1. Teilt der Senat die Einschätzung, dass in Berlin ca. 15 000 Arbeitsplätze im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft entstehen?
2. Ist sichergestellt, dass eine schnelle spezialisierte Vermittlung von Bewerberinnen und Bewerbern erfolgen kann, und ist das dafür benötigte Personal in den Jobcentern und Agenturen vorhanden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir gehen davon aus, dass die Fußballweltmeisterschaft einen erheblichen Beschäftigungseffekt hat. Derzeitige Schätzungen gehen von ca. 10 000 zusätzlichen Arbeitsplätzen aus; Sie haben sogar die Zahl 15 000 genannt. Die derzeit kursierenden Schätzungen sind alle noch sehr unscharf, aber man kann davon ausgehen, dass es einen erheblichen Schub geben wird – überwiegend temporär, aber teilweise werden es auch feste Arbeitsplätze sein.
Die Auswirkungen werden vor allem im Bereich Tourismus, Gastronomie, Sicherheit, Catering, Werbung, Transport und Einzelhandel spürbar sein. Darüber hinaus sind wir uns alle darüber im Klaren, dass die Fußballweltmeisterschaft einen ganz erheblichen Imagegewinn für die Stadt darstellt und dass wir eine Medialleistung für die Stadt erhalten, die unbezahlbar ist. Hier sind indirekte Effekte für die Folgejahre zu erwarten. So gibt es auch die Erfahrung anderer Städte, die Fußballweltmeisterschaften oder Olympische Spiele ausgerichtet haben, dass sich das Ereignis auch in den Folgejahren sehr positiv auf den Tourismus auswirkt.
Wenn man bedenkt, dass Berlin in den letzten beiden Jahren im Tourismus 15 % Steigerung hatte, wird es im Jahr der Fußballweltmeisterschaft sicher noch einmal eine deutliche Steigerung geben, die aller Voraussicht nach auch 2007 mit den entsprechenden Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung anhalten wird.
Im Übrigen gehen die Schätzungen davon aus, dass die Fußballweltmeisterschaft noch einmal ca. einen halben Prozentpunkt zusätzliches Wachstum für Berlin generiert.
Was die Frage nach der spezialisierten Vermittlung angeht, ist darauf hinzuweisen, dass die Regionaldirektion für Arbeit im Hinblick auf die Fußballweltmeisterschaft ein zentrales Büro in der Müllerstraße eingerichtet hat. Die derzeitige Besetzung beträgt fünf Personen, und sie wird bis zur Fußballweltmeisterschaft schrittweise noch auf 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgeweitet. Die Federführung dafür liegt bei der Agentur Berlin-Nord in Kooperation mit der Stabsstelle Großkunden der Bundesagentur für Arbeit.
Sie davon ausgehen, dass überwiegend sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen werden und nicht so genannte Ein-Euro-fünfzig-Jobs, wie letztens in der „Berliner Morgenpost“ zu lesen war? Wie werden Sie entsprechend Einfluss nehmen?
Frau Grosse! Wenn ich von 10 000 Arbeitsplätzen gesprochen habe, dann meine ich damit 10 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und keine Ein-Euro-Jobs, die – auch nach der Definition des Gesetzes – Arbeitsgelegenheiten und keine Arbeitsverhältnisse bzw. arbeitsvertraglich geregelte Verhältnisse im eigentlichen Sinne sind.
Darüber hinaus kann es selbstverständlich Möglichkeiten geben, auch im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft öffentlich geförderte Beschäftigung einzusetzen. Aber auch hier ist das nur nach den klaren Kriterien möglich, die wir gemeinsam diskutiert und definiert haben, nämlich den Kriterien der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses.
Aber noch einmal: Die 10 000, von denen ich gesprochen habe, das sind sozialversicherungspflichtige, reguläre Beschäftigungsverhältnisse.
Herr Senator Wolf! Vielleicht hat die Differenz zwischen den 10 000 und den 15 000 – also zwischen Ihrer Zahl und der von Frau Grosse – etwas mit den Ladenschlusszeiten während der Fußballweltmeisterschaft zu tun. Deshalb frage ich Sie: Wie sollen in Berlin die Ladenschlusszeiten während der Zeit der Fußballweltmeisterschaft nach Ihren Vorstellungen geregelt werden? Haben Sie darüber schon einmal mit den Gewerkschaften geredet? Was ist der derzeitige Verhandlungsstand?
Frau Dr. Klotz! Auch Ihnen dürfte bekannt sein, dass die Festlegung der Ladenschlusszeit nicht in mein Ressort fällt. Nichtsdestotrotz habe ich dazu Vorstellungen, die ich auch mit der Kollegin Knake-Werner besprochen habe. Nach meinen Vorstellungen sollten wir die gesetzliche Möglichkeit einer Ausnahmeregelung während der Fußballweltmeisterschaft nutzen und in dieser Zeit an Wochentagen die Öffnungszeiten ganz freigeben bzw. an Sonntagen weitgehend freigeben. Hierzu hat auch schon ein Anhörungsverfahren stattgefunden, wie mir Frau Knake-Werner gerade sagt. Das Thema ist also im Geschäftsgang und wird bearbeitet – mit den Gewerkschaften, aber auch mit allen anderen, die zu diesem Thema angehört werden müssen.
Rufschädigungen im „Neuen Deutschland“ gegen den Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen – mit Unterstützung des Senates von Berlin?
1. Teilt der Senat die im „Neuen Deutschland“ vom 5. Oktober 2005 über die Gedenkstätte BerlinHohenschönhausen aufgestellten Behauptungen, die Gedenkstätte wolle ein Geschichtsbild realisieren, bei dem die faschistische Herrschaft und die DDR-Zeit auf eine Stufe gestellt werden, der Gedenkstättenleiter mache sich damit einmal mehr zum Vorreiter eines extrem verzerrten Geschichtsbildes und viele Geschichten von Misshandlungen, die die Museumsführer vor staunendem Publikum verbreiten, seien frei erfunden?
2. Wenn nicht, warum haben die Vertreter des Senates von Berlin im Stiftungsrat dem Leiter der Gedenkstätte untersagt, sich gegen diese rufschädigenden Äußerungen presserechtlich zur Wehr zu setzen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrter Herr Abgeordneter! Der Senat geht nicht davon aus, dass die Gedenkstätte Hohenschönhausen die faschistische Herrschaft und die DDR-Zeit auf eine Stufe stellt. Da sich der Leiter der Gedenkstätte jedoch mit der Auffassung, dass sich die Zeit der Diktatur in Deutschland eigentlich von 1933 bis 1990 erstreckt habe und die Befreiung 1945 im Osten Deutschlands keine Befreiung gewesen sei, immer wieder sehr prononciert zur deutschen Geschichte geäußert hat, konnte allerdings in der Presse wie auch allgemein in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen, dass hier verschiedene zeitgeschichtliche Vorgänge nicht nur verglichen, sondern gleichgesetzt werden sollen. Wie jeder, der sich auf dem politischen Felde bewegt, muss auch der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen damit leben, dass seine Äußerungen aufgegriffen und journalistisch bewertet werden.
Zur Frage der Tätigkeit von Zeitzeugen ist dem Senat bekannt, dass es in Einzelfällen zu Beschwerden von Besuchern kam, die sich durch die Art der Führung bedrängt fühlten bzw. Kritik an historischen Darstellungen übten, die von anderen Zeitzeugen bzw. in Würdigung der vorliegenden Materialien so nicht geteilt werden könnten.
[Henkel (CDU): Ehemalige Stasi-Mitarbeiter! – Hahn (FDP): Unglaublich! – Weitere Zurufe von der FDP]
Hierzu hat es auch unter Beteiligung der Fachverwaltung Gespräche mit der Gedenkstätte sowie Gespräche der Gedenkstätte mit den Zeitzeugen und den Besucherbetreuern gegeben. Durch Schulung und die Ausgabe von entspre
chenden schriftlichen Handreichungen ist die Gedenkstätte wie andere vergleichbare Einrichtungen auch bestrebt, ein einheitliches Niveau zu gewährleisten.
Zu Ihrer zweiten Frage: Mit den Mitteln des Presserechts gegen Veröffentlichungen vorzugehen, setzt einerseits voraus, dass man die Auffassung vertritt, dass ein solches Vorgehen überhaupt sinnvoll und zielführend ist, und andererseits, dass ein solches Vorgehen nach juristischer Prüfung des Vorgangs auf Grund des spezifischen Falles erfolgversprechend sein könnte. Beide Fragen haben die Vertreter des Bundes und des Landes Berlin im Stiftungsrat nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalles einmütig verneint. Mit anderen Worten: Eine Gegendarstellung wäre juristisch nicht durchzusetzen gewesen. Davon abgesehen schien sie auch nicht geeignet zu sein.
Angesichts Ihrer Ausführungen frage ich Sie: Sehen Sie nicht die Schwierigkeit, dass gerade das, was in Berlin-Hohenschönhausen geschehen ist, eine besondere Härte war, die sich mit vielen Dingen schon in einer Art und Weise befindet, die man überhaupt nicht tolerieren kann? Oder denken Sie, dass diejenigen, die sich dort kritisch geäußert haben, das als Personen getan haben, die davon in irgendeiner Weise betroffen gewesen wären?
Ich habe den Kern Ihrer Frage nicht präzise genug verstanden, aber ich möchte deutlich machen, dass ich das Anliegen der Gedenkstätte ausdrücklich teile, dass die historische Aufklärung über diesen Ort und die Unterdrückungsmechanismen in der DDR ein öffentliches Anliegen ist und dass die Gedenkstätte alle Unterstützung erhält, dieses zu tun.
Es kommt allerdings auch darauf an, die dort vermittelten historischen Kenntnisse fachwissenschaftlich zu fundieren. Sowohl zu den Zeitzeugenberichten als auch zu historischen Äußerungen von Mitarbeitern und des Leiters der Gedenkstätte gibt es kontroverse Auffassungen. Es ist nicht Sache der Politik, hierbei Wahrheiten festzustellen. Ich setze darauf, dass es einen fachwissenschaftlichen Diskurs gibt, der dazu führt, dass es eine seriöse, abgesicherte Information über dieses notwendig aufzuarbeitende Kapitel deutscher Geschichte – in dem Fall DDRGeschichte – gibt.
Ich möchte aus gegebenem Anlass darauf aufmerksam machen, dass das Telefonieren mit dem Handy im Plenarsaal nicht erlaubt ist, und zwar aus folgenden Gründen: Erstens, weil das hier keine Telefonzelle ist,
Herr Senator Flierl! Muss ich Ihre Antwort auf die Ursprungsfrage so verstehen, dass Sie sich wichtige Teile dieses Schmähartikels im „Neuen Deutschland“ vom 5. Oktober 2005 inhaltlich zu eigen machen? Sie haben fast wortgleich die Formulierungen verwendet, die in dem Artikel stehen. Nach diesem Artikel sind viele Geschichten von Misshandlungen, die die Museumsführer vor staunendem Publikum verbreiten, frei erfunden. Meinen Sie wirklich, dass in diesem Land in einer staatlich geförderten Gedenkstätte irgendwelche gefälschten Zurschaustellungen geduldet sind? Wenn Sie das nicht meinen, dann interessiert mich, wie Sie gegen solche Behauptungen vorzugehen gedenken.
Herr Abgeordneter! Ich habe weder gesagt – das können Sie dem Protokoll entnehmen – noch vor, gegen Sachverhaltsdarstellungen oder die Widergabe von Meinungsäußerungen in Presseorganen presserechtlich vorzugehen.
Ich habe mich klar zu der Ursprungsfrage verhalten und gesagt: Der Senat geht nicht davon aus, dass die Gedenkstätte dieses gleichstellt. Das schließt nicht aus, dass es zu einzelnen Beschwerden gekommen ist, wobei ich nicht den Besuch der ehemaligen Beschäftigten meine, sondern Besuchergruppen, die sich über die Art der Führungen beschwert haben. Ich werde das hier nicht weiter präzisieren. Alle Kenner – auch die Fragesteller – wissen, worum es sich handelt.
Es hat eine interne Verabredung in der Gedenkstätte gegeben, so dass die Zeitzeugen auf der Grundlage eines gesicherten und durch Handreichungen fundierten historischen Sachverhalts argumentieren können. Ich habe mir die von Ihnen zitierten Äußerungen keineswegs zu eigen gemacht. Es ist aber nicht die Aufgabe eines Stiftungsratsvorsitzenden bzw. des Senats, über die dort verbreiteten historischen Darstellungen ein abschließendes Urteil zu fällen. Wir setzen darauf, dass es einen offenen, transparenten, wissenschaftlichen Diskurs gibt. Dazu dient auch die durch mein Haus finanzierte Koordinationsstelle für die Kooperation der Zeitgeschichtsforschung der Region mit den Gedenkstätten von Berlin und Brandenburg. Langfristig muss es darum gehen, dass auch an diesem Ort eine immer stärker profilierte, historisch fundierte Geschichtsvermittlung stattfindet.
Danke schön, Herr Senator! – Damit ist die Fragestunde durch Zeitablauf beendet. Die heute nicht beantworteten Fragen werden wie immer mit
einer von unserer Geschäftsordnung abweichenden Beantwortungsfrist von bis zu drei Wochen schriftlich beantwortet.