Protocol of the Session on November 25, 2004

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Worum geht es wirklich? – Überall auf der Welt suchen Menschen in fremder Umgebung den Kontakt zu anderen, die aus der gleichen Heimat kommen, gleiche kulturelle Wurzeln haben – ein menschlich ganz natürlicher Prozess. Dieses natürliche Bedürfnis der Menschen nach Vertrautem wird in Einwanderungsgesellschaften dann zum Problem, wenn Migranten in den Kiezen ihr Leben fast ohne jeden Kontakt zur Gesamtgesellschaft führen können, wenn scheinbar keine Notwendigkeit mehr besteht, die Sprache des Einwanderungslandes zu erlernen, weil man alle Dinge des täglichen Lebens auch in der Heimatsprache erledigen kann. Eine solche Entwicklung hindert insbesondere Kinder und Jugendliche daran, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erlernen, die eine positive Perspektive für das eigene Leben ermöglichen. So kann der bekannte, vertraute Kiez tatsächlich zum Getto werden, der zu Perspektivlosigkeit führt. Wer aber in der Gesellschaft keine Perspektive mehr für sich sieht, kann sich auch nicht integrieren.

Die Probleme sind nicht vom Himmel gefallen, sondern Folge jahrzehntelanger Realitätsverweigerung in Deutschland. Millionen von Menschen sind nach Deutschland eingewandert, während gebetsmühlenartig erklärt wurde, Deutschland sei kein Einwanderungsland.

[Beifall des Abg. Lorenz (SPD)]

Statt Menschen eine Perspektive zu geben, hatten wir ein Ausländerrecht, das dauerhaft hier lebenden Menschen die Arbeitsaufnahme verboten hat. Menschen, die keine Perspektive haben, sind anfällig für fundamentalistische Heilslehren. Das ist kein Problem des Islams oder einer bestimmten Ethnie, sondern leider ein Problem aller Menschen. Da brauchen wir nur bis nach Brandenburg zu schauen – ein großer Teil Brandenburger Jugendlicher, der keine Perspektive für sich sieht, macht leider sehr deutlich, wie anfällig solche Menschen für abstruse Heilslehren sind. Wir haben es hier eher mit psychologischen und sozialen Ursachen zu tun als mit ethnischen. Wer das nicht erkennt, muss zu falschen Lösungen kommen, die die Probleme eher noch verschärfen.

Ist die Integration tatsächlich gescheitert? – Nein! Trotz aller Probleme ist der größte Teil der Migranten in Deutschland gut integriert, und das sollten wir uns auch nicht kaputt reden lassen.

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Beifall des Abg. Ritzmann (FDP)]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Herr Zimmer das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorgänge in unserem Nachbarland, den Niederlanden, beschäftigen die Menschen in unserer Stadt und erfüllen sie mit großer Sorge. Ein islamistischer Extremist hat den islamkritischen Filmemacher Theo van Gogh ermordet, weil sich der Regisseur in einem Kurzfilm mit der Misshandlung von Frauen in islamischen Ländern auseinander gesetzt hat. Das hat eine Gewaltspirale ausgelöst, die gerade in diesem Land mit seinen besonders liberalen Traditionen niemand für möglich gehalten hätte. Kirchen und Moscheen brennen, es werden Brandanschläge auf Kindergärten und Schulen verübt. Viele Menschen in den Niederlanden und auch bei uns erkennen gegenwärtig, dass das Modell der multikulturellen Gesellschaft gescheitert ist. Wir müssen nüchtern und ohne Beschönigung feststellen, es hat sich vielfach kein wirkliches Miteinander entwickelt, sondern es ist bei einem Nebeneinander geblieben.

[Beifall bei der CDU]

Leider stellt sich die Situation heute gänzlich anders dar. Islamistische Netzwerke gewinnen in Berlin an Zulauf. Viele – vor allem junge – Menschen wenden sich diesen extremistischen Kreisen zu. Laut Verfassungsschutzbericht aus dem Jahr 2003 sind über 30 000 Personen dabei, den islamischen Glauben zu instrumentalisieren, um unsere freiheitlich-demokratische Werteordnung zu bekämpfen. Sie wollen damit die Distanz der Muslime zu den Deutschen vergrößern und bestehende Parallelstrukturen vertiefen. Der politische Islamismus hat bereits heute – obwohl er nur von einer kleinen Minderheit der Muslime in Deutschland getragen wird – gravierende Folgen. Er trägt maßgeblich zu einer zunehmenden Radi

kalisierung von Teilen der muslimischen Jugend in Deutschland bei und sorgt damit für Desintegration. Er führt zugleich dazu, dass es politischen Islamisten unter dem Deckmantel der Freiheitsrechte gelingt, die Grundrechte anderer zu beschneiden, indem sie beispielsweise die Unterdrückung der Frau propagieren und praktizieren.

Lehrer berichten, dass nach der Einführung des Islamunterrichts an den Berliner Schulen die Intoleranz gegenüber den Deutschen zugenommen hat. Und muslimische Schüler, die sich nicht streng nach den Regeln des Korans verhalten, werden bedroht und attackiert. Diese bedenklichen Entwicklungen wollte die Linke in diesem Land vor Jahren nicht wahr haben und glaubte, durch Tabuisierung dieses Themas die Probleme aus der Welt zu schaffen. Sie ignorierten die Sorgen und Ängste der deutschen Bevölkerung. Als wir dies auf die politische Agenda setzen wollten, bezeichneten uns viele, die auf der linken Seite des Hauses sitzen, als nationalistisch und ausländerfeindlich.

Es ist nun wirklich an der Zeit, die Realität hier in Berlin zur Kenntnis zu nehmen. Der Schlüssel für ein gelungenes Miteinander ist die Akzeptanz der Werteordnung der christlich-abendländischen Kultur, die von Christentum, Judentum, antiker Philosophie, Humanismus und Aufklärung geprägt wurde.

Es sind Parallelgesellschaften entstanden, und die Gefahr der islamischen Gettobildung steigt insbesondere in den Großstädten wie Berlin. Die „Süddeutsche Zeitung“ spricht sogar von einem Kulturkampf. Diese Abschottung zerstört jeden Integrationsansatz, und deshalb müssen wir ihr entschieden entgegenwirken.

[Beifall bei der CDU]

Die Teilung zwischen Mehrheitsgesellschaft und Migranten ist am Beispiel von Neukölln eindrucksvoll zu erleben. Von den rund 300 000 Einwohnern sind 100 000 Ausländer aus 163 Nationen – ein fast schon geschlossener Kosmos von Geschäften und Dienstleistungen, der ohne einen einzigen deutschen Satz funktioniert – von der Hebamme bis zum Bestatter. In den vergangenen zehn Jahren ist die Arbeitslosigkeit in diesem Bezirk um 50 % gestiegen, die Zahl der Sozialhilfeempfänger um rund 63 %, und in den sozialen Missständen liegt ein Kernproblem der nicht funktionierenden Integration. Ihre Ursachen sind woanders zu suchen, denn ohne Deutschkenntnisse, ohne Ausbildung und Schulabschluss sind die Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt nicht zu vermitteln.

[Beifall bei der CDU]

Es ist traurig, dass es zu einer Auseinandersetzung mit diesem Thema erst kommt, nachdem ein Mord geschieht und Hassprediger Unfrieden säen. Wäre es nach der CDU gegangen, hätten wir dieses wichtige gesellschaftspolitische Thema schon vor Jahren in die Debatte geführt.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne) – Ritzmann (FDP): Hätten Sie das mal gemacht!]

Zwischenfragen gestatte ich nicht, Herr Mutlu! – Aber, meine Damen und Herren, in der großen Koalition scheiterte dies an der Berliner SPD.

[Beifall bei der CDU]

Wir hätten im Abgeordnetenhaus gemeinsam über Konzepte und Maßnahmen entscheiden können, um die Integration voranzubringen. Dies wäre sowohl für die deutschen als auch für die ausländischen Mitbürger der richtige Weg gewesen. Das Verständnis füreinander wäre gewachsen, die Mehrheitsgesellschaft der Deutschen wäre nicht gleichgültig gegenüber den fremden Kulturen gewesen, und die Zuwanderer wären der deutschen Kultur bedeutend näher gekommen.

[Beifall bei der CDU]

[Beifall bei der CDU]

Heute ernten wir die Folgen dieser verfehlten Politik. Das erkennen auch zunehmend sozialdemokratische Politiker in unserer Stadt, wie der Neuköllner Bezirksbürgermeister Buschkowsky.

[Brauer (PDS): Und dem Islam! – Henkel (CDU): Und dem Marxismus!]

Integration setzt voraus, dass diese Werteordnung akzeptiert wird. Dann gelingt auch ein erfolgreiches Miteinander.

[Beifall bei der CDU]

Sie setzt eine Kultur der Toleranz und Akzeptanz voraus, auf deren Grundlage Deutsche und Zuwanderer auf dem Boden unserer Verfassungswerte aufeinander zu gehen. Integration bedeutet nämlich die Einbindung in das gesellschaftliche, wirtschaftliche, geistig-kulturelle und rechtliche Gefüge des Aufnahmelandes, ohne dabei die eigene kulturelle Identität aufzugeben.

Wir müssen genauso deutlich machen, dass niemand in unserem Land das Recht hat, unter Berufung auf seinen Glauben die in unserem Grundgesetz garantierten Menschenrechte und Bürgerechte zu verletzen. Keine Religion und kein Glaube steht über Demokratie und Rechtsstaat. Dies gilt übrigens auch für diejenigen, die nun glauben, Brandsätze auf islamische Einrichtungen werfen zu dürfen.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Die hierfür benötigten Lehrer müssen in Deutschland ausgebildet werden und unter deutscher Schulaufsicht lehren. Dazu müssen wir das Schulgesetz ändern. Der Vorstoß von Herrn Böger zur Einführung eines Ethikunterrichts scheint mir bisher nur eine PR-Maßnahme zu sein. Einen Gesetzentwurf, Herr Senator, können Sie uns bisher nicht vorlegen, denn Sie haben keinen. Viel schlimmer noch: Sowohl in der PDS aber auch in der eigenen SPDFraktion haben Sie offensichtlich keinerlei Rückhalt für ihr Vorhaben.

Eines ist klar: Hier muss es null Toleranz geben. Denn wer als Ausländer gewaltbereit ist, wer Hass predigt, wer sich gegen unsere freiheitliche Grundordnung stellt, der muss entschieden auf die abwehrbereite Demokratie stoßen und konsequent ausgewiesen werden.

[Beifall bei der CDU]

Denn hier endet die Toleranz. Es darf keine rechtsfreien Räume in Berlin geben.

Entscheidend neben der Anerkennung unserer Werteordnung ist vor allem auch das Erlernen der deutschen Sprache. Denn nur wer Deutsch kann, hat auch die Möglichkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben. Deshalb müssen wir noch deutlicher als bisher sagen, was Integration bedeutet. Wir müssen Integration fördern, aber auch einfordern. Wir brauchen Integrationskurse. Menschen, die dauerhaft in die Bundesrepublik Deutschland zuwandern, müssen Integrationskurse angeboten werden, in denen die Zuwanderer nicht nur die deutsche Sprache erlernen, sondern auch die Grundzüge der deutschen Rechtsordnung, der deutschen Geschichte und der deutschen Kultur vermittelt bekommen.

[Beifall bei der CDU]

Diese Integrationskurse müssen eine Verpflichtung zur Teilnahme haben. Wer jedoch gegen die Teilnahmepflicht verstößt, der muss mit Sanktionen rechnen.

Zur Verbesserung der schulischen Situation fordern wir verbindliche Sprachtests für alle Kinder nach Vollendung des vierten Lebensjahres sowie die aktive Einbeziehung der Mütter in den Integrationsprozess durch Mütterkurse. Wir brauchen eine verstärkte Deutschförderung für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache. Hier könnten Förderklassen gebildet werden, in denen maximal 15 Schüler sitzen, sofern ein Drittel der Kinder nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt.

Wir fordern auch die Einhaltung der Schulpflicht für alle Unterrichtsfächer und für alle Kinder.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Muslimische Mädchen müssen an schulischen Aktivitäten wie Klassenfahrten, Sport, Schwimmunterricht oder Biologie teilnehmen können. Damit verteidigen wir auch eines der wichtigsten Rechte, nämlich das Recht auf Bildung. Denn die Erfolgsaussichten der Integration sind umso größer, je höher das Bildungsniveau ist.

[Beifall bei der CDU]

Darüber hinaus schlagen wir vor, spezielle Maßnahmen der Nachqualifizierung, der Fort- und Weiterbildung für Zuwanderer zu entwickeln, die zwischen 25 und 45 Jahre alt sind, weil wir wissen, dass speziell diese Gruppe überproportional von Arbeitslosigkeit betroffen ist. Wir wissen auch: Wer einen Beruf erlernt hat und ein geregeltes Einkommen bezieht, ist schneller und leichter integrierter Bürger der deutschen Gesellschaft. In diesem Zusammenhang müssen Angebote zur Überwindung von Sprachdefiziten der hohen Nachfrage angepasst werden.

Seit Jahren liegt die Nachfrage nach solchen Kursen 30 % über dem Angebot.

Wir fordern, den kulturellen und interreligiösen Dialog zu verstärken und geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von muslimischen Mädchen und Frauen sicherzustellen.

[Beifall bei der CDU]