2. Schutz für Eigentumslose, Herr Hoff, haben Sie gesagt, käme bei uns zu kurz. Nach dem FDP-Steuerreformmodell mit einer Gesamtentlastung von 14,5 Milliarden € würde eine vierköpfige Familie mit einem Einkommen bis 37 000 € keine Steuern bezahlen, aber Millionäre, die über Jahrzehnte hier in diesem Land über alle legalen – ich betone: legalen – Schlupflöcher niemals Steuern gezahlt haben oder nur in ganz geringem Umfang,
3. Noch einmal: Die Mehrwertsteuererhöhung ist nicht angestrebt, auch von mir nicht. Ich denke nur, im Zuge einer Gesamtkonzeption muss man ehrlich mit diesem Thema umgehen. Da kann man sie nicht a priori ablehnen. Das ist meine persönliche Auffassung. Wenn die im
Genau, ich komme zum letzten Satz, Frau Präsidentin! – Deswegen muss per Saldo eine Gesamtentlastung her, das ist es, was zählt. – Herzlichen Dank!
Herr Dr. Lindner! Der Unterschied besteht darin, dass Sie in Ihrer Antwort auf einer normativen Ebene argumentiert haben. Sie haben gesagt, es gebe ein Problem, und weil das Problem existiere, müssten sich jetzt – und da appellieren Sie ganz klassisch liberal an die Aufklärung und Vernunft – die Akteure zusammen setzen und dieses Problem begreiflich lösen. Ich glaube, dass politische Prozesse komplexer sind, als sie es auf dieser nachvollziehbar normative Ebene scheinen. Da unterscheiden sich Ihre Überzeugungen nicht von linken normativen Überzeugungen, die sich nicht durchsetzen können.
Dieses Problem gibt es auch bei anderen politischen Auseinandersetzungen. Dazu gehört eine Steuerreform, aber auch eine Bundesstaatsreform, bei der wir uns völlig einig sind, dass eine Reform des deutschen Föderalismus absolut notwendig ist.
Dabei geht es um solche Fragen wie den Länderfinanzausgleich, Gemeinschaftsaufgaben usw., ein Katalog von Fragen, auch Länderneugliederung, die sich die Bundesstaatskommission gar nicht zur Aufgabe gemacht hat.
Damit müssen Sie sich doch auseinander setzen, Herr Hoffmann und vor allem Herr Lindner, ob Sie da noch einmal 10, 20, 30 Milliarden € draufsetzen und weiter
abwarten wollen, wie es weiter heruntergeht mit den Staatsfinanzen oder ob sie jetzt eine Situation haben, wo sie sagen müssen: Durch Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und durch Subventionsabbau müssen Sie diese Gegenfinanzierung nachholen. Das ist das, wofür wir in diesem Bundestagswahlkampf kämpfen.
Die Diskussion haben Sie schon in Ihren eigenen Reihen. Man sieht noch gar nicht, ob diese Koalition je zu Stande kommt. Vor ein paar Wochen sah ich durch das Fenster die Herren Westerwelle und Gerhard in trauter Zwietracht im Restaurant sitzen. Da kritzelten die beiden gemeinsam etwas auf die Tischkante.
Deutschland hat heute eine der niedrigsten Steuerquoten der Welt. Generelle Steuersenkungen darf es nicht mehr geben. Die Erosion der Steuerbasis muss durch den Abbau von Vorteilen gestoppt werden.
(D Interessant, nicht, zu welchem Realitätssinn allein der schüchterne Gedanke an Regierungsverantwortung führt? – FDP-Steuerkonzepte jedenfalls scheint da offensichtlich niemand mehr zu brauchen. Ich wiederhole es: In der Tat bin ich der Meinung, auf dem Gebiet von Steuersenkungen ist von Rot-Grün fast alles getan worden, was unter dem Druck der Globalisierung getan werden musste.
Das Problem ist aber, wie gesagt: Dadurch, dass so eine Entscheidung wie die Steuerreform und Bundesstaatsreform in einem ganzen Set von unterschiedlichen Akteuren getroffen wird, müssen sie sich damit auseinander setzen, was diese Akteure mit den unterschiedlichen machtpolitischen Interessen – die sind bei den Ländern unterschiedlicher als beim Bund, bei den Gemeinden noch einmal anders als bei den politischen Parteien – wollen. Deshalb reicht es nicht aus, nur auf der rein normativen Ebene zu argumentieren und zu sagen, deshalb müsse jetzt etwas geschehen. Es geht im Prinzip um die Fragen hohe Staatskosten, Lerneffekte, adaptive Erwartungen und das gesamte Instrumentenset, das die Politikwissenschaft zur Beschreibung von Reformblockaden hat.
Werfen Sie einen Blick nach rechts, auf die Fraktion, die neben Ihnen sitzt, da wird Ihnen deutlich, wie Politikverdrossenheit und Reformstau in Deutschland gestrickt sind. Bei der ganzen Truppe, die da sitzt, kommen Sie mit normativer Politik nicht weiter, sondern nur mit der Frage, wie man sich jenseits so einer bodenlosen Truppe wie der Union beispielsweise koordiniert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wundere mich, wie sehr die von Herrn Sarrazin klar herausgearbeitete Kontroverse hier vernebelt wird. Da tritt Herr Wegner vorzugsweise mit völligen Allgemeinplätzen auf. Er hat gesagt, es müsse aber eine Entlastung geben. Herr Lindner macht das ein bisschen differenzierter, sagt aber schließlich auch, es müsse am Ende eine Nettoentlastung geben. Kein Mensch aber spricht von der Tatsache, dass es diese Nettoentlastung, und zwar im zweistelligen Milliardenbereich, nach sieben Jahren Rot-Grün längst gibt.
Das Problem hat Herr Sarrazin genannt, dass Ihre Theorie, dass sich das durch Wirtschaftswachstum selbst refinanziert, nicht aufgegangen ist. Es hat nichts daran geändert, dass wir fünf Jahre Stagnation erlitten haben, obwohl wir das alles gemacht haben, was Sie fordern.
Denn von den 60 Milliarden € Entlastung, die wir gehabt haben, ist schätzungsweise bestenfalls ein Drittel gegenfinanziert gewesen. Und ungefähr 40 Milliarden € wird diese Nettoentlastung grob betragen.
Da dachte ich im Vorbeigehen, jetzt malen sie ihre Steuersenkungen auf den Bierdeckel. Nun schlage ich gestern die Zeitung auf und stelle fest: Bierdeckelsteuerreformen sind völlig out, denn in der „Berliner Zeitung“ erklärt der Erfinder Friedrich Merz:
Die Details sind Ihnen vorher alle gesagt worden. Sie haben sich auch durchaus ernsthaft auf den Finanzsenator bezogen. Die Entlastungen reichen von den Großkonzernen, worüber die PDS sich aufregt, bis zur Steuerbefreiung der Ärmsten. Die Unternehmen, und gerade der Mittelstand, Herr Wegner, sind um rund 17 Milliarden € pro Jahr entlastet worden. Der Spitzensteuersatz ist von 53 % auf 42 % gesenkt worden. Der Eingangsteuersatz ist ebenfalls um 11 Prozentpunkte auf 15 % gesenkt worden. Im Resultat ergibt das eine Nettoentlastung quer durch alle Bevölkerungsgruppen. Durch die Anhebung des Lohnfreibetrags sind eine Million Menschen mehr ganz von jeder Steuerzahlung befreit worden. Obendrein wurden das Kindergeld und der Kinderfreibetrag erhöht, weil uns das besonders am Herzen liegt, bezogen auf Familien, die bekanntlich da sind, wo Kinder sind. Insgesamt sind das eben die auch von Herrn Sarrazin genannten 60 Milliarden €, davon allein 47 Milliarden € bei der Einkommensteuer.
Da frage ich Sie, was dem noch hinzuzufügen ist, außer – Herr Wegner, da gebe ich Ihnen Recht – die Unternehmensteuerreform, die auf dem Jobgipfel vereinbart worden ist. Die muss man noch machen. Auch das hat
Dabei dreht es sich um einen Betrag von 35 bis 40 Milliarden € – je nachdem, wie man das macht –, der seit über
einem Jahrzehnt vor allem im Bundesrat, aber auch im Bundestag zerredet wird. Nicht erst in letzter Zeit kommt man da nicht zueinander. Das ist die entscheidende Reform, die wir machen müssen.
Ich habe etwas gegen den Vorschlag von Herr Sarrazin – dafür habe ich mich auch öffentlich ausgesprochen – , am Hebesatz der Grundsteuer in Berlin weiter zu drehen. 660 % haben wir. Der wahre Irrsinn ist, dass wir dabei eine Bemessungsgrundlage haben, bei der ein Altbau im Westteil der Stadt nach den Bewertungen von 1962 – das war der Tiefpunkt nach dem Mauerbau – beurteilt wird und die Steuerbasis Ostberlins von 1937 herangezogen wird. Das ist insbesondere gemessen am Neubau eine enorme Ungleichbehandlung, die zum Himmel stinkt. Eine Grundsteuererhöhung auf dieser Ebene machen wir jederzeit mit. Dann müssen wir mit dem Hebesatz runter, um die Mieter nicht total zu belasten und sie keinem Schock auszusetzen. Dann hat man endlich eine vernünftige Grundlage. Aber es ist offensichtlich – obwohl es in allen Parteien Menschen gibt, die das so sehen – nicht möglich, zu einem einheitlichen Beschluss zu kommen und zu sagen: Eine zeitnahe Immobilienbewertung muss her. Die Vermögensteuer ist in dieser Frage schon für verfassungswidrig erklärt worden, und bei der Erbschaftsteuer droht das vielleicht auch noch. Es ist ja auch nicht einzusehen, dass im Fall eines vererbten Aktienpakets, eines festverzinslichen Papiers oder eines Kontos der Zeitwert bei der Versteuerung angesetzt wird, während bei einem vererbten Haus der Wert von 1937 gilt. Es ist ein Irrsinn, dass wir es nicht schaffen, das zu verändern. Allein das macht 35 bis 40 Milliarden € aus.
Herr Sarrazin gesagt. Dass es da Schwierigkeiten gibt, da habe ich das Gefühl, das ist rund um die Neuwahl eher ein Problem innerhalb der SPD als bei den Grünen. Das kann ich hier nicht ändern. Ich sagen Ihnen aber auch: Wenn wir das dann alles gemacht haben, war es das dann auch mit Steuersenkungen meiner Meinung nach. Stattdessen wird man sehen müssen, wie man Gegenfinanzierungen macht. Sie sind immer noch diesem ökonomischen Voodoo verhaftet, nach dem Sie Steuersenkungen immer und überall durch Wachstum refinanzieren wollen. Ihr Kopf ist offensichtlich so von Lafferkurven benebelt, dass Sie die reale Erfahrung nicht wahrnehmen.
Sie wollen nicht wahrnehmen, dass trotz der Steuersenkungen auf allen Ebenen das Potentialwachstum der deutschen Wirtschaft über 1, 1,5 % nicht hinauskommt und fünf Jahre Stagnation dadurch nicht verhindert wurden.
Da gibt es vielleicht andere Gründe. Wir können hier die USA-Diskussion und andere nicht führen. Das hat vielleicht nicht an den Steuerreformen gelegen. Es liegt vielleicht an zig anderen Gründen, die man hier volkswirtschaftlich erläutern könnte, aber Sie können nach sieben Jahren Rot-Grün und dieser Steuersenkungspolitik nicht mehr wie vor zehn Jahren durchs Land laufen und sagen: Es muss eine Regierung her, die Steuersenkungen macht. – Das ist doch verrückt.