Protocol of the Session on December 9, 2004

Beschlussempfehlung BauWohnV Drs 15/3414 Antrag der Grünen Drs 15/2963

Vizepräsidentin Michels

Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt: Wenn ich ausschreiben muss, dann ist damit Transparenz gegeben. Ich kann jede Vergabeentscheidung überprüfen und erkennen, ob es eine Diskriminierung gab. Schließlich erhalten die Betriebe in nicht unerheblichem Maße öffentliche Gelder. Aber hier war das Interesse der FDP nicht da, weil es sowieso Teufelszeug ist, wenn die Freiheit des Unternehmertums irgendwie begrenzt wird. Das sollte man insofern aus Sicht der FDP nicht machen. Bei der

SPD und der PDS bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass bei ihnen die Bedeutung und das Verständnis sowohl für die Ausbildungsverpflichtung als auch für die notwendige Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen wesentlich ausgeprägter ist, als sie dies im Ausschuss dargelegt haben. Denn wir wollen uns nichts vormachen: Das Vergabegesetz ist damals hier im Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SDP, CDU, PDS und Grünen verabschiedet worden. Warum dringen Sie also nicht darauf, dass es eingehalten wird?

Die Debatte wurde auch von der SPD im Bauausschuss so geführt, als ob Ausschreibungsverfahren automatisch teuerer sind. Herr Hillenberg sagte das zum Beispiel: Um Gottes willen, die Betriebe sollen bloß nicht ausschreiben. Wir sind froh, dass sie jetzt alles billiger machen können. – Was heißt das denn eigentlich? Gehen Sie davon aus, dass sie Schwarzarbeit machen? Oder von was gehen Sie aus? – Wenn ich eine Ausschreibung mache, kann ich doch wohl das günstigste Angebot nehmen! Wenn ich nicht ausschreibe, ist aber Korruption und Mauschelei Tür und Tor geöffnet. Dies wollen wir nicht. Wir finden es richtig, wenn auch die Betriebe an die Landeshaushaltsordnung angedockt werden. Wir wollen auch nicht die Einflussnahme auf die Auftragsvergabe einbüßen. Deshalb bitten wir Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu!

Für die Beratung stehen wie immer fünf Minuten pro Fraktion zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion. Das Wort hat Frau Oesterheld. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ziel unseres Antrags ist der Erhalt und die Neuschaffung von Ausbildungsplätzen insbesondere im Baubereich. Das wollen wir ganz einfach machen, indem der Senat das Vergabegesetz einhält. Die Hauptverwaltung soll es machen, die Bezirke sollen es machen, und die im Berliner Betriebegesetz genannten Betriebe sollen dies auch tun. Denn nur so kann man erreichen, dass die Unternehmen, die Ausbildungsplätze haben und sich an Ausbildungsverbünden und Ausbildungsumlagen beteiligen, auch in der Lage sind, weiterhin ihre Ausbildungsplätze zu erhalten. So wurde es beschlossen – in § 2 des Berliner Vergabegesetzes. Das kann ich Ihnen auch vorlesen, lasse es aber. Es soll Pflicht sein, diese Unternehmen zu bevorzugen, wenn ansonsten die Bewerbungen gleichwertig sind.

Die Wirkung eines solchen Antrags bezieht sich darauf, dass das Land Berlin und die Politik wenig Möglichkeiten haben, Ausbildungsplätze zu schaffen, aber über die Auftragsvergabe bei öffentlichen Aufträgen und bei Aufträgen, die über öffentliche Gelder finanziert werden, auf die Schaffung von Ausbildungsplätzen einwirken könnten.

Das Ziel und die Wirkung, die erzielt werden sollen, sind benannt. Beim Controlling, das wir gemacht haben, stellt sich aber heraus, dass das im Land Berlin nicht passiert. Auch wurde uns – im Bauausschuss zumindest – nicht mitgeteilt, wie viel Aufträge es in diesem Bereich gab. Das Land Berlin sollte selbst einmal eine Evaluation vornehmen, weil wir controllen wollen, welche Wirkung unsere Gesetze haben; aber auch das wurde nicht gemacht. Wenn wir vom Ziel-Wirkungs-orientierten Controlling sprechen, muss ich sagen, § 2 Vergabegesetz ist bisher ziemlich ins Wasser gefallen.

Ein weiteres Ziel unseres Antrags war es, die Betriebe, die im Berliner Betriebegesetz genannt sind, auch zur Ausschreibung zu bringen, wenn der Ausschreibungswert unterhalb des EU-Schwellenwerts liegt, also unterhalb von 5 Millionen €. Dadurch wird es einmal möglich, dass Betriebe, wenn man sie an die LHO und an die Verdingungsverordnung anknüpft und sie dazu verpflichtet, Ausbildungsplätze garantieren oder Unternehmen, die Ausbildungsplätze anbieten, bevorzugen.

[Beifall bei den Grünen]

[Beifall bei den Grünen]

Danke schön! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Hillenberg das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Oesterheld! Vom Prinzip her sind wir mit Ihnen einig, dass wir alles das tun wollen, was dazu hilft, Unternehmen, die ausbilden, zu unterstützen. Das ist keine Frage. Ich glaube sogar, dass das alle Parteien in diesem Haus unterstützen wollen.

Aber es geht eines nicht, und wenn Sie von Ausschreibungen sprechen, haben Sie nicht richtig zugehört, ausschreiben müssen Sie in jedem Fall. Es geht um eine öffentliche Ausschreibung. Ich sage Ihnen, nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ geht das nicht. Denn wenn sie öffentlich ausschreiben, und dazu sind wir verpflichtet, dann müssen Sie den Billigsten nehmen. Da ist es völlig unwichtig, wie viel Auszubildende er hat oder nicht hat.

[Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Das müsste ein Zufall sein, dass Sie im Ergebnis auf einen Cent genau das gleiche Ergebnis bekommen. Dann könnten Sie andere Kriterien ansetzen. Denn in einer öffentlichen Ausschreibung ist es nicht gestattet nachzuverhandeln, es sei denn, sie heben sie auf.

Ein zweites Problem, das sie damit hätten, wäre, dass sie bei einer öffentlichen Ausschreibung nicht wissen, was für eine Firma sie bekommen. Sie wissen nicht, wo

Einen zweiten Hinweis wollte ich noch geben. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat in ihrem Rundschreiben Nr. 15 von 2004 etwas vorgegeben, wie man bei Aufträgen im Wert von unter 100 000 € verfahren kann. Da versucht man zumindest, Betrieben mit Berufsförderung den Vorrang zu geben. Allerdings sind das meist Ausnahmen. Die Größenordnungen liegen meist darüber. Darum können wir auf diesem Gebiet mit Ihrem

Antrag nichts anfangen. Wir müssen ihn darum leider ablehnen, obwohl wir inhaltlich für Ausbildungsförderung sind.

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Niedergesäß das Wort! – Bitte sehr!

her die Firma kommt. Unser Wunsch ist, wenn wir Ausbildungsbetriebe fördern wollen, dass es Ausbildungsbetriebe aus Berlin oder Brandenburg sind. Da haben Sie beim öffentlichen Vergabeverfahren überhaupt keinen Einfluss. Es kann also passieren, dass diese Firmen z. B. aus Bayern, aus dem Saarland oder sonst woher kommen, die dann hier arbeiten mit all den Problemen, die wir der Gewährleistung dann haben.

Wenn Sie das wollen, wollen wir das eigentlich auch, Betriebe fördern, die ausbilden. Ich wäre sogar dafür, dass man dieses Thema erweitert, dass man sagt, auch Firmen, die viele Frauen beschäftigen, könnte man bevorteilen. Allerdings können Sie dann nicht das System der öffentlichen Ausschreibung wählen, sondern nur das System der freien Vergabe. Dann haben Sie die Möglichkeit, innerhalb der Verhandlungen nach dem Ausschreibungsverfahren darüber zu entscheiden, welche Firma welchen Preis schafft. Wenn Sie es dann noch hinkriegen nachzufragen, wie hoch der Frauenanteil oder der Anteil Auszubildender ist, dann haben Sie auch ein Steuerungsinstrument.

Wir reden nicht von Luftschlössern, Frau Oesterheld, denn wir wissen, dass es einige Gesellschaften so machen. Auch das Berliner Betriebegesetz gibt uns die Möglichkeit dazu, so zu verfahren. Aber dann müssen wir es flächendeckend durchsetzen. Ich kenne Ihre Befürchtungen. Da geht es immer um Korruption. Das ist der große Vorwurf. Ich sage Ihnen, das kann man gar nicht ausschließen. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber vom Kern her sind öffentliche Ausschreibungen – das kann man nachweisen – flächendeckend teurer als die Prozesse der freihändigen Vergabe.

Kernaussage: Diesem Antrag kann man in dieser Form nicht zustimmen. Er ist auch inhaltlich falsch. Sie selbst als Grüne müssen darüber entscheiden, ob sie öffentliche Ausschreibungen wollen. Dann sage ich Ihnen als Fachpolitiker, dass Sie vorrangig keine Chance haben, Betriebe zu fördern, die ausbilden. Sie müssen das System der freihändigen Vergabe wählen. Dann können wir gezielt Betriebe, auch aus unserer Region, aus Berlin und Brandenburg, für diese Punkte gewinnen. Anders geht es nicht. So wie der Antrag hier vorliegt, Frau Oesterheld, kann man ihn leider nur ablehnen.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Völliger Unsinn, den Sie erzählen! Das ist völlig falsch! – Zurufe der Abgn. Frau Oesterheld (Grüne) und Schruoffeneger (Grüne)]

Nicht aufregen, ganz ruhig bleiben, ist ja bald Weihnachten!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

[Doering (PDS): Fritze, hau rin!]

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Oesterheld! Wir haben bereits im Ausschuss klargestellt, dass wir Ihrem Antrag auch nicht zustimmen können, weil wir § 2 haben, der klar zum Ausdruck bringt, wie die Dinge hier geregelt werden.

Was wir allerdings zu bemängeln haben, ist, dass bei dem gesamten Verfahren der Auftragsvergabe – es geht hier nur um die öffentlichen Aufträge, die der Senat bzw. die Bezirksämter zu vergeben haben –, kurioserweise der so genannte „Billigste“ zum Zuge kommt, der nicht der Seriöse und auch nicht der Ehrliche ist. Da gibt es hier in dieser Stadt kuriose Abweichungen. Da gibt es eine BPU, die meinetwegen bei 2 Millionen € liegt, die Aufträge gehen aber weg für 1,2 oder 1,4 Millionen €. So etwas dürfte der Senat oder die Bezirksämter nicht zulassen Warum? – Weil es wohl nicht sein kann, wenn die Bauplanungsunterlage vom Senat in der Höhe berechnet und erstellt wurde, dass einer nur die Hälfte für die gleiche Arbeit haben will, wie sie berechnet worden ist. Da muss also irgendetwas faul sein, und das können nur Dumpinglöhne bzw. Schwarzarbeiter sein.

Dass damit das ganze System ruiniert wird, ist unstrittig. Es bleibt die Frage, wie man auf hoher See und vor Gericht aus der Sache heraus kommt. Wenn der Senat wirklich demjenigen den Zuschlag gibt, der nicht den ersten Platz belegt hat, sondern teurer war, dafür aber Ausbildung nachweisen kann, dann wird der Erstplatzierte eine Vergabeklage anstreben, und der Senat wird einen auf den Deckel kriegen. Der, der niemanden ausbildet, bekommt am Ende den Zuschlag, und wir haben wieder das Nachsehen. Die besten Gesetze taugen nichts – auch dieser § 2 taugt letztlich nichts –, wenn nicht grundsätzlich Ordnung geschaffen wird. Es kann nicht sein, dass von tausend Schwarzarbeitern, die in Berlin gefasst werden, am Ende zwei strafrechtlich verurteilt werden. Die ganzen Kampagnen, bei denen Hunderte von Jägern unterwegs sind, die die Schwarzarbeiter suchen, können Sie einstellen. Da können Sie nur sagen: Macht, was ihr wollt, arbeitet, wie ihr lustig seid, das interessiert keinen. Wenn wir mit einer solchen Inkonsequenz an diese Thematik herangehen, ist alles nur noch Schall und Rauch, wir machen uns lächerlich und kommen damit nicht weiter.

[Beifall bei der CDU – Brauer (PDS): Es geht doch um die Ursachen!]

Ja, Herr Brauer, die Ursache ist die, dass die Menschen eben so sind wie sie sind. –

Es ist nicht so, dass das billigste Angebot den Zuschlag bekommen muss, Herr Niedergesäß, Herr Hillenberg, das ist einfach nicht richtig. Es geht um das wirtschaftlichste Angebot, das ist ein Unterschied. Eines der Probleme bei der Auftragsvergabe besteht darin, dass teilweise Anbieter den Zuschlag bekommen, die Angebote abliefern, bei denen völlig klar ist, dass sie weder nach Tarif bezahlen noch ausbilden noch überhaupt in einer anständigen Qualität den Auftrag erfüllen können. Darüber gibt es viele Beschwerden, und mit dieser Realität muss man sich auseinander setzen, statt zu sagen: Ihr kommt von irgendeinem Stern und wollt in dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation auch noch ausbilden lassen, das geht alles gar nicht, weil der billigste Anbieter den Zuschlag erhalten muss. Hier hilft allein, diejenigen, die dafür zuständig sind, dass Schwarzarbeit am Bau noch immer üblich ist, alle in den Knast zu schicken. Also, Herr Niedergesäß, das ist mir zu schlicht. Die Gleichsetzung von wirtschaftlich und billig ist mir ebenfalls zu schlicht. Für die Verbindung von Auftragsvergabe und Ausbildung gab es vor vielen Jahren in diesem Parlament eine politische Mehrheit – über die Parteigrenzen hinweg. Von dieser verabschieden Sie sich gerade, und das finde ich ziemlich schade.

[Brauer (PDS): Und manche sind ganz besonders!]

Und wenn wir Gesetze rausbringen, die niemand einhält und kontrolliert, können wir das auch sein lassen. In manchen Ländern der Europäischen Union wird derjenige eingesperrt, der den Schwarzarbeiter beschäftigt hat. Darin müssten wir in Deutschland ein Stück weiterkommen.

[Beifall bei der CDU, der SPD und den Grünen]

In Deutschland wird noch geprüft, ob der in seiner Kindheit vielleicht ein Problem gehabt hat, und dann wird der wieder laufen gelassen. Dieses ganze Getue können Sie abhaken, das bringt unsere Republik irgendwann noch auf den Hund. Bei 5 Millionen Arbeitslosen haben wir auch 5 Millionen Schwarzarbeiter.

Auf dem Bundesparteitag habe ich von meinem Generalsekretär gehört,

[Pewestorff (PDS): Welcher Generalsekretär?]

wir hätten den neuen Kombilohn: Sozialhilfeempfänger plus Schwarzarbeiter, das ist der neue Kombilohn! Diejenigen, die die organisierte Schwarzarbeit kriminell betreiben, Milliardenumsätze machen und die Leute dabei noch ausbeuten – die werden mit 3 bis 4 € bezahlt, wenn überhaupt – müssen hinter Schloss und Riegel gebracht werden. Aber es passiert ja nichts, der Staat ist zu schlapp, auch das Land ist zu schlapp und fasst diese Leute nicht. Wenn die nicht hinter Schloss und Riegel kommen, dann wird es auch mit der Ausbildung nichts mehr, dann werden unsere Sozialsysteme auf den Hund kommen, und wir werden die Probleme mit der Arbeitslosigkeit überhaupt nicht in den Griff bekommen.

Wir müssen die Gesetze einhalten, statt pausenlos neue zu machen, die sowieso keiner für voll nimmt. Wir müssen darauf bestehen, dass der Senat sich dazu klar artikuliert, wie er die Kontrollen auf den Baustellen durchführt und wie er die Verantwortlichen der organisierten Schwarzarbeit hinter Schloss und Riegel bringt. Alles andere können Sie ansonsten vergessen. – Danke schön!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Frau Abgeordnete Klotz hat das Wort für eine Kurzintervention. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem Herr Niedergesäß die beste aller Lösungen darin sieht, alle hinter Schloss und Riegel zu bringen,

[Niedergesäß (CDU): Die Verbrecher, habe ich gesagt!]

will ich noch einmal an das Anliegen dieses Antrags und das eigentliche Problem erinnern. Das geht auf viele Debatten u. a. mit der Fachgemeinschaft Bau zurück, die sagt: Liebe Parlamentarier und Parlamentarierinnen, euer Anliegen, das ihr ursprünglich hattet, nämlich Auftrags

vergabe mit Ausbildung zu koppeln, das passiert in der Realität nicht nur nicht, sondern es passiert das Gegenteil. – Das war für uns der Anlass, diesen Antrag zu formulieren.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Danke sehr! – Herr Niedergesäß will bestimmt erwidern. – Bitte sehr!