erstens geht es darum, die Nutzung der nunmehr gegebenen gesetzlichen Grundlage, Teilzeitausbildung als normales Angebot im Rahmen der Erstausbildung zu verankern, allerdings mit erweitertem Berufsbilderangebot.

Zweitens geht es darum, die Zahl der Ausbildungsbetriebe zu erhöhen. Der Prozentsatz der ausbildenden Unternehmen ist zu niedrig und sollte auch über Anreize erhöht werden. Vor allem da, wo bei Erstausbildern Hemmschwellen überwunden werden müssen, könnten Anreize hilfreich sein. Die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren ist trotz sinkender Arbeitslosenzahlen leider relativ konstant. Darunter sind viele Altbewerber um einen ganzheitlichen Ausbildungsplatz.

Deshalb gibt es – drittens – die Aufforderung, Bildungsgutscheine der Jobcenter zur Aufnahme einer Erstausbildung umzuwidmen. Die Möglichkeit dazu ist rechtlich gegeben. Bisher ist das realisierte Mengengerüst extrem niedrig. 30 Gutscheine pro Jahr und Jobcenter sind nicht nennenswert. Das muss drastisch erhöht werden. Ergänzend zum Bund-Länder-Programm, das auch in diesem Jahr 3 000 zusätzliche Lehrstellen schafft, wäre die Initiative über die Jobcenter speziell für junge Menschen wichtig, die zwischenzeitlich über eine Vielzahl von Bewerbungsablehnungen verfügen, was über Jahre zum Anstieg der Altbewerberzahlen geführt hat und derzeit über 65 Prozent des Bewerbervolumens ausmacht. Es geht um die Nutzung aller kreativen Vorschläge, damit wir aus dem Dilemma nicht versorgter Jugendlicher herauskommen. Wir diskutieren über den demografischen Wandel und lassen zugleich junge Menschen ziehen, die in anderen Bundesländern die von ihnen angestrebten Ausbildungsplätze finden.

Wer nicht über einen Ausbildungsplatz und späteren Arbeitsplatz eingebunden werden kann, wird anfällig für Kriminalität und Extremismus. Daran kann niemand von uns Interesse haben. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Müller das Wort.

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei diesem Thema komme ich mir vor wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Herr Luchterhand, Sie waren in den vergangenen Legislaturperioden noch nicht in diesem Haus, aber in jeder – das sagen auch die Protokolle aus – beglückt uns Ihre Fraktion mit stets den gleichen Anträgen zur Teilzeitausbildung.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Ein Fortschritt ist aber schon bei Ihnen zu verzeichnen, denn nun sind immerhin schon die Väter aufgenommen worden.

[Uwe Goetze (CDU): Wo ist der Fortschritt denn bei Ihnen?]

Früher hießen die Anträge nur „Teilzeitausbildung für junge Mütter“. Ich hoffe sehr, dass das nicht nur eine semantische Konzession ist, sondern dass Sie die Veränderung der Lebenswirklichkeit tatsächlich erfahren haben.

[Oliver Scholz (CDU): Weil wir eine moderne Großstadtpartei sind!]

Ja! – Doch was bringt uns Ihr Antrag? Kommen wir zum Inhalt. Es ist unbestrittenermaßen richtig, dass es für alleinerziehende Mütter und Väter in der Ausbildung häufig eine Herausforderung ist, Elternschaft mit ihrer Ausbildung zu vereinbaren. Wir wissen, dass es eine hohe Belastung ist, die oft dazu führt, dass die Ausbildungen nicht angetreten oder abgebrochen werden. Aber, meine Herren und Damen von der CDU, damit haben wir uns in den letzten Jahren ausgiebig befasst.

[Mario Czaja (CDU): Die Bienen werden auch nicht nach den Flugkilometern bezahlt, sondern nach dem Honig, den sie sammeln! – Beifall von Uwe Goetze (CDU)]

Ja, aber es sollte auch ein optimales Ergebnis sein, Herr Czaja! Und das Ergebnis ist eine abgeschlossene Berufsausbildung. Das muss erst einmal erreicht werden.

[Beifall bei der SPD]

Was uns dazu bringt, das können wir gern gemeinsam erörtern.

Es ist bekannt und auch nachgewiesen, dass der Senat auf diesem Gebiet handelt. Vielleicht sollten Sie sich beispielsweise einfach noch einmal darüber informieren, was das Land Berlin im Rahmen des Modellprojekts „Modifizierte Teilzeitausbildung“ an Leistungen erbracht hat. Ich wiederhole: modifizierte Teilzeitausbildung. Vielleicht kennen Sie das noch nicht so genau.

[Zuruf von Uwe Goetze (CDU)]

Ich darf Sie auch daran erinnern, dass es im Rahmen der Benachteiligtenförderung gemäß SGB II und SGB III Möglichkeiten gibt. Wir möchten neue Wege in der Ausbildung beschreiten. Bei der Modularisierung der Ausbildung können wir das erreichen, was Herr Luchterhand als Problem gesehen hat, dass bestimmtes Wissen bereits erworben ist, das innerhalb der modularen Ausbildung anerkannt wird. Die Ausbildung kann dann irgendwann zum erfolgreichen Abschluss führen.

Auch der Antrag, die betriebliche Erstausbildung durch zinslose Kredite zu fördern, ist weder neu, noch vermag er zu überzeugen. In der vergangenen Woche hat sich der Landesausschuss für berufliche Bildung mit dem Antrag beschäftigt. Ich weiß weder, ob Sie diesen Ausschuss noch ob Sie das Ergebnis kennen. Dieser Ausschuss hat an dem Antrag kein gutes Haar gelassen. Sie wissen sicher, dass in diesem Landesausschuss nicht nur Vertreter der Arbeitnehmer, sondern auch solche der Arbeitgeber versammelt sind. Dieser Antrag wurde einstimmig abgelehnt. Ein Vertreter der Banken machte deutlich, dass und wie viel heiße Luft in Ihrem Antrag steckt. Insbesondere aber bestätigte er unsere Befürchtungen, dass die Mitnahmeeffekte nicht auszuschließen sind, sondern mit einem derartigen Programm geradezu heraufbeschworen werden. Auch nach ausführlicher Beratung im Ausschuss werden wir zu keiner anderen Erkenntnis gelangen.

Als Letztes komme ich zum Antrag bezüglich der Bildungsgutscheine. Wir sind uns alle darüber einig, dass Lehrstellen fehlen, und zwar in beträchtlichen Größenordnungen. Auch darüber besteht Einigkeit, dass die Arbeitsweise und die Vergabemodalitäten bei der Arbeitsagentur und den Jobcentern gegenwärtig in keiner Weise nachvollziehbar sind. Sie sind schlicht und ergreifend inakzeptabel. Hier sollten wir gemeinsam mit der Senatsverwaltung, mit der Agentur, den Jobcentern beraten, welche Wege beschritten werden können, damit am Ende Arbeitsplätze für bisher unversorgte Jugendliche entstehen, damit wir zu mehr Ausbildungsplätzen und zu erfolgreichen Abschlüssen auch ohne Teilzeitausbildung kommen. Diesen Weg sollten wir gehen und uns allen gute Erfolge wünschen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Herrmann. – Bitte sehr!

Herr Präsident! Aufpassen, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren in diesem Haus in jeder Sitzung zu Recht über Themen der frühkindlichen oder schulischen Bildung. Wir sprechen über Jugendgewalt und über Kinder, die bereits in den Intensivtäterdateien der Polizei zu finden sind. Zahlreiche Studien verweisen als Ursache insbesondere auf die schlechte Ausbildungssituati

on in Berlin hin. Zahlreiche junge Menschen fühlen sich von der Gesellschaft ausgeschlossen und nicht gebraucht, finden schlichtweg keine Ausbildungsmöglichkeiten. Derzeit hat man den Eindruck, dass an den Problemen vonseiten des Senats eher herumgedoktert wird, anstatt die tatsächlichen Symptome zu bekämpfen.

[Beifall bei den Grünen – Zurufe von Wolfgang Brauer (Linksfraktion) und Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Die Ausbildungsplatzsituation ist nicht rosig. Derzeit sind 26 727 junge Menschen unter 25 Jahren in Berlin arbeitslos. Frau Senatorin! Sind Ihnen diese Zahlen nicht bekannt? Das sind genau 6 727 Menschen mehr, als die 20 000, die Sie in der vergangenen Woche an die Presse gegeben haben. Hinzu kommen noch einmal geschätzte 20 000 junge Menschen, die in diversen Warteschleifen feststecken. Das ergibt zusammen ca. 48 000 junge Menschen, vor denen Sie sich wegducken. Das ist ein Unding, gerade für einen rot-roten Senat!

[Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Welche Vorschläge gibt es denn zur Abhilfe?]

Die Zahl der Ausbildungsplätze ging seit dem Jahr 1999 um 15,9 Prozent zurück. Parallel steigt die Zahl der Altnachfrager und -fragerinnen weiter. Ja, Frau Senatorin, es hilft den unversorgten Jugendlichen dieser Stadt nicht, dass Sie davon reden, die Ausbildungslücke imaginär, rein rechnerisch, zu schließen. Auch Sonntagsreden führen uns leider keinen Schritt vorwärts.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Sondern?]

Die Jugendlichen und wir wollen endlich wissen, wie es bis zum nächsten Ausbildungsjahrbeginn gewährleistet sein soll, dass jedem ausbildungsfähigen Jugendlichen auch ein realer, ein tatsächlicher Ausbildungsplatz angeboten wird!

[Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Ja, was denn nun?]

Es ist kein Geheimnis mehr, dass die Initiativen in diesem Haus nicht aus den Reihen der Koalition kommen. Auch die Anträge der Fraktion der CDU sollten nicht blindlings an Ihnen vorbeigehen. Die Gruppe der Nachfrager und Nachfragerinnen ist sehr heterogen. Dafür bedarf es unterschiedlicher Angebote. Teilzeitausbildung für junge Mütter und Väter ist eines davon. Es gibt gut laufende Projekte, z. B. von MüLe und Life. Es kann aber nicht sein, dass diese erfolgreichen Projekte keine längerfristige Finanzsicherheit und damit keine Planungssicherheit haben.

Eine verschärfte Situation finden wir derzeit bei dem großen Kreis der unversorgten jungen Migrantinnen vor. Es kann nicht sein, dass es für diese Gruppe ein Sonderprogramm gibt, wo Sie – selbst nach Erweiterung der Zielgruppen – nur 40 Prozent der Mittel ausgeben! Gerade unter dem Aspekt der verschärften Problemlagen, die junge Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt vorfinden,