Protocol of the Session on October 27, 2005

deshalb endlich in aller Öffentlichkeit annehmen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir wissen alle, das Gesetz, das Sie vorgelegt haben, ist völlig verkorkst.

[Zurufe der Abgn. Gaebler (SPD) und Doering (Linkspartei.PDS]

Wir wissen auf der anderen Seite aus aktuellen Untersuchungen, dass es einen regen Zuzug nach Berlin gibt. Es gibt viele Interessierte, die in Berlin gern ein Haus bauen oder erwerben würden. Was Sie hier in die Welt setzen und diskutieren, trägt nicht gerade dazu bei, dass die Leute das mit Freuden machen, sondern es trägt eher zur Verunsicherung bei. Die Referentenentwürfe und Musterbeispielsrechnungen machen den Leuten Angst, dass sie zukünftig fünfstellige Summen auf den Tisch legen müssen. Übrigens ist das eine Angst, die auch Ihr Koalitionspartner PDS,

[Doering (Linkspartei.PDS): Linkspartei!]

der durchaus in dieser Klientel verwurzelt ist, mitträgt. Den Leuten wird plötzlich bewusst, dass sie neben den Hypotheken, die sie ohnehin zu bezahlen haben, plötzlich noch fünfstellige Summen aufwenden müssen, um den Straßenausbau zu finanzieren. – Da zuckt der Finanzsenator. Sie scheint das nicht so zu kratzen.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Aber einen Häuslebauer im West- und Ostteil der Stadt bewegt es sehr stark, was da auf ihn zukommt. – Schaffen Sie da endlich Sicherheit und sagen Sie den Leuten, was Sie wollen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Sie wissen – Herr Czaja hat es betont –: Alle maßgeblichen Verbände dieser Stadt lehnen Ihren Gesetzesvorschlag inzwischen ab. Alle! Der Rat der Bürgermeister tut es ebenfalls, wobei Sie – das muss man dazu sagen – durchaus die Begehrlichkeiten der Bezirke geweckt haben, indem Sie vorgesehen haben, dass die Bezirksverordnetenversammlungen darüber bestimmen, welche Straßen modernisiert werden, die Sie vorher haben vergammeln lassen.

[Doering (Linkspartei.PDS): Da haben Sie gerade zur CDU geguckt!]

Und trotz allem sagen die Bürgermeister mehrheitlich, das wollen wir nicht. Niemand will das! Ihr Staatssekretär Dr. Stimmann hat zudem in einem in der „Morgenpost“ zitierten Brief an die Baustadträte geschrieben, dass es durchaus nicht unwahrscheinlich ist, dass die Eigentümer gegen Ihre Vorstellung die Kosten, die ihnen entstehen, doch noch auf die Mieten abwälzen. Das hat Ihre Interessen nicht gerade befördert.

Wir begrüßen es, dass die PDS inzwischen mit 11 Abgeordneten – so hört man, vielleicht sind es schon mehr geworden –

[Doering (Linkspartei.PDS): Wer weiß!]

gegen das Straßenausbaubeitragsgesetz ist. – Herzlich willkommen! Lassen Sie es uns gemeinsam beerdigen, dann haben wir es vom Tisch! – Besten Dank!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege von Lüdeke!

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich lasse zunächst über den Vorschlag der Koalitionsfraktionen abstimmen. Wer dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen für die Aktuelle Stunde seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke, das sind die beiden Koalitionsfraktionen. Die Gegenprobe! – Das sind FDP, CDU und PDS.

[Was? von der Linkspartei.PDS – Gelächter bei der CDU – Henkel (CDU): Das kann schon mal passieren!]

Nicht die PDS, sondern die Grünen! Entschuldigung! – Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. – Enthaltungen sehe ich nicht. Die anderen Themenvorschläge sind damit erledigt.

Ich weise auf die Ihnen vorliegende Konsensliste und auf das Verzeichnis der eingegangenen Dringlichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann wie

der jeweils an der entsprechenden Stelle der Tagesordnung entschieden.

Entschuldigungen: Herr Senator Wolf wird ab ca. 19.45 Uhr abwesend sein, um den Vorstand des Bundesverbandes der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft zu begrüßen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde – Mündliche Anfragen

Bevor ich die erste Frage aufrufe, mache ich Ihnen folgende Vorschläge für die Zusammenziehung von jeweils zwei Mündlichen Anfragen: Die Fragen unter den laufenden Nummern 1 und 2 der Abgeordneten Dr. Fritz Felgentreu und Michael Braun haben die Flucht eines Strafgefangenen zum Thema, die Fragen 3 und 9 der Abgeordneten Benjamin-Immanuel Hoff und Alice Ströver die Übernahme des Berliner Verlags. Ich schlage vor, diese Fragen jeweils zusammenzuziehen. Den Fragestellern steht jeweils eine Nachfrage zu. Es können dann zu jedem Komplex zwei weitere Nachfragen aus der Mitte des Hauses gestellt werden, also insgesamt vier Nachfragen. – Ich höre keinen Widerspruch dagegen. Dann verfahren wir so.

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat nunmehr der Kollege Dr. Felgentreu von der Fraktion der SPD zum Thema

Das Entweichen eines Strafgefangenen während einer Ausführung am 20. Oktober 2005

Bitte schön, Herr Dr. Felgentreu! Sie haben das Wort!

Danke, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie konnte der inhaftierte Ismail F. am 20. Oktober 2005 flüchten, und warum ist er bei der Ausführung nur von einer Sozialarbeiterin begleitet worden?

2. Welche Konsequenzen sind aus diesem Vorfall gezogen worden?

Danke schön!

Jetzt folgt der Kollege Braun mit der Anfrage zum Thema

Ausgang auf berlinerisch – aber bitte mit Sahne!

Bitte schön, Herr Braun!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie will der Senat von Berlin künftig trotz der Bedenken der Frauenbeauftragten, die bei Gelegenheit auf den „kleinen Unterschied“ von Mann und Frau hingewiesen werden sollte, garantieren, dass Ausgänge von männ

lichen Gefangenen nur mit männlichen Bewachern durchgeführt werden?

2. Gehört es zur Üblichkeit in der Justiz, dass Anweisungen der Senatorin missachtet werden, oder warum wurde gerade diese Anweisung der zuständigen Senatorin, dass jeder männliche Gefängnisinsasse beim Ausgang einen Mann zur Seite gestellt bekommt, nicht durchgesetzt?

Danke schön, Herr Kollege Braun! – Jetzt hat Frau Justizsenatorin Schubert das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön, Frau Schubert!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich benenne zunächst einmal die Fakten und gebe einen kurzen Abriss des tatsächlichen Sachverhalts, bevor wir Bewertungen vornehmen.

Heute vor einer Woche, am 20. Oktober 2005, entwich der 33-jährige Strafgefangene Ismail F. während einer Ausführung aus der Justizvollzugsanstalt Tegel. Er war im Februar 1998 wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, nämlich 1,6 kg Kokain, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Seit dem 11. September 1998 befand er sich in der Justizvollzugsanstalt Tegel.

Am 20. Oktober 2005 verließ der Gefangene um 13.00 Uhr in Begleitung einer Sozialarbeiterin die Anstalt. Zusammen fuhren beide mit der BVG zu einem Restaurant am Kottbusser Damm. Im Restaurant traf man sich mit dem Bruder des Inhaftierten. Für die Sozialarbeiterin überraschend erschien auch eine Person, die möglicherweise der Rechtsanwalt des Gefangenen war.

Nach kurzer Zeit fuhr die Sozialarbeiterin mit dem Gefangenen und dessen Bruder mit einem Taxi zu einem Sportgeschäft am Kurfürstendamm, wo der Bruder des Gefangenen für diesen eine Jogginghose erwarb. Sodann besuchten alle drei gegen 16.45 Uhr das in der Nähe gelegene Café Kranzler. Gegen 17.10 Uhr entfernte sich der Gefangene, um eine Toilette aufzusuchen, während die Sozialarbeiterin mit dessen Bruder am Tisch sitzen blieb.

Nach etwa 10 Minuten suchte die Sozialarbeiterin die Toilettenanlage auf und stellte fest, dass der Gefangene sich nicht dort befand. Gegen 17.35 Uhr verständigte sie die Justizvollzugsanstalt Tegel und um 17.40 Uhr die Polizei. Diese traf 20 Minuten später, um 18.00 Uhr, am Ort ein. Die von ihr durchgeführte Suche nach dem Gefangenen blieb ergebnislos. So weit der Vorgang der Ausführung und der Flucht selbst.

Ich möchte zunächst noch auf die Vorgeschichte eingehen, bevor ich zur Bewertung komme. Der Gefangene ist seit 2004 bereits fünfmal ausgeführt worden. Diese Ausführungen sind jeweils von mindestens zwei Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes unter Mitführung

verschiedener Sicherungsmittel durchgeführt worden. Bei der dritten dieser Ausführungen, am 10. Januar 2005, sind für die Ausführungsbeamten überraschenderweise unbekannte Personen aus dem Freundeskreis des Inhaftierten erschienen. Am 29. September 2005 ist in der Teilanstalt V der JVA Tegel eine Vollzugsplankonferenz über den Gefangenen Ismail F. durchgeführt worden, an der die zuständige Teilanstaltsleiterin, die erwähnte Sozialarbeiterin als zuständige Gruppenleiterin, zwei Beamte des allgemeinen Vollzugsdienstes und ein Psychologe aus dem psychologischen Dienst der Anstalt teilgenommen haben. Dieser Konferenz hat eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme zu Grunde gelegen, die der Psychologe zuvor erstellt hat. Er ist darin zu dem Ergebnis gekommen, dass nach wie vor eine erhebliche Flucht- und Missbrauchsbefürchtung bestehe, weshalb er Bedenken gegen die Gewährung selbstständiger, das heißt unbegleiteter und unbeaufsichtigter Ausgänge und Urlaube habe. Deshalb ist die Vollzugsplankonferenz zu dem Ergebnis gekommen, dass solche unbegleiteten Lockerungen nicht in Betracht kämen, aber Ausführungen mit nur einem Bediensteten vorgenommen werden sollten.

Auf Grund dieses Ergebnisses genehmigte die Teilanstaltsleiterin am 11. Oktober 2005 eine Ausführung für den 20. Oktober bei deutlich verminderten Sicherungsmodalitäten, nämlich lediglich in Begleitung einer einzelnen Begleitperson aus dem Sozialdienst anstelle von zwei Bediensteten aus dem allgemeinen Vollzugsdienst. Entgegen einer in der JVA Tegel bestehenden Dienstanweisung legte die Teilanstaltsleiterin diese geänderte Vollzugsplanung mit geänderten Ausführungsmodalitäten nicht dem Anstaltsleiter zur Billigung vor.