Protocol of the Session on September 1, 2005

Vierter und letzter Punkt: Richtig geärgert habe ich mich – das hat Herr Zimmer schon angesprochen – über die Wortmeldung des Herrn Kultursenators Flierl bei einem Forum, das Volker Hassemer moderiert hat. Nichts Amtliches, wie er betonte, sondern ein unverbindlicher Entwurf von irgendwelchen Unterlingen. Von ihm weder gebilligt noch zur Kenntnis genommen, war da zu lesen. Das kann ich nur als einen unmöglichen Auftritt des Herrn Kultursenators kommentieren.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hahn?

Frau Bluhm

Was ist stattdessen seit Mai parlamentarisch von Seiten der CDU geschehen? Wie viele Anträge, von dem heute zu diskutierenden Antrag – Senat, berichte doch einmal und dann sehen wir weiter – abgesehen, hat die CDU eingebracht? – Meine Fraktionskollegen – auch im Hauptausschuss – konnten mir dazu nichts berichten. Brauchen Sie also diese Runde, um sich Ihre eigenen Ankündigungen noch einmal in Erinnerung zu rufen? – Auch dazu habe ich heute nichts gehört.

Ab 17.30 Uhr, war bekannt gegeben, jetzt haben wir 17.25 Uhr, und er ist nicht anwesend! Aber er ist schon längere Zeit nicht anwesend. – Ein bisschen ist das das Stimmungsbild, wie wir es in der Enquetekommission auch erlebt haben und wie wir es jetzt auch schriftlich bekommen.

Der Kollege Zimmer hat schon darauf hingewiesen: Wenn man den Bericht des Senats liest, dann kann man schmunzeln oder man kann auch manches Mal etwas peinlich berührt sein. Der Bericht ist in einem Duktus geschrieben, der unglaublich überheblich, arrogant und selbstbeweihräuchernd ist.

Ich glaube, Herr Senator, dass Sie diesen Bericht nicht geschrieben haben, denn Ihre Art zu formulieren ist prägnanter und nicht so, wie ich sie hier gefunden habe. Es hätte sich sicherlich gelohnt, ihn textkritisch zu überarbeiten, bevor man ihn herausgibt. Ich will Ihnen ein Beispiel geben. Da heißt es:

Allerdings sind viele Vorschläge, viele richtige Hinweise auch nicht per Senats- oder Abgeordnetenhausbeschluss umzusetzen. Die gefühlte Dienstleistungsbereitschaft, die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die Innovationsbereitschaft Berliner Unternehmen, das Sozialprestige der Lehrerschaft und nicht zuletzt das bürgerschaftliche Engagement und seine notwendige Vernetzung sind die komplexen Themen, an die sich die Enquetekommission herangewagt hat. Die Umsetzung wird ein langer, arbeitsteiliger Prozess sein. Die Mühen der Ebene genau dieser Umsetzung liegen jetzt vor uns und vor dieser Stadt.

Spannend hätte die Debatte noch einmal werden können, Herr Zimmer, wenn uns die CDU mit Neuigkeiten aus ihren Reihen versorgt hätte, z. B. der Information, Sie wollten die Blockade zur notwendigen Grundgesetzänderung zur Reform des Beamtenstatus aufgeben, oder Sie hätten uns hier erklärt, wie wunderbar sich die Mehrwertsteuererhöhung auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen der Stadt und die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger auswirkt. Herr Zimmer wird nicht müde, das Berliner Einnahmeproblem zu beklagen. Vor diesem Hintergrund muss man die Nachricht erst einmal verkraften, dass nach der kirchhoffschen Steuerkonzeption alle Steuertatbestände bis auf das Ehegattensplitting gestrichen werden sollen. Das ist ihm ausnahmsweise 20 Milliarden € wert, ein Drittel des Etats der gesamten Familienförderung. Eine Kindergelderhöhung wäre da preisgünstiger, angenommen, jedes Kind bekäme 250 € Kindergeld. Bei Herrn Kirchhoff ist es logisch: Bei ihm macht die Frau in ihrer Familie Karriere und verdient nicht Geld, sondern Glück.

[Heiterkeit des Abg. Ritzmann (FDP) – Ritzmann (FDP): Haben Sie was gegen Glück?]

Wenn ich das lese, dann bin ich doch froh, dass die Enquetekommission ihre Debatte rechtzeitig vor der Bundestagswahl beendet und ihren Bericht vorgelegt hat. Machen wir uns einfach an die Umsetzung!

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm! – Es folgt Herr Kollege Thiel für die FDP. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fühle mich ein bisschen an die Zeiten der Enquetekommission erinnert. Der Senat hat wenig Interesse. Er hat Herrn Senator Sarrazin abgestellt, uns zu begleiten. Senator Sarrazin bleibt

jetzt auch artig und pflichtbewusst hier. Er liest Zeitung. Der Regierende Bürgermeister ist nicht anwesend, obwohl er als Mitherausgeber dieses Senatsbeschlusses hätte anwesend sein sollen.

[Zimmer (CDU): Schreibt Grußworte! – Zuruf des Abg. Doering (Linkspartei.PDS)]

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Finanzpolitik des Senats ist bereits seit Beginn der Legislaturperiode so angelegt, dass sie den Empfehlungen der Kommission gerecht wird.

Dass wir einen weisen Senat haben, das erfahren wir immer wieder. Und das sagt man uns ja auch.

[Heiterkeit bei der FDP – Beifall bei der SPD – Beifall des Abg. Doering (Linkspartei.PDS)]

Dass wir aber einen prophetischen Senat haben, das erfahre ich erst jetzt aus diesem Bericht.

[Zuruf des Abg. Gaebler (SPD)]

Es ist sehr peinlich. Entsprechend ist auch das, was Kollege Zimmer schon zitiert hat, nur konsequent, wenn gleich auf der zweiten Seite gesagt wird:

Die Möglichkeiten einer kurzfristigen Umsetzung vermag der Senat überwiegend noch nicht zu erkennen.

Nun frage ich mich bei solch einem Text: Wann vermag denn der Senat, sie zu erkennen? Wann können wir denn mit Erkenntnisfortschritten rechnen? Oder aber: Wollen Sie gar keine Erkenntnisfortschritte? Verweigern Sie sich und sagen, nun haben die mal gearbeitet und jetzt ab ins Regal? Oder noch schlimmer: Haben Sie überhaupt das Vermögen, Erkenntnisfortschritte nachzuvollziehen? – Bei einigen habe ich berechtigte Zweifel. Es stellt sich zumindest diese Frage.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Die Fraktion der Grünen beantragt die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung, den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten, den Ausschuss für Wirtschaft, Betriebe und Technologie, den Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration, den Ausschuss für Verwaltungsreform und an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist das so beschlossen!

In einem Punkt erwähnen Sie ausdrücklich, dass Sie mit der Kommission übereinstimmen. Das ist die Frage der Personalkosten und die Belastung des Landeshaushalts. Da sagen Sie: Wir sind genauso der Ansicht, das ist ein besonders bedeutender Posten. – Die Antwort – auch wieder ein Zitat – liest man wie folgt:

Der Senat hat deshalb bereits in der Vergangenheit alle erdenklichen Anstrengungen unternommen, um den Haushalt von Personalausgaben zu entlasten.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4 c:

Donnerwetter, alle erdenklichen Anstrengungen! Wenn das alle erdenklichen Anstrengungen sind, lieber Senat, dann geben Sie Ihr Mandat zurück. Das reicht nicht!

Qualifizierte Fortsetzung der Gender-Mainstreaming-Prozesse im Land Berlin [Beifall bei der FDP und der CDU]

Wir wissen, dass wir eine vernünftige Haushaltskonsolidierung bei den Personalkosten nur dann erreichen, wenn wir uns daran machen, eine konsequente Aufgabenkritik, eine Entbürokratisierung und anschließend eine konsequente Verwaltungsreform durchzuführen. Nur wenn wir es schaffen, die Verwaltung neu aufzustellen, haben wir die Chance, Personal in den Bereichen abzubauen, wo es diese Stadt verträgt, und nicht, wie es zurzeit diskutiert wird, auf der einen Seite eine übermäßige Verwaltung zu haben und auf der anderen Seite ein paar Lehrerinnen und Lehrer zu entlassen oder die innere Sicherheit zurückzunehmen. Das wollen wir nicht. Wir wollen aber eine effiziente Verwaltung haben. Deswegen brauchen wir von Ihnen – Sie sind in der Verantwortung – Vorschläge für eine konsequente Verwaltungsreform.

Antrag der SPD und der Linkspartei.PDS Drs 15/4194

Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der Linkspartei.PDS. Das Wort hat Frau Abgeordnete Baba. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine Frage der Priorität, wie wir mit der Herausforderung Gender Mainstreaming fertig werden. Deshalb freut es mich an dieser Stelle, unter den Fraktionsprioritäten, zu diesem Antrag zu sprechen.

Wir stehen vor der Frage, die unterschiedlichen Lebenssituationen von Interessen von Frauen und Männern in unserer Gesellschaft von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen. Die rot-rote Koalition hat gleich zu Beginn der Legislaturperiode entsprechende Beschlüsse gefasst. Wir haben eine hochrangig besetzte Landeskommission berufen. Wir haben die Geschäftsstelle GenderMainstreaming eingerichtet. Auf Landes- und auf Bezirksebene haben Pilotprojekte ihre Erfahrungen gemacht und unterschiedliche Herangehensweisen probiert. Der zweite Gender-Bericht gibt darüber ausführlich Auskunft. Er macht aber auch deutlich, dass wir uns erst am Anfang des Prozesses befinden und gut daran tun, die Arbeit qualifizierter, zielgerichteter und auf der Basis gesicherter Strukturen fortzusetzen. Allein die Anordnung von Gender-Checks führt noch nicht zu mehr Gerechtigkeit. Allein die titelscharfe Aufschlüsselung von Haushaltsposten auf ihre Verwendung für Frauen und Männer, ist noch kein Ergebnis, sondern lediglich der Ausgangspunkt für fachbezogene und politische Fragestellungen, an die sonst nicht gedacht würde. Nach quantitativer Analyse muss die qualitative Bewertung erfolgen. Die Instrumente und die politischen Ziele müssen aufeinander abgestimmt sein. Wir brauchen keine folgenlose Datenflut, sondern Ergebnisse, die Folgen haben und Entscheidungen, die sich nachhaltig auf mehr Geschlechtergerechtigkeit auswirken. Gender-Kompetenz und Fachwissen, Gender-Bewusstsein und politisches Engagement sind gleichermaßen erforderlich. So viel ist klar: Gender Mainstreaming darf nicht dafür benutzt werden, herkömmliche Frauenförderung zu kappen. Gender Mainstreaming und Frauenförderung sind

[Beifall bei der FDP]

Die Enquetekommission stellte auch schon fest – darauf gehen Sie gar nicht ein –, dass es hier ein Entscheidungsdefizit gebe. Es gibt keine klare Trennung von Hauptverwaltung und Bezirken. Und es gibt keine konsequente Bestimmung der Rolle der Bezirke. Auch das fordern wir ein. Liefern Sie uns eine Vorlage, auf deren Grundlage wir seriös diskutieren können, dann können wir uns auch dem großen Batzen Personalkosten konstruktiv nähern.

Abschließend kritisiere ich die Art, wie Sie mit der Kommission umgehen. Dass Sie mit uns so umgehen, ist nicht schlimm. Wir sind Abgeordnete. Schlimm ist aber, dass Sie mit Gästen so umgehen, die extra in dieser Kommission mitgearbeitet und die einen Ruf zu verlieren haben, und diesen wie der gesamten Kommission attestieren:

Die Fülle der Reformmaßnahmen des Senats hat es offenbar auch der Kommission erschwert, die daraus folgende Praxis gänzlich zu überblicken.

Das brauche ich nicht weiter zu kommentieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Frau Baba

Der Antrag kommt nicht von ungefähr. In der vergangenen Woche hat es eine Diskussionsveranstaltung der Initiative für eine geschlechtergerechte Haushaltsführung im Louise-Schroeder-Saal des Roten Rathauses gegeben. Die Vertreterin der SPD ist dieser Veranstaltung gleich fern geblieben, Frau Baba von der PDS hat dort in klassisch sozialistischer Terminologie von einer Revolution für die Geschlechtergerechtigkeit gesprochen, die jetzt los gehe.

zwei Seiten der gleichen Medaille. Dafür stehen Koalition und Senat. So lange die tatsächliche Gleichberechtigung nicht erreicht ist, so lange sich die Wagschalen von Macht, Geld und Arbeit nicht im Gleichgewicht befinden, haben Frauen Anspruch auf besondere Unterstützung.

[Beifall der Frau Abg. Grosse (SPD)]