Der Polizeipräsident hat dem heute in einem „Tagesspiegel“-Interview pflichtgemäß widersprochen und damit, genau wie Sie, Herr Körting, einmal mehr ignoriert, dass Berlin mit über 500 000 Straftaten pro Jahr Platz 1 der deutschen Großstädte belegt. Wenigstens auf diesem Gebiet ist Berlin Spitzenreiter, wenn es auch ein unrühmlicher, trauriger 1. Platz ist. Es ist übrigens sehr bemerkenswert, dass sich der Berliner Polizeipräsident hier als SPD-Wahlkampfhelfer präsentiert. Das wundert mich allerdings nicht wirklich.
Davon einmal abgesehen: Bei über 500 000 Straftaten in unserer Stadt von Sicherheit zu sprechen, ist eine Wahrnehmung, die an der Realität völlig vorbeigeht.
Mittlerweile sammeln schon die Bediensteten der Berliner Feuerwehr Unterschriften gegen den Senat – loyale Mitarbeiter machen das nicht einfach so, sondern aus purer Verzweiflung. Ihre Mitarbeiter glauben Ihnen nicht mehr, und bei den Berlinerinnen und Berlinern schwindet das Vertrauen zusehends.
Nun stimmen wir über eine Reihe von Anträgen ab, die aus unserer Sicht die besseren Alternativen und die besseren Konzepte im Bereich der inneren Sicherheit aufzeigen. Viele unserer Forderungen sind mittlerweile aktueller denn je – ich nenne nur die von uns seit vielen Jahren geforderte Ausweitung der Videoüberwachung, Sie sind ja darauf eingegangen. Nach all den Sprüchen, die hier geklopft und durch Sie vorhin noch einmal wiederholt und unterstützt wurden, bin ich sehr gespannt, ob die Vertreter wenigstens Ihrer Fraktion, Herr Senator, heute unserem Antrag zustimmen. Sie könnten dann endlich einmal beweisen, dass Sie auch bereit sind, Ihren Worten Taten folgen zu lassen.
Nicht die Kriminalität, sondern die Kriminalitätsbekämpfung geht zurück. Das ist die wahre Bilanz Ihrer Arbeit, Herr Senator, denn erfasst wird lediglich das, was noch entdeckt und angezeigt wird, und das wiederum wird nur noch unzureichend aufgeklärt. Die Aufklärungsquote, die Sie zu verantworten haben, ist die schlechteste Aufklärungsquote seit acht Jahren.
Alles das, Herr Senator, ist die Folge Ihrer Politik. Seit Ihrem Amtsantritt haben Sie bei der Berliner Polizei allein im Vollzug fast 1 300 Stellen abgebaut. Setzt man 40 Stunden Arbeitszeit pro Woche an, so sind das rund 52 000 Stunden pro Woche, die Sie, Herr Senator, an Kriminalitätsbekämpfung und Prävention den Berlinerinnen und Berlinern vorenthalten. Die Formel dafür lässt sich auf einen einfachen Nenner bringen und lautet: weniger Polizei gleich weniger Sicherheit!
Das spüren die Menschen auch in unserer Stadt, und es gibt Menschen, die Angst haben. Diese Angst, ob subjektiv oder objektiv, ist genauso ernst zu nehmen wie eine tatsächliche Bedrohung. Niemandem, der sich ängstigt, ist damit geholfen, wenn ihm erklärt wird, dass die Situation nicht so schlimm ist. Für uns folgt daraus: Es muss nicht nur das Verbrechen stärker bekämpf werden, sondern dieser Kampf muss sichtbar und erfahrbar gemacht werden. Von alldem kann bei Rot-Rot nicht die Rede sein.
Aber auch die Berlinerinnen und Berliner haben ein Recht darauf zu vertrauen, ihre Sicherheit in guten Händen zu wissen. Dieses Vertrauen haben Sie, Herr Senator, leichtfertig verspielt. Ihr gestohlener Drahtesel in den Dünen von St. Peter Ording und Ihr Umgang damit ist zum Sinnbild dafür geworden, dass Sie selbst Kriminalität stillschweigend hinnehmen und offenbar kein Vertrauen mehr in die Polizei haben.
Das einzige, auf das man sich bei Ihnen verlassen kann, ist, dass man sich bei Ihnen auf gar nichts verlassen kann. Was haben Sie nicht alles versprochen und angekündigt? – Sie wollten das geltende Ausländerrecht durchsetzen und hart durchgreifen, tatsächlich hat sich in Ihrer Amtszeit die Zahl der Abschiebungen mehr als halbiert.
Sie wollten die Bürgernähe der Polizei stärken, tatsächlich haben Sie 7 Abschnitte geschlossen, und dem Vernehmen nach sollen weitere folgen. Sie wollten die Ausstattung der Polizei verbessern, statt dessen sinkt die Zahl der Funkwagen, der Handys, der Computer. Andere, moderne Kommunikationstechnik bei der Berliner Polizei – Fehlanzeige.
Natürlich sind Sie erst gegen Videoüberwachung, und jetzt tun Sie so, als hätten Sie sie erfunden. Das geht sogar
so weit, dass Sie unsere Anträge als SPD zu Ihrer Priorität machen. Verlässliche Politik und Glaubwürdigkeit, Herr Senator, sieht anders aus!
Berlin kann nicht länger warten, bis Sie Ihre ideologischen Vorbehalte abgearbeitet haben. Die Sicherheitslage in Deutschland hat sich verändert, und nie war die terroristische Bedrohung so nah wie jetzt. Mit unseren Anträgen zur Ausweitung der Videoüberwachung und zur Wiedereinführung der verdachtsunabhängigen Kontrollen sowie mit dem Aktionsprogramm Innere Sicherheit I und II wollen wir einen Beitrag dazu leisten, der Polizei die Möglichkeiten und die Befugnisse zu geben, um den Berlinerinnen und Berlinern ein Höchstmaß an Sicherheit zu bieten. Für uns bleibt es dabei: Innere Sicherheit ist die Voraussetzung für Freiheit und Lebensqualität unserer Bürger und ein entscheidender Standortfaktor. Andere Städte haben es gezeigt: Wo die CDU regiert, leben die Menschen sicherer. Berlin kann auch hier mehr als in den letzten fünf Jahren geboten wurde. Stimmen Sie unseren Anträgen zu, und Berlin macht einen großen Schritt zu mehr Sicherheit in unserer Stadt. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Es folgt die Linkspartei.PDS. Frau Kollegin Seelig hat das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, was schlimmer ist: Dieses Schüren von Angsthysterien, das Sie betreiben, oder die Unernsthaftigkeit, mit der Sie sich mit dem Thema auseinander setzen.
Ich finde es völlig unangemessen, wenn Sie die Gefahr, die ja tatsächlich näher gekommen ist nach den Anschlägen in London und den verhinderten Anschlägen in den
So wie auch Ihr Aktionspaket Innere Sicherheit gibt es immer wieder die selben ollen Kamellen: Das Leben wäre so viel sicherer, wenn wir den Unterbindungsgewahrsam auf vier Tage ausdehnen würden, den finalen Rettungsschuss nach Brandenburger Vorbild regelten und den Freiwilligen Polizeidienst wieder einführten. Wir erinnern uns: Das waren die Menschen, die nach zweiwöchiger Ausbildung mit geladenen Waffen durch den Park liefen.
Aber im Ernst: Der internationale Terrorismus ist eine immense Herausforderung für Politik wie für Sicherheitsbehörden, und wir sollten uns mit solchen Vorschlägen nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Wenn Sie mal in der Gegenwart angekommen sein werden und Ihrem Spitzenkandidaten nicht mehr die Geschichten von New York und der Null-Toleranz, die vor zehn Jahren hier kursierten, aufschreiben, kommen Ihnen vielleicht auch ein paar neue Ideen, die sich tatsächlich mit der Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt befassen. Bis dahin sind Sie nicht in der Lage, über die sicherheitspolitischen Geschicke dieses Landes in irgendeiner Weise zu befinden. – Danke schön!
Regionalzügen in Deutschland, mit Fahrraddiebstählen in St. Peter Ording in Verbindung bringen. Das muss Ihnen auch mal gesagt werden.
Diese Vermischung von ernsthaften Bedrohungen, mit denen man sich sehr klug und intellektuell auseinander setzen muss, und dem, was Sie hier an Schwarzmalerei entwickeln und wie Sie die Stadt madig machen, ist einfach unerträglich.
Natürlich gibt es gute Gründe, nach den Anschlägen in Sorge zu sein. Ich kann Ihnen versichern, dass alle Sicherheitsbehörden in diesem Land und selbstverständlich auch in dieser Stadt bestimmte Dinge überprüfen. Das tun sie aber nicht auf dem Marktplatz, sie tun das nicht lauthals, sie tun das nicht mit so billigen Vorschlägen. Interessanterweise hat eine Umfrage ergeben, dass die Mehrheit der Deutschen trotzdem keine Angst vor Terroranschlägen hat. Dem müssen wir hilfreich zur Seite stehen, statt dass wir Ihre Panikmacherei unterstützen.
Aber Angst scheint ja das Lebenselexier der Berliner CDU-Fraktion zu sein. Wie könnte es sonst passieren, dass Sie immer dann aus dem Tiefschlaf erwachen, wenn Sie meinen, Ihre Ladenhüter aus dem Law-and-OrderKatalog könnten mal wieder passen. Auch in Berlin – das müsste sich selbst bei Ihnen rumgesprochen haben – gibt es bei der BVG Videoüberwachung, und das nicht erst seit gestern. Es gibt auch einen Modellversuch, abgestimmt mit dem Datenschutzbeauftragten, der auch Videoaufzeichnungen ermöglicht. Da wir festgestellt haben, dass Attentäter ab und an mittels dieser Form der Aufzeichnung erkannt wurden, wird man darüber nachdenken, wie man datenschutzrelevant eine Ausweitung unter Umständen befürworten kann. Es geht dann allerdings um Strafverfolgung, nicht darum, wie Sie es schreiben, einen unverbindlichen Austausch von Daten mit Privaten und Sicherheitsbehörden zu vermengen. Das ist ja das Perfide an der Propagierung Ihres Allzweckmittels: Es gaukelt Sicherheit letztlich nur vor. Gerade wenn Attentäter identifiziert werden, hat dieses Mittel offensichtlich keine abschreckende und präventive Wirkung auf potentielle Terroristen, auf Selbstmordattentäter schon gar nicht.
Allerdings haben wir in Berlin keine Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze, und das soll auch so bleiben. Gefährdete Objekte dagegen, insbesondere Synagogen, können videoüberwacht werden. Ich frage mich immer, was Sie mit gefährdeten Plätzen meinen. Es wäre ja schön, wenn Sie uns die mal nennen könnten, damit wir wissen, wo wir in dieser Stadt gefährdet sind. Oder meinen Sie doch die gesamte Stadt? – Dann trifft natürlich Ihr Argument, Videoüberwachung wäre ein so preiswertes Mittel, bestimmt nicht zu.
Jetzt wollen Sie die Schleierfahndung wieder einführen, die glücklicherweise aus dem ASOG gestrichen wurde. Stellen Sie sich so Terrorismusbekämpfung vor? Polizisten stehen überall in der Stadt auf den Straßen, halten
irgendwelche Autos an und finden dann in den Kofferräumen zufällig Autobomben? – Von großer Kompetenz in Sicherheitsfragen zeugt das nicht gerade.
Berlin soll sich, das ist Ihre nächste Forderung, für die schnelle Einführung der Anti-Terror-Datei einsetzen. Abgesehen davon, dass wir als Linkspartei dazu erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken haben,
glaube ich aber zu wissen – und das hat der Senator bestätigt –, dass die Verzögerung durch unionsgeführte Länder kommen, weil sie nicht genug reinpacken können.
Danke schön, Frau Kollegin Seelig! – Es folgt der Kollege Ratzmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nie war der Terrorismus näher, und nie war die CDU so weit von vernünftigen und konstruktiven Vorschlägen zur Bekämpfung entfernt. Sie haben zum Schluss dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Nicht nur, dass Sie mit einem unsäglichen Plakat die ganze Stadt verunsichern und sich als ernst zu nehmende Partner aus der sicherheitspolitischen Debatte verabschiedet haben, nein, Sie graben auch noch die ollen Kamellen aus Ihrem Keller wieder aus und versuchen, mit Instrumentarien, die keiner mehr ernst nimmt, sicherheitspolitisch zu punkten. Eigentlich kann man es kurz machen: Der Innensenator hat Recht. Was Sie vorschlagen, taugt alles nichts, weder zur Terrorismusbekämpfung im präventiven oder repressiven Bereich noch zur Kriminalitätsbekämpfung. Deswegen werden wir weder Ihrem Ladenhüter Freiwillige Polizeireserve noch dem finalen Rettungsschuss oder dem Ausdehnen des Unterbindungsgewahrsams zustimmen.
Sie sind immer schnell und phantasievoll dabei, die Instrumente auszuweiten, aber entwickeln Sie doch auch
Phantasie, auf der anderen Seite etwas mehr Kontrolle und Überprüfung zu erreichen. Das vermisse ich bei Ihnen. Sie sind ansonsten immer sehr schlagfertig, aber ein bisschen mehr Bürgerrechtsengagement könnte auch einem Innensenator in der Hauptstadt Berlin gut zu Gesicht stehen.
Wir stimmen den Anträgen der CDU nicht zu, aber Ihrem Ansinnen, Herr Körting, so weiter zu machen wie bisher, erteilen wir auch eine klare Absage. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Innere Sicherheit, Terrorismusbekämpfung: Die Antwort der CDU ist die Kanone, und zwar die Gulaschkanone. Im Gegensatz zu einem Gulasch, das bei regelmäßigem Aufkochen und wiederholtem Erwärmen besser wird, sind die Anträge der Union, mit denen wir uns seit 5 Jahren in regelmäßigen Abständen beschäftigen, einfach ungenießbar geworden. Leider ist das Thema nicht lustig, und deswegen muss ich auch zum ernsten Teil übergehen, aber es wundert mich schon, dass nach 5 Jahren Arbeit in diesem Haus von der Union permanent die gleichen Anträge gestellt werden, egal ob es um Sprayer oder um Selbstmordterroristen geht. Für alle soll das gleiche Programm gelten. Das kann nicht richtig sein!
Sie wollen allen Ernstes in Berlin eine flächendeckende Videoüberwachung einführen. Da kann ich Ihnen nur sagen: Informieren Sie sich! Das nutzt überhaupt nichts. Deswegen werden wir dem auch nicht zustimmen.