Die zweite Aufgabe für uns Abgeordnete besteht darin – ich fände es schön, wenn wir auch diesen Antrag gemeinsam einbringen –, den Leuten Angst zu nehmen. Ich habe eben mit Frau Kubala am Rande eine Kontroverse darüber geführt, in welcher Weise wir den Leuten die Angst nehmen können. Wenn – z. B. in Fernsehbeiträgen – ältere Menschen sagen: Ich muss beim Kochen und Backen sparen, um die Gaspreise bezahlen zu können –, dann ist es unsere Aufgabe als Berliner Parlament, darauf hinzuweisen, welche Sozialleistungen im Land Berlin genau für diejenigen Menschen zur Verfügung stehen, die sozial schlecht gestellt sind. Der Senator hat darauf hingewiesen und verschiedene Stellen des Landes weisen darauf hin, dass die Ausführungsvorschrift Wohnen Menschen, die sozial schlecht gestellt sind, unterstützt und dass diejenigen, die bislang keine Sozialleistungen erhalten, durch Flankieren von Alg II die Möglichkeit erhalten, ihr Problem zu lösen, so dass die Menschen nicht sagen müssen, oh Gott, ich kann zu Hause nicht mehr kochen und backen, weil die Gaspreise so hoch sind. Hier bin ich mit Frau Kubala einig, dass wir beides machen müssen, dass wir den Leuten die Ängste nehmen müssen und uns gemeinsam dagegen einsetzen müssen, dass ein Monopol eine Stadt in den Würgegriff nehmen kann.
Der dritte Punkt, bei dem möglicherweise Uneinigkeit herrscht, liegt in der Frage, wer in wirklich kassandrischer Richtigkeit vor Jahren bereits bei der Privatisierung von Bewag und GASAG festgestellt hat, dass es bei der Veräußerung eines ehemals öffentlichen Energieanbieters zu Problemen für die Verbraucherinnen und Verbraucher kommen wird. In diesem Sinne – und nur in diesem Sinne – kann ich Frau Kubala Recht geben. Ich kann ihr aber nicht Recht geben darin, dass sie dem Wirtschaftssenator unterstellt, er würde nichts gegen zu hohe Wasserpreise tun. Das ist natürlich Quatsch. Ich will Ihnen aber nicht unterstellen, dass Sie die Unwahrheit gesagt haben. Das hat der Senator heute schon bei einer anderen Kollegin Ihrer Fraktion getan.
Bei dieser Gasdebatte zeigt sich aber, dass wir uns als politische Akteure gegen Monopole und Kartelle wehren müssen. Die Debatte um die Privatisierung von GASAG und Bewag hat, jenseits der Frage, wie man durch Veräußerungen Landeshaushalte entlasten kann, auf die Probleme einer Privatisierung öffentlicher Energieunternehmen aufmerksam gemacht. Viele der Befürchtungen von Frau Schreyer, Herrn Wolf, bei den Wasserbetrieben insbesondere auch des Kollegen Liebich als damaliger wirtschaftspolitischer Sprecher meiner Fraktion haben eine erhebliche Rolle gespielt.
Zuletzt knüpfe ich an das an, was Herr Jahnke gesagt hat, möchte aber einen etwas anderen Akzent setzen. Herr Jahnke hat in seiner Rede zu Recht auf die internationalen Aspekte der Öl- und Gasbindung hingewiesen. Ein Problem ist bei ihm ein bisschen unterbelichtet geblieben, von dem ich aber denke, dass wir dennoch eine Einigkeit herstellen können. Wir können die Öl- und Gaspreisbindung, die durch internationale Kartelle organisiert wird, nicht
hinnehmen. Die rot-grüne Bundesregierung hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man durch internationale Vereinbarungen Änderungen vornehmen kann und muss, um genau dieser Form von internationaler Kartellbindung zu begegnen, die uns vor das Problem stellt, als Region, zum Teil auch als Nationalstaat, nicht die Instrumente zu besitzen, sich dagegen und gegen die Folgen wehren zu können. Dies ist sinnvoller, als wenn Bundeskanzler Schröder Kooperationen zwischen Gasprom und E.ON beim Bau einer neuen Pipeline abfeiert. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einem Punkt, Herr Hoff, muss ich Sie bitten, etwas Nachsicht mit uns zu haben. Wir sind in jedem Fall dagegen, Kosten dann offen legen zu müssen, wenn es keinen begründeten Tatverdacht gibt. Da halten wir es mehr mit der unternehmerischen Freiheit auch der GASAG – wenn es Missbrauch gibt, wird es eine Offenlegung geben müssen, aber nicht im Vorfeld, nur um zu begründen, warum sie eine Preiserhöhung durchführen wollen.
Bei dem Antrag der Grünen frage ich mich, ob sie vorhin bei der Mündlichen Anfrage der Diskussion nicht gefolgt sind, denn Herr Senator Wolf – ich hätte nie gedacht, dass ich ihn mal positiv zitieren muss – hat längst gesagt, es gebe ein Auskunftsersuchen. Das Auskunftsersuchen ist eine Vorstufe für gegebenenfalls weitere, sich daran anschließende kartellrechtliche Untersuchungen. Insofern ist Ihr Antrag vollkommen überflüssig. Es ist lediglich das Draufschmieren weißer Salbe, um zu zeigen, wir, die Grünen, machen uns zur Jeanne d’Arc aller Gaskunden. Das Perfide daran ist, dass Sie vorher auf Bundesebene dazu beigetragen haben, dass die Energiekosten sich dramatisch verteuert haben. Sie waren es, die mit dazu beigetragen haben, dass das Mineralöl und alle Öle als Alternative zu Gas unattraktiv wurden, indem die Steuern erhöht wurden. Sie haben auf Bundesebene eine Diskreditierungspolitik betrieben und kommen nun mit Krokodilstränen und sagen, oh, Gas wird zu teuer.
Sie sind durch Ihre Beteiligung in der Bundesregierung mit dafür verantwortlich, dass die Monopolstrukturen mit E.ON und Ruhrgas verfestigt wurden – da gab es keinen großen Aufschrei bei Ihnen, da gab es Gekneife. Sie haben auch aktiv dazu beigetragen, dass die Energiepolitik in weiten Maßen ideologisiert wurde, und zwar derart, dass ein vernünftiger Energiemix in Frage gestellt wird. Dies geschieht dadurch, dass Wind- und Sonnenenergie hoch subventioniert werden, aber nie die Grundlast ersetzten können, die bislang andere Energien bieten. Wer sehen will, wie widersprüchlich Ihr Verhalten auf Landes-
und Bundeseben ist, muss sich lediglich Ihre Beteiligung am Energiewirtschaftsgesetz anschauen. Rot-Grün hat auf Bundesebene 130 Melde- und Dokumentationspflichten innerhalb dieses Gesetzes gefordert. Dies hat mit dazu geführt, dass dieses Gesetz über Monate nicht verhandelt werden konnte. Gott sei Dank hat sich die Melde- und Dokumentationspflicht durch den Einsatz unserer Fraktion um 75 % verringert.
Was ist also von diesem Antrag zu halten? – Er ist überflüssig, er soll nur etwas kaschieren, für das Sie ursächlich mitverantwortlich sind. Deswegen kann man so einem Antrag nicht beitreten, sondern man kann ihn bestenfalls passieren lassen. Wir werden uns enthalten. – Danke schön!
Danke schön, Herr Kollege Thiel! – Wir kommen nun zur Abstimmung. Wer dem Antrag, Drucksache 15/4299, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke! Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit angenommen.
Für die Beratungen stehen den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnen die Antragsteller. Es hat wiederum der Kollege Thiel das Wort für die FDP. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hier liegt nun ein Antrag zur Abstimmung in II. Lesung vor, der sage und schreibe zweieinhalb Jahre in der Pipeline des Abgeordnetenhauses schmorte.
Ja, da haben Sie Recht, Herr Kollege Doering, es liegt wahrscheinlich an der guten Beratung. – Nun könnte man denken, dieser Antrag sei in der Zeit gegenstandslos geworden. Was haben wir dort gefordert? – Wir wollten vom Senat eine Erfassungsliste haben, in der uns – nach Ressorts und Sachgebieten aufgeteilt – Gesetze und Verwaltungsvorschriften dargestellt werden, die man kurzfristig außer Kraft setzen kann, die man außer Kraft setzen kann, wenn Bundesgesetze verändert werden oder aber bei denen es noch einer Klärung bedarf. Parallel dazu wollten wir eine Liste für Bundesratsinitiativen vorgelegt bekommen, in der bundes- und europarechtliche Regelungen, die einer Verwaltungsreform entgegenstehen, be
nannt werden. An zweiter Stelle sollten bundesrechtliche Verfahrens- und Genehmigungsregelungen, die investitionshemmend sind, aufgelistet werden. All das lehnen Sie ab, Sie mit der Mehrheit der Koalition, und, wenn ich richtig informiert bin, unter Zustimmung von Bündnis 90/Die Grünen.
Interessant ist für mich dabei, dass die Enquetekommission über alle Fraktionen hinweg im Mai dieses Jahres folgendes beschlossen hat, ich zitiere aus dem Abschlussbericht, 3.1. Standortfaktor Bürokratieabbau:
Berlins ausufernde Bürokratie ist bei den Unternehmen der Stadt gefürchtet. Es ist eine Kernaufgabe des Senats, Effizienz und Umfang staatlicher Verwaltung unter den Gesichtspunkten der Belastung der Wirtschaft kontinuierlich zu überprüfen.
Anscheinend haben die Kolleginnen und Kollegen, die diesen Antrag niederstimmten, den Enquetebericht bis dahin nicht gelesen, anders kann ich mir ihr Verhalten nicht erklären.
Wer noch von außen einen Hinweis braucht, wie sehr Berlin unter der Bürokratie leidet – das wurde von Herrn Dr. Lindner schon am Beispiel des Fleischermeisters vorgestellt – –
Ja, es ist wirklich sehr beeindruckend. Man muss schon ganz schön darüber stehen, wenn man das nicht ernst nimmt. – Ich zitiere einmal den sicherlich unverdächtigen Präsidenten der UVB, Gerd von Brandenstein. Er sagte auf dem 15. Unternehmertag der Wirtschaft von Berlin und Brandenburg Folgendes:
Wichtig ist aber auch Bürokratieabbau, damit sich unsere Mittelständler wieder mehr ums Geschäft kümmern können.
Bürokratieabbau muss permanent geschehen. Deswegen bin ich nachdenklich geworden, als ich in einem Protokoll des Verwaltungsreformausschusses vom Januar dieses Jahres die Bemerkung von Herrn Staatssekretär Schmitz – der nicht anwesend sein kann – las:
Das glaube ich, Herr Schmitz. Sich Vorschriften vorzunehmen, ist nie sexy. Und es macht keinen Bock. Aber es ist notwendig. Es ist notwendiges Regierungshandeln. Dass es auch anders geht, kann man beispielsweise im Saarland sehen. Dort sind allein in der laufenden Legislaturperiode von ursprünglich 3 046 Verwaltungsvorschriften 2 229 aufgehoben worden. Das heißt, der Senat kommt nicht seiner Pflicht und Schuldigkeit nach, die Verwaltung abzubauen, zu entbürokratisieren und schlagkräftig aufzustellen.
Auch dazu erlaube ich mir noch einen Blick in den Abschlussbericht der Enquetekommission. Sie hat dazu bemerkt:
Warum es wahrscheinlich immer wieder zu Vollzugsdefiziten kommt, liegt hauptsächlich an drei Punkten:
2. an der gravierenden Unterschätzung der Problematik durch politisch Verantwortliche auf Landes- und Bezirksebene;
3. beträchtliches Widerstandspotential bei den Beschäftigten und ihren Vertretungen gegenüber einem Verwaltungsumbau.
Wenn wir an diesen Mentalitäten festhalten, brauchen wir uns nicht zu wundern, dass Berlin immer weiter absackt. Das hat Berlin, das haben die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, das hat niemand, der hier lebt und arbeiten will, verdient. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der FDP-Antrag lässt sich auf vier Forderungen zusammenfassen. Sie wollen eine Liste der Verwaltungsvorschriften, die stark vereinfacht werden oder wegfallen können; Sie wollen eine Liste entsprechender Gesetze; Sie wollen eine Expertenkommission zur Erstellung dieser Liste; Sie wollen eine bundes- und europarechtliche Initiative. – Den letzten Punkt lasse ich beiseite. Wenn die FDP auf Bundes- oder Europaebene etwas ändern will, dann bitte über die Länder, in denen sie mitregiert. Verschonen Sie uns hier mit Ihren Vorschlägen.
Weil nur schwer nachvollziehbar ist, dass die Berliner Wirtschaft so schrecklich unter der Vorschriftenlast und der Bürokratie leidet, wenn man sich klar macht, dass bei dem zuständigen Senator ein kleines, rotes Telefon steht, wo jeder anrufen kann, der sich belastet fühlt. Sie müssen die Gelegenheiten, die wir vorhalten, wahrnehmen!
Wir könnten es uns einfach machen und sagen: Dieses Abgeordnetenhaus hat die entsprechenden Vorschläge bereits abgearbeitet. Es gibt eine Liste aller in Kraft befindlicher Verwaltungsvorschriften, Drucksache 15/4147. Einfach nachlesen! In Bezug auf Gesetze hat der Verwaltungsreformausschuss eine sinnvolle Regelung im Geschäftsgang. Wir wollen nicht nur eine Folgenabschätzung, wie die FDP vorschlägt, sondern eine regelmäßige Evaluierung aller Gesetze. Die Grundlage ist übrigens ein FDP-Antrag, der im Verwaltungsreformausschuss geheilt werden konnte.
Im Hinblick auf Experten sind wir reich gesegnet. Wir haben angefangen mit der Scholz-Kommission, deren Vorschläge in vielen Bereichen Grundlage der Senatspolitik geworden sind. Und es gibt – von der Senatskanzlei eingesetzt – eine unabhängige Normprüfungskommission, die in den ersten zwei Jahren ihrer Existenz 70 Gesetze durchgearbeitet und außerordentlich sinnvolle Vorschläge gemacht hat. Wir haben also alles erledigt durch tätiges Handeln.