Protocol of the Session on November 10, 2005

[Beifall bei den Grünen]

Wir hatten am Dienstag eine Veranstaltung zum Thema „Kreativität und Körper“, und dort ist das Projekt „Tanzzeit“ vorgestellt worden. Grundschüler haben dann auch mit uns Abgeordneten eine kleine Übung gemacht, und von „Cabuwazi“ waren Jugendliche da, die etwas vorgeführt haben. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich war zutiefst davon beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit sich diese jungen Menschen und auch schon diese Kinder – die Jungs wie die Mädchen – im Raum bewegen, wie selbstbewusst sie sind und welche Auswirkung mehr Bewegung, mehr Tanz, mehr Kunst und Kultur letztendlich auf die Kompetenzen dieser Kinder haben. Eins ist doch klar: Kinder, die nicht ganzheitlich – auch ganzkörperlich – gefördert werden und diese Angebote nicht haben, können nicht so gut lernen und auch andere Kompetenzen nicht so gut entwickeln. Bewegung ist die Grundvoraussetzung dafür, auch kognitive Leistungen zu bringen.

Ich sehe einen riesengroßen Handlungsbedarf, diese Angebote von Anfang an in die Schule zu bringen und damit eine andere Kultur der Schule zu schaffen.

[Beifall bei den Grünen]

Das ist nämlich aus meiner Sicht das Allerwichtigste. Wir brauchen eine andere Lern- und Lehrkultur. Wir brauchen ein anderes Klima in den Schulen. Wir brauchen andere Professionen und nicht nur Pädagogen in den Schulen.

Wir brauchen ganz dringend eine andere Form der Kooperation von Eltern und Schule. Das Verhältnis von Eltern und Schule ist in vielen Fällen zutiefst belastet. Sie brauchen nur „Zeit“-Artikel zu lesen oder mal auf der „Eltern“-Liste zu schauen, wie oft man sich da missverstanden fühlt. Wir haben unsere Anträge gestellt, um Erziehungs- und Bildungspartnerschaft von Eltern und Schule aktiv zu unterstützen. Das setzt voraus, dass Eltern wissen, welche Rechte, aber auch, welche Pflichten sie haben. Das Gleiche gilt für die Schule. Das setzt auch

voraus, dass man die Zusammenarbeit von Eltern und Schule moderiert und gemeinsame Fortbildungen anbietet, um die Grundlage dafür zu schaffen, die gemeinsame Erziehung und Bildung der Kinder auf gleicher Augenhöhe zu gestalten.

Den zweiten Antrag möchte ich auch noch kurz erwähnen, nämlich: „Kitas zu Kinder- und Familienzentren entwickeln“.

Frau Kollegin, bitte kommen Sie zum Schluss!

Ja! – Es ist doch völlig klar, dass der Schulerfolg der Kinder letztlich – das hat auch PISA bewiesen – über die Eltern und die Erziehung in der Familie führt. Wir können uns noch so anstrengen: Wenn wir nicht auch die Familie mitnehmen, dann wird es nicht gelingen. Ich hoffe, dass wir es alle gemeinsam schaffen, den Schulen und den Kitas nicht immer noch eins drauf zu setzen, sondern die Reformen, die angestoßen worden sind und in die richtige Richtung gehen, so umzusetzen und die Schulen, Kitas und alle, die daran beteiligt sind, so zu unterstützen, dass für die Kinder eine gute Bildung herauskommt und alle bessere Bildungschancen haben.

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Frau Kollegin Jantzen! – Es folgt die SPD. Die Frau Kollegin Harant hat das Wort mit einer Restredezeit von sechs Minuten. – Bitte sehr!

[Frau Dr. Tesch (SPD): So nett bin ich, ja!]

Danke, Felicitas! – Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Bevor ich zu den Anträgen komme, lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen. In der ersten Runde der Debatte war es geradezu atemberaubend, wie aus dieser PISA-E-Studie völlig unterschiedliche Folgerungen gezogen wurden und jeder sich das herausgepickt hat, was in seine vorgefasste Meinung passte. Das gibt für die Bildungspolitik kein gutes Bild ab, insbesondere wenn man dann auch noch die mehr oder weniger hinkenden Vergleiche vom schiefen Turm bis zum Super-GAU mit in Betracht zieht. Es war ein Austausch von Schlagworten. Ich finde es nicht sehr spannend, wenn wir uns immer wieder in diese alten Gräben eingraben.

Frau Jantzen hat jetzt doch etwas moderater reagiert und vorsichtig lobend von den Reformen gesprochen, während Herr Mutlu – ich zitiere – gesagt hat: „Alles muss sich grundlegend ändern.“ – So ging er an das heran, was in der Berliner Schule momentan passiert. Ich glaube, Herr Mutlu, Sie haben wirklich etwas verpasst.

[Mutlu (Grüne): Sie haben nicht zugehört!]

Es ändert sich schon ganz viel. Es gibt eben keine Stagnation. Es bewegt sich eine Menge, und für manche bewegt es sich sogar schon zu schnell.

Frau Senftleben! Das Wort „leistungsfähig“ hatte ich schon in meinem Konzept. Sie haben Recht: Der Begriff „Leistung“ ist vielleicht ein bisschen zu wenig in den Vordergrund gestellt bei dieser ganzen Geschichte.

[Frau Senftleben (FDP): Danke!]

Denn was ist PISA anderes als ein internationaler Leistungsvergleich? Da geht es zunächst um die kognitiven Fähigkeiten, und darüber reden wir eigentlich.

[Frau Senftleben (FDP): So ist es! Danke!]

Wenn ich mir die Anträge der Grünen angucke, die wohl auch gegen diese angebliche Stagnation gedacht sind, so kommt mir eine ganze Menge sehr bekannt vor. „Ohne Eltern geht es nicht.“ – Diese Erkenntnis ist längst Allgemeingut und findet sich – Überraschung – auch im Berliner Bildungsprogramm für den Kindergarten.

[Frau Jantzen (Grüne): Steht auch in unserer Begründung!]

In der Tat steht darin, ich zitiere einen Satz aus dem Berliner Bildungsprogramm:

Wenn es um Bildung und Erziehung Ihres Kindes geht, sind Sie als Eltern die wichtigsten Partner der Kita.

Dieser Satz, der sich an die Eltern richtet, steht in einer Werbebroschüre und hat übrigens auch in der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher seinen Platz. In allen relevanten Feldern wird die Zusammenarbeit mit den Eltern thematisiert. Das ist eine Weisheit, für die man keinen neuen Antrag braucht. Dieser Teil des Antrags ist für mich auf jeden Fall überflüssig.

Zu Ihrem Vorschlag, Erzieher, Erzieherinnen, Lehrer, Lehrerinnen und Eltern gemeinsam – am Wochenende vermutlich – fortzubilden: Lassen wir mal die Kosten beiseite, aber ich könnte mir etwas Vernünftigeres und Zielführenderes vorstellen, nämlich dass sie sich einfach einmal miteinander unterhalten und auf diese Weise eine Vertrauensbasis schaffen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der Linkspartei.PDS]

Auch das Zeitkontingent wieder einmal bürokratisch festzulegen, bringt uns nicht weiter. Das läuft für mich unter dem Motto: Mehr Bürokratie wagen! –, aber nicht: Mehr Bildung wagen!

Eine Chance für alle Beteiligten sehe ich in dem Antrag Drucksache 15/4393, Entwicklung von Kitas zu Kinder- und Familienzentren. Das ist ein wichtiger Gedanke. Er ist allerdings auch nicht neu, auch dieser Ansatz besteht ja schon. Er wird auszuweiten sein, er ist zu unterstützen, da haben Sie völlig Recht. Aber das, was Sie hier fordern, der Senat solle Vorgaben machen und das Ganze regeln, halte ich für vorschnell. Wir haben ja Modellprojekte, die wir erst einmal genau betrachten sollten. Die Entwicklung von Schulen zu Kinder- und Familienzentren halte ich für mindestens genauso wichtig, und da sind wir noch ganz am Anfang. Da ist leider noch wenig passiert.

[Mutlu (Grüne): Das schließt das andere nicht aus!]

Trotzdem möchte ich darauf hinweisen. Das kam bei Ihnen nämlich nicht vor.

[Mutlu (Grüne): Sie können ja einen Antrag stellen!]

Dann sind wir bei der Öffnung der Schulen zum sozialen Umfeld und der Arbeit mit außerschulischen Partnern. Auch das steht bereits im Schulgesetz, da brauchen wir keine Bestandsaufnahme und keine Auswertung. Dieser ganze bürokratische Aufwand ist unnötig. Das muss gemacht werden, das wird auch gemacht, und die Möglichkeiten dazu bestehen.

Zum letzten Antrag der Grünen über Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung des Lehrermangels: Wir haben den Lehrermangel noch nicht, abgesehen von ein paar Fachgebieten. Noch verlassen ausgebildete Lehrkräfte Berlin, weil sie hier keine Stelle bekommen. Das ist auch traurig für die Leute, die betroffen sind. Noch gibt es Wartelisten mit Hunderten von Kandidaten. Aber – Sie haben Recht – durch die bevorstehende Pensionierungswelle

[Mutlu (Grüne): 10 000]

wird ein erhöhter Bedarf entstehen. Wir haben 850 Studienplätze für das Lehramt. Ob sie auf Dauer ausreichen, muss man genau beobachten. Was wir wirklich zu wenig haben – ich bedauere es sehr –, sind die Referendariatsplätze. Da gehen uns die Besten oft verloren, weil sie, statt Wartezeiten in Kauf zu nehmen, lieber in andere Bundesländer abwandern. Wir wissen: Die Qualität der Schule hängt an der Qualität des Personals. Das ist ein Gesichtspunkt, den wir nicht überschätzen können.

Zu den Anträgen der FDP: Sie geht sehr pragmatisch an die Sache heran. Der Titel: „Schulgebäude dürfen keine Bruchbuden sein“ ist hundertprozentig zu unterstreichen. Wir wissen, Lernbereitschaft und Lernfreude steigen in einem schönen, gut ausgestatteten Gebäude. Da gehe ich völlig d’accord mit Ihnen. Wie wir die Sanierung in dem Umfang, wie wir sie brauchen, hinbekommen, ist eine finanzielle Frage. Das wissen Sie. Immerhin schaffen wir es, das Schul- und Sportstättensanierungsprogramm fortzuführen.

[Steuer (CDU): Quatsch!]

Es hat nicht die alte Höhe, das gebe ich zu.

Frau Kollegin! Auch Ihnen rufe ich die Redezeit zu: Sie ist aus!

Ich komme gleich zum Schluss. – Das ist ein Ansatz, wo wir weiter dranbleiben müssen. Auch der Vorschlag mit den Beteiligungsverfahren ist ein interessanter Aspekt. Er könnte den Schulen mehr Flexibilität geben. Darüber müssen wir noch einmal genauer sprechen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der Linkspartei.PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Harant! – Die CDU folgt. Das Wort hat der Herr Kollege Goetze. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Immerhin kann man den Oppositionsparteien wohl allesamt attestieren, dass sie sich zwar von unterschiedlichen Ansatzpunkten und etwas unterschiedlicher Problematik her, aber doch auf Grund einer nüchternen Betrachtung der derzeitigen Situation des Berliner Schulwesens um Verbesserungen bemühen. Wir haben zwei Redebeiträge der Sozialdemokraten gehört, und ich muss feststellen, dass ich es selten – auch in dem Wechselspiel zwischen Opposition und Regierung – erlebt habe, dass so unkritisch mit einer Regierung umgegangen wurde. Wir kennen ja die bestellten Anfragen von Frau Dr. Tesch im Plenum und im Ausschuss, die zu ganz ausführlichen Wortbeiträgen des Senators führen und uns das erhellend beleuchten, was wir in den Broschüren, die wir gerade bekommen haben, bereits nachlesen konnten.

[Gaebler (SPD): Was Sie, als Sie an der Regierung waren, ja nie gemacht haben!]

Frau Harant hat sich leider auch auf diese Ebene begeben. Es gibt also, wie wir gehört haben, weder Lehrer, die Berlin verlassen haben, weil sie hier nicht untergekommen sind, es gibt keine Wartelisten usw. Alles, was wir in einer Vielzahl von Artikeln nachlesen konnten, was uns Betroffene geschrieben haben und was Realität im Lande Berlin ist, wird einfach negiert. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Nein, so kann man sich auch von Seiten der Sozialdemokratie nicht mit dem Berliner Schulwesen auseinandersetzen.

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Mutlu (Grüne)]

Es disqualifiziert Ihre Rolle, Sie können auch als Regierungspartei ein bisschen selbstbewusster sein und sich einen Anflug von realistischer Betrachtung der Gegenwart leisten.

Die PDS hat uns ihre längerfristigen Heilsversprechungen offeriert. So lassen wir Schülerinnen und Schüler ganz unterschiedlicher Lernvoraussetzungen und unterschiedlichen Alters nur möglichst lange zusammen lernen, dann wird alles gut, dann haben wir das beste Niveau, hervorragende Schulabschlüsse, und die Welt ist in Ordnung. – Na, wenn das so einfach wäre! Warum machen das die Universitäten nicht so, warum macht das kein privater Arbeitgeber bei seiner Berufsausbildung, wieso ist dieses Modell in der Realität der Ausbildung noch nicht vorhanden? – Es kann wohl nur daran liegen, dass es in der Tat ein weit entferntes Heilsversprechen ist, mit der Realität aber nichts zu tun hat. Das ist das typische Muster: Wir wissen zwar nicht, wann wir es erreichen, und wenn, dann erst in 100 Jahren, glaubt nur dran, folgt uns, und dann geht alles in Ordnung. – So geht es nicht mit der Realität in der Berliner Schule!

[Beifall bei der CDU – Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]