Protocol of the Session on April 28, 2005

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines deutlich sagen: Bei allem Konsolidierungsbedarf für beide Unternehmen und bei allen wirtschaftlich gescheiten Überlegungen wird am Ende nicht allein ein wirtschaftlich anspruchsvolles Konzept über die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen entscheiden.

[Dr. Lindner (FDP): Sondern?]

Gut! Danke für das Stichwort! – Sondern diese beiden Unternehmen werden nicht überleben, wenn sie mit ihren Konzepten nicht gleichzeitig an die Erwartungen von Patientinnen und Patienten anknüpfen – d. h. sich der tatsächlichen Patientenorientierung stellen – und wenn sie nicht Krankenversorgung mit hoher medizinischer Qualität und mit einem hohen Service entwickeln.

[Dr. Lindner (FDP): Das soll der Unterschied sein?]

Ja, das ist allerdings ein Unterschied, aber das ist Ihnen als Experte im Krankenhauswesen vielleicht nicht so ganz bewusst geworden. – Ginge es nur um die Frage der Wirtschaftlichkeit, dann gäbe es auch nach meinem Dafürhalten keine überzeugende Begründung mehr für Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft.

[Beifall des Abg. Dr. Lindner (FDP) – Dr. Lindner (FDP): Richtig!]

Kommunale bzw. landeseigene Krankenhäuser müssen mit gleichem Erfolg wirtschaftlich arbeiten wie die Krankenhäuser anderer Träger – selbstverständlich auch der Privaten. Sie müssen auch mindestens die gleichen Qualitätsstandards in der Krankenhausversorgung garantieren. Aber – und das ist das, was kommunale und landeseigene Häuser auszeichnen muss – sie müssen über diese Standards hinaus ein qualitativ hochstehendes, spezielles Leistungsangebot – ein zusätzliches Angebot z. B. für bestimmte Patientengruppen – anbieten, das eben von den anderen nicht mehr erbracht werden kann, weil sie sich nur an wirtschaftlichen Kriterien orientieren. Bei den Universitätskliniken ist dies mit den Aufgaben von Forschung und Lehre ganz offensichtlich der Fall. Bei Vivantes ist es z. B. die hervorragende Klinik für die AidsKranken im Auguste-Viktoria-Krankenhaus, oder es sind die psychiatrischen Kriseninterventionsstationen in anderen Häusern.

Die Häuser in öffentlicher Trägerschaft haben auch eine Pflicht zur beruflichen Ausbildung von Pflegekräften. Das ist heute auch nicht mehr so selbstverständlich, aber bei Vivantes ist es immer noch so, dass dieses Haus weit über den eigenen Bedarf hinaus ausbildet. Damit nimmt Vivantes gesamtstädtische Interessen wahr. Das erwarte ich allerdings auch von einem Krankenhaus in kommunaler Trägerschaft.

[Beifall bei der PDS]

Nun zum Schluss: Aus den von mir genannten Gründen hat sich der Senat das Ziel vorgenommen, beide Häu

Frau Sen Dr. Knake-Werner

ser – Charité und Vivantes – als Häuser in öffentlicher Hand zukunftsfähig zu entwickeln. – Vielen Dank!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir treten nun in die Besprechung ein. Den Fraktionen steht nach der Geschäftsordnung jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnen die Antragsteller. – Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Lehmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Sie wissen, dass sich die FDP klar für eine Privatisierung von Vivantes ausgesprochen hat und dass wir es auch für sinnvoll halten, beim Krankenhausbetrieb der Charité einen privaten Betreiber mit in das Boot zu holen. Glauben Sie nicht, dass wir von Natur aus Privatisierungsfetischisten sind. Nein!

[Czaja (CDU): Ja! – Heiterkeit]

Wir lassen uns nur von unserer Vernunft und von unserer Erfahrung leiten,

[Buchholz (SPD): Seit wann das?]

und die sagt uns, dass wir als Land Berlin in Gewährträgerhaftung genommen werden, wenn Vivantes oder die Charité wirtschaftlich an die Wand gefahren werden. Wir brauchen aber in Berlin nicht noch eine Katastrophe à la Bankgesellschaft.

[Beifall bei der FDP – Czaja (CDU): So schlecht war die nicht!]

Die beiden Häuser brauchen jedoch massive Investitionen, um sich am Markt behaupten zu können. Berlin hat dafür nicht das Geld. Wenn wir wollen, dass die Häuser in zehn Jahren auch noch Kranke versorgen, dann müssen wir die Konsequenzen ziehen.

[Czaja (CDU): Und alle gesund werden!]

Im Gegensatz zu Ihnen fühlen wir uns wirklich den Patienten verpflichtet. Wir wollen eine sichere Zukunft für die Charité und für Vivantes und kein realitätsfernes Herumeiern.

[Beifall bei der FDP]

Die Genossen von der PDS und der SPD kommen mir manchmal vor wie ein kleines Kind, das gebeugt vor seinem Spielzeug sitzt und Angst hat, dass ihm jemand davon etwas wegnimmt, obwohl es gar nichts mit diesem Spielzeug anzufangen weiß.

[Brinsa (CDU): Gut, Michael!]

Charité und Vivantes sind aber kein Spielzeug. Sie sind Krankenversorger, Arbeitgeber und Standortfaktor in Berlin.

[Beifall bei der FDP – Beifall des Abg. Brinsa (CDU)]

Wenn Sie Ihr Spielzeug behalten wollen, dann handeln Sie! Dazu braucht es Mut – gewiss –, aber den haben Se

nator Flierl und Frau Senatorin Knake-Werner anscheinend nicht.

[Czaja (CDU): Wo ist der eigentlich?]

Vielleicht geben Sie die ganze Angelegenheit einmal in die Hände Ihres Kollegen Sarrazin. Das ist doch Ihr Mann für das Harte. Vielleicht weiß der, wie man durchgreifen muss. Auf jeden Fall ist er schon ein Stück weiter als alle rot-roten Genossen, was man daran erkennt, dass er schon vor einiger Zeit Gespräche mit den Rhön-Kliniken geführt hat.

[Beifall bei der FDP – Dr. Lindner (FDP): Bravo! Da capo!]

Wenn Sie es nicht anpacken wollen, dann haben Sie doch aber die Einsicht, es andere machen zu lassen.

Nun diskutieren wir leider noch nicht über die Privatisierung, sondern über die Kooperation der beiden landeseigenen Einrichtungen. Wenn Sie schon keinen Mut haben, haben Sie doch wenigstens die Kraft, die beiden Konkurrenten zur Zusammenarbeit zu zwingen, da, wo es sinnvoll ist und eine zukünftige Privatisierung nicht behindert wird. Es ist nämlich ein Irrsinn, wenn das Land zukünftig in Doppelstrukturen bei Vivantes und Charité investiert. Hier müssen und können Sie ansetzen, wenn Sie einsparen wollen.

Nun will uns der Senat glauben machen, dass Charité und Vivantes eine Kooperation beider Häuser für unbedingt notwendig halten.

[Brinsa (CDU): Eine Operation!]

Frau Knake-Werner! Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, aber vom Vorstand der Charité können Sie das nicht haben. Der hat uns in einem Hintergrundgespräch nämlich von seinen Zukunftsvisionen erzählt. Diese lauten, dass Teile von Vivantes in die Charité integriert werden und der Rest verkauft wird. Das ist auch keine schlechte Idee. Die Erlöse könnte man dann wiederum in die Charité stecken.

Hört sich so der Wunsch nach Kooperation an? – Nein! Sie haben die Konzepte beider Häuser abgesegnet. Ich lese dort nichts von einem Wunsch und einer Notwendigkeit der Kooperation. Im neuen 65 Seiten starken Konzept der Charité wird Vivantes genau einmal auf Seite 45 erwähnt. Da heißt es:

Die genannten Gründe legen es nahe, Kooperationen mit Vivantes einzugehen.

Das war es. Das ist nicht einmal eine Willensbekundung! Reden wir doch nicht drumherum. Vivantes und Charité sind klare Konkurrenten, die sich gegenseitig das Wasser abzugraben versuchen und überhaupt kein Interesse an einer Kooperation haben. Der Schritt seitens der Charité, seine Servicebereiche gemeinsam mit einem privaten Partner betreiben zu wollen, bestätigt, dass es keine Absprachen mit Vivantes gibt. Vivantes, so die Charité, kön

Frau Sen Dr. Knake-Werner

ne sich ja bewerben. Zeugt das etwa vom Willen der Kooperation?

Herr Ganten und Herr Schäfer denken nicht im Traum an eine echte Zusammenarbeit. Charité und Vivantes bekämpfen sich, auch wenn Sie das in Ihrer Antwort negieren. Es ist so, fragen Sie Herrn Professor Ganten. Er wird es Ihnen bestätigen. Oder glauben Sie, dass Ihr Mann Märchenerzähler ist?

Vivantes wirbt bei niedergelassenen Ärzten mit unfairen Mitteln um Patienten. Wenn Ihnen das bis zum Eingang unserer Großen Anfrage nicht bekannt war – und dass es Ihnen nicht bekannt war –, so ist es nur schwer zu glauben. Nun ist es Ihnen bekannt. Sie sind dem nachgegangen? – Ich befürchte eher, dass dies nicht der Fall ist. Stattdessen schreiben Sie in Ihrer schriftlichen Antwort:

In Umsetzung des Sanierungskonzeptes werden bei Vivantes im Bereich des Einweisungsmanagements Gespräche mit niedergelassenen Ärzten über Patientenzufriedenheit geführt.

Die plant einen Ausbau der Kooperation auf kollegialer Ebene.

Erstens liest sich das in den Konzepten von Vivantes ganz anders. Zweitens: Wollen Sie mir erzählen, dass Charité und Vivantes kostenintensiv Fachleute zu den niedergelassenen Ärzten schicken, um freundlich nachzufragen, ob die Patienten zufrieden sind? Wollen Sie mir erzählen, dass sie dort einen unentgeltlichen Ringelpietz mit Anfassen spielen? – Märchen können Sie Ihren Genossen erzählen. Aber uns brauchen Sie hier nicht auf den Arm zu nehmen!

[Beifall bei der FDP]

Dann behaupten Sie, dass die Charité von stabilen Fallzahlentwicklungen mit leichtem Anstieg bei den Schwerkranken ausgeht und Vivantes mit gleichbleibenden Behandlungszahlen. Vielleicht sollten Sie die Konzepte einfach einmal lesen. Beide rechnen nämlich mit wachsenden Zahlen. Nicht umsonst schreibt die Charité, dass sie eine parallele Konsolidierungs- und Wachstumsstrategie und damit Expansion verfolgt. Gleiches gilt übrigens auch für Vivantes. Dem wäre ja nichts zu entgegnen, wenn es nicht zu einem für beide Häuser schädlichen Verdrängungswettbewerb in gewissen Marktsegmenten führen würde.