Protocol of the Session on June 2, 2005

Danke schön, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich ebenfalls an den Regierenden Bürgermeister. – Herr Wowereit! Ich möchte von Ihnen wissen, ob Ihnen bekannt ist, dass, während wir hier heute beraten, die bisher gesammelten 50 000 Unterschriften für das Wahlpflichtfach Ethik/Philosophie und Religionsunterricht, die auch von der ehemaligen Familienministerin Frau Bergmann, vom SPD-Vorsitzenden Herrn Müntefering und vom Bundestagspräsidenten Herrn Thierse unterstützt wurden, eigentlich Ihnen übergeben werden sollten – wofür wir gern eine Viertelstunde hier auf Sie verzichtet hätten. Wie werden Sie mit diesem Anliegen eines großen Teils der Berliner umgehen?

Herr Regierender Bürgermeister – bitte!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Es ist mir bekannt; es war aber auch denjenigen bekannt, die die Unterschriften übergeben wollen, dass das Berliner Abgeordnetenhaus tagt. Insofern ist sichergestellt, dass Herr Staatssekretär Härtel im Namen des Senats die Unterschriften in Empfang nehmen wird.

Es ist das legitime Recht von Kirchen, in ihrem Religionsunterricht über ihre Religionslehrer Unterschriften zu sammeln und zu kontrollieren, ob die Eltern diese vorformulierten Briefe auch bei ihren Kindern abgegeben haben. Das finde ich in Ordnung, das ist ihr legitimes Recht. Jetzt sind Unterschriften zusammengekommen.

Dass wir in einem Disput über die Frage sind, wie der Ethikunterricht organisiert wird, ist hinlänglich bekannt. Insofern wird sich durch die Abgabe der Unterschriften die Meinung des Senats und der ihn tragenden Koalitionsfraktionen nicht ändern. Ich sage ganz deutlich: Es ist bisher kein Streit darüber gewesen, dass gerade die Kirchen – und auch Ihre Fraktion – gesagt haben, die Berliner Kinder müssten mehr Ethik-, Philosophie- und Ethikun

terricht in der Berliner Schule bekommen, und das werden wir jetzt umsetzen, und zwar für alle Schüler in einem Unterricht.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

[Henkel (CDU): Hochmut kommt vor dem Fall!]

keiner in Frage gestellt: die Freiwilligkeit des Religionsunterrichts. Insofern ist das eine gute Tradition.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Insofern ist der Streit kein inhaltlicher Streit. Wir garantieren jedem, der Religionsunterricht haben will, dass er ihn bekommen kann, und wir finanzieren es. Es bleibt bei der alten Regelung. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir alle gemeinsam – so habe ich bisher die Debatten hier verstanden – sagen: Wir wollen, dass in einem besonderen Fach, das Ethik heißen wird, sich die Kinder über Wertefragen, über philosophische und religiöse Fragen unterhalten, und zwar alle gemeinsam. Daran kann ich nichts Schlimmes sehen. Insofern ist das eine Diskussion, die uns sicherlich nicht weiterführen wird.

Wichtig ist, dass wir ein Fach öffnen. Ich sage einschränkend dazu, damit die Erwartungshaltungen nicht zu groß werden: Man kann nicht erwarten, dass in zwei Stunden pro Woche alles das aufgearbeitet wird, was in unserer Gesellschaft schief läuft. Werteerziehung, Werteunterricht sind per se vom Schulgesetz und von der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und der Berliner Verfassung her eine Aufgabe für die ganze Schule und in jedem Unterrichtsfach, im Schulalltag, in Arbeitsgemeinschaften, in Projekttagen und Projektwochen, die die Schulen durchführen, bei Schulfesten, eine Daueraufgabe für den Unterricht

RBm Wowereit

Die nächste spontane Frage stellt Frau Abgeordnete Simon von der Fraktion der PDS.

Danke schön, Herr Momper! – Meine Frage richtet sich an die Gesundheitssenatorin. – Welche Möglichkeit sehen Sie, die Gesundheitskampagne „Ein Leben ohne Qualm“ mit dem Projekt „Das rauchfreie Krankenhaus“, das wesentlich dazu beitragen soll und will, den Nichtraucherschutz in Krankenhäusern zu verbessern, ihrerseits zu unterstützen, um im Interesse von Patientinnen und Patienten und den Beschäftigen im Krankenhaus gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen zu schaffen?

[Beifall bei der PDS]

und auch für die Familie und die Gesellschaft. Aber noch einmal die Chance zu geben, in einem zweistündigen Fach in der Oberschule allen Kindern gemeinsam ein Fenster zu öffnen, das halte ich für richtig, und das wird der Senat auch umsetzen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! – Eine Nachfrage von Frau Abgeordneter Schultze-Berndt – bitte schön!

Herr Wowereit! Ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass ein Wahlpflichtfach nicht bedeutet, dass man zwangsweise konfessionellen Religionsunterricht wahrnehmen muss. Darum stelle ich die Nachfrage, ob Sie als Jurist es für verfassungsgemäß halten, dass Vater Staat in Form der rot-roten Koalition darüber entscheidet, welche Werte unseren Kindern vermittelt werden.

[Unruhe bei der PDS]

Herr Regierender Bürgermeister – bitte schön!

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Ich kann mir keinen Unterricht vorstellen, egal unter welcher Regierung in der Bundesrepublik Deutschland, ob es CSU oder FDP oder Grüne sind, dass sie nicht eine gemeinsame Basis als Vorgabe für den Unterricht, für das Curriculum haben, nämlich unser Grundgesetz und unsere Verfassung. Da sind Werte und Feststellungen durch Grundrechte und Menschenrechte gemacht worden.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Es ist doch abstrus, zu glauben, dass der Schulunterricht wertefrei ist. Es ist doch abstrus, zu behaupten, dass nur die Kirchen in der Lage sind, Wertevermittlung zu betreiben. Wo kämen wir denn da hin?

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Das ist spätestens seit den Zeiten der Aufklärung vorbei, dass es mal so war. Ich könnte vieles aus der Geschichte erzählen, wohin dieser Monopolanspruch geführt hat. Selbstverständlich baut sich ein demokratischer Staat auf Werten auf; das sind Menschenrechte, Grundrechte und die Setzungen in der Verfassung. Wenn der Umweltschutz einen Verfassungsrang hat oder nicht hat, wenn die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen einen Rang in der Verfassung hat, dann sind das Werteentscheidungen, und Gott sei Dank haben wir sie. Selbstverständlich ist die Schule, egal unter welcher Regierung, dazu verpflichtet, diese Werte im Unterricht zu vermitteln. Deshalb gibt es kein Verbot für den Staat, Werte zu unterrichten, und kein Monopol der Kirchen. Das wäre abstrus. Aus welcher Zeit kommen Sie denn? Ich bin richtig entsetzt!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Danke schön!

Frau Senatorin Dr. KnakeWerner – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Simon! Gerade bei dem jüngst zurückliegenden Nichtrauchertag ist deutlich geworden, wie gefährlich das Rauchen für die Gesundheit ist. Es werden dort noch einmal die drastischen Auswirkungen des Rauchens deutlich gemacht und eine Reihe von Programmen zum Nichtraucherschutz präsentiert. Auch in Berlin sind wir aktiv in Sachen Nichtraucherschutz, und meine Senatsverwaltung hat gemeinsam mit allen Bezirken ein dreijähriges Programm namens „Berlin qualmfrei!“ aufgelegt. Hier gibt es die unterschiedlichsten Aktionsfelder, in denen Projekte zum Nichtraucherschutz, aber auch zum Ausstieg aus dieser Sucht entwickelt werden.

Eines dieser Aktionsfelder sind die Krankenhäuser. Für den Sommer werden die Krankenhäuser mit der Kampagne „Rauchfreies Krankenhaus“ zum Schwerpunkt gemacht. Das begleiten wir selbstverständlich. Eine Möglichkeit haben wir als Senatsverwaltung konkret, das ist die Krankenhausbetriebsverordnung. In der heutigen Krankenhausbetriebsverordnung steht, dass in allen Krankenhäusern Raucherräume eingerichtet werden sollen. Diese Formulierung wollen wir aus der Krankenhausbetriebsverordnung herausnehmen und stattdessen eine Formulierung hineinnehmen, aus der sehr deutlich wird, dass das Rauchen in Krankenhäusern grundsätzlich unerwünscht ist. Ich denke, damit kann es uns gelingen, die Krankenhäuser und vor allem die Träger der Krankenhäuser dazu zu bringen, sich verstärkt – und ich glaube, dies gehört zu einem zukunftsfähigen Qualitätsmanagement von Krankenhäusern – für den Nichtraucherschutz einsetzen.

[Beifall bei der PDS]

Danke schön, Frau Senatorin Knake-Werner! – Eine Nachfrage von Frau Simon gibt es nicht.

Dann ist jetzt Frau Villbrandt von der Fraktion der Grünen an der Reihe und hat das Wort.

Dr. Lindner

Nein, Frau Kollegin Villbrandt! Es gibt sowohl für die ärztliche Betreuung durch das Personal – wann was zu tun ist – als auch für die Frage, wann der Rettungssanitäter einzuschreiten und zu reagieren hat, Dienstanweisungen. Da ist dies vom Grundsatz her geregelt.

(D

Herzlichen Dank! – Ich frage ebenfalls den Innensenator. – Herr Senator! Teilen Sie meine Auffassung, dass wir insbesondere in Wohngebieten und vor Schulen, Kitas, aber auch Seniorenheimen und Krankenhäusern durch verstärkte Radarkontrollen Rasern Einhalt gebieten müssen, um unsere Bürger, vor allem die Schwächsten unserer Gesellschaft, zu schützen?

Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage Senator Körting. – Am vergangenen Samstag hat ein junger Algerier in Abschiebegewahrsam einen Herzinfarkt erlitten, und er wäre beinahe gestorben, weil ihm die nötige ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig gewährt wurde. Warum kommt es trotz aller Hungerstreiks der letzten zwei Jahre, nach anderen Vorfällen und nachdem Sie im letzten Jahr versprochen haben, Abhilfe zu schaffen, immer noch dazu, dass Menschen in Abschiebehaft keine ärztliche Hilfe bekommen?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin Villbrandt! Das ist in der Tat ein sehr ernst zu nehmender Vorfall, den Sie soeben geschildert haben. Wir haben den Abschiebegewahrsam – wie andere Haftanstalten auch – so organisiert, dass tagsüber ein ärztlicher Dienst besetzt ist, und zwar ist der polizeiärztliche Dienst für diesen Bereich zuständig, und es steht rund um die Uhr ein Ansprechpartner für die Leute zur Verfügung. Es steht ein Sanitäter zur Verfügung, wobei die Sanitätsstelle zwischen 15.30 Uhr und 7.30 Uhr sowie an den Wochenenden mit ausgebildeten, erfahrenen Rettungssanitätern besetzt ist.

Im vorliegenden Fall gehen wir einer Anzeige nach, dass das Personal den betroffenen algerischen Staatsangehörigen nicht auf seine Aufforderung hin vorgestellt hat, sondern er eine zeitlang warten musste. Wir werden ebenso wie die Staatsanwaltschaft und die Polizei prüfen, ob ein Fall von unterlassener Hilfeleistung vorliegt, das heißt, ob es erkennbar war, was tatsächlich geschehen ist.

Dass es dann im Einzelfall durch die Rettungssanitäter nicht zu einem Erkennen des Herzinfarktes gekommen ist, wird ebenfalls überprüft werden. Nach meiner Kenntnis hat es sich jedoch auch um erfahrene Rettungssanitäter gehandelt. Dem muss nachgegangen werden. Ich kann aber auch in solchen Fällen, bei der medizinischen Betreuung, nie 100-prozentig ausschließen – kein Mensch kann dies tun –, dass eine Fehlprognose gemacht wird. Ich gebe Ihnen jedoch Recht, dass man im Zweifelsfall lieber einmal zu viel ins Krankenhaus schicken sollte als einmal zu wenig. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.

Eine Nachfrage der Kollegin Villbrandt – bitte schön!

Herr Senator! Wenn Sie Leute einsperren, haben Sie auch Tag und Nacht dafür zu sorgen, dass die ärztliche Versorgung gewährleistet ist. Wie wollen Sie dies sichern? Können Sie versprechen, dass es in Zukunft anders wird? Sind Sie nicht der Meinung, dass Sie mit Ihrer bisherigen Untätigkeit einen schweren Fehler gemacht haben?

Herr Senator Dr. Körting – bitte!

Der Polizeipräsident hat den Fall zum Anlass genommen – Sie haben dies heute der Presse entnommen –, zu überprüfen, ob die Anweisungen an das Personal ausreichend klar sind. Wir werden den Fall ebenfalls zum Anlass nehmen, dem gesamten Personal, das im Abschiebegewahrsam beschäftigt ist, deutlich zu machen, dass auf entsprechende Hinweise von Häftlingen das Entsprechende zu veranlassen und Hilfe zu holen ist, wenn es in der Nacht vor Ort nicht möglich ist.

Ansonsten ist es nicht erforderlich – dies ist in keiner Justizvollzugsanstalt der Fall, bis auf ganz große –, dass rund um die Uhr ärztliches Personal anwesend ist. Wichtig ist es, dass die Leute so schnell wie möglich einem Arzt vorgestellt werden.

Danke schön, Herr Dr. Körting! – Jetzt ist Herr Dr. Lindner mit einer Frage an der Reihe. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!