Protocol of the Session on March 9, 2006

Das Erschließungsbeitragsrecht stammt aus dem letzten Viertel des vorvorigen Jahrhunderts, aus einer Zeit, als es in Berlin und Preußen überwiegend Trampelpfade gab. Damals hatte der Grundstückseigentümer einen Vorteil von der Straße. Aber heute wird doch niemand mehr behaupten, dass die Infrastruktur, die wir jetzt haben, nicht von allen Bürgern gleichermaßen genutzt würde.

[Beifall des Abg. Wansner (CDU)]

Zu dieser Zeit existierte aber auch noch ein Dreiklassenwahlrecht, nachdem Grundstückseigentümer etwa die

siebzehnfache Wertigkeit gegenüber Bürgern ohne Eigentum hatten. Das müssen Sie dann auch mit wollen, wenn Sie ein solches Gesetz hier beschließen.

[Beifall bei der CDU]

[Klemm (Linkspartei.PDS): So ein Unsinn!]

Doch es geht Ihnen nicht um Fakten. Es geht Ihnen um eine Ideologie. Es ist die Ideologie der Sozialdemokraten, die seit zehn Jahren versuchen, Eigentümern von Kleinsteigentümern als Bourgeois abzustempeln und der Meinung sind, sie könnten gern für alles zahlen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Oho! von der SPD – Lorenz (SPD): „Bourgeois“ – Bravo! – Dr. Lindner (FDP): So ist das!]

Herr Abgeordneter! Achten Sie bitte auf die Redezeit, die schon beendet ist.

Halb zog sie ihn, halb sank er hin, Und ward nicht mehr gesehn.

Mehr als zehn Jahre haben wir in der Koalition gegen die Sozialdemokraten ein solches Gesetz verhindert.

[Klemm (Linkspartei.PDS): Heuchler!]

Auch deswegen braucht Berlin nach der Wahl am 17. September einen Regierenden Bürgermeister Friedbert Pflüger, der dieses Gesetz wieder abschafft.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Gelächter bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Gaebler (SPD): Aschermittwoch ist vorbei, Herr Czaja!]

Danke schön! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Radebold. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Prof. Dr. Dr. Czaja!

[Beifall und Johlen von der SPD und der Linkspartei.PDS]

Ich weiß nicht, habe ich jetzt einen Titel vergessen? – Ich hoffe nicht! Aber wahrscheinlich haben Sie sich noch einen Historikertitel erworben,

[Zuruf des Abg. Wansner (CDU)]

aber das Fach eben nicht gelernt. Und mit dem Lesen, Herr Czaja, scheinen Sie es bis heute nicht geschafft zu haben. Lesen Sie, was dort über die Zinsen bei der Stun

Herr Czaja, an Sie persönlich: Wir werden das Handeln der Verwaltung in der Zukunft klar begrenzen. Wir erwarten, dass bei einer Verkehrsanlage, die nach 15 Jahren noch nicht abgerechnet ist, das Erschließungsrecht erlischt. Die Verwaltung wird zügig handeln, und nach 15 Jahren gilt das Ausbaubeitragsgesetz mit seinen demokratischen Beteiligungsrechten und den wesentlich geringeren Kostenumlagen.

dung steht. Das steht korrekt drin. Wenigstens müssen Sie das Gesetz lesen, bevor Sie hier reden.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Tatsache ist, dass wir am Ende eines langen Beratungsprozesses stehen, der von einigen durchaus mit Häme und mit Hetze begleitet worden ist.

[Dr. Lindner (FDP): Was denn?]

Lieber Herr Lindner, mit dem Versuch der Nötigung. Das ist versuchte Nötigung, was der ‚liebe’ VDGN hier macht, indem er ankündigt, in den Siedlungsgebieten zu veröffentlichen, wer wie gestimmt hat. Das ist für mich die Grenze von Demokratie.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU und der FDP]

Das ist ein Auswuchs von Lobbyismus, der uns überhaupt nicht hilft.

[Dr. Lindner (FDP): Wenn die Gewerkschaften vor den Toren stehen, haben Sie keine Probleme! – Zurufe – Unruhe]

Wir werden die Redezeit stoppen, bis sich das wieder beruhigt hat.

Wir haben ein Gesetz vorgelegt, das ausgeglichen und gerecht ist, wir haben die Standards in qualitativer wie auch in quantitativer Hinsicht begrenzt, und wir haben die Verteilung der Lasten zwischen der öffentlichen Hand und dem wirtschaftlich oder privat begünstigten Nutzer ausgeglichen gestaltet.

[Zuruf des Abg. Braun (CDU)]

Wir haben mit der Bürgerbeteiligung einen Standard in diesem Gesetz festgelegt, der für die Bundesrepublik einmalig ist.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Zurufe der Abgn. Dr. Lindner (FDP) und Krestel (FDP)]

Die Bürgerbeteiligung bezieht sich in diesem Satz natürlich auf die Grundstückseigentümer. Hier sind wir den Grundsätzen der Koalition gefolgt, die ja auch in anderen Gesetzen die Partizipation der Bürger bei der Begleitung von Politik festgeschrieben hat. Ich erinnere Sie an das Verwaltungsreformgesetz, von der Einwohnerversammlung bis zum Volksentscheid. Das alles ist mit Augenmaß geschehen. Wir werden mit dem Gesetz verhindern, dass egoistische Interessen oder regional-populistische dieses Gesetz aushebeln.

Wir haben eine soziale Ausgewogenheit in dem Gesetz festgelegt,

[Gelächter bei der CDU]

Herr Czaja, lesen Sie das bitte mal nach. Bei der Stundung gibt es keine Zinsen, das steht im Gesetz, Sie sollten es lesen. Natürlich erwarten wir für einen Benutzervorteil von dem, der zahlen kann, dass er dafür zahlt. Wir haben aber genauso festgelegt, dass – wer aus persönlichen,

wirtschaftlichen Gründen nicht zahlen kann – aufgefangen wird. Das ist das Staatsverständnis der Sozialdemokraten: Die Schwachen werden aufgefangen, die Starken können angemessen leisten.

[Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Lindner (FDP)]

Mit dem Erschließungsrecht sind wir nach Bayern das einzige Land, das das Bundesrecht in Landesrecht überführt hat. Mit dem ersten Teil der Änderung haben wir in Berlin endlich eine Rechtseinheit hergestellt, die endlosen Debatten über Ortsüblichkeit im Osten sind beendet, und auch im Westen ist es nicht mehr möglich, den Grundstücksbesitzer nach 75 Jahren – wie z. B. in Reinickendorf in der Schultzendorfer Straße geschehen – in Haft zu nehmen. Das halten wir für einen ganz wesentlichen Fortschritt im Beitragsrecht.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Mit der Zusammenführung dieser beiden Gesetze haben wir sehr viel für den Rechtsfrieden getan. Sie wissen sehr wohl, dass es im Erschließungsrecht ununterbrochen Debatten darüber gibt, ob ein Anspruch auf Erschließung besteht oder nicht. Es gibt keine Erschließungsmaßnahme in diesem Land, die nicht durch langjährige Gerichtsverfahren begleitet wird. Für die Verwaltung wird es einfacher, und für die Bürger wird es durchschaubarer.

In dem Sinne haben wir heute ein sehr gutes Gesetz vorgelegt, das sich in der Anwendung sicherlich noch weiterentwickeln wird, wie jedes andere Rechtsgut, das ist nicht ungewöhnlich. Ich bitte Sie – trotz Ihrer Aufstände hier im Haus – um Ihre Zustimmung, meine Herren von der Opposition.

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS – Gelächter bei der FDP]

Danke schön! – Das Wort für eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Herr Czaja. – Entschuldigen Sie, Herr Czaja. – Ich möchte an die Besuchertribüne einen Hinweis geben: Es ist nicht gestattet, während unserer Sitzung Interviews im Saal zu führen. Gehen Sie bitte hinaus und führen Sie dort die Interviews! Sie sind vorher belehrt worden, und ich bitte Sie, sich an die Geschäftsordnung zu halten. Danke schön! – Herr Czaja, Sie haben das Wort!

Ich möchte auf zwei Dinge eingehen, Herr Radebold. – Dass es Ihnen peinlich ist, dass in Ihrem Wahlkreis jeder weiß, wie Sie abgestimmt haben, verstehe ich.

Ich will es beim Straßenausbaubeitragsgesetz relativ kurz halten, weil wir schon sehr lange darüber diskutiert haben. Wir haben im Bauausschuss einen Antrag eingebracht, den ich Ihnen noch einmal begründen will. Wir haben verlangt, dass, wenn die Leute den Straßenausbaubeitrag bezahlen sollen, wir ihre Rechte stärken müssen. Sie haben – und das ist richtig – eine bestimmte Beteiligung in Ihrem Gesetz verankert. Das ist übrigens die glei

che Beteiligung, wie es sie bei Bebauungsplänen gibt. Wissen Sie, wie es bei Bebauungsplänen ist? – Da wird mal eben weggewogen. Ein Grund, warum wir so viele Bebauungspläne ablehnen, ist, weil dort einfach nur steht, der Senat hat ein anderes Interesse – abgewogen, weggewogen. So kann man mit den Leuten nicht umgehen, schon gar nicht, wenn man ihnen in die Tasche greifen will. Deshalb haben wir mit unserem Änderungsantrag verlangt, dass die Quoren erhöht werden, so dass es nicht so einfach ist, zu behaupten, die Bürger wollten etwas anderes, aber uns ist das egal, wir wollen das. Sie wollten sich darauf nicht einlassen. Für uns ist das aber ein Essential, damit beim Straßenausbaubeitrag nicht das Gleiche passiert wie bei jedem Bebauungsplan, dass die Interessen der Bürger nicht wirklich eine Rolle spielen.

Kommen wir zu dem Erschließungsgesetz – zum Straßenausbaubeitragsgesetz habe ich mindestens schon fünf Mal gesprochen, daher spare ich mir das jetzt. Das Erschließungsgesetz haben Sie dringlich eingebracht, und das Problem daran ist, dass bis gestern zum Hauptausschuss sehr deutlich wurde, dass Sie gar nicht wissen, was die Konsequenzen dessen sind.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Oh! von der Linkspartei.PDS]