Protocol of the Session on June 8, 2006

Bevor ich dem Kollegen Schmidt das Wort erteile, muss ich mich selbst korrigieren. Der Kollege Dr. Lindner hatte – darauf wurde ich aufmerksam gemacht – von einer Machtübernahme gesprochen, nicht von einer Machtergreifung. Insofern ist meine Bemerkung gegenstandslos. Ich bitte um Entschuldigung für den Irrtum meinerseits.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (Linkspartei.PDS)]

Aber es ist kein durch die deutsche Geschichte belasteter Begriff, das muss man korrekterweise sagen. – Jetzt ist der Abgeordnete Schmidt von der Fraktion der FDP an der Reihe mit einer Frage zu dem Thema

Beeinträchtigt der Senat die Gesundheit des Wissenschaftsstandortes Berli

Bitte schön, Herr Schmidt!

Vielen Dank! – Ich frage den Senat:

2. Wie bewertet der Senat die Aussagen zahlreicher Universitätsprofessoren, dass der Beschluss „eine Katastrophe“ sei und der BioCampus sowie die Bewerbung der Freien Universität Berlin als Elite-Universität in Mitleidenschaft gezogen würde?

Zudem wurde bei der Diskussion der Standortoptionen deutlich, dass die Verteilung der Lehrangebote auf zwei Standorte zu einem erheblichen Koordinierungsbedarf führt. Für den Studienbetrieb ist die Ein-Standort-Lösung in jedem Fall die günstigere Lösung, da sich die gesamte Lehre an einem Ort konzentriert und die zeitaufwändigen Wege entfallen.

Im Übrigen sei daran erinnert, dass die große Koalition 1995 eine Absenkung der Zahl der Studierenden von 1 200 auf 600 beschlossen hatte. Der Betrieb einer Vorklinik ist nach Auffassung des Senats schon aus diesem Grunde eine wirtschaftlich gebotene Lösung.

Es geht hier im Übrigen nicht um eine Schließung der Vorklinik, wie Ihre Frage fälschlicherweise unterstellt,

der Senat sein Selbstbewusstsein, dass er das alles besser

Der Senat hat diese Entscheidung keineswegs nach Gutsherrenart getroffen, sondern in der von mir dargestellten Art sachlich abgewogen. Gerade Sie als neoliberaler Denker müssten sich daran gewöhnen, dass mindestens bei Privatunternehmen die Eigentümer eine einständige Rolle spielen. Insofern hat der Senat von seiner Träger- und Eigentümerfunktion für das Land Berlin Gebrauch gemacht und im Interesse des Landes und der Einrichtung eine wirtschaftlich günstige und fachlich angemessene Entscheidung getroffen. Es ist ausdrücklich der Wunsch des Senats, dass diese Formen der Eigentümerentscheidung zur Ausnahme gehören – das haben wir auch im Aufsichtsrat deutlich gemacht –, aber der Eigentümer hat das Recht und die Pflicht, von dieser Eigentümerposition Gebrauch zu machen, wenn er sieht, dass Entscheidungen in Gremien, selbst wenn sie von ihm selbst besetzt sind, diesen Zielen zuwiderlaufen. Das ist mit den demokratischen Grundsätzen einer durch mehrere Gremien gefassten öffentlichen Institution durchaus vereinbar.

Es soll eine Ausnahme bleiben. Und es gibt eine Offenlegungspflicht – ich bin ihr Ihnen gegenüber auch nachgekommen –, die Gründe darzulegen, die den Senat veranlasst haben, diese Entscheidung zu treffen. Im Übrigen wurde diese Diskussion auch breit in der Öffentlichkeit geführt. Es macht keinen Sinn, dass es jetzt eine regionalpolitische Zuspitzung gibt oder einen Kampf der alten Charité gegen die neue Charité. Es kann nur eine Weiterentwicklung der neuen, fusionierten Charité geben und landesweite gesamtstädtische Lösungen für die gemeinsame Universitätsmedizin.

sondern es bleibt bei jährlich 600 Studienanfängern, die künftig allerdings an einem Standort konzentriert werden.

Zu Ihrer zweiten Frage: Nachteile für die Forschung, gar eine Beeinträchtigung des BioCampus Dahlem, sieht der Senat nicht, da die Kooperation zwischen den universitären und außeruniversitären Einrichtungen nach wie vor erhalten bleibt und sich im Wesentlichen an fachlichen Synergien orientiert. Die im Rahmen der Exzellenzinitiative eingereichten, zum Teil länderübergreifenden Clusteranträge und Forschungskooperationsvorhaben werden den Standort Südwest vielmehr stärken und nicht zuletzt die Zusammenarbeit von Berlin und Brandenburg auf diesem Gebiet vertiefen.

Angesichts der überschaubaren Entfernung innerhalb Berlins wird eine gemeinsame Vorklinik der Charité am Standort Mitte für den Bestand bzw. den Ausbau der Vernetzung mit der Freien Universität als vertretbar angesehen. Das wird bereits jetzt durch eine Vielzahl von erfolgreichen Drittmittelkooperationen zwischen Charité und Freier Universität bewiesen. Die Ein-Standort-Lösung hat zudem den Vorteil, dass die personellen und sachlichen Ressourcen der Fachgebiete gebündelt werden und sich die kritische Masse für die Planung und Durchführung von Forschungsprojekten eher erreichen lässt.

Im Übrigen wird der universitäre Status des Standortes Benjamin Franklin mit der Konzentration der Vorklinik und durch den Senatsbeschluss ausdrücklich nicht in Frage gestellt. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der universitäre Status des Virchow-Klinikums niemals in Zweifel gezogen wurde. Vielmehr hatten früher das Virchow-Klinikum und das Universitätsklinikum Benjamin Franklin gemeinsam eine Vorklinik in Dahlem, ohne dass es dadurch zu Nachteilen für die Forschung gekommen ist. Insofern ist es nicht nachvollziehbar, warum die Standortentscheidung zu Nachteilen für die Freie Universität führen sollte.

Danke schön, Herr Senator! – Herr Schmidt hat eine Nachfrage. – Bitte sehr!

Ist es Beispiel gebend auch für andere Landesbeteiligungen, dass die Sachentscheidung, die im Aufsichtsrat der Charité gefallen ist – dem zwei Senatoren angehören und dessen Mitglieder vom Senat mehrheitlich bestellt wurden –, durch eine politische Entscheidung des Senats nach Gutsherrenart ausgehebelt wurde? Wie begründet der Senat seine Entscheidung unter dem Blickpunkt, dass nach Berechnung der Freien Universität das Zwei-Standorte-Konzept kostengünstiger wäre?

Herr Senator Dr. Flierl – bitte schön!

Der Vorstand der Charité hat uns eindeutig bestätigt, dass es in der Frage der finanziellen und zahlenmäßigen Grundlagen dieser Entscheidung keinerlei Dissens

punkte gibt. Die Zahlendiskussion erübrigt sich deswegen. Ich bin sehr verwundert, dass die Freie Universität jetzt andere Zahlen in die Diskussion einbringt – sie sind mir auch nicht bekannt –, als im Rahmen der Auseinandersetzung im Aufsichtsrat der Charité bereits vorlagen.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Danke schön! – Die zweite Nachfrage stelle Frau Paus von den Grünen. – Bitte schön!

Herr Senator! Sie haben gerade darauf hingewiesen, dass Sie uns inzwischen die Senatsvorlage zugänglich gemacht haben, allerdings ohne Anlage. Aus dieser Senatsvorlage geht aber hervor, dass auch der Senat durchaus sehr schwer wiegende Konsequenzen sowohl für die Forschung als auch für die Lehre selbst anerkennt. Aus diesem Papier geht auch hervor, dass es sehr wohl eine Diskussion um die wirtschaftlichen Zahlen, die der Entscheidung zu Grunde gelegt wurden, gegeben hat. Zumindest bei der Investitionsentscheidung hat die Charité eine andere Auffassung vertreten. Die Entscheidung zu den zwei Standorten wurde auch schon vorher einmal von einer Expertenkommission geprüft, die Sie selbst eingerichtet haben. Vor diesem Hintergrund der bereits geprüften und mit anderen Ergebnissen belegten Entscheidung von Experten frage ich Sie: Woher nimmt

Danke schön, Frau Präsidentin! – Frau Abgeordnete! In § 2 Berliner Verga

begesetz ist geregelt, dass Ausbildung bei ansonsten gleichwertigen Angeboten ein Entscheidungskriterium bei der Vergabe von Bau- und Dienstleistungen ist. So weit haben wir die Berücksichtigung der Ausbildung auch im Berliner Vergabegesetz geregelt.

Zur PIN-AG möchte ich Folgendes anmerken: Ein Unternehmen, das zukunfts- und wettbewerbsfähig sein will, sein muss und wachsen will, braucht weiterhin seine Nachwuchskräfte und muss selbst dafür sorgen. Außerdem sind Unternehmen der Jugend, aber auch der Gesellschaft insgesamt gegenüber verpflichtet, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Wir haben deswegen die PIN-AG in Gesprächen immer wieder darauf hingewiesen und die Ausbildungsplätze eingefordert. Insbesondere Herr Senator Wolf hat sich hier sehr engagiert.

Ein Argument des Unternehmens war immer, es könne nicht ausbilden, weil es keine entsprechenden Ausbildungsberufe gebe. Das ist seit einem Jahr anders. Es gibt neue Ausbildungsberufe z. B. die Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen, kurz KEP. Inzwischen stellt die PIN-AG Ausbildungsplätze zur Verfügung, und zwar für den Standort Berlin drei Auszubildende im Beruf KEP und drei Auszubildende als Kaufleute für Bürokommunikation. Das reicht nicht aus bei der Größe des Unternehmens, das ist klar. Aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Wir werden uns weiterhin dafür stark machen, dass dieses Unternehmen, das immerhin 1 400 neue Arbeitsplätze geschaffen hat, weiter in Ausbildung investiert und neue Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen wird.

Senat sein Selbstbewusstsein, dass er das alles besser weiß?

Herr Senator Dr. Flierl!

Die Zahlengrundlage der von Ihnen genannten Expertenkommission ist mehr als ein Jahr alt, sie bezieht sich nämlich auf die Expertenkommission, die die Entscheidung zur Fusion der beiden Universitätsklinika vorbereitet hat. Seitdem ist eine Menge Arbeit geleistet worden, und die damalige Zahlengrundlage kann keineswegs als Grundlage herangezogen werden.

Es war das Verdienst der Finanz- und der Wissenschaftsverwaltung, mit der Charité überhaupt eine geordnete Datenlage hergestellt zu haben. Insofern ist Ihre kritische Nachfrage, ob der Senat es besser wisse, nur mit einem eindeutigen Ja zu beantworten, weil wir zusammen mit der Charité diese Daten überhaupt erhoben und auf dieser Grundlage Einvernehmen erzielt haben. Das gibt keine Zustandsbeschreibung der Situation im Senat, sondern eher eine Zustandbeschreibung der Charité. Deswegen war es wichtig, dass wir diese Entscheidung getroffen haben, um deutlich zu machen, dass wir mit der Charité gewillt sind, die wirtschaftlichste Lösung für das Unternehmen zu finden. Insofern ist es gut, dass es dieses gekoppelte System von Checks-and-Balances gibt. Es ist eine Ausnahmeentscheidung, wohldurchdacht vom Senat und keineswegs wirr abgewogen, wie Sie es darzustellen versuchen. Der Senat hat genau auf der Basis, die ich Ihnen zugänglich gemacht habe, diese Entscheidung getroffen, und zwar einmütig.

Danke schön!

Für die nächsten Frage ist Frau Abgeordnete Grosse von der SPD mit einer Frage über

Ausbildungsbereitschaft bei Auftragnehmern des Landes Berlin

an der Reihe. – Bitte schön, Frau Grosse!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Welche Rolle spielt das Kriterium der Ausbildungsbereitschaft bei der Vergabe von Aufträgen des Landes Berlin durch den Senat?

2. Wie bewertet der Senat beispielsweise die mangelnde Ausbildungsbereitschaft des privaten Postzustelldienstes PIN-AG insbesondere vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Ausbildungslücke?

Danke schön! – Wer möchte antworten? – Frau Staatssekretärin, bitte schön!

Danke schön, Frau Staatssekretärin Ahlers! – Haben Sie eine Nachfrage, Frau Grosse? – Bitte sehr!

Frau Ahlers! Können Sie sich vorstellen, dass Berlin, wenn der Druck, den Sie auf die PIN-AG ausüben werden, mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, nicht fruchtet, sich von diesem Anbieter verabschiedet und wieder zur Deutschen Post zurückgeht?

Frau Staatssekretärin – bitte!

Das kann ich mir nur schwer vorstellen, weil wir den Vergaberichtlinien folgen müssen. Die Vergabe an die PIN-AG ist zeitlich befristet. Sicher wird wieder neu ausgeschrieben. Die Senatsverwaltung für Inneres wird das zu gegebener Zeit tun. Ich habe bereits auf die Vergaberegelung hingewiesen. Bei gleichwertigen Angeboten ist die Ausbildung ein entscheidendes Kriterium. Aber in der jetzigen Situation sehe ich keinerlei Möglichkeiten.

Danke schön! – Es gibt keine weiteren Nachfragen.

Danke schön! – Die zweite Nachfrage geht an Frau Abgeordnete Hämmerling von den Grünen. – Bitte schön!

Danke schön! – Herr Dr. Sarrazin!

Dann kommen wir zur nächsten Frage, die an den Abgeordneten Hoffmann von der CDU geht, über