Protocol of the Session on November 25, 2004

[Anhaltende Unruhe]

Ich wiederhole meine dringliche Aufforderung an alle Fraktionen, besonders aber an die CDU, die Gespräche einzustellen oder anderswo zu führen, weil wir hier oben nur Lärm hören und die Rednerin ein Recht hat, angehört zu werden. Ich bitte, das ernst zu nehmen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Auch dieses Thema sollte Sie interessieren! – Ich möchte Sie aber auch darüber informieren, was im Zusammenhang mit der CEDAWBerichterstattung der Bundesregierung an die Vereinten Nationen deutlich wurde. Alle vier Jahre müssen alle Vertragsstaaten – auch die Bundesrepublik – der UNO gegenüber berichten, was sie zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen unternommen haben. Im „Schattenbericht“ der deutschen NGOs zum Regierungsbericht wird kritisiert, dass Menschenhandel vorrangig als Problem der Kriminalitätsbekämpfung angesehen wird. Der Opferschutz, der Schutz der Menschenrechte für die Frauen, kommt hier zu kurz.

Zum Schluss lassen Sie mich deshalb noch kurz anfügen, wo wir noch Handlungsbedarf sehen:

bei der Gewinnabschöpfung zu Gunsten der Opfer,

bei den Opferschutzprogrammen und

bei den ausländerrechtlichen Bestimmungen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Beifall des Abg. Wansner (CDU)]

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Die bisherigen Menschenhandelstatbestände, die sexuelle Ausbeutung betreffend, werden erweitert. Denn neben Prostitution werden Frauen auch zur Teilnahme in Peepshows oder zur Herstellung von pornographischen Darstellungen gezwungen. Auch dies wird künftig durch das Gesetz erfasst. Zudem wird die Ausbeutung der Arbeitskraft unter Strafe gestellt, und der Heiratshandel kann künftig besser bekämpft werden. Die Zwangsheirat wird zumindest als schwerer Fall der Nötigung erfasst – ob noch weiter gehend, darüber wird noch zu reden sein. Wenn Opfer in Todesgefahr gebracht oder schweren Gesundheitsgefährdungen ausgesetzt werden, greifen künftig höhere Mindeststrafen. Ebenso – das finde ich auch wichtig – werden Kinder in Zukunft besser geschützt, denn es geht zu ganz großen Teilen um Frauen- und Kinderhandel.

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Diese letzten beiden Punkte sind auch grüne Erfolge, denn sie waren nicht selbstverständlich in der Umsetzung des schon zitierten EU-Rahmenbeschlusses und des UNZusatzprotokolls. Gleiches gilt für die Erweiterung des § 154 c der Strafprozessordnung, der es Opfern erleichtern soll, Anzeige gegen die Täter zu erstatten, ohne wegen illegalen Aufenthaltes gleich abgeschoben zu werden.

Frau Dr. Klotz

Deswegen ärgert mich diese Doppelbödigkeit, diese Doppelmoral, Herr Wilke, wiewohl ich finde, dass Ihre Beiträge sich ansonsten wohltuend von denen mancher unterscheiden, die ich in der Vergangenheit von der CDU schon zu diesem Thema gehört habe.

Ja, ich habe es Ihnen deutlich gegeben, weil ich diese Doppelmoral nicht in Ordnung finde und weil das hier auch mal gesagt werden musste! Herr Henkel, Sie haben es nötig!

Noch einmal zu den Antworten: So erfreulich es ist, dass die Zahl der Ermittlungsverfahren im Übrigen in Berlin wie in allen anderen Bundesländern leicht gestiegen ist, dies ist allein der verbesserten Zusammenarbeit zwischen Frauenberatungsstellen, Justiz und Polizei zu verdanken. Ich frage mich: Ist es möglich – da hätte ich gern insbesondere eine Antwort von Herrn Körting und von der Justizsenatorin –, dass diejenigen, die mit Frauen handeln, mittlerweile so gut organisiert sind, dass sie von ihren Kunden und von einem an den Gewinnen auch beteiligten Umfeld perfekt geschützt werden, dass Polizei und Staatsanwaltschaft zwar ermitteln, aber die Gerichte nur selten verurteilen? Ist es möglich, dass es sich so verhält?

Wenn ich das als Grüne dürfte – darf ich aber nicht –, würde ich das als „kleine Kronzeugenregelung“ bezeichnen, die wir an der Stelle durchgesetzt haben. Wir sind sehr froh über diese Regelung, weil sie die Rechte der Opfer stärkt. Die Angst und die Rechtlosigkeit der Opfer sind der beste Täterschutz, und die Täter zu schützen, dafür gibt es wirklich keinen Anlass.

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der PDS und der CDU]

Täter – damit komme ich zu dem, was Herr Wilke gesagt hat – sind nicht nur diejenigen, die mit den Menschen handeln, sondern es sind auch diejenigen, welche die sexuellen Dienstleistungen einkaufen und sich überhaupt nicht dafür interessieren, ob die Prostituierten, die Frauen, dies wirklich freiwillig tun. Hauptsache billig – ist auch da das Motto. Diese Freier zu bestrafen, sollte in Zukunft erleichtert werden – allerdings, Herr Wilke, rechtlich einwandfrei. Es sollte dafür eine rechtlich einwandfreie Lösung gefunden werden und nicht eine rechtliche Lösung – so ist sie von der CDU vorgelegt worden –, die in der nächsten Situation, beim nächsten Fall, wieder vom Tisch gewischt und einkassiert wird.

Ich finde es schon heiter, wenn wir hier in einen Wettstreit von fünf Fraktionen eintreten, wer die Rechte der Frauen am besten vertritt.

[Dr. Lindner (FDP): Ja, wir!]

Ich kann mich da noch an ganz andere Zeiten erinnern. Ich freue mich über diesen Wettstreit, aber wenn Frau Merkel und Herr Stoiber sich jetzt an die Spitze der Feministinnen setzen, dann ist das für mich – tut mir Leid – bislang noch wenig glaubwürdig.

[Zuruf des Abg. Goetze (CDU)]

Es hat etwas damit zu tun, dass es ein Stück weit unglaubwürdig ist, und ich will Ihnen auch sagen, warum, Herr Goetze! – Ich habe gesagt, ich möchte eine bessere Bestrafung der Freier ermöglichen, aber ich finde, es gibt auch noch einen anderen Punkt. Um den hat sich Herr Wilke gedrückt, und um den drückt sich auch die CDU. Ich möchte, dass die Rechte der Opfer gestärkt werden,

[Gram (CDU): Unsere Rede seit Jahrzehnten!]

und da liegt der Knackpunkt zu großen Teilen im Aufenthaltsrecht, Herr Goetze,

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

weil die Frauen trotz einer guten Weisungslage hier in Berlin – vom August dieses Jahres, das will ich ausdrücklich auch einmal lobend erwähnen, Herr Körting – dennoch in einer unsicheren Situation sind und Angst haben, abgeschoben zu werden. Die Weisung ist sehr weit gehend, dennoch finden wir eine gesetzliche Regelung besser. Wir möchten, dass die Frauen nicht nur für die Dauer des Prozesses, wo sie als Zeuginnen aussagen, sondern durchaus auch danach hier einen Aufenthalt bekommen, weil sie nämlich, wenn sie wieder nach Hause gehen, ein Problem haben. Ich möchte erleben, Herr Goetze und Herr Wilke, wie wir gemeinsam diese Regelung durch

den Bundesrat bringen. Das habe ich gerade beim Zuwanderungsgesetz gesehen.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

[Goetze (CDU): Ihrer ist doch nicht besser! – Zurufe von der CDU – Henkel (CDU): Jetzt haben Sie es uns aber gegeben!]

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Meine Damen und Herren! Die Verfolgung und rechtliche Ahndung des Frauenhandels, dieser – wie meine Vorrednerin sagte – modernen Form der Sklaverei, ist immer noch unbefriedigend und bedarf dringend der Intensivierung. Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zur Fortbildung, insbesondere bei der Berliner Richterschaft, sagen, Frau Senatorin: Was die Sensibilisierung und Qualifizierung von Polizei, durchaus auch der Staatsanwaltschaft, betrifft, hat sich beim Thema Gewalt in den vergangenen Jahren – das will ich ausdrücklich sagen – eine Menge zum Positiven verändert. Wer aber nach wie vor zu großen Teilen sehr fortbildungs- und beratungsresistent ist, das ist die Berliner Richterschaft.

[Gram (CDU): Stimmt doch nicht!]

Ich verzichte hier auf eine Schilderung von Einzelfällen, u. a. aus der gestrigen Anhörung zur Zwangsverheiratung. Ich verzichte allerdings im umgekehrten Fall nicht auf bestimmte Anforderungen an die unabhängige Berliner Richterschaft, dass sie sich den neuen Herausforderungen stellen und sich das dazu notwendige Handwerkszeug vom Gewaltschutzgesetz bis hin zu den Menschenhandelsparagraphen aneignen muss. Untersuchungen haben ergeben, dass zeugenschonende Gerichtsverfahren die Belastungen für die Opfer – insbesondere für Kinder – erheblich reduzieren. Das ist vor allem vom Verhalten des Richters oder der Richterin abhängig. Bereits 1997 – Herr

Frau Dr. Klotz

Danke schön, Frau Kollegin! – Es folgt eine Kurzintervention des Kollegen Wilke

von der CDU-Fraktion. – Bitte schön, Sie haben das Wort!

Werte Frau Kollegin Klotz! Wir wüssten schon gerne, in welchen Bereichen wir – und das haben Sie nicht vermocht zu formulieren – eine Position der CDU verändert haben. Es mag sein, dass Denkansätze hinzugekommen sind, die bei Ihnen noch fehlen.

Sicherlich ärgern Sie sich, dass es nicht eine grüne Justizministerin gewesen ist, die gefordert hat, dass wir einen Freier-Straftatbestand haben wollen. Das waren die bayerische Justizministerin und die CDU/CSU-Fraktion gewesen, die diesen Gedanken zuerst aufgenommen haben. Vielleicht ärgert es Sie auch, dass Sie es bis zur Verabschiedung des Gesetzes am 28. Oktober nicht zustande gebracht haben, dieses Straftatbestandsmerkmal zu fordern. Wenn Sie es aber als richtig erkennen und lediglich den Gesetzeswortlaut als nicht richtig empfinden, dann helfen Sie doch im Vermittlungsausschuss des Bundesrates und tragen Sie als Grüne dazu bei, dass wir diesen Straftatbestand endlich in das Gesetz integrieren können.

Herr Wilke! Ich schätze Sie sehr, was Ihre frauenpolitischen Positionen betrifft. Ich habe aber mitunter den Eindruck, dass sich diese nicht mit den Positionen, die die CDU ansonsten vertritt, decken.

Wilke hat auf die Rede von Frau Bergmann verwiesen, die ich mir im Vorfeld der Debatte auch angeschaut habe – hat Christine Bergmann gefordert, dass Ausländerbehörde, Polizei und Justiz zum Thema Frauenhandel weiterzubilden sind. Ist diese Forderung im Jahr 2004 – nach nunmehr sieben Jahren – insbesondere bei Justiz und Ausländerbehörde angekommen? Gibt es mittlerweile die von Frau Bergmann damals angekündigte Lehrgangskonzeption Frauenhandel, Frau Schubert? Wie viele beteiligen sich daran?

Wir wollen nicht nur die Täter bestrafen, sondern auch den Opfern helfen. In diesem Bereich hat sich eine Menge getan – den positiven Verweis auf die Weisung aus der Innenverwaltung habe ich schon gegeben. Ich erinnere mich aber noch gut daran, wie die Debatte damals ablief – Innenstaatssekretär Kuno Böse meinte, dass man den Frauen keinen Aufenthaltsstatus geben könne, die würden dann massenweise kommen und alle vorbringen, sie seien zwangsprostituiert worden. Es ist wirklich ein Fortschritt, dass wir heute darüber anders denken und reden, allerdings sind mir und meiner Fraktion zehn Jahre von Böse zu Körting zu lang für die noch folgenden Regelungen zum Opferschutz.

[Beifall bei den Grünen]

Wir wollen eine generell gesicherte Aufenthaltserlaubnis, und zwar, wenn notwendig, über die Dauer des Prozesses hinaus, weil die Frauen wegen der Gefahren für ihre seelische und körperliche Unversehrtheit nicht zurückkönnen. Wir wollen ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Beraterinnen in den Beratungsstellen. Wir wollen die Einrichtung eines Opferfonds, in den zweckgebunden, Herr Wolf, die Verbrechensgewinne zur Unterstützung der Beratungsstellen und der Opfer des Frauenhandels einfließen sollen. Wir wollen nicht, dass das Geld weiterhin pauschal in den Justizhaushalt einfließt, Frau Schubert. Dieses Geld – 214 000 € – , das seit 2001 in den Justizhaushalt geflossen ist, gehört in die Hände der Beratungsstellen, die es gut gebrauchen können. Wir wollen zudem, dass es ausreichende Beratungseinrichtungen und Unterbringungsmöglichkeiten für Frauen und Kinder gibt. In Berlin gibt es ungefähr 15 Plätze für die Unterbringung von Opfern von Frauenhandel – für eine Stadt wie Berlin ist das zu wenig. Das lässt sich genauso wenig mit einer extremen Haushaltsnotlage begründen wie die Kürzung von Frauenhausplätzen.

Vor dem Phänomen des Frauenhandels darf niemand die Augen verschließen. Es gilt, die lange erkannten und notwendigen Schritte zu mehr Opferschutz zu gehen – durch Veränderung im Aufenthaltsrecht zu Gunsten der Opfer und durch ausreichende Beratungs- und Unterbringungsangebote für Frauen und Kinder, damit sie sich aus den Gewaltverhältnissen lösen können und wissen, wohin sie gehen können. Dafür hat die Politik, dafür haben wir zu sorgen. – Vielen Dank.