Dass Sie an einer Seite mit Herrn Dr. Lederer stehen und den Grünen vorhalten, dass sie einen Gesetzentwurf einbringen und in dieser Frage mit der Nase etwas voraus gewesen sind, ist ausgesprochen lächerlich. Sie haben die Möglichkeit, Ihre Bedenken innerhalb des Gesetzgebungsverfahrens einzubringen. Wenn nun aber behauptet wird, ein Gesetzesvorhaben, das angeblich geteilt wird, sei nur deshalb gescheitert, weil die Grünen es ins Parlament eingebracht haben, kann man nur sagen: Herr Ritzmann, hier haben Sie ein genauso gestörtes Verhältnis zum Parlamentarismus wie im Übrigen die PDS.
Lieber Kollege Braun! Auch ich schätze Sie! Über die politische Grundschule müssen wir uns hier nicht unterhalten: Lobbyismus ist der Einfluss von Partikularinteressen. Das ist die IHK zum Beispiel. Das ist Partikularinteresse. Das ist aber auch die Bürgerinitiative Bankenskandal. Auch das ist Partikularinteresse. Man bewertet sie unterschiedlich. Sie haben eine unterschiedliche Legitimation, aber es sind Partikularinteressen. Sie haben Einfluss auf politische Entscheidungen. Das ist ihr Job, und das ist richtig so. Das brauchen wir. Eine Demokratie lebt davon, dass Leute Verantwortung übernehmen, sich engagieren und versuchen, Einfluss zu nehmen.
Mein Ansatz war, dass bei einem Volksentscheid, bei dem am Ende Zehntausende von Bürgern eingebunden sind, die Manipulationsgefahr von einzelnen Partikularinteressen auf die Entscheidung deutlich geringer ist als in anderen Situation, zum Beispiel in Parlamentsentscheidungen. Das ist keine These, sondern erfahrene Geschichte.
Dort, wo es Interessen in der Bevölkerung gibt, die das Parlament nicht oder nicht richtig aufgreift, muss es die Möglichkeit für die Bevölkerung geben, selbst initiativ zu werden mit richtig strukturierten Volksentscheiden, auch mit richtigen Hürden, denn es darf nicht dazu führen, dass hyperaktive Minderheiten permanent Volksentscheide durchführen. Darum geht es. Die Bevölkerung muss auch in Berlin selbst Politik machen dürfen. Deswegen ist das Anliegen richtig. Vielleicht ist es noch zu be
werkstelligen. Das liegt letztlich an der SPD. Wir werden alles dafür tun, dass das Projekt funktioniert.
Danke schön, Herr Kollege Ritzmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung sowie mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung, wozu ich keinen Widerspruch höre.
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die FDP. Das Wort hat die Kollegin Senftleben. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Herren! Meine Damen! Erneut setzen wir das Thema Bildung auf die Prioritätenliste. Wir hatten letztes mal eine ausführliche Debatte zum Thema PISA III. Dennoch erscheint es uns notwendig, heute noch einmal darüber zu debattieren, denn nicht ohne Grund hat Berlin gravierende Probleme. Gerade in den letzten 14 Tagen wurde dies wieder deutlich.
Nicht nur PISA-E, Unternehmerverbände, Hochschulen und Elternvertreter: Es sind viele, die das Kompetenzniveau der Berliner Schülerinnen und Schüler beklagen. Unterrichtsausfall, Senatsstatistiken und Polizeistatistik
bekräftigen den Eindruck, dass hier offensichtlich etwas falsch läuft. Wenn dann auch noch ein Mitglied des Senats – Herr Sarrazin – sich dahin gehend äußert, dass im Land Berlin die Bildungspolitik versagt, müsste es Anlass sein, darüber zu diskutieren, und es sollten die Alarmglocken klingeln.
Wir haben mittlerweile 5 Anträge mit dem Titel „Schule mit Zukunft“ eingebracht. Die Serie macht auf die gravierendsten Probleme aufmerksam – sie ist allerdings noch nicht vollständig –, und wir wollen Lösungsansätze liefern und mit Ihnen diskutieren. Wir wollen keine Experimente im System Schule auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler durchführen. Wir fordern schlicht und einfach eine pragmatische Umsetzung von Notwendigkeiten. Kein Blindflug, wir setzen auf eigene Konzepte. Wir setzen aber auch auf Konzepte, die sich anderswo bereits mehrfach bewährt haben. Wir verfallen auch nicht in eine Starre, die zum Nichtstun verführt. Wir gehen die Probleme offensiv und intensiv an.
Erstes Bespiel: Seit langem ist uns klar, dass es eklatante Schwierigkeiten aus der Unverbindlichkeit der verlässlichen Grundschule gibt. Da viele Schülerinnen und Schüler nicht in der gesamten Zeitspanne von 7.30 Uhr oder 8.00 Uhr bis 13.30 Uhr in der Schule sind, verzichten viele Grundschulen automatisch auf die Rhythmisierung des Unterrichts. Dies hat zur Folge, dass Brückenzeiten entstehen, die nicht sinnvoll pädagogisch ausgestaltet werden können. Dies ist verständlich, denn schließlich will die Schulleitung Wissenslücken bei der abwesenden Schülerschaft vermeiden. Das Resultat: die Verwahrung.
Ein weiteres Problem, das bei vielen Gesprächen mit Schulen und Elternvertretern, aber auch mit den Kooperationspartnern deutlich geworden ist: Die Kinder, die Module der Nachmittagsbetreuung belegt haben, kommen bereits in den Brückenstunden in den Genuss, die eigentlich kostenpflichtige Infrastruktur der schulergänzenden Betreuung nutzen zu dürfen. Die anderen bleiben außen vor. In diesem Zusammenhang – Frau Dr. Barth kann sich vielleicht daran erinnern – wurde im Landesjugendhilfeausschuss offen und zu Recht über Segregation bzw. Zweiklassengesellschaft in der Schule gesprochen. Dieses Problem sollten wir hier thematisieren.
Dieses Problem können wir nur dann bewältigen, wenn sich die verlässliche Halbtagsschule zu einer verbindlichen Halbtagsgrundschule wandelt, sprich: wenn sie Pflicht wird.
Feste Öffnungszeiten von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr: Nur dann kann die von allen Bildungsexperten geforderte Rhythmisierung und vor allem auch Individualisierung endlich in den Schulalltag Einzug halten. Nur dann kommen alle Kinder in den Genuss einer hochwertigen Betreuung, und letztendlich haben nur dann die Eltern die Gewissheit, dass ihr Kind gut aufgehoben ist. Mein Ap
pell an Sie: Lassen Sie das Diskutieren; wandeln wir die verlässliche Halbtagsgrundschule in eine verbindliche Halbtagsgrundschule um! Der Kostenfaktor dürfte – wenn überhaupt – gering sein.
Mit dem Antrag „Schule mit Zukunft II“ wollen wir das schulergänzende Bildungs- und Betreuungsangebot aktiv verbessern. Viele Eltern sind mit dem derzeitigen Angebot an schulergänzender Bildung und Betreuung unzufrieden. Erstens ist es oft zu eng. Die Räume sind zu knapp bemessen. Und zweitens ist das pädagogische Angebot manchmal leider nur mangelhaft, und das ärgert die Eltern dann richtig. Das haben übrigens die Kollegen von den Grünen auch so erkannt und fordern den Senat in ihrem Antrag zu einer „umfangreichen Stellungnahme“ auf. Wir sollten da etwas offensiver sein, Kollegen von den Grünen. Wir wollen nicht, dass hier wieder so etwas in der Qualität eines Ethik-Rahmenplans erarbeitet wird. Wir sehen eher, dass wir hier eine Expertise brauchen und dass wir Sachverstand von außen damit beauftragen müssen.
Zuletzt will ich auf den fünften Antrag eingehen. Wir haben folgende Situation: Gewalt an Schulen nimmt zu, Disziplinlosigkeit, was sich insbesondere am Zuspätkommen zum Unterricht zeigt. Wir wollen mit dem Antrag das Sozial-, Arbeits- und Lernverhalten aller Schülerinnen und Schüler dokumentieren und dem Zeugnis beifügen. Ich weiß, vereinzelt wird das bereits gemacht, im 1. und 2. Schuljahr ist es gang und gäbe, aber ich bin der Auffassung, dass wir angesichts der offenkundigen Defizite eine verbindliche Regelung brauchen. Es ist mir durchaus bewusst, dass ein Vermerk des Schülersozialverhaltens im Zeugnis nicht alle Defizite schlagartig beseitigen kann, aber ein solcher Schritt kann auf Problemlagen aufmerksam machen. Darum geht es, dass wir einen Mentalitätswechsel bei den Schülern, den Lehrern und auch bei den Eltern herbeiführen.
Es kann als Warnsignal oder auch als positives Signal ein neues Bewusstsein für die so genannten „soft skills“ geschaffen werden. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass nun auch die FDP die Bildung zur Priorität erhoben und gleich drei Anträge eingebracht hat. Außerdem wird der Antrag der Grünen zum Leitbild für die offene Ganztagsschule mit dieser Rederunde verknüpft. Wir haben also eine Redezeit von fünf Minuten für vier Anträge. – Lassen Sie mich daher den ersten Antrag der FDP und den Antrag
Die FDP fordert, dass analog zum Bildungsprogramm der Berliner Kitas ein Hortprogramm für den offenen Ganztagsbetrieb an der Grundschule entwickelt werden soll. Positiv ist dabei, dass die FDP einerseits das Bildungsprogramm für die Kitas lobt, und andererseits – wie sie sagt – mit diesem Antrag nicht bezweckt, die Grundschulen zu bevormunden. Darüber freue ich mich, Frau Senftleben, denn das ist der Zweck des offenen Ganztagsbetriebes. Die einzelne Schule soll sich mit dem Schulprogramm ein Profil geben und sich danach selbstständig Partner für die Begleitung ihres Nachmittagsbetriebes suchen. Außerdem gibt es bereits das Leitbild für die offene Ganztagsschule, das Anregungen für die Rhythmisierung des Schultages, sowie für die Verzahnung von Unterricht und außerunterrichtliche Aktivitäten bietet. Des Weiteren ist bereits die Erarbeitung eines Bildungsprogramms für die offene Ganztagsschule in Auftrag gegeben.