Protocol of the Session on December 9, 2004

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatungen der fünf Artikel miteinander zu verbinden. – Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und Einleitung sowie die Artikel I bis V in der Drucksache 15/3198 unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses auf Drucksache 15/3486.

Wer der Beschlussvorlage 15/3198 unter Berücksichtigung der Änderungen des Hauptausschusses auf Drucksache 15/3486 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind sämtliche Fraktionen. – Zur Sicherheit: Die Gegenprobe! – Keiner. Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so angenommen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3:

I. Lesung

Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und anderer Gesetze

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/3440

Für die Beratungen steht den Fraktionen eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Die Fraktion der CDU beginnt. Das Wort hat Herr Kollege Steuer. – Bitte schön!

[Zurufe]

Ist der zuständige Senator im Raum?

[Unruhe]

Wir unterbrechen kurz und bitten Herrn Böger zu kommen, damit er bei diesem Diskurs anwesend ist. Das muss zu machen sein. Er war eben noch hier.

Vizepräsident Dr. Stölzl

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sie begründen diese Abschaffung der therapeutischen Leistung mit der sauberen Trennung der Jugendhilfe und Krankenkassenleistungen. Herr Senator, die leistungsberechtigten Kinder sind aber nicht krank, vielmehr sind sie häufig vernachlässigt oder Opfer ihrer familiären Situation. Deshalb haben sie bisher auch, um diese Situation zu verändern, Leistungen der Jugendhilfe erhalten und keine Leistungen der Krankenkassen. Diese Leistungen müssen deshalb auch erhalten bleiben, weil die Kinder sonst weder die eine noch die andere Leistung erhalten würden.

Das sind nur zwei Beispiele Ihrer Kürzungsvorschläge durch dieses Änderungsgesetz, aber es gibt noch mehr. Diese Kürzungen wollen Sie durch den Wegfall des Kinder- und Jugendberichts kaschieren. Die Begründung ist tatsächlich – sie ist gestern so noch einmal im Landesjugendhilfeausschuss gebracht worden – die Überlastung der Böger-Verwaltung. Sie schaffen es einfach nicht, dem Land Berlin bzw. den Abgeordneten den Kinder- und Jugendbericht vorzulegen. Herr Senator, ganz im Vertrauen: Die Überlastung liegt nicht an diesen Berichten, die geschrieben werden müssen, sondern an Ihrer Kreativität, quasi jedes Wochenende neue Umstrukturierungsvorschläge für die Betreuungs- und Bildungslandschaft in Berlin vorzulegen und damit Ihre Verwaltung überhastet und völlig planlos in Umstrukturierungen zu treiben. Dadurch ist sie überlastet, aber nicht durch sinnvolle Kinder- und Jugendberichte. Deswegen lehnen wir auch diese Kürzungen ab.

[Kurze Unterbrechung]

Wir fahren fort in der Sitzung und begrüßen den Senator. Herr Kollege Steuer kann nun mit seiner Rede beginnen. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Senator, sollte Ihr Gesetz Sie beim Kuchen gestört haben, hoffe ich, dass wir das nachher fortsetzen können.

Die Föderalismuskommission debattiert seit Monaten über die konkurrierende Gesetzgebung im Bereich der Jugendhilfe. Einige Bundesländer fordern die Verlagerung auf die Länderebene, andere wehren dies ab. Vor allem wird befürchtet, dass die Bundesländer die Kompetenzen nur bekommen wollen, um drastisch zu sparen. Viele Diskussionen im Bereich dieser Debatte finden in der Hauptstadt statt, so dass wir auch als Landespolitiker daran teilnehmen können. Großes Erstaunen und Entsetzen gibt es bei den Jugendpolitikern auf der Bundesebene immer dann, wenn die Jugendpolitiker des Landes über die drastischen Sparmaßnahmen in Berlin berichten, obwohl das noch Bundesgesetzgebung ist.

Was passiert hier in Berlin? – Von etwa 20 000 Kindern und Jugendlichen, die vor drei Jahren noch Hilfen zur Erziehung erhalten haben, werden es am Ende der Legislaturperiode des rot-roten Senats nur noch etwa 11 000 Kinder und Jugendliche sein. Das ist etwa eine Halbierung der gesamten Maßnahmen im Bereich Hilfen zur Erziehung. In Berlin werden also die schlimmsten Befürchtungen vieler Bundespolitiker wahr – auch ohne Länderzuständigkeit für die Jugendhilfe.

Nun geht Senator Böger diesen Weg konsequent weiter. Statt Bundesgesetze auf Länderebene herunterzubrechen – so, wie Sie in der Begründung Ihrer Gesetzesvorlage suggerieren –, legalisieren Sie vielmehr nachträglich bereits praktiziertes Verwaltungshandeln und bereits erlassene Ausführungsvorschriften. Sie schränken damit Ansprüche weiter ein.

Erstens: Heilpädagogische Pflegestellen sollen endgültig abgeschafft werden. Damit besteht mindestens die Gefahr, dass mehr Kinder in viel teureren Heimen untergebracht werden, anstatt mehr Eltern dazu zu motivieren, Pflegekinder aufzunehmen.

Zweitens: Therapeutische Leistungen im Jugendbereich sollen ganz abgeschafft werden. Sie begründen dies mit der sauberen Trennung von Jugendhilfe und Krankenkassenleistungen.

[Unruhe]

Herr Steuer, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Auf der linken Seite des Hauses gibt es nicht nur Grummeln, sondern zu viel Gespräch. Das Thema ist wichtig, ich bitte um Aufmerksamkeit! – Bitte fahren Sie fort!

[Beifall bei der CDU]

[Frau Dr. Barth (PDS): Es geht nicht um Kürzungen, es geht um das Gesetz!]

Wir fordern Sie auf, diese Kürzungen in den laufenden Beratungen so nicht umzusetzen. Wir fordern auch die Koalition auf, mit uns gemeinsam dafür zu streiten, dass wir Anpassungen an Bundesgesetze und Veränderungen der Rahmenbedingungen vornehmen, aber nicht einfach die Leistungen wegfallen lassen. Wir fordern Sie auch auf, möglicherweise in einer anderen Form das Berichtswesen zu straffen, aber weiterhin einen Kinder- und Jugendbericht und eine Gesamtjugendhilfeplanung vorzulegen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU]

Das Wort hat nun Frau Kollegin Müller. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! – Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes und anderer Gesetze – daran habe ich lange geübt – enthält zum einen notwendige Anpassungen an Entwicklungen der letzten Jahre und zum anderen notwendige Ergänzungen, um Aufgaben der Zukunft besser lösen zu können.

Die notwendigen Anpassungen ergeben sich z. B. aus Veränderungen der bundesrechtlichen Rahmenbedingungen. Hier möchte ich Hartz IV und das SGB XII – also das frühere BSHG – als Beispiele nennen. Aber auch Er

Ich möchte die Diskussion im Ausschuss befördern und anregen. Von der Opposition erwarte ich eine sachliche Diskussion, damit wir dann, wenn wir das Ausführungsgesetz zum KJHG verabschieden, davon ausgehen können, dass ein gutes Gesetz für die Berliner Kinder und Jugendlichen auf den Weg gebracht bzw. umgesetzt worden ist. – Vielen Dank!

Herr Präsident! Frau Kollegin Müller! Ich habe gestern an der Sitzung des Landesjugendhilfeausschusses teilgenommen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass der Landesjugendhilfeausschuss mit keinem Wort diese Gesetzesvorlage begrüßt hat! Vielmehr hat er zu fast jedem Änderungsantrag des Senats einen eigenen Änderungsantrag formuliert. Diese Änderungsanträge gingen eher in die Richtung, das bestehende Gesetz so beizubehalten, als die Änderungen des Senats nachzuvollziehen oder gar zu begrüßen.

fahrungen und Entwicklungen in Berlin finden hier ihren Niederschlag. So findet neben einer Reihe von Anpassungen textlicher Art, die durch die Integration des Landesjugendamtes in die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport bedingt sind, auch langjährige Berliner Praxis darin ihren Niederschlag. Hierbei geht es darum, dass für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche ein problemspezifischer Betreuungsbedarf in § 16 des neuen AG KJHG seine gesetzliche Grundlage finden wird.

Aber auch die in den letzten Jahren zwar schon deutlich verbesserte, jedoch immer noch auszubauende Kooperation von Jugendhilfe und Polizei wird nun in § 18 Abs. 3 verbindlicher als bisher geregelt. Hierbei hat man die Erfahrungen aus dem Umgang mit jugendlichen Intensivtätern aufgenommen.

Weiterhin haben Schwierigkeiten bei vorgeleisteten Unterhaltszahlungen von säumigen Vätern schon lange den Hauptausschuss beschäftigt, wenn es darum ging, diese Vorleistungen wieder einzutreiben. Mit den neuen Paragraphen 5 b und 5 c des Verwaltungsverfahrensgesetzes werden die Vollstreckungsmöglichkeiten nun erleichtert – verbunden mit der Hoffnung, dass sich die Einnahmesituation für das Land Berlin deutlich verbessern wird.

Der Wegfall von Paragraphen führt leicht zu Missverständnissen. Ein Missverständnis könnte darin bestehen – und so wird das in der Öffentlichkeit diskutiert –, dass mit dem Wegfall von § 27 – das sind die therapeutischen Hilfen, die Herr Steuer erwähnt hat – auch Leistungen wegfallen. Aber mit dem Wegfall dieses Paragraphen im neuen AG KJHG hat sich an der bundesgesetzlichen Rechtslage nichts geändert. Therapeutische Leistungen können als Bestandteil der Eingliederungshilfe nach § 35a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes oder in Verbindung mit pädagogischen Leistungen im Rahmen von Erziehungshilfen nach wie vor gewährt werden. Also, man kann diese Paragraphen, die eigentlich keinen materiellen Gehalt haben, auch stehen lassen. Wenn aber – wie die Erfahrung in Berlin zeigt – die Gefahr besteht, dass dies zu Fehlinterpretationen führt, sollten diese Paragraphen aus dem Gesetz gestrichen werden.

Herr Steuer war gestern auch im Landesjugendhilfeausschuss. Generell ist dieser vorliegende Gesetzesentwurf dort begrüßt worden, weil es hierbei um die beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung und um die Modernisierung der Verwaltung geht.

[Steuer (CDU): Was?]

Einige Veränderungsvorschläge werden jedoch angesprochen und müssen eingehend diskutiert werden. Hierbei geht es um diese Jugendberufshilfe. Es ist eine sehr schwierige Angelegenheit, die wir ausführlich im Ausschuss diskutieren müssen. Denn die neue Regelung zur Jugendberufshilfe in § 11 ist begründet dadurch, dass es mit dem SGB II deutliche Veränderungen zwischen Jugend- und Sozialhilfe geben wird – und auch andere Zuständigkeiten durch die Bundesagentur für Arbeit. Hier ist

noch reichlich Klärungsbedarf vorhanden, und wir werden uns diesem Problem stellen.

[Abg. Steuer (CDU) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Kollegin, darf ich Sie unterbrechen? – Kollege Steuer möchte eine Zwischenfrage stellen.

Jetzt nicht! Die Uhr weist mich darauf hin, dass meine Redezeit zu Ende ist. Wir werden aber sicherlich im Ausschuss noch Gelegenheit haben, das zu klären.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Das Wort zu einer Kurzintervention erhält Herr Kollege Steuer. – Bitte schön!