Protocol of the Session on August 18, 2005

Bitte schön, Frau Dr. Hiller!

Danke, Herr Präsident! – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat die Ankündigung des Bundes der Vertriebenen, in einer Berliner Kirche ein „Zentrum gegen Vertreibungen“ errichten zu wollen?

2. Ergibt sich aus dieser neuen Situation für den Senat Anlass, seine geäußerte Ablehnung zur Mitfinanzierung eines solchen Zentrums zu revidieren?

Wer antwortet? – Der Senator für Kultur. – Bitte schön, Herr Dr. Flierl!

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Abgeordnete! Wie bekannt ist, ist dem Senat eine Erinnerungsstätte an die Vertreibungen des vergangenen Jahrhunderts ein wichtiges Anliegen. Die Errichtung eines nationalen Zentrums in Berlin wird jedoch vom Senat nicht unterstützt. Allerdings begrüßen wir die Bemühungen zur Gründung eines europäischen Netzwerkes für Erinnerung und Solidarität mit einem gemeinsamen Sekretariat in Warschau. Die Gründung eines solchen europäischen Zentrums wurde im Februar zwischen Kulturstaatsministerin Christina Weiss sowie Vertretern aus Polen, der Slowakei und Ungarn als eine Reaktion auf die Initiative für ein „Zentrum gegen Vertreibung“ vereinbart, welches von Frau Steinbach, der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen gefordert wird. Ich kann keine neue Situation erkennen, nur weil Frau Steinbach sich eine Kirche ausgeguckt hat. Wenn ich zitieren darf, Kardinal Sterzinsky hat sich sehr deutlich hierzu geäußert: Solange nicht hinreichend klar ist, was mit dem „Zentrum gegen Vertreibung“ gemeint ist, und solange über ein solches Zentrum kein gesellschaftlicher Konsens besteht, können wir den Plänen des Bundes der Vertriebenen nicht zustimmen.

Dieser Position des Kardinals schließt sich der Senat ohne Einschränkungen an. Weiterhin ist zu bemerken, dass die neue Situation eher dadurch gekennzeichnet ist, dass den Absichten von Frau Merkel auch bei ihrem Besuch in Polen eine Abfuhr erteilt worden ist. Deshalb setzen wir weiterhin auf eine europäische Bearbeitung dieses historischen Themas.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hiller. – Bitte schön, Frau Dr. Hiller!

Herr Senator! Sie sagten, dass der Senat ein europäisches Netzwerk unterstütze. Könnten Sie sich vorstellen, dass der Senat dieses auch äußert? Wie sollte eine solche Unterstützung dann aussehen?

Herr Senator Dr. Flierl – bitte!

Es war die Forderung dieses Hauses, dass die Gedenk- und Erinnerungspolitik, die an die Widersprüche und Brüche des 20. Jahrhunderts erinnert, vor allem auch eine gesamtstaatliche Aufgabe sein soll. Deswegen vertritt der Senat zunächst die Auffassung, dass die Bundesregierung hierbei federführend Verantwortung übernehmen soll. Diese hat sie auch übernommen, indem sie auf die Initiative des Bundes der Vertriebenen reagiert hat und international tätig geworden ist. Wir unterstützen dies politisch, und wenn sich die Aufgabe weiter konkretisiert hat, wird sich Berlin auch zu einer konkreten Beteiligung äußern. Die an uns ultimativ herangetragene Forderung, durch das Zurverfügungstellen von Grundstücken oder Finanzen gesellschaftlich nicht konsensfähige Projekte zu unterstützen, lehnen wir allerdings ab.

Das Wort zu einer Nachfrage hat nun Kollege Wansner. – Bitte schön!

Herr Kultursenator, haben Sie sich jemals in Ihrem Leben mit dem riesigen Leid der Heimatvertriebenen beschäftigt? Ist Ihnen dieser geschichtliche Ablauf überhaupt bekannt?

[Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS – Zurufe von der Linkspartei.PDS]

Ist Ihnen bekannt, dass gerade die Heimatvertriebenen dafür gesorgt haben, dass es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zu dieser Blüte gekommen ist?

[Pewestorff (Die Linkspartei.PDS): Umso weniger sollte man sie missbrauchen!]

Herr Senator Dr. Flierl!

Herr Wansner, ich stamme selbst aus einer Familie, die ihre Wurzeln in Schlesien hat, und kann Ihnen sagen, dass es eine Form von Aufarbeitung dieses schwieri

gen Kapitels gegeben hat, die nicht notwendig in die revanchistischen Positionen des Verbandes der Vertriebenen führen muss.

[Beifall bei der Linkspartei.PDS und der SPD]

Frau Abg. Oesterheld hat nun das Wort zu ihrer Mündlichen Anfrage über

Open Source oder Microsoft, das ist hier die Frage!

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Du hast heute ein schickes T-Shirt an, Barbara! – Weitere Zurufe]

Ich frage den Senat:

1. Welche Projekte hat der Senat mit der Firma Microsoft entwickelt, nachdem er im April 2004 mit ihr einen Rahmenvertrag unterzeichnet hat, obwohl der Hauptausschuss zuvor beschlossen hatte, wie auf Bundesebene eine Umstellung auf Open-Source-Software zu prüfen?

2. In welchem Umfang hat die Firma Microsoft es dem ehemaligen CDU-Senator und jetzigen MicrosoftGeschäftsleiter Branoner zu verdanken, dass über 70 % der Serverbetriebssysteme bei der Hauptverwaltung auf Microsoft basieren, und für wie viele Millionen wurde Microsoft bisher beauftragt oder soll Microsoft für 2006/2007 beauftragt werden?

Das Wort zur Beantwortung hat der Kollege Innensenator.

[Sen Dr. Körting: Nein!]

Nein? – Ah, der Wirtschaftssenator bzw. Herr Staatssekretär Strauch! – Bitte, Sie haben das Wort!

Frau Oesterheld! Ihre erste Frage verknüpft zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Das eine ist die Frage, ob der Senat Open-SourceSoftware oder lizenzierungspflichtige Software anschafft, und der andere Teil der Frage betrifft das Rahmenabkommen.

Die Beschaffung von Software erfolgt in einem völlig üblichen Vergabeverfahren nach den üblichen Regeln, und die Entscheidung ergeht auf Grund von Wirtschaftlichkeitskriterien.

Das Rahmenabkommen betrifft Leistungen, die mit der Vergabe überhaupt nichts zu tun haben. Wir sind froh, dass es dieses Rahmenabkommen gibt. Sie haben nach Beispielen gefragt, was im Rahmen dieses Abkommens im Einzelnen gefördert worden ist. Im Bereich Innovation wurden beispielsweise die XML-Tage Berlin oder der Kongress „eCity-Berlin“ unterstützt. Im Bereich der Bildung wurden beispielsweise 24 Kindergärten, 25 Berliner Jugendeinrichtungen und die Initiative CidS – Computer in die Schulen – gefördert. Im Bereich E-Commerce erfolgte u. a. die Finanzierung einer Studie zu wirtschafts

Sen Dr. Flierl

orientierten Verwaltungsservices. Im Bereich des Bürgerengagements sind u. a. der Deutschen Seniorencomputerclub und das Bürgerportal gefördert worden.

Was Ihre zweite Frage betrifft, ist die Beantwortung etwas schwierig, weil die Vergabe von Leistungen nichts mit den Personen zu tun hat, die bei einem Unternehmen beschäftigt sind.

[Zuruf der Frau Abg. Oesterheld (Grüne)]

Wenn Ihre Frage also dahin geht, ob die Vergabeentscheidung des Senats dadurch beeinflusst worden ist, dass ein ehemaliger Senator jetzt Mitarbeiter der Firma Microsoft ist, so kann ich Ihnen sagen: Das ist nicht der Fall. Die Entscheidung erfolgt nach anderen Kriterien. – Wenn Sie mit Ihrer Frage meinen, ob der ehemalige Senator Branoner der Firma Microsoft eventuell hier und dort genützt hat, so kann ich nur hoffen, dass er sein Geld wert ist und dass die Firma Microsoft mit seiner Hilfe tatsächlich wirtschaftlichere, qualitativ bessere und preiswertere Angebote abgegeben hat.

Wenn Sie mit Ihrer Frage aber eigentlich meinen – so ist sie allerdings nicht formuliert –, dass Sie wissen möchten, in welchem Umfang Microsoft-Software vom Land Berlin beschafft worden ist, so kann ich Ihnen sagen, dass insgesamt 28 500 Office-Einheiten über eine Vielzahl von Jahren hin beschafft worden sind. Der Wert dieser beschafften Einheiten dürfte nach heutigen Preislisten bei ca. 8 Millionen € liegen. Was in den Jahren 2006 und 2007 beschafft wird, kann im Augenblick – da diese beiden Jahre noch nicht gelaufen sind – nicht gesagt werden. – Vielen Dank!

Frau Oesterheld, Sie haben das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte schön!

Mit der Beantwortung dieser Frage kann ich selbstverständlich nicht zufrieden sein. Sie bekommen das noch schriftlich.

Jetzt frage ich noch einmal nach. Ich gehe davon aus, dass Sie genau wissen, worum es mir geht, nämlich die Abhängigkeit des Landes Berlin von einer Firma zu verhindern. Insofern stellt sich die Frage: Wie wollen Sie den Anteil von über 70 % an den Serverbetriebssystemen bei der Hauptverwaltung zurückfahren, damit sich das Land Berlin nicht in die Abhängigkeit von Microsoft begibt, wie es z. B. jetzt im Haushaltsplan des Abgeordnetenhauses der Fall ist?

Herr Staatssekretär Strauch – bitte!

Frau Oesterheld! Die Beschaffung von Software erfolgt nach den im Land Berlin geltenden vergaberechtlichen Vorschriften, und das geschieht hier so. Wenn eine Firma weiterhin die preisgünstigsten Angebote abgibt, die gleichzeitig die wirtschaftlichsten sind, hätte sie relativ sicher Erfolg vor der Verga

bekammer und dem Kammergericht, wenn ihr der Zuschlag nicht erteilt würde.

Es gibt keine weitere Nachfrage, und somit hat der Abgeordnete von Lüdeke das Wort zu seiner Mündlichen Anfrage über

Schlechtere Luft durch mehr Kohle und Holz?

Ich frage den Senat: Inwieweit wird sich das ölpreisbedingt zunehmende Heizen mit Holz und Kohle, insbesondere mit den so genannten „Holzpellets“, auf die Luftqualität auswirken, speziell in der Berliner Innenstadt?

[Gaebler (SPD): Mach die Kamine in Dahlem zu!]

Die Antwort gibt die Frau Senatorin für Stadtentwicklung. – Bitte schön, Frau JungeReyer!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter von Lüdeke! Die uns vorliegenden und zurzeit auszuwertenden Statistiken für Berlin zeigen, dass es eine deutliche Abnahme des Kohleverbrauchs gibt und dass der Brennholzverbrauch und auch der Verbrauch von Holzpellets für den Hausbrand in Berlin auf einem sehr niedrigen Niveau stagniert. Der Absatz von leichtem Heizöl in Berlin ist im gleichen Zeitraum – also in den letzten Jahren – ebenfalls in etwa konstant geblieben.