Frau Paus! Habe ich Sie richtig verstanden, dass Ihre Kritik an der FDP sich nur noch darauf konzentriert, dass Sie im Unterschied zur FDP wollen, dass die Leute streiken können, aber in der Sache wollen Sie und die FDP konzeptionell das Gleiche, nämlich die Zerschlagung und Privatisierung des Unternehmens?
Herr Hoff! Sie kennen unser Konzept, das im Gegensatz zu Ihren Vorschlägen zukunftsfähig ist. Uns geht es um den Erhalt und die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin. Das Netz, die Infrastruktur, muss nach wie vor in öffentlicher Hand bleiben, aber beim Betrieb ist es tatsächlich richtig, den Wettbewerb zum Zuge kommen zu lassen. Nur so ist es gesichert, dass Berlin perspektivisch einen funktionie
renden öffentlichen Nahverkehr hat. Ansonsten kommt es aktuell darauf an, die BVG so zu sanieren, dass wir in Berlin auch dann, wenn der Wettbewerb, die EU-Regeln anstehen, einen Nahverkehr haben und nicht eine BVG, die zusammengebrochen ist. Das will keiner in der Stadt. Wir haben aber ein Konzept, und Sie haben keins.
Außerdem kann der Senat noch weiter etwas Sinnvolles tun: Er kann bei seiner Aufsichtspflicht und der anstehenden Besetzung des Chefpostens weitere Weichen stellen und damit weiterhin nicht Politik gegen die Beschäftigten machen, sondern zu deren Gunsten.
Konkret – ich komme zum FDP-Antrag: Wir brauchen dieses Notprogramm nicht. Berlin und seine Bewohnerinnen und Bewohner werden bei einer Wiederholung des BVG-Streiks auch ohne FDP-Panikprogramm mobil bleiben – mit der S-Bahn, mit Taxis, mit Fahrradrikschas, auch mit eigenen Fahrrädern, womöglich auch mit dem Auto. Vielleicht bilden die Menschen auch Fahrgemeinschaften mit privaten Pkw. All das ist möglich. Umweltverträgliche Fortbewegungsmittel gibt es. – Wir brauchen eine verantwortungsvolle Verkehrsunternehmenspolitik des Senats. Deswegen sagen wir dem Senat: Geben Sie Ihre Haltung einer Nichtpolitik in dem Bereich auf und beenden auch Sie Ihren persönlichen Streik. – Vielen Dank!
Noch einmal zu der Frage der Abstellplätze: Frau Paus, es gibt Leute, die haben Fahrräder und Angst, dass sie gestohlen werden. Ihr Bundestagsabgeordneter Ströbele hat es gerade erlebt. Das war nicht sehr erfreulich, wie wir alle wissen. Abstellanlagen an S-Bahnhöfen sind also sinnvoll.
[Zuruf von den Grünen: Aber er fährt trotzdem damit! – Hoff (PDS): Der hatte es gar nicht angeschlossen!]
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den vorliegenden Antrag gestellt, weil dem hohen Hause heute vor Augen geführt werden soll, wie die Justiz und die Gesundheitsverwaltung sehenden Auges gegen die eigenen Vorgaben der Standortauswahl für die Sexualstraftäterambulanz verstoßen und Verunsicherung und Ängste der Bevölkerung herunterspielen. Dass da etwas nicht stimmte, ahnten einige Kollegen im Rechtsausschuss von Anfang an. Eine
von mir persönlich vorgenommene Akteneinsicht bestätigte prompt diesen Verdacht. Die Verwaltung hatte sich selbst auf ein Ausschreibungsverfahren festgelegt, in dessen Rahmen ein in jeder Hinsicht geeigneter Standort gefunden werden sollte. Das Verfahren lief nach einer Ausschreibung im Amtsblatt auch an, gleichzeitig wurden zur Vorbereitung der Entscheidung Anfragen an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die BIM GmbH gerichtet. So weit, so gut. Doch mitten in diesen Prozess fiel dann unvermittelt die Entscheidung für den Standort Tegel, der bis dahin gar nicht in Rede stand. Plötzlich taucht in den Akten ein Vermerkt vom 9. Juni des zuständigen Abteilungsleiters auf, demzufolge er es: „nach intensiven Erörterungen und erfolgter Abstimmung mit der Hausleitung“ für nötig erachtet, die Ambulanz in Tegel unterzubringen. Dabei waren die anberaumten Verfahren zur Klärung der Standortfrage noch gar nicht abgeschlossen. Weder haben die zuständigen Senatsverwaltungen beachtet, was das Ergebnis der Ausschreibung sein würde, noch wurde die endgültige Beantwortung der ausstehenden Anfragen bei BIM und Vivantes überhaupt abgewartet. Das ist Handeln nach Gutsherrenart. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.
Weshalb gibt es jetzt solch ein überhastetes Vorgehen? – Wohl nur, weil gerade einige Räume, die man anderweitig nicht nutzen kann, frei werden. Wer will da noch fachliche Aspekte und die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung in langwierigen Verfahren berücksichtigen? – Urplötzlich fällt eine Entscheidung, ohne dass sich aus den Akten ergibt, auf Grund welcher Kriterien dies geschieht. Im Rechtsausschuss teilt uns der zuständige Abteilungsleiter lapidar mit, er habe mal so eben mit einer Abteilungsleiterin der Stadtentwicklungsverwaltung telefoniert, die ihm das Gebäude angedient habe. Nichts darüber findet sich in den Akten. Nichts über das Telefonat und dessen Hintergründe, nichts über die anschließenden Entscheidungsgründe, nichts über Besprechungen mit der Hausleitung oder der Gesundheitsverwaltung.
Wir hebeln das Streikrecht aus? – Ich weiß nicht, wo Sie das lesen. Haben Sie mir zugehört? – Im Gegenteil! Unsere Forderung ist: Lasst die BVG für ihre Rechte streiken, wenn sie will. Das Einzige, was wir fordern, ist, dass der Senat auf einen derartigen Streik vorbereitet ist, damit die Gewerkschaften nicht die Bürgerinnen und Bürger in Geiselhaft nehmen. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen unter diesem Streik nicht zu leiden haben, einem Streik, den letztlich der Senat mit seinem Monopolbetrieb BVG auszumachen hat. Das ist unsere Forderung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Fraktion der FDP bittet jeweils um die sofortige Abstimmung der beiden Anträge. Wer also dem Antrag Drucksache 15/3984, Stichwort: Vorsorgen ist besser als laufen, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP. Danke schön! Die Gegenprobe! – Das sind alle anderen Fraktionen. – Dann ist das mit Mehrheit abgelehnt. Gab es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.
Wer dem Antrag Drucksache 15/3985, Stichwort: Taxi, bitte!, zustimmen möchte, den bitte ich auch um das Handzeichen. – Wiederum die FDP – soweit anwesend, vollzählig. Danke schön! Die Gegenprobe! – Die anderen einstimmig. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das mit der Mehrheit der anderen Fraktionen abgelehnt.
Da sich die Fraktion der SPD der Priorität der PDSFraktion angeschlossen hat, ist die lfd. Nr. 4 d bereits erledigt.
Sofortige Schließung der Sexualstraftäterambulanz in Berlin-Tegel und Ausschreibungsverfahren für einen neuen Standort
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der CDU. Das Wort hat der Kollege Gram. – Bitte schön!
Über das Echo, Frau Senatorin, eines solchen justizpolitischen Urknalls brauchen Sie sich nicht zu wundern.
Meine Erfahrung lehrt: Wer alles dokumentiert hat, braucht nichts zu verbergen. Hier ist es wohl genau umgekehrt. Das ist, ausgerechnet in der Justizverwaltung, einfach unfassbar.
Vergessen ist plötzlich das hehre Ziel einer die Umgebung nicht gefährdenden Einrichtung. Plötzlich ist alles in Tegel ideal, Frau Senatorin, nur die leidigen Bürger nicht. Die sahen die Gefahren und protestieren heftig. Es kann sein, Frau Senatorin, dass Sie, wie Sie im Rechtsausschuss berichteten, überrascht gewesen sind. Ihr Haus war es jedoch nicht. Hatte es doch schon zuvor in Briefen Frau Bezirksbürgermeisterin Wanjura gebeten, beruhigend auf Anwohner einzuwirken, als noch der Standort
Um gleich am Anfang auszuräumen, was Sie hier wieder haben einfließen lassen: Es gibt keine besondere Gefährdung im Umfeld einer Sexualstraftäterambulanz. Wissenschaftlichen Studien belegen dies. Eine Untersuchung der sexualtherapeutischen Anstalt an der JVA der letzten zehn Jahre – Herr Gram, hören Sie genau zu, besser als Sie es offenbar in den Ausschüssen und Anhörungen getan haben – zeigt nicht einen einzigen sicherheitsrelevanten Vorfall der uns besorgenden Art.
Das interessiert ihn mit Sicherheit nicht. – Die Rechercheergebnisse der JVA Tegel sind eindeutig. Die Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss am 7. April hat dies noch einmal bestätigt.
Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik im Gespräch gewesen ist. Um wie viel mehr muss Ihnen bewusst gewesen sein, was Sie in Tegel auslösen, denn die Umgebung ist geprägt von Kindergärten und Schulen. Oder war die Möglichkeit deshalb so verlockend, weil hier zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden könnten: Erstens ist der Standort preiswert, und zweitens wird das eigene Wählerklientel nicht belästigt. Reinickendorf als Trutzburg bürgerlichen Denkens kann durchaus noch mehr an problematischen Einrichtungen vertragen. Das bisschen Strafvollzugsanstalt, das bisschen Nervenheilanstalt und die beiden offenen Vollzugsanstalten sind doch leicht zu verkraften. So, Frau Senatorin Schubert, geht es wirklich nicht.
Überdies wurde nach den Bürgerprotesten hektisch versucht, die Anwohner für den Standort Tegel zu gewinnen. Das Blaue vom Himmel ist dort erzählt worden, nur nicht, dass es gar kein Auswahlverfahren gegeben hat. Das, Frau Senatorin Schubert, ist ein unsäglicher Umgang mit den Menschen vor Ort. Diese haben unseren Schutz verdient.
Ja, mehr Demokratie, das Thema passt hierher wie ein Schwein auf ein Sofa. – Die Anwohner und die CDU betonen immer wieder die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung. Aber sie muss in die Umgebung passen. Tegel ist der falsche Standort. Hier gilt für mich der Satz, den ich bereits in meinem ersten Wahlkampf plakatiert habe: Opferschutz vor Täterschutz.
Heute, Frau Schubert, haben Sie die Möglichkeit, einen schweren Fehler zu korrigieren. Setzen Sie sich endlich im Senat durch und helfen Sie den Betroffenen. Zeigen Sie Frau Knake-Werner und Herrn Sarrazin, dass es Alternativen, zum Beispiel die Charité, gibt, die womöglich kostenneutraler sind. Beenden Sie das unwürdige Spiel mit den Sorgen der Menschen. Schließen Sie den Standort Tegel und fangen Sie neu an. – Ich danke Ihnen!
Danke schön, Herr Kollege Gram! – Für die Fraktion der SPD erhält das Wort die Frau Kollegin Hertel. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gram! Als wir von diesem Antrag erfahren haben und bekannt geworden ist, dass er heute allen Ernstes besprochen werden soll, hat der Kollege Felgentreu aus dem Rechtsausschuss die Rederunde erhalten. Mit dem mir eigenen Charme habe ich ihn dann gebeten, Sie an mich abzutreten, weil ich als Reinickendorferin eine Mitbetroffene bin. Wenn ich geahnt hätte, Herr Gram, wie viel zusätzliche Verärgerung Sie durch Ihren Redebeitrag auslösen, hätte ich vorher Baldrian genommen.
Dieser Antrag Ihrer Fraktion ist – um Ihrem Sprachgebrauch zu folgen – unsäglich. Er ist verantwortungslos, und die Begründung strotz vor Halb- und Unwahrheiten, die Sie hier noch einmal wiederholt haben.
Die Fachleute des LKA haben dem Rechtsausschuss gesagt – ich zitiere aus einem Gespräch, das ich mit dem zuständigen Dezernatsleiter geführt habe, weil ich, Herr Gram, mich mit den Fachleuten unterhalten habe –:
Nach dem derzeitigen Stand in Berlin und bundesweit spricht nichts für ein erhöhtes Risiko. Im Gegenteil, wir wissen von verschiedensten Örtlichkeiten in Berlin, wo entweder Sexualstraftäter therapiert oder in entsprechenden Einrichtungen untergebracht sind von keinem einzigen Fall, bei dem in der Umgebung derartige Straftaten verübt worden sind.
Ich möchte die fachliche Aufarbeitung nicht vornehmen, wo tatsächlich Straftaten begangen werden, weil dies heute nicht unser Thema ist und ich die Sorge habe, dass Sie mit Ihrer Politik schon viel zu viel Erfolg dabei hatten, die Bürger zu verunsichern, die subjektiv ein Unsicherheitsempfinden haben, die Mütter und Väter, die sich Sorgen um ihre Kinder machen, dass hier der Eindruck entstehen könnte, man wolle fast schon zynisch sagen: Macht euch keine Sorgen, ihr seid in der Umgebung der JVA am sichersten. – Tatsache ist, genau so ist es.