Protocol of the Session on June 29, 2006

Sie werden doch nicht erwarten, dass wir den Senat zu etwas auffordern, was der Senat bereits tut. Er unterstützt selbstverständlich diese Haltung.

[Eßer (Grüne): Scheinbar tut er das nicht!]

Dazu noch einen Beschluss herbeizuführen, ist überflüssig.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zurufe von den Grünen]

Es bleibt als Resümee: Mit Ihren Anträgen instrumentalisieren Sie diese Fragen für parteipolitische Zwecke.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Peinlich!]

Das Thema der Durchsetzung von Menschenrechten weltweit ist zu bedeutsam, um es von Ihnen für diese Zwecke benutzen zu lassen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Dr. Lindner (FDP): Geschwätz! Peinlich! – Dr. Steffel (CDU): Die SPD ist so taub wie die PDS!]

Danke schön, Herr Kollege Zimmermann! – Für die CDU erhält der Kollege Apelt das Wort. – Bitte schön!

Menschenrechte sind und bleiben unteilbar. Es fällt mir, es fällt uns schwer zu begreifen, dass sich die Koalitionsfraktionen hier so zurücklehnen und sagen, was geht es mich an, Kuba ist weit weg, sollen sich andere darum kümmern, wir haben damit wenig zu tun. Dann muss ich an Sie appellieren: Sie haben doch auch als politisch denkende Menschen ein Selbstverständnis. Sie möchten doch hoffentlich auch ein ruhiges Gewissen haben, damit Sie sich nachts ruhig betten können. Aber können Sie das noch haben angesichts der Tatsache, dass Sie als Berliner ausgerechnet über diese Frage entscheiden, wenn Sie sagen: Hier wollen wir uns nicht äußern. Das interessiert uns nicht, das ist ein Thema, mit dem sich der Bundestag, das Europäische Parlament, der Europäische Rat beschäftigen sollen. – Das kann wohl nicht Ihr Ernst sein! Ich hoffe, dass Sie Ihr Gewissen nicht ruhig schlafen lässt, weil Sie doch darum wissen, dass Menschen elementarer Rechte beraubt werden. Gerade wir Berliner mit unserer Geschichte können nicht wegschauen. Wir können auch nicht schweigen! – Danke schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie nicht verwundern, dass die CDUFraktion dem vorliegenden Antrag zustimmt. Wir möchten uns nicht den Vorwurf gefallen lassen, bei Menschenrechtsverletzungen weggeschaut, sie geduldet oder verschwiegen zu haben. Menschenrechte sind unteilbar und universal, sie sollten in jedem noch so vergessenen Winkel dieser Welt gelten, von Weißrussland bis China, von Pakistan bis Irak, von Russland bis Kuba.

[Liebich (Linkspartei.PDS): USA!]

Kuba ist keine Ausnahme, darf keine Ausnahme sein. Kuba gehört inzwischen zu den ältesten Diktaturen der Welt, und trotz der jährlichen Behandlung in der UNMenschenrechtskommission und der Verurteilung hat sich wenig geändert. Noch immer werden Menschen wegen der Inanspruchnahme der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit verurteilt. Journalisten, Schriftsteller, Buchhändler, Angehörige oppositioneller Demokratiebewegungen sitzen im Gefängnis und werden zu Haftstrafen verurteilt, für die man bei uns einen Mord begehen müsste – bis zu 28 Jahren.

[Zuruf des Abg. Brauer (Linkspartei.PDS)]

Die Haftbedingungen sind zudem alles andere als menschlich zu nennen. Amnesty International hat einiges dazu aufgelistet, insbesondere was die berühmte Isolierungshaft à la Kuba bedeutet oder wie man mit Kindern und Frauen von Dissidenten in Kuba umgeht.

[Frau Dr. Hiller (Linkspartei.PDS): Darum geht es gar nicht!]

Es ist im Übrigen interessant, auf welcher Basis diese Verurteilungen vorgenommen werden. Da gibt es den berühmten Artikel 91 des Strafgesetzbuchs in Kuba, der die Kollaboration mit fremden Mächten unter Strafe stellt – dafür gibt es Haftstrafen zwischen 7 und 15 Jahren. Das erinnert an die DDR; da gab es den Artikel 99 des Strafgesetzbuches, bei dem es um die Kontaktaufnahme mit fremden Mächten ging. Dafür konnte man auch bis zu 11 Jahre ins Gefängnis kommen – jeder Oppositionelle in der DDR kannte diesen Artikel. Es sind die alten Muster, die an die Diktatur der DDR erinnern. Auch ein jüngster Fall erinnert an die DDR – weniger an die DDR der letzten Jahre als an die der 50er Jahre. Da wurde erst kürzlich ein Dissident zu 2 Jahren Haft verurteilt wegen Beleidigung Castros. Er hat ihn zu Hause beleidigt, und jemand hat ihn verpfiffen. Nicht umsonst hat Honecker mit Blick auf die untergehende DDR auf den, wie er es nannte, „kubanischen Leuchtturm des Sozialismus“ verwiesen. Im Übrigen, das sollte man auch erwähnen, erinnert der Umgang mit dem Ausland an die DDR. Da werden die Resolutionen der UN, des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rats ignoriert. Da wird Bundestagsabgeordneten wie dem CDU/CSU-Fraktionsvize Arnold Vaatz, der Menschenrechtsobmann der Fraktion ist, die Einreise zu einem Dissidententreffen nach Havanna verweigert.

Nein, meine Damen und Herren, wir können nicht schweigen, auch dann nicht, wenn es um Guantanamo

geht. Das haben auch die Bundeskanzlerin in Washington, das Europäische Parlament und der Europäische Rat deutlich gemacht. Ich bin froh, dass Bush von sich aus die Auflösung des Lagers versprochen hat,

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

und dies noch bevor Ratspräsident Schüssel ihn dazu aufgefordert hätte.

[Beifall bei der CDU, den Grünen und der FDP]

Danke schön, Kollege Apelt! – Für die Linkspartei.PDS erhält die Frau Kollegin Michels das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Apelt! Es geht nicht darum, dass wir uns zu dieser Frage nicht äußern wollen. Das haben wir längst getan.

[Frau Paus (Grüne): Wo denn?]

Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung. Ich finde es schon bezeichnend für die FDP, was Sie heute hier als Priorität Ihrer Fraktion deklarieren

[Dr. Lindner (FDP): Menschenrechte!]

angesichts der Tatsache, dass es nun wahrlich sehr viele brennende Probleme gibt, die heute auf der Tagesordnung stehen. Sie, Herr Dr. Lindner, haben am Anfang der Sitzung hingestellt und haben dem Parlament vorgeworfen, es wolle nicht über die wirklich brennenden Probleme dieser Stadt diskutieren.

[Brauer (Linkspartei.PDS): Da hat er sich nicht zugehört!]

Jetzt kommen Sie mit dieser Priorität.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Hahn (FDP): Haben Menschenrechte keine Priorität?]

Eine Opposition, die nicht mehr gegen die konkrete Regierungspolitik opponiert, sondern auf Bekenntnisse setzt, tut mir Leid.

[Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Denn welche wahren Intentionen hinter der Abstimmung zur Wahrung der Menschenrechte auf Kuba heute hier stehen, haben die antragstellenden Fraktionen Grüne und FDP endgültig in der Diskussion im Ausschuss und in den anschließend eiligst verfassten Pressemeldungen offenbart.

[Hahn (FDP): Aber klagen, dass wir nicht genügend opponierten!]

Vom „Eingreifen in die innerparteiliche Diskussion der PDS“ – Herr Hahn, Sie erinnern sich – war die Rede. „Man will die Meinung des größeren Koalitionspartners zur PDS in dieser Frage erzwingen.“ – Wer im Ausschuss eine ernsthafte inhaltliche Diskussion um die Menschenrechte in der Welt und Kuba im Besonderen erwartet hatte, war leider fehl am Platz, denn darum ging und geht es Ihnen gar nicht. Weil die Stoßrichtung beider Fraktionen in die gleiche Richtung zielt, stellen Sie sogar noch den Änderungsantrag, beide Anträge – die Schließung von Guantanamo und die Menschenrechte auf Kuba – in einem Antrag zu vereinen. Offensichtlicher geht es nicht! Nein, wichtig war und ist Ihnen die eine Schlagzeile, die Sie auch eiligst eine halbe Stunde nach der Ausschusssitzung an die Presse weitergaben:

PDS und SPD verweigern Bekenntnis zu den Menschenrechten und zum freiheitlichen Wertesystem.

Zitat von Herrn Hahn.

Das ist so falsch wie gleichzeitig unsinnig. Es geht Ihnen nur um Bekenntnisse. Sie stellen nicht ernsthaft den Antrag wegen der Kubanerinnen und Kubanern. Das hat die Debatte im Ausschuss deutlich gezeigt. Sie stellen den Antrag unseretwegen, weil Sie durch die Debatte im Europaparlament beobachtet haben, dass man diese Partei vielleicht vorführen und in Nöte bringen kann.

[Dr. Steffel (CDU): In der Tat! – Eßer (Grüne): Scheint ja auch so zu sein!]

Das ist normal in der Politik, das wird auch hin und wieder in diesem Haus getan. Aber ich sage Ihnen eines auch deutlich: Es gibt eine Grenze. Diese Grenze sind die Menschenrechte.

[Gelächter des Abg. Dr. Lindner (FDP) – Zurufe der Abgn. Frau Senftleben (FDP) und Dr. Augstin (FDP)]

Man darf sie niemals und zu keinem Zweck und auch nicht gegen oder für uns instrumentalisieren. Damit haben Sie sich unglaubwürdig gemacht.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Sie haben sich auch dadurch unglaubwürdig gemacht, Herr Lindner, dass Sie es nicht einmal bestreiten, dass Sie das nur unseretwegen tun. Das darf man mit Menschenrechten nicht machen. Nein, da machen wir nicht mit!

[Dr. Steffel (CDU): Ehrenvorsitzender Modrow! – Dr. Lindner (FDP): Sie heucheln!]

Beim Wort „heucheln“ würde ich an Ihrer Stelle noch einmal überdenken, ob das ein parlamentarischer Ausdruck ist.

Wenn Sie also gerne ein Bekenntnis haben wollen,

[Dr. Steffel (CDU): Modrow!]

sage ich es für meine Fraktion gerne noch einmal öffentlich und unmissverständlich,

[Dr. Steffel (CDU): Modrow!]