Protocol of the Session on September 15, 2005

der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Kulturgüter ist geblieben und muss weiterhin bestehen,

die Erhaltung der Buchpreisbindung, die sichert, dass hochwertige Literatur nicht ganz aus den Buchläden verschwindet,

die Reform des Urheberrechts,

die Filmfördernovelle,

und als besonderes Verdienst der Grünen die Stiftungsrechtsänderung.

An diesen verbesserten Rahmenbedingungen wollen wir festhalten, denn sie sind für Berlin besonders wichtig, weil hier wahrlich viele Künstler und Künstlerinnen leben.

Mit dem Hauptstadtkulturvertrag wurde Berlin durch den Bund finanziell kräftig entlastet. Das ist eine gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass der rot-rote Senat es allein dem Bund überlässt, welche Einrichtungen er in seine Trägerschaft und alleinige finanzielle Verantwortung übernimmt. Der Kultursenator verfährt nach dem Motto: Hier sind unsere Institutionen, liebe Bundesregierung. Nimm dir, was du möchtest, Hauptsache, Berlin muss nicht länger zahlen. – So hat der Bund inzwischen die Akademie der Künste, das Jüdische Museum, das Filmmuseum, das Haus der Kulturen der Welt und viele andere Häuser übernommen. Was es eigentlich bedeutet, von gesamtstaatlicher Bedeutung zu sein, das hat dieser Senator bis heute nicht geklärt. Diese Beliebigkeit ist es, mit der die Neider aus den anderen Ländern gegen Berlin aufgebracht werden. Dagegen müssen wir vorgehen.

[Beifall bei den Grünen]

Wir haben vorgeschlagen, was die Kriterien für eine Bundesförderung in Berlin sein könnten. Die Erinnerungskultur gehört in die gemeinsame Verantwortung des Bundes und der Länder. In die alleinige Bundeszuständigkeit sollten darüber hinaus nur solche Einrichtungen genommen werden, die wirklich die Kriterien Einmaligkeit und internationale Bedeutung erfüllen. Wer mehr Engagement für die Hauptstadt fordert, der muss zunächst seine eigenen Hausaufgaben machen.

Verantwortung für die Hauptstadtkultur fängt in der Hauptstadt selbst an. Hier hat sich dieser Senat nicht mit Ruhm bekleckert. 22 Millionen € Absenkung allein zwischen den Ist-Ausgaben 2004 und dem Haushaltplanansatz für das Jahr 2007 bei den konsumtiven Ausgaben im Bereich der Kultur sprechen eine beredte Sprache. Aufgabe des Senats ist es, die kulturelle Grundversorgung sicherzustellen. Aufgabe des Senats ist es auch, Fördermodelle langfristig abzusichern und nicht in jeder Haushaltsrunde weiter zu kürzer, bis diese Förderungen ad absurdum geführt worden sind. Jüngstes Beispiel dafür sind die Mittel für die freie Szene und die kleinen Theater. Aufgabe des Senats ist es auch, die notwendigen baulichen Investitionen endlich anzupacken. Staatsoper und Komische Oper müssen in maroden Gebäuden arbeiten, und das Stadtmuseum verfügt noch nicht einmal über einen zentralen Standort. Wie soll es dann gegen die übermächtigen Staatlichen Museen wahrgenommen werden? – Es ist kein gutes Signal an den Bund, wenn Berlin selbst seine Kulturausgaben weiter absenkt, so dass kleine Theater schließen und kleine Orchester, die wichtige musikpädagogische Arbeit leisten, abgewickelt werden. Wer eine pulsierende Kulturhauptstadt will, die Anziehungspunkt sowohl für Künstler als auch Besucher ist, der muss dafür auch öffentliche Mittel bereitstellen, damit dies funktioniert.

Das künstlerische Schaffen muss der Kreativität der Künstlerinnen und Künstler überlassen werden. Die einseitige Orientierung an wirtschaftlichen Erfordernissen zerstört die Kreativität, die Berlin braucht, um der kulturelle Anziehungspunkt zu bleiben, der er ist. Deswegen kann sich das Land Berlin selbst nicht aus seiner Verantwortung stehlen. Gerade heute, zu Beginn der Haushaltsberatungen, sei hier noch einmal gesagt: Hauptstadtkulturförderung fängt in der Hauptstadt an. – Vielen Dank!

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die FDP-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Meister das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es waren flammende Reden. Herr Liebich lobt seinen Kultursenator.

[Doering (Linkspartei.PDS): Ist doch wohl selbstverständlich!]

Die SPD lobt die eigene Regierung. Die Grünen loben Frau Weiss.

[Zurufe der Abgn. Liebich (Linkspartei.PDS) und Ratzmann (Grüne)]

Mittlerweile hat sich der Saal halb geleert. Die, die noch da sind, haben offensichtlich mehr oder weniger die Augen zu.

[Doering (Linkspartei.PDS): Das können Sie jetzt ändern!]

Eigentlich fragt man sich, ob schon alles richtig gut geworden ist, gerade wenn man sich angehört hat, was Frau Ströver erzählt hat, wie viel der Bund uns in Berlin Gutes tut. Da darf man doch einmal nachfragen, was er uns wirklich Gutes tut, was uns denn die letzten sieben Jahre Rot-Grün gebracht haben.

[Doering (Linkspartei.PDS): Eine gute Frage!]

Ja, sie haben uns etwas gebracht! Sie haben dazu geführt, dass jetzt jeder in Deutschland weiß, dass Frau Weiss Bundeskulturstaatsministerin heißt.

[Dr. Lindner (FDP): Nicht mehr lange!]

Das ist nämlich gar nicht so ganz einfach. Jeder weiß, dass man sich auch auf Bundesebene um die Kultur kümmern muss. Das ist erst einmal schon gar nicht so ganz schlecht gewesen. Wir wissen auch, dass sehr viele Mittel des Bundes nach Berlin fließen, nämlich genau 430 Millionen €, sagt der Bund zumindest. Wenn man genauer hinschaut, was da alles so fließt, dann fließen da z. B. auch 90 Millionen € an die „Deutsche Welle“. Das kann man als Berliner in der Kulturpolitik nicht wirklich anerkennen. Wo ist da die große Leistung? – Da fließen auch viele Millionen, von denen wir doch wohl nicht ernsthaft behaupten wollen, dass es eine föderale Aufgabe des Landes Berlin wäre, das Holocaust-Mahnmal zu bauen. Ich glaube, dass es genau richtig ist, dass der Bund in seiner Verantwortung steht, und das ist keine besondere Wohltat nur für die Berliner. Das Ganze ist ein ziemliches

Chaos, was wohin fließt. Jedes Jahr wird weiter hin und her gewechselt. Kein Mensch weiß mehr genau, warum das eine von Berlin und das andere vom Bund finanziert wird. Was man immer nur weiß, ist, dass Berlin wenig Geld hat und jedes Jahr aufs Neue auf die Idee kommt, der Bund könne die Löcher stopfen, denn das hat man immer so gemacht. Das hat alte Tradition hier im Land.

Basis der Vergabe ist – lernt man aus der Großen Anfrage, die unserer Fraktion im Bundestag gestellt hat – einmal die Grundlage von Gesetzen. Das ist die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das ist erst einmal nachvollziehbar. Die zweite Basis ist das, was von nationalem Interesse ist. Hier stellen sich trefflich Fragen, ob alles, was der Bund übernommen hat, wirklich in dem Interesse ist, dass es der Bund finanziert, oder manches davon auch in Berliner Hand gehört bzw. umgekehrt. Auch hier darf man die Frage stellen, ob es in Berliner Hand Dinge gibt, die durchaus von internationalem Interesse sind. Und es gibt den Hinweis auf die Repräsentation des Gesamtstaates auf kulturellem Gebiet, speziell in der Bundeshauptstadt. Darunter fällt die Akademie der Künste. Sind wir in Berlin mal froh, dass wir sie nun los sind, denn sie wird uns endlos lange beschäftigen, bis sie fertig gebaut ist und man sich im Haus der Medien wirklich mit Medien treffen und ein Kabel anschließen kann. Aber dass es nun wirklich die Repräsentation des Gesamtstaates ist, das darf man doch auch einmal in Frage stellen. Hier ist deutlich geworden, dass man Kultureinrichtungen hin und her geschoben hat. Wer sich nicht mehr wehrt, der hat sie dann eben.

So werden auch Dachverbände gefördert, die ihren Sitz in Berlin haben. Auch das finde ich überraschend, denn wo sollen sie denn sitzen, wenn nicht in Berlin, doch bestimmt nicht in Hückelhoven. Das ist irgendwo auch naheliegend.

Die Leistung der Staatskapelle rechnen wir auch zu dem großen Betrag, erklären aber frank und frei, dass es eine freiwillige Leistung des Bundes ist. Ja, das ist sehr schön. Das ist ihm unbenommen. Jeder Sponsor in diesem Land, der etwas für die Opern tut, sei herzlich begrüßt, auch wenn er Bund heißt. Aber das als große Kulturförderung Rot-Grün anzurechnen, weiß ich nicht, ist vielleicht doch ein bisschen übertrieben.

Dem Hauptstadtkulturvertrag von 2001 bis 2004 lag die Erwartung zu Grunde, dass Berlin die so gewonnenen Entlastungen zur Erfüllung der eigenen Kulturaufgaben einsetzt und strukturelle Probleme löst. Das war eher das Prinzip Hoffnung. Es war nicht schlecht gedacht zu sagen, der Bund geht hin und sagt: Liebe Berliner! Wir helfen euch ein bisschen. Es ist im Moment alles nicht so einfach. Aber löst eure kulturellen Hausaufgaben allein, und zwar ordentlich und so, dass die Kultur erhalten bleibt, und löst vielleicht ein paar strukturelle Probleme. – Der Kulturetat in Berlin ist nicht gerade angestiegen, sondern eher weniger geworden. Da ist wohl das eine oder andere

auf dem Weg ein bisschen im Haushaltsloch versackt. Mit den Strukturlösungen ist das so eine Sache.

Die Opernstiftung ist hier die große Überschrift. Darunter steht dann nicht mehr viel. Die großen Synergieeffekte, die über ein Werkstättensystem erreicht werden sollten, sind noch immer im Wolkenkuckucksheim, weil noch keiner weiß, wie das Werkstättensystem aussehen soll. Auch hier bewahrheitet sich einmal wieder, dass hinter dem Begriff Synergieeffekte nichts anderes steht als das Synonym für Personalabbau, sprich Kündigungen. An die Abwicklung des Balletts der Komischen Oper mag sich keiner mehr erinnern. Das ist auch schon lange her und ging so schnell, dass es fast über Nacht passierte, und schon waren sie weg, die Tänzer. Da musste man nicht lange kündigen, sondern nur den Vertrag nicht verlängern. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das die strukturellen Lösungen waren, die der Hauptstadtkulturvertrag erwartet hatte.

Vor uns liegt die Aufgabe, einmal wirklich die Mittel, die der Bund Berlin zukommen lässt, neu zu strukturieren, und zwar so, dass man sie nachvollziehen kann, dass man vielleicht das eine oder andere seit dem Einigungsvertrag etwas neu strukturiert, etwas klarer macht, dass man einen Hauptstadtkulturvertrag hat, der nicht mehr nur ein Hin- und Herschieben von einzelnen Kulturinstitutionen ist, um damit irgendwelche Löcher zu stopfen. Und das sagt – wenn ich das richtig verstanden habe – eigentlich auch Herr Lammert so. Er sagt nämlich, dass der Hauptstadtkulturvertrag Förderungen festschreibt, bei denen man Zweifel haben darf, dass der Bund dafür zuständig ist. Aber er bezweifelt nicht, dass hier eine Kulturförderung stattzufinden hat. Und das ist richtig so.

[Beifall bei der FDP]

Es gibt Dinge, die kulturell gefördert werden müssen, aber wo sehr fraglich ist, ob sie gerade vom Bund gefördert werden müssen. Da fand ich, Frau Lange, die Idee von Flierl mit dem Hauptstadtkulturfonds auf Landesebene gar nicht so ganz falsch, denn viele aus diesen Projekten – da sind wir uns einig, es ist mir wichtig, das zu betonen –, die sehr erfolgreich und gut sind – das geht von Sasha Waltz bis zum Internationalen Literaturfestival – brauchen wir in Berlin. Das ist auch richtig so. Aber warum man den Hauptstadtkulturfonds nicht auf Landesebene anbinden kann, ist nicht wirklich nachzuvollziehen.

Auch der Martin-Gropius-Bau – nur als Beispiel, Sie erwähnten ihn – in Bundeshand: Es ist sehr schön, dass er dort ist, aber was ist denn dort und was passiert dort? – Das, was Sie auch ansprachen, Frau Lange, große Ideen für den Martin-Gropius-Bau, so richtig passiert es doch eigentlich nicht.

Insofern glaube ich sehr wohl, es braucht ein paar neue Regeln für die Hauptstadtkulturfinanzierung. Ich denke nicht, dass Herr Lammert die Hauptstadtkulturfinanzierung abschaffen wird. Aber vielleicht gelingt es uns einmal, wirklich Regeln zu schaffen, die nicht nur danach gehen, dass man sich gegenseitig Kulturinstitutionen hin und her schiebt, um

und her schiebt, um davon abzulenken, dass das Geld vorne und hinten nicht langt und die Decke ein bisschen knapp geworden ist. Wir brauchen neue Regeln. Wir brauchen kulturpolitische Regeln. Wir brauchen Regeln, die internationale Bedeutung betonen. Wir brauchen Regeln, die das gesamtstaatliche Erbe, das wir übernommen haben, deutlich machen. Das ist nicht Landesaufgabe.

[Beifall bei der FDP]

Und wir brauchen auch Regeln für unsere Gedenkstätten, weil Gedenken – davon bin ich fest überzeugt – nicht föderale Aufgabe sein kann, sondern eine nationale Aufgabe ist.

[Beifall bei der FDP]

Noch einen Satz zu der Sparliste Rot-Grün: Es gibt sie immer wieder. Wir kennen das hier auch mit Giftlisten. Da gab es überhaupt keine Kultur mehr. Weil man gerade dabei war, gab es auch keine Zoos mehr. Es gab überhaupt gar nichts mehr in dieser Stadt. So liest sich jetzt diese Sparliste Rot-Grün auch.

[Zuruf der Frau Abg. Ströver (Grüne)]

Da gibt es keine Filmförderung, keine Kulturstiftung mehr. SPK gibt es überraschenderweise auch nicht mehr. Da gibt es kein ROC mehr. Und über den Hauptstadtkulturfonds braucht man gar nicht mehr nachzudenken, ob er auf Bundes- oder Berliner Ebene bleibt, denn es gibt ihn auch gleich gar nicht mehr. Es mag die Finanzminister einen, dass sie ganz offensichtlich immer eine gewisse Ferne zur Kultur haben. Das kennen wir aus Berlin, und das ist bei Rot-Grün auf Bundesebene auch nicht viel anders, dass man nicht so recht weiß, was man mit der Kultur anfangen soll.

Wir empfehlen, und haben hierzu auf Berliner Ebene auch einen Antrag gestellt, dass ein Kulturwirtschaftsbericht erstellt wird. Dieser liegt jetzt vor. Vielleicht kann auch der Bund, Rot-Grün, sich hierüber Gedanken machen, was denn Bundeskulturwirtschaft heißen würde.

[Frau Ströver (Grüne): Aber die Zuständigkeit wollen Sie schon föderal auf Landesebene behalten!]

Ich glaube, dass wir alle sehr viel stärker für Berlin werben müssen, und ich glaube, dass der künftige Bundeskulturstaatsminister sehr stark für die Kultur werben muss.

Ein letzter Satz sei mir noch gestattet – dies ist mir persönlich wichtig – , weil Frau Lange das Vertriebenenzentrum angesprochen hat: Es wird Ihnen sicher nicht neu sein, dass wir gerade die außenpolitische Verantwortung sehr ernst nehmen. Mit uns wird es ein Gedenken geben, was sich mit der Frage der Vertriebenen auseinander setzen wird, aber es wird auch ein Gedenken an Vertriebene geben, das nur in Zusammenarbeit mit unseren befreundeten Nachbarn stattfinden wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP – [Liebich (Linkspartei.PDS): Das klang aber eben nicht so!]

Vielen Dank! – Für den Senat hat jetzt der zuständige Kultursenator das Wort. – Herr Dr. Flierl, bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist Wahlkampf, da ist Einiges erlaubt, und wir sind Einiges gewöhnt. Erst verkündet Herr Lammert, dass der Bund in Berlin zu viel Kultur fördert, und kaum war dieses Unwort in der Welt, tauchen angebliche Giftlisten aus dem Bundesfinanzministerium auf, die Schwarz-Gelb geradezu als Bewahrer und zuverlässigen Partner der Kulturförderung des Bundes erscheinen lassen. Wie durchsichtig!

Glauben Sie mir, ich weiß, was Giftlisten sind, und ich weiß, was in Finanzverwaltungen so alles erdacht und aufgeschrieben wird, wenn es um Kultur geht. Sparen wir uns also diese Aufregung! Dass es in der CDU Politiker und Politikerinnen gibt, die bis heute kein Verhältnis zu Berlin als Hauptstadt des vereinten Deutschlands gefunden haben, auch damit müssen wir wohl leben. Wenn solche Ressentiments nun jedoch bundespolitische Relevanz zu erlangen drohen, schrillen zu Recht die Alarmglocken. Dann könnten nämlich auch die von Finanzbürokraten erdachten Giftlisten einen ganz anderen Stellenwert erhalten, nicht etwa weil sie plausibler würden, sondern weil die Politik empfänglicher für derartiges Gift wird.