Protocol of the Session on June 8, 2006

Skandalös in diesem Zusammenhang ist das hörbare Schweigen des Regierenden Bürgermeisters zu diesem, die Zukunft aller Berliner berührenden Thema. Kein ein

ziges konkretes Wort Ihrerseits dazu, wie der Senat dieser Dinge Herr werden will.

[Beifall bei der CDU]

[Beifall bei der CDU]

Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen! Einen besseren Vorredner hätte ich mir gar nicht wünschen können. – Ich hoffe, dass Herr Gram mir jetzt seine geschätzte Aufmerksamkeit – –

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Ich bedanke mich! Vielleicht können wir dann auch später noch einmal in den Erfahrungsaustausch treten,

[Wansner (CDU): Das macht Herr Gram gerne mit Ihnen!]

denn Ihr Beitrag war wirklich äußerst interessant. – Aber ich möchte die Aufmerksamkeit erst einmal darauf lenken, dass in diesem Prioritätenblock zwei Anträge einer Fraktion zur Besprechung anstehen.

Mit Verlaub, liebe CDUFraktion: Ein Fußballfeld ist hier noch nicht.

[Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Henkel (CDU)]

Ist ja egal, Ball ist Ball. – Hier ist ein Parlament. Reden, okay! Ballspielen draußen! – Alles klar, Herr Henkel, seien Sie so lieb! – Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort!

Das gibt einen Einblick in die Wertigkeit, die Herr Henkel diesem Thema beimisst.

[Zuruf des Abg. Steuer (CDU)]

Diese beiden Anträge einer Fraktion – ich weiß nicht, lesen Sie sich die Anträge nicht durch, zumindest die, die Sie dann unterschreiben und einbringen? Das sind zwei Anträge, die sich vollkommen konterkarieren.

[Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

In dem Antrag der Schul- und Jugendpolitiker wird von einem Sofortprogramm zur Prävention, Stärkung der Erziehungskompetenz usw. gesprochen – ein Antrag, mit dem ich mich gut anfreunden kann, wenn auch die Wege und die Forderungen etwas merkwürdig sind. Aber der zweite Antrag ist dann gleich ins Gegenteil verkehrt. Herr Gram hat das alles vorgelesen: die geschlossene Heimunterbringung, Verschärfung des Jugendstrafrechts, Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit usw. Herr Gram,

Das Problem liegt jedoch nicht in der Masse. Das Problem sind die jugendlichen Intensivtäter, Jugendliche, die wiederholt schwere Straftaten begangen haben. Ohne Gewalttaten verniedlichen zu wollen: Es handelt sich um Einzelfälle, die von einigen Medien ausgeschlachtet werden.

waren Sie nicht vor zwei Jahren mit, als wir in Frostenwalde auf Einladung des EJF in der Uckermark waren?

[Gram (CDU): Nein, ich war vor zehn Jahren hier und habe auf die Entwicklung hingewiesen!]

Aber ich kann mich erinnern, auch die Kollegen, die von Ihnen mit waren, haben sich dann auf einmal, nachdem sie diese Einrichtung gesehen haben, anders verhalten.

[Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

Ja, auch zu den Entwicklungen sage ich gleich etwas, nicht alles auf einmal, Herr Goetze! –

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Uns überrollt überhaupt nichts. Ich glaube, die CDU wird immer überrollt, so dass Sie irgendwelche Anträge heraussuchen, und Sie biegen sich Phänomene so zurecht, bis sie dann Ihren Repressionsvorstellungen entsprechen. Ich weise deutlich darauf hin – Herr Böger hat dies in seinem Redebeitrag bereits auch erwähnt –: Die Jugendkriminalität stagniert mitnichten auf hohem Niveau, wie Sie dies schreiben, sie ist rückläufig.

Die Präventionsbeauftragte der Polizei hat sich dieser Tage wiederholt öffentlich zu dieser Entwicklung geäußert. Sie kennen die Zahlen und haben sie vielleicht in der Zeitung gelesen, wenn nicht, kann ich Ihnen den Pressedienst zur Verfügung stellen. Ich wiederhole sie für das Hohe Haus gern noch einmal: 1998 gab es 43 000 Delikte, inzwischen sind es nur noch 34 000. Auch Rohheitsdelikte wie leichte und schwere Körperverletzung gehen zurück. Geändert hat sich die Aufmerksamkeit, die die Gesellschaft diesem Phänomen gegenüberbringt. Gewalt nehmen wir heute viel früher wahr und bewerten sie als inakzeptabel, und das ist auch gut so. Mir geht es unmissverständlich darum zu sagen, dass aber auch die rückläufigen Zahlen viel zu hoch sind. Das ist keine Frage. Aber ich muss doch beachten, wie die Tendenz ist. Ich glaube, es erübrigt sich in diesem Fall, über Zahlen zu reden.

[Goetze (CDU): Was machen Sie denn sonst? – Gram (CDU): Wo leben Sie denn?]

Sie legitimieren nicht die Verschärfung des Jugendstrafrechts, die die Berliner CDU gern hätte.

Aber selbst in Ihrer eigenen Partei fallen Sie mit Ihren Vorstellungen wieder einmal unangenehm auf. Ihnen wird sicher der stellvertretende Vorsitzende der CDUBundestagsfraktion, Herr Wolfgang Bosbach, seines Zeichens Rechtsanwalt, ein Begriff sein. Er hat sich ganz deutlich gegen eine Ausweitung des Jugendstrafrechts ausgesprochen. Das sollten Sie vielleicht nachlesen. Auch hierüber kann noch einmal gesprochen werden.

[Gram (CDU): Da sehen Sie, was für eine Meinungsvielfalt wir haben!]

Gut! Ich hätte gar nicht gewusst, was ich hätte sagen sollen, wenn Herr Bosbach vor mir gesprochen hätte.

[Zuruf von der CDU: Was? – Unruhe bei der CDU – Gram (CDU): Was sagt Buschkowsky eigentlich dazu?]

Ich bin nicht Herr Buschkowsky, wie Sie leicht feststellen können.

[Beifall bei der SPD – Gram (CDU): Und ich nicht Bosbach!]

Wir müssen das Jugendstrafrecht konsequent anwenden, und dann bietet es uns auch ausreichend Handhabe, die Gesellschaft vor diesen Intensivtätern zu schützen.

Wichtig ist – und sie ist auch schon auf den Weg gebracht – die Änderung des Familienrechts. Darüber können wir das nächste Mal diskutieren. Das ist der richtige Weg, den wir beschreiten wollen. Der richtige Weg sind nicht geschlossene Heime und auch nicht die Verschärfung des Jugendstrafrechts, wie es sich die CDU wünscht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Für die Fraktion der Grünen hat das Wort Frau Abgeordnete Pop.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Lieber Herr Gram! Zu der von Ihnen hier beklagten Verflachung des Niveaus haben Sie selbst kräftig beigetragen.

[Beifall bei den Grünen – Gram (CDU): Oh!]

Wir haben hier zwei CDU-Anträge vorliegen, die unterschiedlicher nicht sein können. Herr Gram und Herr Henkel feuern in altbekannter Null-Toleranz-Manier die ganze Ladung ab: Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit, Anhebung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht und die geschlossene Heimunterbringung. Sie könnten sich wirklich einmal etwas Neues einfallen lassen!

[Gram (CDU): Aber immerhin reden wir nun darüber!]

Zu Ihrer Information: In Hamburg befasst sich zurzeit ein Untersuchungsausschuss mit den Zuständen in den geschlossenen Jugendheimen, die damals von der CDU eingerichtet worden sind. Ich kann dazu etwas erzählen: Verabreichung von Psychopharmaka usw. Alles tolle Vorkommnisse, und dies verkaufen Sie uns als Erfolgsmodell!

Dagegen – und das irritiert dann doch– setzen Ihre Kollegen Steuer und Schultze-Berndt etwas völlig Anderes in Ihrem Antrag. Sie setzen einen völlig anderen Schwerpunkt. Sie wollen mehr Sozialarbeiter, mehr Förderung von Schülern und Schülerinnen, mehr Streit

schlichtungsprogramme und nicht zuletzt die engere Kooperation mit der Jugendhilfe.

[Wansner (CDU): Sehr gut!]

Macht bei Ihnen in der CDU jeder, was er will? Und was wollen Sie eigentlich, frage ich auch. Ich finde, es ist an der Zeit, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen

[Gram (CDU): Das haben wir seit 10 Jahren gehört!]

und nicht ganz so hysterisch, wie einige im Saal dies tun.