denn ich bin der festen Überzeugung, dass ein Mentalitätswechsel bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit nur gelingt, wenn die Leute – auch die Abgeordneten – das in ihrem Alltag verwirklichen. Sonst wird Bundes- und europäische Gesetzgebung auch nichts helfen.
Nach diesem moralischen Appell schließt diese Besprechung mit Frau Klotz. – Bitte schön, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Vorbemerkungen: Erstens bin ich dankbar, dass meine Vorrednerin darauf hingewiesen hat, dass es seit einiger Zeit eine neue Bundesgesetzgebung zu dem Thema gibt und dass man, Herr Gysi, hier nicht immer fordern muss, die Generalunternehmerhaftung einzuführen – weil sie eingeführt worden ist. Das ist auch an der Zeit gewesen. Dieser richtige Schritt wird auch für Berlin positive Auswirkungen haben.
Zweitens: Der Baubereich ist sicherlich von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung mit am meisten betroffen.
Aber mich verwundert doch, dass die anderen Bereiche in den Reden fast komplett herausgefallen sind. Die Gastronomie wurde noch erwähnt. Aber was ist eigentlich mit dem Wachschutz bzw. dem Bewachungsgewerbe? – Wir wissen alle, dass in diesem Bereich viel illegale Beschäftigung stattfindet. Was ist mit dem Reinigungsgewerbe? – Bitte, tun wir doch nicht so, als würde sich dieses Problem allein auf den Baubereich beschränken. Herr Niedergesäß, ich weiß, dass Sie nur über den Baubereich reden.
Dritte Bemerkung: Es ist absoluter Unsinn, hier so zu tun, als würde die Abschaffung der 630-DM-Jobs mit einem Anwachsen der Schwarzarbeit zusammenhängen. Das ist absoluter Unsinn, und Sie bleiben den Beweis für diesen Zusammenhang schuldig. Ich sage: Zu einer Zeit, als Arbeitgeber sich mit 630DM-Jobs aus dem Zahlen von Sozial- und Krankenversicherungsbeiträgen und dem Zahlen von Steuern herausmogeln konnten, hatten wir die Situation eines verzerrten Wettbewerbs. Nicht umsonst gab es nicht wenige Arbeitgeber, die reguläre Jobs in 630-DM-Jobs geteilt haben, um diese Beiträge und Steuern nicht zahlen zu müssen. Das ist für mich nichts anderes als das Herumschummeln um das Zahlen von Sozialversicherungsabgaben, nicht viel anders als wenn man jemand illegal beschäftigt. [Beifall bei den Grünen]
Den Zahlen, die genannt wurden, will ich nur eine hinzufügen und die anderen nicht wiederholen. Es ist eine unglaubliche Dimension, wenn ungefähr 200 Milliarden $ jährlich durch Schwarzarbeit erwirtschaftet werden. Das ist schlichtweg genauso viel, wie die öffentliche Hand an Aufträgen vergibt. Das ist eine unglaubliche Dimension, und deshalb kann man das nicht als Kavaliersdelikt behandeln. Die Schadensgröße ist enorm. Deswegen müssen dann aber bitte auch alle – das sage ich ganz deutlich: die öffentliche Hand, aber auch die Arbeitgeberseite, Bund, Länder und Kommunen – etwas gegen die Schwarzarbeit tun.
Es ist auch eine moralische Frage. Deswegen: Wenn jemand sich ansieht, was beim Kölner Klüngel passiert und welche Vorgänge in der Bankgesellschaft Berlin geschehen sind, oder wenn jemand – ich erinnere mich deutlich – zur Kenntnis nehmen muss, dass Herr Diepgen in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister behauptet, er sauge zu Hause selbst, oder wenn jemand die Erklärung des Spitzenkandidaten aus dem Jahr 1999, der Momper hieß, hören muss, wonach im Haus jemand beschäftigt werde, der in der Nachbarschaft wohne, vielleicht auch verwandt sei – jedenfalls weiß man nicht genau, woher diese Haushaltshilfe kam –, dann muss man auch nachvollziehen können, dass Leute sich sagen: Warum soll ich mich eigentlich gesetzestreu verhalten? Insgesamt hat es auch etwas mit dem Verfall und mit dieser geschmierten Republik – wie es in dieser Woche heißt – zu tun.
Zur Bundesebene will ich ein paar Informationen liefern, weil dort richtige Entscheidungen getroffen wurden. Es ist gut so, dass Unternehmer, die illegal beschäftigen, endlich mit verschärften Sanktionen zu rechnen haben, und zwar bis zu 300 000 $. Das ist eine Summe, die sich verdreifacht hat. Eine verbesserte Zusammenarbeit der zuständigen Behörden und mehr Befugnisse für die Arbeitsverwaltung sind gesetzlich installiert worden. Für alle, die in den letzten Wochen sehr heftig die BA kritisiert haben, sage ich: Dies ist auch eine Aufgabe, die die Arbeitsverwaltung – nämlich die Bundesanstalt für Arbeit – erledigt und die nicht zur Vermittlung gehört. Daran muss man denken, wenn man die BA kritisiert. – Die öffentliche Hand kann jetzt Unternehmen, die illegal beschäftigen und dabei erwischt werden, 4 Jahre von öffentlichen Aufträgen ausschließen. Auch das ist ein wichtiges Signal, mit dem man nicht so leichtfertig umgehen sollte.
Der vehementeste Gegner – um das noch einmal anzudeuten – bei den Beratungen im Deutschen Bundestag war die FDP, die mit ihrem subtilen, ausdifferenzierten gesellschaftspolitischen Ansatz: „runter mit den Löhnen und Lohnnebenkosten, und dann werden wir dieses Problem irgendwie lösen“ versucht hat, dort Politik zu machen. Es hat nicht funktioniert. Große Teile der Arbeitgeber – nicht alle, aber die Mittelstandsverbände – finden dieses Gesetz, das da jetzt beschlossen wurden, richtig und unterstützen es.
Jetzt komme ich zum Land Berlin und mache als Erstes den Vorschlag an die beiden ehemaligen Koalitionspartner CDU und SPD, sich endlich in eine Therapie zu begeben,
um aufzuarbeiten, was in diesen 10 Jahren passiert ist, wenn Sie sich immer wechselseitig die Schuld geben, dass im Bereich der Schwarzarbeit und woanders nicht genug passiert ist.
Es hat einige Fortschritte gegeben, die will ich nicht wiederholen. Ich will vier Punkte nennen, über die es Einigkeit über alle Fraktionen hinweg gab, wo noch etwas zu tun bleibt:
Ich kann mich gut erinnern, dass es eine Forderung gab, die immer noch nicht realisiert ist, wonach alle Unternehmen mit Landesbeteiligung bzw. solche, die öffentliche Mittel erhalten, nach VBL ausschreiben sollen und die Auftragsvergabe – das ist im Wahlkampf von allen versprochen worden – kleinteilig und in
Fachlosen erfolgen soll. Ich glaube, es ist keine Frage der politischen Konstellation der Regierung, sondern der Durchsetzungsfähigkeit. Und deswegen wird es Zeit, dass das endlich passiert.
Die Zahlungsmoral der öffentlichen Hand sollte sich verbessern, und Überhangskräfte sollten für die Kontrollen eingesetzt werden. Nach dem fraktionsübergreifenden Antrag der letzten Legislaturperiode sind es jetzt 12 geworden, das ist mein letzter Stand. Das ist ja ein revolutionäres Ergebnis, vielleicht könnten Sie da noch einmal nachlegen.
Ich will noch einen Bereich herausgreifen und Ihnen erzählen, was so im Lande Berlin passiert und wie es einem Arbeitgeber, der illegal beschäftigt, auch im Umgang mit öffentlichen Aufträgen ergehen kann. Ich greife dafür eine Branche heraus, die heute noch gar nicht genannt wurde: Es ist die Umzugsbranche. Nicht die zuständige Senatsverwaltung, auch nicht die IHK, sondern einer, der nicht schwarz, sondern regulär beschäftigt, hat sich die Mühe gemacht und hat Zeitungsanzeigen, Abreißzettel an Laternenpfählen angesehen, hat sich im Internet und im Telefonbuch umgeguckt und hat festgestellt, dass es in Berlin 491 Umzugsfirmen gibt, von denen 306 keine Gewerbegenehmigung haben.
Rechnet man diejenigen ab, die bei der IHK gemeldet sind oder ihren Hauptsitz in einer anderen Stadt als Berlin haben, dann verbleiben 276. Das heißt, bei 68 % müssten die Gewerbeanmeldungen überprüft werden. Da frage ich schon, warum das bisher nicht passiert ist.
Ein Berliner Umzugsunternehmen, gegen das in Kiel gerade wegen Korruption ermittelt wird und das unter dem begründeten Verdacht steht, dass es bei einer Bundesbehörde – nämlich der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, BfA – jahrelang, jahrzehntelang geschmiert hat, um einen millionenhohen Auftrag im Umzugsbereich zu erhalten. Dieses Unternehmen hat den Namen G. und hat sich übrigens auch bei Aufträgen bei der Berliner Polizei verdient gemacht. Es ist erwischt worden, als es beim Umzug zweier Arbeitsämter illegal beschäftigt hat, und zwar in einem solchen Umfang, dass es ein fünfstelliges Bußgeld zahlen musste. Auch beim SFB wurde dieses Unternehmen G. erwischt. Ob diese Firma aus dem Lieferantenverzeichnis gestrichen wurde und für wie viele Jahre, das weiß ich nicht. Bußgeld musste es jedenfalls zahlen. Aber heute – deswegen erzähle ich diesen Vorgang in Ausführlichkeit und hoffe, dass dem nicht anwesenden Finanzsenator dies berichtet wird – hat die Firma G. eine Landesbürgschaft beim Land Berlin beantragt. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Meine Fraktion erwartet, dass diese Firma diese Landesbürgschaft nicht bekommt, dass sie aus dem Lieferantenverzeichnis gestrichen wird und dass auch das Land Berlin an dieser Stelle ein Signal setzt, dass mit öffentlichen Aufträgen verantwortungsvoll und vernünftig umgegangen wird und das knappe Geld nicht in diese Richtung verteilt wird. Ich hoffe und wünsche, dass der Finanzsenator und der Wirtschaftssenator sich dafür einsetzen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Dr. Klotz! – Für eine Kurzintervention hat der Herr Kollege Dr. Lindner das Wort erbeten und erhält es, um direkt zu antworten, bevor wir zum Schluss kommen.
Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Frau Klotz, weil Sie uns zu den unterschiedlichen Methoden zur Bekämpfung von Schwarzarbeit angesprochen hatten: Soweit es um den gewerblichen Bereich geht und das Ausschließen von Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge – einverstanden.
Aber im häuslichen Bereich können sich die normalen Menschen keine Facharbeiterstunden leisten. So ist das einfach; 80, 90 Mark für eine Malerstunde oder sonstige Facharbeiterstunde
ermöglicht es Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht, diese Tätigkeiten bei einem Fachunternehmen, so wie es sich gehört, und da bin ich völlig bei Ihnen, in Auftrag zu geben. [Widerspruch bei den Grünen] Da gibt es für die Leute nur wenig Alternativen. Entweder sie machen es selbst – do it yourself –, oder sie machen es gar nicht, oder sie suchen sich einen Weg in einem grauen oder schwarzen Markt. Es läuft dann über so genannte Nachbarschaftshilfe, es kennt jeder einen, der einen kennt, der so etwas macht. Das können Sie wirksam nur bekämpfen, indem Sie die Arbeit wieder bezahlbar für normale Menschen machen. [Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU] Da können Sie Tausende und Abertausende Kontrolleure auf die Straßen schicken. Wasser bahnt sich seinen Weg. Die Leute werden immer Möglichkeiten finden, Ihre bürokratischen Monster, die Sie vorhaben, zu umgehen, und sich die Arbeit für einen bezahlbaren Preis einzukaufen. [Beifall bei der FDP – Frau Oesterheld (Grüne): Sie sind wirklich der absolute Rechtfertiger der Schwarzarbeit!]
Schönen Dank! – Frau Dr. Klotz, möchten Sie darauf antworten? – Das ist der Fall. Bitte schön, Sie haben das Wort. Das Wasser bahnt sich seinen Weg.
Herr Präsident! Herr Lindner! Vielleicht wissen Sie das nicht, aber Sie können die Dienste einer Dienstleistungsagentur in Anspruch nehmen. Es gibt da eine, die heißt Putzmunter, die hat es sogar bis in den „Spiegel“ gebracht, weil nämlich die Leiterin dieser Dienstleistungsagentur mit einem wichtigen Mitglied der Regierungskoalition liiert ist. Diese Dienstleistungsagentur nimmt 15 $ pro Stunde. Wenn jemand wie Herr Momper oder jemand wie Herr Diepgen oder wenn jemand wie Sie das nicht bezahlt, dann hat es nicht Grund, dass sie diesen Preis nicht zahlen könnten, sondern nicht zahlen wollten und deshalb auf Schwarzarbeit zurückgreifen. interjection: [Dr. Lindner (FDP): Ich habe von Facharbeit gesprochen!] Es reicht einfach nicht, zu sagen: „Lohnkosten runter, Lohnnebenkosten runter“. Wir wollen die Lohnnebenkosten alle senken. Aber zu glauben, dass man damit automatisch das Problem Schwarzarbeit löst, das ist ein Trugschluss. interjection: [Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der PDS]
Vielen Dank, Frau Dr. Klotz! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Große Anfrage ist damit begründet, beantwortet und besprochen.
Große Anfrage der Fraktion der FDP über Folgen der vom Senat angekündigten Haushaltskürzungen für den Kulturbereich
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 4. März 2002 zum Antrag der Fraktion der FDP über SchlossparkTheater in Berlin-Steglitz bleibt!, Drucksache 15/138
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 4. März 2002 zum Antrag der Fraktion der CDU über Rettung von Hansa- und Schlosspark-Theater sowie Theater des Westens, Drucksache 15/128
Nach der Geschäftsordnung sind für die Begründung der Großen Anfrage bis zu zehn Minuten vorgesehen. Herr Kollege Dr. Jungnickel von der Fraktion der FDP hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder des Senats! Die FDP begründet ihre Große Anfrage mit der Befürchtung, dass Berlin durch die Haushaltspolitik des Berliner Senats als hervorgehobener Kulturstandort völlig den Elan verlieren wird. Wir sind fest davon überzeugt, dass die kulturellen Potenzen Berlins so gewaltig sind, dass die Stadt durch kreative, in die Zukunft gerichtete Konzepte aus der Misere herausgeführt werden kann. Davon, diese Bereitschaft nach vorne zu entwickeln, findet sich in der Kulturpolitik des Senats bisher keine Spur. Statt in der Kulturszene Angst und Unsicherheit zu verbreiten, sollten Sie etwas ganz anderes verfolgen, Zuversicht herstellen, Aufbruchstimmung und das, was man Ärmelhochkrempeln und Provozieren nennt. Der Senat und die Politik insgesamt müssen lernen, dass der Kulturbereich als ein in die Zukunft gerichteter Wirtschaftszweig verstanden werden muss. Sie müssen der Kultur Priorität einräumen und begreifen, dass die kulturellen Fähigkeiten und die künstlerischen Leistungen der Berliner Szene derartig hoch anzusetzen sind, dass mit diesem Potential sowohl in Qualität als auch Belastbarkeit eine kulturelle Welt aus dem Hut gezaubert werden könnte. interjection: [Beifall bei der FDP]
Man muss nur wissen, wer in Berlin alles Kunst und Kultur hervorbringt und pflegt und wie leistungsfähig und entsagungsbereit die daran beteiligten Menschen sind. Man muss Hoffnung machen und Perspektiven aufzeigen und keine Depressionen auslösen. [Beifall des Abg. Brauer (PDS)]