Protocol of the Session on March 17, 2005

In den Debatten gab es aber auch die Kritik, dass die Quoren zu hoch, die hier lebenden Migrantinnen und Migranten benachteiligt sowie Möglichkeiten für Plebiszite auf Ortsteilebene nicht vorgesehen sind. All das muss im Gesetzgebungsverfahren gründlich überprüft werden. Auf jeden Fall – das gilt auch für die Warnungen

Was auch immer hier gesagt worden ist, wenn dieses Gesetz beschlossen wird, reichen maximal 1 500 Unterschriften in einem unserer 300 000-Einwohner-Bezirke Berlins aus, um eine Entscheidung der Verwaltung für Monate zu verzögern. So steht es geschrieben. Rund 15 000 Stimmen reichen bei einem Bürgerentscheid aus, um eine Entscheidung letztlich zu stoppen. Gleichzeitig verursachen sie in den finanziell ohnehin gebeutelten Bezirken erhebliche Kosten, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wo das Geld für solche Verfahren überhaupt herkommen soll.

1 500 Unterschriften halten eben nicht nur eine Entscheidung auf, 3 000 Unterschriften verursachen selbst nach Auskunft von SPD-Bürgermeistern Kosten in Höhe von über 500 000 €. So viel, meine Damen und Herren, würde ein Bürgerentscheid pro Bezirk am Ende mindestens kosten. Deshalb muss diese Gesetzesvorlage nicht nur im Rechts- und im Verwaltungsreformausschuss diskutiert werden, sondern mindestens auch im Hauptausschuss, damit geklärt wird, wo die Bezirke das Geld hernehmen sollen.

auch für dieses Gesetz gelten, was wir hier gemeinsam vor 14 Tagen beschlossen haben, nämlich, dass jedes Gesetz mit einem Evaluierungsvorbehalt versehen wird. Dort werden wir genau prüfen, ob diese Argumente zutreffen oder nicht zutreffen. Ich sage jetzt schon, sie werden auch in Berlin, dem 16. der Bundesländer, nicht eintreten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Danke schön, Herr Dr. Zotl! – Für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Wambach das Wort. – Bitte schön, Herr Wambach!

[Beifall bei der CDU]

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Inhalt und zu einigen Punkten des vorliegenden Gesetzentwurfs komme, gestatten Sie mir einige grundsätzliche Vorbemerkungen. Herr Kollege Zotl, Sie erwecken hier den Eindruck, als habe in Berlin, insbesondere in den Berliner Bezirken Politik nach Gutsherrenart stattgefunden, als habe es niemals Beteiligung von Bürgern oder Kommunikation mit Bürgern gegeben. Ich werde den Auszug Ihrer Rede dann gern auch an Ihre PDS-Kommunalpolitiker verschicken, damit sie genau wissen, was Sie von Ihren Bezirksverordneten halten.

[Gram (CDU): Armer Zotl! – Doering (PDS): Verteilen wir schon selbst! – Pewestorff (PDS): Sparen wir Porto!]

Meiner Fraktion und mir hat sich im Lauf der Diskussion und im Vorfeld schon lange die Frage gestellt, ob ein solches Gesetz und eine solche Verfassungsänderung überhaupt in die Zeit passt. Immerhin sterben wir derzeit in Berlin nicht gerade an Langeweile oder haben etwa Vollbeschäftigung und allgemeinen Mangel an politischen Handlungszielen. Wir sind auch nicht, Herr Dr. Zotl, mit Hamburg und Baden-Württemberg vergleichbar, ich sage ausdrücklich: leider. War es nicht vielmehr so, dass wir in der letzten Zeit auf allen politischen Ebenen dieser Stadt eher darüber diskutiert haben, wie wir Entscheidungen beschleunigen und Verwaltungsverfahren straffen können? War es nicht vielmehr so, dass PDS-Wirtschaftssenator Wolf gerade die Einrichtung der zentralen Anlauf- und Koordinierungsstelle ZAK gefeiert hat, wo Investitionsvorhaben in Berlin möglichst schnell und aus einer Hand betreut und entschieden werden sollen? – Jetzt kommt nicht nur seine eigene Partei, die PDS, um mit diesem Gesetzesvorhaben eine gewaltige Bremse einzubauen, nein, auch die FDP, die ansonsten immer große Töne spuckt, wenn es um die Beschleunigung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren geht, stellt sich in eine Reihe mit denen, die es für eine gute Idee halten, in dieser Situation Berlins eine Verfahrensverzögerung von mehreren Monaten in Kauf zu nehmen. Das verstehe, wer will.

[Beifall bei der CDU – Dr. Lederer (PDS): Was spricht gegen Bürgerbeteiligung?]

[Dr. Lederer (PDS): Aus dem Haushalt!]

[Beifall bei der CDU]

Wo wir gerade beim Geld sind, stellt sich für meine Fraktion in diesem Zusammenhang auch eine Frage, die Sie alle bei unseren Diskussionen im Vorfeld geflissentlich überhört haben, nämlich die Frage nach der finanziellen Transparenz von Bürgerbegehren und Initiativen, die nach Ihrem Willen künftig einem politischen Entscheidungsprozess auf gesetzlicher Grundlage durchführen sollen. Während die politischen Parteien, die immerhin einen grundgesetzlichen Auftrag haben, zwingend demokratischen Grundsätzen entsprechen müssen und über die Herkunft ihrer Mittel und deren Verwendung öffentlich Rechenschaft geben müssen, Verstöße inzwischen sogar strafbar sind,

[Beifall bei der CDU – Gelächter des Abg. Brauer (PDS)]

öffnen Sie hier den politischen Willensbildungsprozess auf Bezirksebene für alles und jeden ohne finanzielle Transparenz und rechtliche Spielregeln.

[Beifall bei der CDU]

Während die Parteien, in freien und geheimen Wahlen gewählten Bezirksverordneten den Regeln des zu Recht strengen Parteiengesetz unterworfen sind und lückenlos über alle Einnahmen und Ausgaben, insbesondere Spenden Rechenschaft abgeben müssen, wollen Sie es zulassen, dass an deren Stelle Initiativen tätig werden und am Ende entscheiden können, die nicht offen legen, wo das Geld für ihre Aktivitäten herkommt.

[Beifall bei der CDU – Dr. Lederer (PDS): Die Wähler bringen doch auch nicht ihre Lohnsteuerkarten mit!]

Da wird politischer Einflussnahme und Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Von der Konkurrentenverhinderung

Irgendwann muss ein Wechsel der Meinung stattgefunden haben. Sie sind, als es ernst geworden ist, nicht mehr erschienen, das ist verständlich nach dem, was Sie heute gesagt haben. Nach dem, was Sie damals vorgetragen haben, hätten Sie allerdings an der Spitze der Bewegung stehen müssen. Ich komme später noch einmal auf Sie zurück, Herr Wambach.

Bürgerentscheide sind keine Spezifität der Schweiz oder irgendwelche Graswurzelregelungen der Neuengland-Staaten oder Kaliforniens, Bürgerentscheide sind heute in ganz Europa, gerade auch in den neuen EUStaaten, eine Selbstverständlichkeit. In Deutschland ist man immer skeptisch gewesen, vielleicht auf Grund der Erfahrungen in der Weimarer Republik, gegenüber direktdemokratischen Regelungen. Dennoch haben in die frühen Verfassungen der westdeutschen Länder und Berlins solche Elemente Eingang gefunden. Später sind sie etwas zurückgefahren worden, eine Renaissance hat es erst wieder in den 80er Jahren gegeben, teilweise wurden sie durch Volksentscheide wieder eingeführt oder erweitert, wie in Hamburg oder Bayern. Was für Gemeinden und Stadtbezirke bundesweit gilt, ist für die Berliner Bezirke nicht möglich. Der Kollege Zotl hat dies bereits deutlich gemacht. Wenn man sich ansieht, welche Regelungen es bundesweit gibt, stellt man fest, dass Berlin das absolute Schlusslicht ist, weil wir für die Bezirke – immerhin wären das in anderen Bundesländern Großstädte – keine solche Regelungen haben. Dies wollen wir ändern. Bürgerentscheide und Bürgerbegehren sollen möglich werden.

bis zum Einspielen verschwundener SED-Parteigelder in den politischen Willensbildungsprozessen.

[Gelächter bei der PDS und den Grünen]

Das darf nicht sein.

Das sage ich insbesondere an die Adresse der Grünen.

[Ratzmann (Grüne): Wir haben die Gelder nicht!]

Gerade Sie sind hier in der Pflicht, dass nicht aus mehr Demokratie am Ende eine käufliche Demokratie wird.

[Beifall bei der CDU – Dr. Lederer (PDS): Ausgezeichnet!]

Wenn Sie aus dem Kurs dieser Gesetzesvorlage bleiben sollten, wird meine Fraktion rechtzeitig einen Antrag zur finanziellen Transparenz einbringen. Dann wollen wir einmal sehen, wer in diesem Haus dafür und wer dagegen stimmt.

[Beifall bei der CDU]

Wir, die CDU, sind nicht gegen Bürgerbeteiligung, sondern für starke Bezirke und starke Demokratie vor Ort. Wir haben hier einen entsprechenden Antrag eingebracht. Wir setzen nach der Reduzierung der Bezirke von 23 auf 12 und der damit einhergehenden Reduzierung der kommunalen Mitwirkungsmöglichkeiten auf ein Angebot in unseren Ortsteilen.

[Dr. Lederer (PDS): Frühstücksdirektor!]

Wir müssen im Zug dieser Diskussion auch aufpassen, dass am Ende die kommunalpolitische Mitwirkungsmöglichkeit nicht ganz ausgehebelt wird. Denn wenn es Schule macht, dass Vorhaben auf diesem Weg verzögert oder gestoppt werden, wird der Senat die Entscheidung an sich ziehen und jegliche Bürgerbeteiligung ins Leere laufen. Das ist dann nicht nur eine Verhöhnung der Bürger, sondern auch der Einstieg in den Ausstieg aus der zweistufigen Verwaltung und das Ende der Berliner Bezirke.

[Beifall bei der CDU]

Ich fordere Sie deshalb auf, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen und mit uns gemeinsam neu nachzudenken.

[Beifall bei der CDU]

Danke schön, Herr Kollege Wambach! – Für die Fraktion der SPD hat der Kollege Schimmler das Wort. – Bitte schön, Herr Schimmler!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die Kollegen Ratzmann, den Kollegen Ritzmann und den Kollegen Zotl ansehe, die alle drei wissen, dass die Sozialdemokratie in den Verhandlungen nicht immer der Vorreiter war, sondern wir sind durchaus manchmal schon aus alter sozialdemokratischer Tradition etwas zurückhaltend, und wenn ich mir dann vorstelle, wie manchmal der Kollege Wambach in den Verhandlungen eigentlich den Vorreiter gemacht oder sich so darzustellen versucht hat, dann war das jetzt eine völlig andere Rede.

[Beifall bei der SPD]

Darüber hinaus – darauf hat Herr Zotl ebenfalls hingewiesen – wollen wir durch Einwohnerantrag und Einwohnerfragestunde die nicht wahlberechtigten Bürger stärker in die Arbeit und die Diskussion über ihr eigenes Gemeinwesen einbeziehen. Gleichzeitig sollen die Rechte der Bezirksverordnetenversammlungen und der einzelnen Bezirksverordneten gestärkt werden.

In den Bezirken stößt diese Initiative nicht auf allgemeine Gegenliebe. Die Bezirke müssen sich daran gewöhnen. Wir sollten ihre Bedenken in den Ausschussberatungen ernsthaft mit einbeziehen – ebenso die Stellungnahme des Rats der Bürgermeister. Ich glaube aber, dass Folgendes stimmt:

Das mancherorts durch Bürgerbegehren und Bürgerentscheid befürchtete Chaos ist nicht eingetreten. Wenn die Bürger in wichtigen Angelegenheiten selbst unmittelbar entscheiden können, kann dies nur die politische Akzeptanz fördern.

Meine Damen und Herren von der CDU! Dieses Zitat stammt vom bayerischen Innenminister Beckstein, Bayern verfügt über die längste Erfahrung in diesem Bereich.

Jetzt komme ich zu Ihnen zurück, Herr Wambach, und zu Ihren Fragen, ob dieses Gesetzesvorhaben in die Zeit passe und wie es mit den Kosten sei. Das sind wichtige Fragen. Wir hatten in den vergangenen Jahren in den Bezirken häufig hohe Steigerungen bei den Sozialausgaben.

Wenn man sich die Anhörung am letzten Donnerstag noch einmal vor Augen führt, dann konnte man dort richtig die Angst einiger Bezirkspolitiker in ihren Augen sehen, die Angst davor, dass sie in ihren fast wie Fürstentümern ausgestalteten Bereichen eine direkte Konfrontation und direkte Verantwortung für ihr Verwaltungshandeln vor der Bevölkerung zu spüren bekommen. Die von Ihnen vorgetragenen Argumente, Herr Wambach, sind von einigen der Angehörten vorgebracht worden. Alle haben im Übrigen, das muss man vorausschicken, unisono gesagt: Wir finden es super, dass es mehr Beteiligung geben soll. Wir finden das auch super angesichts der in diesem Land herrschenden Politikverdrossenheit. Wir wollen, dass das Volk mehr an den politischen Entscheidungen beteiligt wird. – Dann kam das große Aber.

Eines der dort vorgebrachten Argumente lautete, dabei handele es sich um eine Mogelpackung. Eine Mogelpackung deshalb, weil die Quoten, die in den Bezirken erreicht werden müssen, für kleine, regional begrenzte Probleme so hoch seien, dass man der Bevölkerung nur vorgaukele, es bestehe die Möglichkeit der direkten Beteiligung, dies in Wahrheit aber nicht stimme. Auf der anderen Seite argumentieren Sie: Um Gottes willen, wenn wir diese Beteiligung einführen, dann kommt es zu nicht mehr hinnehmbaren Verzögerungen, weil die Quoren so niedrig sind, dass die Bevölkerung wirklich direkten Einfluss nehmen kann. – Sie müssen sich entscheiden, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie mehr Beteiligung, oder meinen Sie, dass die Bevölkerung gerade in dem Bereich, den Sie angesprochen haben, die Investitionsplanung, wirklich so verantwortungslos ist, dass es heute wirklich Menschen gibt, die organisiert gegen Ansiedlung, gegen mehr Arbeitsplätze auf die Straße gingen,

Das ist über die Basiskorrektur ausgeglichen worden. Wir haben im Haushalt auch keine Mittel für Volksabstimmungen auf Landesebene. Das muss jeweils im Einzelfall geregelt werden und die Haushälter wissen, wie man das macht. Ihre Argumente erwecken bei mir den Eindruck als wollten Sie das Ganze nicht, obwohl Sie vorher das Gegenteil behauptet haben.

[Dr. Lederer (PDS): Entscheidungsblockade!]

Das zeigt auch ihr Antrag. Die Ortsteilbeiräte sind in der Tat ein zahnloser Tiger. Wie wenig dieser Vorschlag durchdacht ist, zeigt sich allein darin, dass Sie fordern, die Ortsteilbeiräte sollen sich an den Wahlkreiseinteilungen orientieren. Nach statistischen Gebieten und Ortsteilen gehörte mein Wahlkreis zum Ortsteil Wedding oder zum Ortsteil Gesundbrunnen. Was soll nun gemacht werden? Nehmen wir den Wahlkreis? Teilen wir die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen anders auf, damit sie zu den Wahlkreisen passen, ansonsten aber nichts miteinander zu tun haben? – Wahlkreise werden nach bestimmten Größen geschnitten, damit sie vergleichbar sind, und nehmen dabei auf Ortsteilgrenzen keine Rücksicht. Allein dieser Vorschlag funktioniert nicht. Das beweist, mit welch heißer Nadel Sie diesen Antrag genäht haben. Sie haben solch einen Antrag zwar schon vor zwei Jahren angekündigt, passiert ist dann allerdings nichts. Insofern bin ich etwas überrascht, dass dieser Antrag heute per Dringlichkeit eingebracht worden ist.

Ich komme noch zu einigen anderen Punkten Ihres Antrags. Dass die Bezirke bereits heute ein Klagerecht bezüglich ihrer Zuständigkeiten haben, sollten Sie wissen. Das ist extra aufgenommen worden, als wir damals die Rechte der Bezirke verbessert haben. Wenn Sie einen Antrag einbringen mit dem Inhalt, dass die Bezirksbürgermeister direkt gewählt werden sollen – und zwar für die Dauer von sechs bis acht Jahren –, mache ich Sie darauf aufmerksam, dass damals auch die CDU – ich weiß, dass die Redezeit abgelaufen ist – davon abgegangen ist, dass die Dauer der Amtszeit nicht mit derjenigen der BVV übereinstimmt. Dafür gab es gerade von Seiten der CDU gute Argumente. Diese sollten Sie einmal nachlesen. – Ich bedanke mich!