Protocol of the Session on May 24, 2007

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Durch den „Spiegel“!]

Es gab davor auch Zeitungsinterviews. Es hätte sich gehört, hier nicht mit einem verdienten Mitarbeiter, der sich im Wort etwas vertan hat – das gebe ich zu –,

[Carl Wechselberg (Linksfraktion): Etwas?]

so umzugehen. Das hat der Staatsanwalt nicht verdient.

[Beifall bei der FDP – Christian Gaebler (SPD): Das ist liberale Rechtspolitik!]

Frau Senatorin von der Aue, Sie haben bei der Vorstellung des Schwellentäterkonzepts, welches der Jugendstaatsanwaltschaft viel mehr Arbeit beschert, aber keine zusätzliche Stelle gebracht hat, gesagt, dass Sie auf die Motivation der Staatsanwälte vertrauen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie mit Ihrem unglücklichen Agieren in der Sache Reusch nichts dazu beigetragen haben, die Motivation zu steigern.

[Beifall bei der FDP]

Hier ist vielmehr zu vermuten, dass die Äußerung zur Untersuchungshaft, Herr Dr. Lederer, nur dazu dient, den Staatsanwalt für andere Äußerungen in dem Interview zu bestrafen, die linken Sozialdemokraten einfach nicht passen.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Jetzt sehen Sie sich einmal vor!]

Meine Damen und Herren von der SPD! Viele von Ihnen hören es nicht gern, dass die Abschiebungshindernisse in Deutschland zu hoch sind und dass ausländische Serientäter in Deutschland nichts zu suchen haben. Sie haben es nicht gern und hören es auch nicht gern, dass wir zu vielen Personen den deutschen Pass hinterhergeworfen haben, die ihn nicht verdient haben.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Die Grünen mögen das!]

So entspricht Ihr Umgang mit Oberstaatsanwalt Reusch letztendlich auch Ihrer konsequent verfolgten Politik der Ausgrenzung derer, die im Bereich der Migration unbe

queme Positionen einnehmen. Die Kollegen Hillenberg und Hilse kann man auch nur als jüngstes Beispiel dafür in diesem Haus anführen.

[Beifall bei der FDP]

Ein weiterer Punkt, bei dem Sie, Frau Senatorin von der Aue, keine Glanzleistung hingelegt haben, ist die Personalie Flügge. Sicherlich ist es formal vollkommen richtig zu sagen, dass die Versetzung eines Staatssekretärs in den einstweiligen Ruhestand nicht begründet werden muss und stattdessen pauschal auf fehlendes Vertrauen verwiesen wird. Ihre Entlassung hat nun aber den Eindruck erzeugt, dass Herr Flügge die Aufklärung der Medikamentenaffäre hintertrieben hat oder für die nunmehr bekannten Missstände mitverantwortlich ist. Wenn man Herrn Flügge öffentlich mit einem solchen Makel belegt, muss man Beweise vorlegen oder Herrn Flügge deutlich vor allen Vorwürfen in Schutz nehmen.

Eines geht jedenfalls nicht – in dieser Sache weiter ein nebulöses Bild aufrechtzuerhalten, weil man sich entweder davor scheut, das politische Versagen der SPD deutlich zu machen, oder aber weil ein „Buhmann“ Flügge gerade ins Bild passt, um die Einsetzung der eigenen Vertrauensleute in ein besseres Licht zu rücken.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Naja!]

Frau von der Aue! Sie verdienen Respekt dafür, dass Sie mit der Einsetzung der Untersuchungsgruppe und der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts nicht davor zurückgeschreckt sind, die im politischen Verantwortungsbereich von SPD-Politikern entstandenen Missständen offenzulegen. Man kann schon heute feststellen: Die politische Verantwortung für die Medikamentenaffäre trägt die Berliner SPD.

[Beifall bei der FDP und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ich kann Ihnen, Frau Senatorin, aber eines versprechen: Die Oppositionsparteien werden die Aufklärung des Sachverhalts vorantreiben. Wir werden uns insbesondere mit den Widersprüchen befassen, die Sie selbst betreffen. Wir haben auf der einen Seite eine Senatorin, die in der Sitzung des Rechtsausschusses vom 18. April Folgendes sagte: Nach unterschiedlichen Auffassungen über das Verfahren in der Dokumentation zwischen dem Haushaltsbereich der JVA Moabit und dem Ärztlichen Dienst

hat es – das ist auch belegbar, das ist in Gesprächen nachvollziehbar dokumentiert worden – auch Telefonanrufe in die Justizverwaltung, sprich: konkret zu dem damaligen Staatssekretär, gegeben. Dann hat sich die Auffassung durchgesetzt, die letztendlich dazu geführt hat, dass bestimmte Dinge nicht so geregelt worden sind, wie sie eigentlich hätten geregelt werden sollen.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was hat das mit dem Maulkorb zu tun?]

Dem entgegen steht die Aussage des Herrn Flügge in der Sitzung des Rechtsausschusses vor einer Woche. Er sagte, es habe solche Anrufe nie gegeben. Wörtlich führte er weiter aus:

Ich habe nie dafür gesorgt, dass derartige Versuche zur Verbesserung, wenn es sie denn je gab, im Sande verlaufen seien. Wer solche Behauptungen in die Welt setzt, sagt die Unwahrheit.

Hier kann nur einer der betroffenen Sozialdemokraten vor dem Rechtsausschuss die Wahrheit gesagt haben. Ich versichere Ihnen, dass wir Liberalen, zusammen mit CDU und Grünen, die Sachaufklärung vorantreiben werden.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Sehr gut!]

Wir werden die unvereinbaren Widersprüche zwischen den beiden SPD-Politikern von der Aue und Flügge aufklären.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Jetzt sage ich Ihnen auch, was das mit dem Maulkorb zu tun hat: Ich halte es für unerträglich, dass Bedienstete, die eingeladen werden, in den Rechtsausschuss zu kommen, unter Hinweis auf wichtigere Termine absagen und nicht im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses erscheinen. Für ein solch despektierliches Verhalten muss es politische Rückendeckung gegeben haben.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Gelächter bei der SPD und der Linksfraktion – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Wie? Was?]

Jedenfalls wird es für einen dieser beiden SPD-Politiker danach ziemlich windig und ungemütlich werden.

[Christian Gaebler (SPD): Wir zittern schon!]

Sie sicherlich nicht! Aber Sie werden sehen: Auch Sie treten hier noch rechtzeitig ab.

[Heiterkeit – Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Wir haben Angst!]

Problemanalysen haben wir genug gesehen. Wir wollen endlich Taten von Ihnen. Ich hoffe, dass wir nun endlich mit Ihnen in eine Sachdebatte einsteigen. Wir haben dazu Anträge im Rechtsausschuss gestellt. Ich nenne hier nur unser Konzept, mit jugendlichen Ersttätern umzugehen, diesen schneller erzieherische Maßnahmen angedeihen zu lassen. Wir wollen die Sachdebatte mit Ihnen und keine Nebenkriegsschauplätze.

[Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Alles Phrasen- drescherei!]

Ich freue mich darauf, dass wir dann endlich einmal dazu kommen, auch in den Haushaltsberatungen etwas gemeinsam für die Justiz zu tun und diese Nebenkriegsschauplätze zu verlassen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kluckert! – Für den Senat hat jetzt das Wort die Senatorin für Justiz, Frau Senatorin von der Aue. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir bitte eine Vorbemerkung! Schon die Überschrift für die Aktuelle Stunde spricht für sich: „Pleiten, Pech, Pannen – Maulkorb statt schonungsloser Problemanalyse in der Berliner Justiz?“ Wie in der letzten Plenarsitzung zeichnen Sie ein Zerrbild der Berliner Justiz und reden damit die gute Arbeit in der Gerichtsbarkeit, in den Strafverfolgungsbehörden, im Vollzug und in den Sozialen Diensten schlecht. Sie ignorieren die Anstrengungen und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedensten Bereichen, die trotz der für Berlin notwendigen Sparmaßnahmen gute Arbeit leisten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ich sage Ihnen auch heute wieder: Trotz der Probleme, die der strikte Sparkurs uns bereitet hat, braucht die Berliner Justiz auf keinem Feld den Vergleich mit anderen Ländern zu scheuen. Es ist ärgerlich, dass Sie wegen eines kurzfristigen Gags und einer vermeintlich markigen Formulierung die Arbeit der Berliner Justiz diffamieren.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Vielleicht haben Sie auch vergessen, meine Damen und Herren von der Opposition, dass gerade Sie es waren, die mich für meine schonungslose Problemanalyse sogar gelobt haben. Erinnern Sie sich ruhig daran! Dazu gehört aber auch, dafür Sorge zu tragen, dass nicht vergessen wird – und zwar auch nicht von Einzelnen –, dass in Berlin die Strafverfolgungsbehörden rechtsstaatlich vorgehen. Das als Maulkorb zu werten, ist abenteuerlich.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Es geht Ihnen offenkundig um meine öffentliche Positionierung zu den im „Spiegel“ wiedergegebenen Äußerungen des Leiters der Intensivtäterabteilung der Staatsanwaltschaft Berlin, Herrn Oberstaatsanwalt Reusch. Dazu ist zunächst Folgendes zu bemerken:

Es geht hier nicht darum, einen Maulkorb zu verpassen, aber Herr Oberstaatsanwalt Reusch ist Beamter. Und als Beamter unterliegt er unter anderem der Pflicht zu neutraler Amtsausübung und der Pflicht zur politischen Mäßigung.

Zweitens ist festzuhalten: Nicht ich bin in die Öffentlichkeit gegangen und habe dort fragwürdige rechtspolitische Ansichten vertreten. Wer dies als Oberstaatsanwalt tut, muss mit einer Antwort rechnen.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Damit Sie sich nicht weiter an Falschmeldungen und Unterstellungen abarbeiten, stelle ich ausdrücklich klar: Ich habe weder die Arbeit von Herrn Oberstaatsanwalt

Reusch als Leiter der Intensivtäterabteilung noch die Ausrichtung der Arbeit der gesamten Abteilung 47 kritisiert – im Gegenteil: Ich habe diese Arbeit in meiner gesamten bisherigen Amtszeit im Parlament und gegenüber der Presse immer wieder ausdrücklich als erfolgreich und effektiv beurteilt und politisch ausdrücklich unterstützt – Sie, meine Damen und Herren von der CDU, im Übrigen auch. Nicht zuletzt wegen dieser erfolgreichen Arbeit ist die Anzahl der Verurteilungen jugendlicher Intensivtäter deutlich gestiegen, das wurde schon erwähnt. Darüber hinaus sind die positiven Erfahrungen der Abteilung 47 genutzt worden und haben dazu geführt, dass die Staatsanwaltschaft Berlin – dies übrigens mit meiner ausdrücklichen Billigung – die intensive täterorientierte Strafverfolgung auch auf solche jugendlichen Straftäter ausgedehnt hat, die sich noch auf dem Weg oder an der Schwelle zum Intensivtäter befinden.