Protocol of the Session on June 7, 2007

Der Bericht geht mitleidslos alle Bereiche der Verwaltung durch, und es ist kein Wunder, dass bei der heutigen Beratung dieses Berichts die unterschiedlichen parteipolitischen Präferenzen deutlich zutage traten.

Ich möchte zwei Themen ansprechen, die seit Jahren auf der Tagesordnung des Abgeordnetenhauses stehen. Das eine Thema ist der Investitionsstau, der jetzt offensichtlich auch im Bewusstsein der Koalition angekommen ist. Der Rechnungshof rügt völlig zu Recht und zum wiederholten Mal den Berliner Investitionsstau. Unterlassene Instandhaltung ist die teuerste Form der Verschuldung, denn erstens werden die finanziellen Belastungen in die Zukunft geschoben, und zweitens wird der Zustand der Gebäude auf lange Sicht nicht besser. Beides ist nicht gut, aber dennoch hält der rot-rote Senat in seiner Finanzplanung unverdrossen an seiner viel zu niedrig angesetzten Investitionssumme von 1,4 Milliarden € jährlich fest. Herr Sarrazin! Allein bei den Berliner Schulen besteht nach dem Bericht des Rechnungshofs ein Sanierungsbedarf von 1 Milliarde €. Die Summe von 1,4 Milliarden € jährlich für den gesamten Bedarf reicht da nicht aus. Wir schlagen deswegen vor, die Steuermehreinnahmen auch dafür zu nutzen, den Investitionsrahmen zu erhöhen. Das ist langfristig die bessere Variante.

[Beifall bei den Grünen]

Ein weiteres ständiges Thema hier im Hause sind die Probleme, die Tücken und die Risiken unserer Berliner Landesunternehmen. An dieser Stelle möchte ich auf die Wohnungsbaugesellschaften eingehen, wie es einige Vorredner auch schon getan haben. Keine Frage, Herr Sarrazin, die Wohnungsbaugesellschaften haben im Jahr 2005 im Saldo ein positives Gesamtergebnis vorgelegt. Aber dieses Ergebnis – und das wissen Sie auch – ist auf Einmaleffekte wie z. B. Wohnungsverkäufe zurückzuführen, die erfolgt sind, obwohl Rot-Rot eigentlich keine Wohnungen verkaufen möchte, aber dennoch ist unter der Hand immer mal etwas verkauft worden. Ein zweiter Grund für das erreichte positive Gesamtergebnis ist die unterlassene Instandhaltung. Mehr Einnahmen, weniger Ausgaben, positiver Saldo – aber langfristig trägt das nicht.

[Beifall bei den Grünen]

Die Risiken sind bekannt – die unterlassene Instandhaltung und der Wegfall der Anschlussförderung –, und deshalb schließen wir uns der Forderung des Rechnungshofs an: Dem Parlament ist endlich ein tragfähiges Gesamtkonzept vorzulegen, in dem dargelegt wird, wie die Wohnungsbaugesellschaften langfristig saniert und auch gehalten werden können. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung an den Hauptausschuss. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Die lfd. Nr. 12 ist schon durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe nun auf

lfd. Nr. 13:

Beschlussempfehlungen

Bessere Bildung: Unterrichtsversorgung sichern – 400 Lehrer dauerhaft einstellen

Beschlussempfehlungen BildJugFam und Haupt Drs 16/0564

Für die Beratung auf Wunsch der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Das Wort hat Herr Mutlu. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Frühjahr dieses Jahres haben wir mit dem zur Beschlussfassung vorliegenden Antrag die Einstellung von 400 neuen zusätzlichen Lehrerinnen und Lehrern gefordert. Seither hat der Senat, wenn auch ungewohnt zur letzten Legislaturperiode, in diesem Bereich in der Tat einiges getan. Es war richtig und wichtig, 300 Lehrer zur Bewältigung des massiven Unterrichtsausfalls einzustellen. Der Senat ist uns aber auch heute noch die Antwort schuldig, weshalb diese Lehrkräfte, die auch im kommenden Schuljahr bitter benötigt werden, nur befristet, also nur bis zum Ende des Schuljahres eingestellt werden. Qualität erfordert Kontinuität. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese Lehrkräfte mit Beginn der Schulferien mit einem feuchten Händedruck verabschiedet werden sollen.

Es war auch richtig und wichtig, bereits im April dieses Jahres Neueinstellungen von 220 Lehrkräften anzukündigen und zu betreiben und nicht wie in der Vergangenheit ein unmögliches Feriencasting durchzuführen. Allerdings ist die Einstellung von 220 neuen Lehrern zwingend, weil die Lücken, die durch Pensionierung und andere Gründe entstehen, geschlossen werden müssen. Anderenfalls würde der Unterrichtsausfall, leider ein Dauerproblem der Berliner Schule seit Jahren, weiter ansteigen. Sich aber hinzustellen und uns diese zwingende Neueinstellung zum neuen Schuljahr als großen Wurf zu verkaufen, ist schon ein dolles Ding. Man muss denken, der Senat hielte uns alle – auch die Lehrer, die Eltern, alle mit dem Schulwesen Beteiligten – für dumm. Berlin braucht mehr Einstellungen, damit die Schulen im neuen Schuljahr eine hundertprozentige Unterrichtsversorgung gewährleisten und guten Unterricht bieten können.

[Beifall bei den Grünen]

Dafür reichen die 220 Neueinstellungen zum neuen Schuljahr definitiv nicht.

Gestern meldete sich die Vereinigung der Berliner Schulleiter wiederholt zu Wort und kritisierte den Senat für die

Planung des neuen Schuljahres. Die Schulleitervereinigung hat recht. Berlin braucht mindestens 400 neue, 400 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer, wie wir sie im Frühjahr dieses Jahres gefordert haben. Herr Präsident! Mit Ihrer Erlaubnis möchte ich einige Zahlen aus der Erklärung der Schulleitervereinigung zitieren:

Charlottenburg-Wilmersdorf: 79 Lehrkräfte fehlen

Steglitz-Zehlendorf: 80 Lehrkräfte fehlen

Tempelhof-Schöneberg: 95 Lehrkräfte fehlen, davon allein 48 an den Grundschulen

Friedrichshain-Kreuzberg, mein Bezirk: 45 Lehrkräfte fehlen

Spandau: 58 Lehrkräfte fehlen

Diese Liste kann für die gesamten Berliner Bezirke fortgeführt werden. Das sind keine Hirngespinste – so hat es Herr Böger, der Vorgänger von Herrn Zöllner immer wieder gesagt – von übereifrigen Elternvertretern oder die Einbildung der Schüler vor Ort, sondern Berechnungen der Schulleiter vor Ort in den Schulen. Das müssen wir ernst nehmen.

[Beifall bei den Grünen]

Was tut nun die Verwaltung? – Sie rechnet und rechnet und teilt uns gebetmühlenartig mit, dass die Zahl der Lehrer ausreichen würde. Demgegenüber steht der massive Unterrichtsausfall in den Schulen. Wie gut die Verwaltung rechnen kann, konnten wir in den vergangenen Wochen sehen, als die Entwicklungen in Pankow nicht nur verschlafen, sondern schlichtweg falsch berechnet worden sind. Leidtragende sind wieder einmal die Schüler.

Als wir diese Drucksache im Ausschuss behandelt haben, ließ sogar ich mich von den Rechenkünsten der Verwaltung fast blenden und habe beinahe geglaubt, dass die sogenannte Neueinstellung von 220 Lehrkräften zum neuen Schuljahr auskömmlich sei. Allerdings hat mir die rote Nr. 99 B des Hauptausschusses vom April die Augen geöffnet. Die Einstellung von 220 Lehrkräften reicht laut dieser roten Nummer eben nicht. Sie ist nur notwendig, um die Grundausstattung auf heutigem Niveau zu halten. Uns geht es aber nicht darum, das heutige schlechte Niveau zu halten, sondern um Qualitätsverbesserung. Wir wollen den Unterrichtsausfall bekämpfen. Deshalb fordern wir, dass 400 Lehrkräfte neu und zügig eingestellt werden sollen.

[Beifall bei den Grünen]

Zum Schluss möchte ich zu einer weiteren Mogelpackung aus dem Haus Zöllner kommen. Der Senator hat erkannt, dass es notwenig ist, den Schulen auch Vertretungsmittel in die Hand zu geben. Das ist eine richtige und notwendige Entscheidung. Die Schulen sollen 100 Prozent Grundausstattung zuzüglich 3 Prozent für die Vertretungsreserve bekommen. Das macht 103 Prozent. Nach den jetzigen Organisationsrichtlinien des laufenden Schuljahres haben die Schulen 105 Prozent. Ich frage Sie, Herr Zöllner, wo

die 2 Prozent geblieben sind. Das ist eine Kürzung durch die Hintertür, die wir keinesfalls akzeptieren.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Kollege Mutlu, würden Sie bitte zum Schluss kommen?

Mein letzter Satz, Herr Präsident! – Mit den 3 Prozent können die Schulen auch nichts anfangen. Warum können sie nichts damit anfangen? – Wir haben heute in der Fragerunde erfahren, dass es lediglich 22 Lehrer gibt, die in der Vertretungsreserve zur Verfügung stehen. Was sollen die Schulen mit den 3 Prozent, wenn es die Lehrer nicht gibt? – Es gibt die Lehrer nicht, weil dieser Senat mit seiner desaströsen Personalpolitik die Lehrer vertrieben hat und in andere Länder gehen ließ. So kann es nicht weitergehen.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Kollege Mutlu! – Für die Fraktion der SPD hat nunmehr Frau Dr. Tesch das Wort. – Bitte schön, Frau Dr. Tesch!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Erst einmal habe ich mich gefragt, warum die Grünen ausgerechnet zu diesem Antrag noch einmal im Plenum reden wollten. Herr Mutlu hat es gerade noch einmal gesagt, die Genesis war eigentlich folgende: Wir haben diesen Antrag bereits am 22. März – das ist schon lange her – hier im Plenum beraten. Damals war es allerdings ein riesiges Antragspaket von sechs Anträgen, die zusammengequetscht wurden. Dann wurde er wie viele andere Anträge auch in den Schulausschuss überwiesen. Wir haben ihn dort am 19. April beraten. Dort wurde er mehrheitlich abgelehnt. Die antragstellende Fraktion – Herr Mutlu hat es gerade gesagt – hat den Halbsatz – 400 Lehrer dauerhaft einstellen – aus der Überschrift heraus- und den ersten Absatz gestrichen, weil auch die Grünen eingesehen haben, dass Rot-Rot sehr viel für neue Lehrereinstellung getan hat. Letztlich bleibt jetzt der zweite Absatz übrig, in dem die Grünen fordern, dass eine Internetplattform für neue Einstellungen aufgebaut werden soll. Die ist bereits in Betrieb gegangen. Jetzt ist Herr Mutlu aber doch noch einmal auf seine alten Forderungen eingegangen, die ich hier auch erwidern werde.

Ich sage immer, wo ich auch bin, reden Sie doch bitte nicht alles schlecht in der Berliner Schule. Das hat er auch nicht getan. Ich war sehr erfreut, dass Herr Mutlu sagte, es sei prima und gut, dass Herr Zöllner diese 300 befristeten Lehrer eingestellt hat. Das war erst einmal ein Lob.

Ich bedanke mich! – Dann hat er gleich kritisiert, dass sie nur befristet eingestellt wurden. Es ist bei den vorhandenen Bedarfszahlen ein großer Wurf, noch einmal 220 Vollzeiteinheiten Lehrer einzustellen. Natürlich können sich diese 300 Kolleginnen und Kollegen darauf bewerben. Das ist doch überhaupt kein Problem. Da die Schule jetzt selbst auswählt, kann sie Kolleginnen und Kollegen, mit denen sie gut zusammengearbeitet hat, dann auch übernehmen.

Welches Plus gibt es noch? – Das fällt immer herunter. Es wäre ungerecht, 220 neue Lehrer einzustellen und denen, die damals zwangsweise auf Teilzeitstellen gehen mussten, nicht die Möglichkeit zu geben, diese aufzustocken. Das ist aber gemacht worden. Jeder andere Finanzsenator hätte jetzt gesagt: „Mein lieber Bildungssenator, das rechne ich dir aber auf deine 220 Stellen an.“ Nicht so unser lieber Thilo! Der hat eingesehen, dass die Berliner Schule Lehrer braucht. Das gibt es noch dazu.

[Beifall bei der SPD]

Nun hypothetisch anzunehmen, wie viele das sein werden – man munkelt, es könne sich in der Größenordnung von 200 Stellen bewegen –, wäre unredlich. Wir wären auch schon bei den 400 Stellen. Was wollen Sie eigentlich noch mehr?

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion]

Nun hebt Herr Mutlu auf die Forderungen der Schulleiter ab, die gestern in der Abendschau und heute in allen Zeitungen zu lesen waren und begibt sich auf die bezirkliche Ebene. Das ist richtig so. Sie haben aber verschwiegen, dass es auch in anderen Bezirken einen Überhang gibt. Sie haben jetzt die Bezirke aufgezählt, wo Bedarf besteht. Dann sollten Sie aber auch ehrlich argumentieren. Dann haben Sie wieder etwas Positives gesagt, das ist richtig, dass wir diese „100-plus-3 Prozent-Entscheidung“ gefällt haben. Alle Schulen sollen mit 100 Prozent plus den 3 Prozent Vertretungsmitteln ausgestattet werden.

Und natürlich können die Schulen damit etwas anfangen. Sie können es ansparen und in andere Projekte stecken. Ich verstehe überhaupt nicht, warum nicht alle Schulen mitgemacht haben, das habe ich neulich an dieser Stelle gesagt.

Sie sagen, 105 Prozent sind mehr. Natürlich sind 105 Prozent mehr als 103 Prozent. Aber damals waren die Dauerkranken noch mit eingerechnet.

[Özcan Mutlu (Grüne): Die gibt’s doch immer noch!]

Ja, aber sie werden aus diesen 100 Prozent herausgerechnet, das wissen Sie doch genauso gut wie ich, Herr Kollege! Damit sind es reale 100 Prozent.