Protocol of the Session on April 26, 2007

Herr Liebich! Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Dr. Lindner?

Ja, sehr gerne! Mich interessiert seine Meinung zur Sache.

Herr Liebich! Finden Sie nicht auch, dass – wenn man sich Wettbewerb zwischen den Ländern sparen will und wenn man gleiche Lebensverhältnisse von Berchtesgaden bis Kiel und vom Breisgau bis in die Uckermark haben will – man sich die Länder dann auch sparen könnte und gleich eine einheitliche, zentrale Bundesverwaltung einführen sollte?

An einigen Punkten finden wir in der Tat, dass es eine stärkere Zentralisierung geben sollte. Bei der Bundessteuerverwaltung wird das beispielsweise in der Föderalismuskommission diskutiert. Das finden wir richtig. Das muss auch passieren. Aber die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, wie sie immer noch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland steht, finden wir richtig, im Unterschied zur FDP. Sie haben das hier noch einmal deutlich gemacht. Wir werden in der Föderalismuskommission dafür kämpfen. Ich hoffe, das Land Berlin auch, auch wenn Herr Sarrazin in einigen Unterabteilungen eine persönliche Meinung hat, die davon abweicht. Ich hoffe, dass diese Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auch künftig erhalten bleibt, weil das für das Land Berlin von hoher Wichtigkeit ist.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Länder ohne Wettbewerb machen keinen Sinn!]

Herr Kollege! Es besteht ein weiterer Wunsch nach einer Zwischenfrage von Herrn Kollegen Zackenfels.

Ja, sehr gerne!

Bitte schön!

Herzlichen Dank! – Herr Kollege! Meinen Sie nicht auch, dass es den südlichen Bundesländern gut anstünde, etwas von dem zurückzugeben, was sie durch die Teilung Deutschlands und die besondere Rolle Berlins, nämlich den Verlust einer Reihe von Arbeitsplätzen von Großkonzernen wie Siemens usw., seit 1945 bekommen haben, und auch im Rahmen eines entsprechenden föderalen Systems wieder an die Stadt zurückzugeben?

[Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Absolut, Herr Zackenfels! Es gibt die Notwendigkeit. – Und, Herr Lindner, das Bundesland Bayern hat in der Vergangenheit – das wissen Sie sicherlich – viele Jahrzehnte lang vom föderalen System profitiert, indem die Überweisungen damals in das Bundesland Bayern gingen. Daran erinnert man sich jetzt nicht mehr so gerne, wenn die Finanzströme in eine andere Richtung gehen.

Wir finden es weiterhin wichtig – und das finden alle Parteien in der Föderalismuskommission –, dass über den Investitionsbegriff diskutiert wird, dass man davon wegkommt, nur Investitionen in Beton zu berücksichtigen. Auch Investitionen in Bildung und Wissenschaft sollten berücksichtigt werden.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) und von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]

Ein Steuerwettbewerb, wie er von einigen angedacht wurde, eine Verlagerung der Hebesätze auf das Land Berlin – Herr Lindner nickt; wissen Sie, was das für das Land Berlin bedeutet? Haben Sie schon einmal ausgerechnet, was das real für das Land Berlin bedeutet? Das bedeutete Millionen Mindereinnahmen, weil Berlin keine gleiche Ausgangsbasis hat. Was Sie wollen, ist neoliberal, aber es nützt nicht dem Land Berlin. Darüber müssen Sie reden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zuruf von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Das sind die Positionen, die die Menschen in Berlin wirklich interessieren. Das ginge zulasten der Berlinerinnen und Berliner. Deshalb finde ich es gut, dass wir jetzt noch ein bisschen über die Sache reden können, nachdem Sie

sich vorhin über Klaus Wowereit aufgeregt haben. Das ist das wirklich Gefährliche. Wenn Sie etwas zu sagen hätten, dann würden Positionen in die Föderalismuskommission eingebracht, die zulasten des Landes Berlin gingen. Ich bin froh, dass das nicht der Fall ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Wir diskutieren im Moment über den Umzug der in Bonn verbliebenen Regierungsteile nach Berlin. Frau Bluhm hat vorhin schon gesagt, es gibt bisher leider erst eine Fraktion im Deutschen Bundestag, die einen Beschluss gefasst hat, ein Beendigungsgesetz zum Berlin-Bonn-Gesetz vorzulegen, nämlich dass der jetzige Zustand der Zweiteilung der Bundesregierung aufgehoben werden muss. Nun können Sie sagen: Ja, die Linkspartei hat das leicht. Die ist eine Ostpartei. Da sind alle berlinorientiert. – Das ist falsch, weil die Menschen im Osten nicht alle berlinorientiert sind – sie sind zum Teil ziemlich frustriert, was Berlin betrifft – und unsere Fraktion im Deutschen Bundestag mittlerweile mehrheitlich westdeutsch besetzt ist. Also ermuntere ich Sie, Herr Lindner, diese Debatte in der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag anzustoßen, denn der Herr Fricke, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, hat gerade gestern gesagt, dass er einen Komplettumzug der Bonner Ministerien unter Hinweis auf die Kosten von angeblich 5 Milliarden € ablehnt. Setzen Sie Ihre Kraft dafür ein! Kämpfen Sie dafür, damit tun Sie etwas Wichtigeres für Berlin, als hier Herrn Donnermeyer zu beschimpfen.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Den Antrag der FDP-Fraktion werden wir ablehnen, weil sich Herr Wowereit vorhin erklärt hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Gelächter von Dr. Martin Lindner (FDP)]

Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Abgeordnete Ratzmann. – Herr Kollege, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Zackenfels! Zweimal in einer Sitzung von Ihnen gelobt zu werden, da kommen mir schon langsam Zweifel, dass ich gestern alles richtig gemacht habe.

[Heiterkeit von Stefan Zackenfels (SPD)]

Aber ich will Ihnen zumindest in einem Punkt recht geben. Sie haben sehr betont, dass es letztendlich darum geht, Berlin zu nützen. Das sollten wir alle in den Mittelpunkt stellen zu fragen: Was nützt der Stadt, wenn drei Ministerpräsidenten aus Ländern, die unserer Klage, die wir in Karlsruhe geführt haben, und der Diskussion über die Hauptstadt in der Föderalismuskommission I nicht unbedingt immer wohlgesinnt waren, auf Einladung einer Stiftung in die Stadt kommen und Reden halten, in denen sie eine grundsätzliche Solidarität mit dieser Stadt bekunden, konkrete Angebote machen? Das war – bei aller Kri

tik an seiner sonstigen Rede – Wulff, der zum ersten Mal das Wort Entschuldungspakt für diese Stadt – nicht allgemein für alle verschuldeten Länder in der Republik – in den Mund genommen hat. Genau dasselbe hat Oettinger in seiner Rede gemacht. Und Herr Milbradt hat in seiner Rede klargemacht, dass Berlin die Stadt in der Bundesrepublik ist, die Solidarität und Hilfe von allen Ländern braucht und der man mit konkreten Initiativen unter den Arm greifen muss.

Wer sich die Situation in der Vergangenheit vor Augen hält, muss wissen, dass das nach einer Reaktion vonseiten der höchsten politischen Würdenträger in dieser Stadt schreit, Herr Zackenfels. Wie stellen Sie sich denn Politik vor?

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Da springen sie sozusagen nach dem Karlsruher Urteil über Ihren Schatten, nachdem sich unser Regierender Bürgermeister hingestellt und lamentiert hat: Wir sind von der Welt verlassen. Wir sind wieder zurück im Land der Trümmerfrauen. – Dann kommen sie, stellen sich hin und sagen: Nein! Wir gehen über diesen Schatten, und natürlich müssen wir diesem Land helfen. Da reicht es einfach nicht, wenn Herr Sarrazin am Flughafen Tegel abgefangen wird und in ein RBB-Mikrofon nuschelt, dass jetzt jemand einen Ball in die Luft gespielt hat, und jetzt müsse man einmal gucken, wo er landet. Das ist doch keine adäquate Reaktion auf ein solches Angebot.

[Beifall bei den Grünen, der FDP und der CDU]

Gerade weil wir wissen, Herr Zackenfels, wie schwierig es war, in der Föderalismuskommission I das Thema Hauptstadt zu verankern, gerade weil wir wissen, wie wichtig es war, die wenigen Verbündeten, die wir hatten, zusammenzusammeln und Druck zu machen, weil wir wissen, wie die Funktionsweisen mit den anderen Ministerpräsidenten sind, ist es doch so wichtig, das aufzugreifen, festzuzurren und sie jetzt mit ins Boot zu holen. Das ist die Aufgabe, die ein Regierender Bürgermeister in Berlin auf diese Initiative ergreifen muss.

Und, das sei an dieser Stelle auch noch einmal gesagt, es ist langsam einmal fällig, dass man Herrn Hassemer dafür dankt, dass er diese Initiative überhaupt ins Leben gerufen hat.

[Beifall bei den Grünen, der FDP und der CDU – Uwe Doering (Linksfraktion): Ach nee!]

Wer sich die ganze Zeit darauf ausruht, die Hauptstadtklausel ins Grundgesetz gebracht zu haben, und dann nichts dafür tut, sie auch umzusetzen, muss froh und dankbar sein, wenn andere die Initiativen ergreifen und die Ministerpräsidenten, die Länder, die unabdingbar notwendig sind, ihre Positionen zur Hauptstadt zu festigen, in die Stadt einlädt und sie dazu bringt, solche Reden zu halten. Ich kann nur sagen, an dieser Stelle muss man der Stiftung Zukunft Berlin danken, dass sie diese Initiative ergriffen hat.

[Beifall bei den Grünen]

Es reicht einfach nicht, Herr Donnermeyer, wenn Sie erklären, dass das alles schon in der Föderalismuskommission II zur Sprache gebracht wird. Erstens ist es nicht erkennbar und auch nicht wahr.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig! Es ist gelogen!]

Ich fordere Sie alle auf: Tun Sie es! – Der Bundestag stellt einen wunderbaren Service zur Verfügung: Videoaufzeichnungen. Sie können sich die Rede von Herrn Wowereit in der ersten Sitzung angucken. Da ist von diesem Thema nicht die Rede.

[Beifall bei der FDP]

Das Einzige, was da kommt, ist die langsame Vorbereitung dieses Vorschlags von Herrn Sarrazin, nicht nur eine Bundessteuerverwaltung einzuführen, sondern auch gleich noch die ganzen Steuergesetzgebungskompetenzen an den Bund zu schaffen und die Länder völlig aus der zukünftigen Steuergesetzgebung dieses Landes herauszuhalten. Das ist übrigens eine Position, die Ihre SPDKollegen aus Baden-Württemberg kaum noch auf den Sitzen gehalten hat, Herr Wowereit, wenn ich Ihnen das einmal sagen darf.

[Dr. Martin Lindner (FDP): Richtig!]

Es gibt überhaupt keinen Bezug zu dem, was Sie bisher gemacht haben. Dieses Parlament als Repräsentant des Landes muss die Initiative ergreifen und Sie auffordern, sich endlich zu bekennen und muss diese Initiative ergreifen, um die Stadt in der Bundesrepublik, die Metropole, die Hauptstadt auch in ihrem Standpunkt und ihrem Wesen und ihrer Funktion in dieser Stadt zu Bedeutung zu verhelfen. Sie haben es nicht gemacht, und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie es nicht gemacht haben, weil Sie immer noch gekränkt sind über das, was in Karlsruhe gelaufen ist, weil Sie immer noch daran hängen, dass Sie nicht derjenige waren, der das Land zu dem großen Sieg verholfen hat. Ich sagen Ihnen: Springen Sie über den Schatten Ihrer persönlichen Eitelkeiten, weil es dem Land nutzt, wenn Sie jetzt auf die anderen zugehen und nicht weiter gekränkt in der Ecke stehen.

[Beifall bei den Grünen und der FDP]

Das ist die Diskussion, die wir hier führen müssen, Herr Liebich, und nicht die allgemeine Diskussion über die Föderalismuskommission. Der Antrag lautet: Regierungserklärung und nicht Positionierung zur Föderalismuskommission. Das haben Sie gestern im Hauptausschuss versäumt.

Das Land Berlin hat keine klare Position bezogen, wie es und mit welchen Positionen in der Föderalismuskommission auftreten will. Uns interessiert das auch, und das muss dringend nachgeholt werden. Ich sage Ihnen: Sie und die SPD werden große Schwierigkeiten haben, überhaupt eine einheitliche Linie zu finden, und deshalb verstecken Sie sich im Moment dahinter, keine klare Position zu beziehen. Aber das sage ich Ihnen auch: Mit der Position werden Sie nicht weiterkommen. Das Land Berlin muss Farbe bekennen und das Abgeordnetenhaus muss den Regierenden Bürgermeister auffordern, hier die Re

gierungserklärung abzugeben. Das sind wir dem Land Berlin schuldig. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen, der FDP und der CDU]

Meine Damen und Herren! Der Regierende Bürgermeister hat um das Wort gebeten. – Bitte sehr, Herr Wowereit!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ratzmann! Ich springe vor allen Dingen über Ihren Schatten, der ist nämlich sehr klein.