Noch einmal: Es ist ein komplizierter Vorgang gewesen, der nur dadurch ermöglicht wurde, dass bislang viele über ihren Schatten gesprungen sind – und selbstverständlich noch springen müssen. Jeder muss für sich bewerten, ob eine Vereinbarung, die ihm nicht weit genug geht, zum einen in Relation zu dem, was passiert, wenn man gar nichts vereinbart, und zum anderen im Blick auf das Gesamtpaket akzeptabel ist. In der Gesamtbetrachtung des Pakets ist das akzeptabel. Der Bund bekommt in bestimmten Bereichen mehr Rechte – und die Länder auch. Ich meine, damit können beide Seiten leben. Vor allem kommt für die Bürgerinnen und Bürger mehr heraus, nämlich klarere Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Das ist ein großer Erfolg, den diese Arbeitsgruppe erzielt hat, und den sollte man nicht kleinreden.
Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Die Fragestunde ist wegen Zeitablauf beendet. Die heute nicht beantworteten Anfragen werden wie immer mit einer von der Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet werden.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt – die Spontane Fragestunde – aufrufe, habe ich noch eine Mitteilung nachzuholen. Der Senat hat mitgeteilt, dass Herr Senator Dr. Körting heute Abend das Land Berlin beim Abschluss der Synode der Evangelischen Kirche vertritt und deshalb ab 19.30 Uhr abwesend sein wird.
Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nicht nach Spontaneität, sondern nach der Stärke der Fraktionen mit je einem Mitglied. Es beginnt Frau Seidel-Kalmutzki mit einer Frage. – Bitte, Sie haben das Wort!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Auch ich wende mich an den Regierenden Bürgermeister: Herr Wowereit, Sie haben schon in Teilen aus den Verhandlungen der Föderalismuskommission berichtet. Ich frage explizit nach der Aufnahme der Hauptstadtklausel ins Grundgesetz und deren Auswirkung auf Berlin.
Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Gott sei Dank war das in der Diskussion kein großes Thema mehr. Ich habe auch nicht Wert darauf gelegt, dass darüber noch lange debattiert werden sollte. Die Formulierung ist aber aufgenommen worden – so, wie wir sie haben wollten. Artikel 22 – neu – soll lauten:
Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere wird durch das Bundesgesetz geregelt.
Damit können wir durchaus einen Erfolg erzielen, und ich bin dankbar, dass es hierzu mittlerweile einen so breiten Konsens gab, dass das auch nicht mehr problematisiert wurde.
Ich möchte aber davor warnen, mit dieser Grundgesetzänderung zu hohe Erwartungen zu verbinden. Trotzdem ist diese Aufnahme in das Grundgesetz wichtig. Zwar sind es zunächst einmal nur drei Sätze, und daraus ergibt sich kein automatischer Zahlungsanspruch des Landes Berlin, mit dem wir zum Bund gehen und direkt Cash – eine bestimmte Summe x – verlangen könnten. Aber es ist eine Ermächtigung für den Bund, in der Hauptstadt tätig werden zu dürfen. Das ist bislang immer in Frage gestellt worden. Gerade beispielsweise in Kulturfragen, bei der Akademie der Künste oder in Sicherheitsfragen haben die anderen Länder gesagt: Bund, du darfst da gar nichts tun! – Es ist also nun eine Ermächtigungsgrundlage für den Bund geschaffen.
Mit dieser Grundgesetzänderung ist aber auch ein verändertes Bewusstsein verbunden – hin zu einer Verantwortung für die Hauptstadt und einem Wahrnehmen der Hauptstadt als Teil des föderalen Systems. Es wird damit deutlich, dass zu einem föderalen Staat eine Bundeshauptstadt gehört und dass die Bundesregierung bzw. die Bundesrepublik insgesamt dann auch eine Verantwortung für die Bundeshauptstadt übernimmt und für die Repräsentation auch selber zu sorgen hat. Das ist viel mehr als ein technischer und finanzieller Anspruch. Dieser Erfolg war lange umkämpft, weil man das nicht wahrhaben wollte. Heute sind wir darin einen Schritt weitergekommen, und deshalb können wir zufrieden sein, dass diese Regelung dann hoffentlich in das Grundgesetz aufgenommen wird.
Frau Dr. Knake-Werner! Ich wende mich an Sie als Senatorin für den Verbraucherschutz: Wie konnte es dazu kommen, dass die Berliner Lebensmittelprüfer nicht bemerkt haben, dass in die Nahrungskette Lebensmittel gelangt sind, bei denen mindestens der Verdacht bestand, dass sie für den menschlichen Verzehr ungeeignet waren?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Brinsa, ich habe schon Ihre Presseerklärung gelesen und mich ein bisschen darüber gewundert, wie Sie zu Ihrer Einschätzung gekommen sind. Selbstverständlich haben wir als zuständige Senatsbehörde die Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsämter so schnell wie möglich informiert, nämlich dann, als uns mitgeteilt worden ist – und so sind nun einmal die Wege –, dass es einen Betrieb gibt, der sich offensichtlich kriminell verhalten hat, indem er Fleisch, das nicht zum Verzehr bestimmt war, verarbeitet und weiterverkauft hat. Insofern sehe ich im Moment keinen Grund für Ihre Beschwerde.
Sie verlangen von mir, ich solle die Berliner Bevölkerung zukünftig absolut vor Lebensmittelskandalen schützen. Herr Brinsa! Wir können viel – das hat der Finanzsenator vorhin schon gesagt –, aber wir werden es kaum schaffen, die Berliner Bevölkerung vor Lebensmittelskandalen zu schützen. Das übersteigt unsere Kräfte. Wir können da kontrollieren, wo es nötig ist, wenn Informationen über die Produzenten, die Lieferketten, die Verkaufsstätten bei uns angekommen sind. Das ist beim Putenfleisch auch umgehend geschehen. Wir haben Proben genommen und diese Proben geprüft. Es hat sich zum Glück herausgestellt, dass es keine Beanstandungen gegeben hat. Insofern sind wir hier ganz gut aufgestellt und durchaus in der Lage, schnell zu reagieren.
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Innensenator Dr. Körting. – Herr Körting! Wie bewerten Sie die Anschläge im Wedding und in Prenzlauer Berg in diesen Tagen angesichts der Pariser Geschehnisse in der vergangenen Woche, und wie verhalten Sie sich dazu?
ahmungstaten in Berlin. Einmal hatten wir fünf brennende Pkws, einmal hatten wir Anschläge auf vier Pkws, bei denen dann noch daneben stehende Pkws in Mitleidenschaft gezogen wurden. In der Nacht von gestern zu heute hatten wir einen Anschlag auf einen Pkw. Es handelt sich nach unseren Erkenntnissen um gezielte Brandstiftungen von Einzeltätern oder einer einzelnen Gruppe, die diese Brandstiftungen begangen haben. Die Brandstiftungen sind immer in einem gewissen zeitlichen Abstand hintereinander erfolgt, was darauf schließen lässt, dass ein Teil der Brandstiftungen von demselben Täter oder von derselben Gruppe vorgenommen wurde. Wir halten wegen des zeitlichen Zusammenhangs zu Paris die Brandstiftungen für Nachahmungstaten, so genannte Trittbrettfahrertaten, wie wir sie übrigens auch seinerzeit hatten, als in den USA Anschläge mit Anthrax-Briefen gemacht wurden und Trittbrettfahrer hier in der Bundesrepublik und auch in Berlin versucht haben, das nachzuahmen. Es gibt nach unserer Erkenntnis keinen politischen und organisierten Hintergrund dieser Taten. Es handelt sich um Einzeltäter.
Ich habe eine Frage an Frau Knake-Werner. – Frau Senatorin! Im Nachgang der Einführung von Hartz IV müssen in den bezirklichen Sozialämtern noch rund 250 000 Altakten formal abgeschlossen werden – ein sehr umständlicher bürokratischer Vorgang, der in den Verfahrensschritten ca. 50 € pro Akte kostet. Was werden Sie unternehmen, um z. B. durch Änderung von Ausführungsvorschriften dieses Verfahren so weit zu vereinfachen, dass es nicht mehrere Jahre lang einige Hundert Stellen im Land Berlin bindet und viel Geld kostet, sondern schnell beendet werden kann?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Schruoffeneger! Meine Staatssekretärin signalisiert mir gerade, dass das morgen bei uns im Haus Gegenstand der Beratung mit den Sozialstadträten sein wird. Dann werden wir sicherlich auch Sie über die Absprachen dort informieren.
Frau Knake-Werner! Wir haben jetzt Mitte November. Der Vorgang begann am 1. Januar dieses Jahres. Es ist schön, dass Sie sich morgen treffen und darüber reden. Aber welche Vorüberlegungen gibt es in Ihrer Verwaltung zur Änderung von Ausführungsvorschriften und Rundschreiben? Denn das ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die bezirklichen Sozialstadträte überhaupt handeln können.
Vielen Dank! – Ich kann Ihnen das jetzt nicht beantworten, weil ich nicht weiß, welche Überlegungen da angestellt worden sind und in welche Richtung morgen die Beratung durchgeführt werden soll. Wir werden Sie dann sicherlich sehr zeitnah über Ergebnisse informieren.
Dann geht es weiter mit dem Kollegen Lehmann von der Fraktion der FDP. – Sie haben das Wort, Herr Lehmann!
Danke schön! – Ich frage die Frau Senatorin Knake-Werner, ausgehend von einem Zeitungsartikel u. a. in der „Berliner Zeitung“ vom 7. November mit der Überschrift „Vogelgrippe – die Bezirke fühlen sich ratlos“: Wie beurteilt der Senat die Kritik der bezirklichen Gesundheitsämter, dass Informationen für den Fall einer Vogelgrippepandemie vom Senat vorenthalten werden und keine effiziente Koordination von Notfallmaßnahmen vorhanden ist?
Mir sind diese Informationen auch zugegangen, wie Sie wissen. Ich habe mich bei meinen zuständigen Referatsleitern darüber informiert, wie der Gang der Dinge ist. Die Bezirke sind Ende Dezember über den dreistufigen nationalen Pandemieplan informiert worden. Er ist Ihnen zur Verfügung gestellt worden. Darin ist ihnen mitgeteilt worden, welche Aufgaben in diesem Zusammenhang auf die Bezirke zukommen. Es ist ihnen auch deutlich gemacht worden, dass es Parallelen zum Pockenalarm gibt und dass vieles, was in diesem mit den Bezirken verabredet worden ist, auch für eine Pandemie angewandt werden kann. Darauf sind auch die Fortbildungen, die mit den Amtsärzten durchgeführt worden sind, ausgerichtet gewesen. Sie sind sozusagen übertragbar auf eine kommende Pandemie. Am 17. November findet erneut eine Zusammenkunft mit allen bezirklichen Amtsärzten statt, um sich darüber zu verständigen, welche weiteren Vorbereitungen für den Fall einer Pandemie getroffen werden sollen.
Wir haben keine Pandemie, wir haben auch keine Bedrohung durch eine Pandemie, sondern es gibt mit der Vogelgrippe eine Tierseuche, die uns zum Glück überhaupt noch nicht erreicht hat. Darauf stellen sich alle ein. Wir sind auch nicht in einer Katastrophensituation. Vielleicht darf ich daran noch einmal erinnern. Wir haben das ja letztes Mal hier sehr ausgiebig miteinander diskutiert. Insofern glaube ich, dass man jetzt auch nicht panisch,
sondern ruhig und gelassen reagieren sollte. Es gibt regelmäßige Gespräche mit den Krankenhäusern darüber, wie sie ihre Aufnahmekapazitäten erweitern können, und vieles andere mehr. Es passiert also eine ganze Menge. Aber ich finde auch, dass es nicht der Zeitpunkt ist, wo das auf dem Markt ausgetragen werden sollte.
Ich finde es übrigens merkwürdig, dass sich Stadträte, die regelmäßig in Beratungen mit dem Staatssekretär am Tisch sitzen, darüber beklagen, dass sie schlecht informiert seien und ihre Amtsärzte nicht wüssten, worum es gehe. Davon kann gar keine Rede sein, sondern sie sind in diese Debatten ausgiebig einbezogen.
Ich denke auch, man sollte hier keine Panik verbreiten, aber für einen möglichen Ernstfall gerüstet sein. Deshalb frage ich nach: Ist es richtig, dass die Stelle des Landesseuchenreferenten derzeit unbesetzt ist und es deshalb in Berlin keine erprobte Logistik für einen Pandemiefall gibt?
Das steht doch in keinem Zusammenhang. Es ist wahr, dass die Stelle des Seuchenreferenten zurzeit nicht besetzt ist, weil wir leider eine ganz kurzfristige Absage des ausgewählten Kandidaten bekommen haben. Aber das Referat arbeitet, und zwar sehr intensiv im Moment, was Sie aus vielen Verlautbarungen aus diesem Referat leicht mitbekommen können. Insofern gibt es diesen Zusammenhang nicht, sondern die Informationskette läuft selbstverständlich. Wir haben gerade in unserem Haus – auch davon konnten Sie sich schon persönlich überzeugen – einen Krisenstab, der besonders gut arbeitet und andere Bereiche, die einzubinden sind, auch entsprechend einbindet.
Danke schön, Frau Senatorin! – Die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen ist damit beendet. Die weiteren Meldungen werden im freien Zugriff berücksichtigt. Diese Runde wird wie üblich mit dem Gongzeichen eröffnet. Schon mit Ertönen des Gongs haben Sie Gelegenheit, sich mit der Ruftaste anzumelden. Alle vorher eingegangenen Meldungen werden gelöscht.