Protocol of the Session on March 7, 2002

[Beifall bei der SPD – Henkel (CDU): Gehen Sie doch mal auf Wowereits Regierungserklärung ein!]

In den Koalitionsverhandlungen hat sich sehr schnell die gemeinsame Erkenntnis durchgesetzt, dass bei aller parteipolitischer Konkurrenz – denn SPD und PDS sind und bleiben konkurrierende Parteien – nur ein radikales Umsteuern weiterhilft. Es gibt vieles, was SPD und PDS auch in Zukunft deutlich voneinander unterscheiden wird. Es unterscheidet uns nicht nur, dass wir führende Regierungspartei sind und die PDS der Juniorpartner ist.

[Gelächter bei der CDU]

Wir, die SPD, sind und bleiben die Berlinpartei, die in der Mitte dieser Gesellschaft steht und aus der Mitte heraus auch Politik gestaltet.

[Beifall bei der SPD – Goetze (CDU): Vor 10 Jahren mal!]

Die neue Qualität ist aber, dass das mit der PDS ausgehandelte Koalitionspapier nicht auf Klientelpolitik basiert, sondern auf einer ehrlichen Analyse der Lage der Stadt, und zwar der gesamten Stadt. Gemeinsam mit der PDS werden wir die innere Einheit Berlins einen großen Schritt nach vorne bringen.

[Czaja (CDU): Mit Rosa Luxemburg!]

Unsere Politik wird das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund stellen.

[Beifall bei der SPD und der PDS – Henkel (CDU): Das sehen die 1 000 ausgetretenen Genossen ganz anders!]

In dieser Stadt, vor allem im ehemaligen Westteil, gibt es eine Legende – die Legende von der angeblichen Abwicklung des Westens. An dieser Legende wird in bestimmten Kreisen und Zirkeln dieser Stadt, auch in politischen Parteien, systematisch gestrickt.

[Czaja (CDU): Im Britzer Kreis!]

Es ist nichts anderes als eine Anti-Berlin-Legende. Wer von der Abwicklung des ehemaligen Westteils spricht, trägt eine neue Spaltung in die Stadt und meint es nicht gut mit Berlin.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Herr Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Niedergesäß?

Nein! Herr Präsident, der Kollege Landowsky hat an der Stelle immer gesagt: Wenn der jetzt auch noch fragt, das bringt doch nichts! –

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen – Zuruf von der CDU: Da haben Sie aber viel gelernt!]

Und deswegen keine Frage!

Jeder hat seine Vergangenheit, auch politische Parteien.

[Zuruf von der CDU: Nur die SPD nicht!]

Manchmal gibt es zwischen Zukunft und Vergangenheit keinen Unterschied. Herr Steffel, eigentlich interessiert sich Ihre Partei doch nur so richtig für das ehemalige Westberlin.

[Niedergesäß (CDU): So ein Schwachsinn!]

Die Strategen in der PDS bemühen sich seit kurzem um die ganze Stadt. Die sind da etwas weiter als Sie.

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

Aber eine Million Menschen, die seit 1990 nach Berlin gekommen sind, fühlen sich als Gesamtberliner. Sie können mit den überkommenen Klischees nichts mehr anfangen. Andere wollen es auch einfach nicht mehr hören.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Die Berliner SPD wird nicht zulassen, dass bestimmte Kreise in dieser Stadt das aufs Spiel setzen, was an innerer Einheit erreicht worden ist. Wir konzentrieren unsere Kraft darauf, Berlin

vor dem finanzpolitischen Super-GAU zu bewahren. Aber das ist nicht Abbruch, das ist Aufbruch, damit wir die Zukunft überhaupt noch in den Griff bekommen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Diese gemeinsame Stadt, die Identifikation von Ost und West mit diesem Berlin, muss auch an einem Ort wie dem Schlossplatz deutlich werden. Hier entsteht etwas Neues. Es muss etwas Gemeinsames sein, das weit über die Stadtgrenzen hinaus ausstrahlen wird. Der Schlossplatz soll nicht nur Stätte von Kunst und Kultur, sondern auch ein Ort der Begegnung sein, wo Menschen sich treffen und Berlin erleben, wo Ost und West sich wiederfinden. In der architektonischen Gestaltung sollten sich die Brüche der deutschen und der Berliner Geschichte widerspiegeln. Dies muss der Auftrag an die Architekten und Stadtplaner sein, wenn sie sich an die Planung der historischen Mitte machen. Vor allem aber ist es an der Zeit, endlich einen Konsens über die Nutzung zu erzielen.

Thilo Sarrazin hat vor wenigen Wochen neue und noch erschreckendere Haushaltszahlen geliefert. Er mahnt zu Recht weiter einen entschlossenen und harten Sparkurs an, wenn wir nicht in wenigen Jahren von der Zinslast erdrückt werden wollen.

[Niedergesäß (CDU): Wer hat die denn hinterlassen?]

Und er hat auch Recht, wenn er sagt, dass wir unsere Ausgaben reduzieren müssen. Ich habe kürzlich in einer Zeitung gelesen, dass Thilo Sarrazin über Eigenschaften verfügt, die ihn für die Rolle des Robin Hood prädestinieren –

[Zuruf des Abg. Czaja (CDU)]

ein finanzpolitischer Robin Hood, der für Gerechtigkeit in der Stadt kämpft und ihr zum Durchbruch verhilft und mit seiner Konsequenz dafür sorgt, dass genug Geld für die Zukunft da ist, eine wieder leuchtende Zukunft, in der niemand – das scheint ihm besonders am Herzen zu liegen – in alten Trainingsanzügen durch die Stadt schlurfen muss. Auf diesem Weg haben Sie unsere Unterstützung, Herr Kollege Sarrazin!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Bei den Einsparungen fängt Berlin nicht etwa bei Null an. Viele schwere Entscheidungen sind in den letzten Jahren von allen Berlinerinnen und Berlinern mitgetragen worden. Oft wird das bei der finanzpolitischen Diskussion um Berlin auch gerade auf der Bundesebene außer Acht gelassen, was die Stadt an Konsolidierungsanstrengungen bereits hinter sich hat: In den letzten 7 Jahren wurden 60 000 Stellen im öffentlichen Dienst Berlins abgebaut. Das war nur möglich durch die Kooperation mit den Gewerkschaften. Daran müssen wir bei den künftigen Verhandlungen anknüpfen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS]

Darüber hinaus haben wir drastische Ausgabenkürzungen vorgenommen, viele Ausstattungsvorsprünge abgebaut. Wir haben in erheblichem Umfang Vermögen aktiviert, Grundstücke und Wohnungen verkauft und uns von wichtigen landeseigenen Betrieben wie der Bewag und der GASAG, 50 % der Wasserbetriebe getrennt, was vielen sehr, sehr schwer gefallen ist. Diese Anstrengungen lassen wir uns nicht klein reden. Hier kann Berlin selbstbewusst auch auf viele Erfolge verweisen!

Aber man muss an dieser Stelle, bei dieser finanzpolitischen Diskussion etwas zum Thema Bankgesellschaft sagen. Nach den Jahren der Konsolidierungsbemühungen und auch -erfolge ist es ein geradezu unerträglicher Zustand, dass uns die Bank wie ein Mühlstein am Halse hängt, manchen Berlinerinnen und Berlinern hängt er geradezu zum Halse heraus. Immer neue Risiken kommen in unglaublichen Größenordnungen auf uns zu. Ich finde es unerträglich, dass die ganze Stadt große und schmerzhafte Einschnitte hinnehmen muss, diese Kürzungen aber ihren Ursprung auch in dem Bankdesaster haben und in dem Versagen vieler Verantwortlicher. Ich verstehe die große Ungeduld und die Wut in der Stadt sehr gut. Diese Wut und diese Ungeduld gibt es auch in meiner Fraktion. Deswegen erwarten wir von

unserem Senat eine schnelle Entscheidung über die Zukunft der Bankgesellschaft. Das schulden wir den Arbeitnehmern, das schulden wir den Kunden, und das schulden wir nicht zuletzt auch dem gesamten Wirtschaftsstandort Berlin.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

Wir können von den Berlinerinnen und Berlinern nicht erwarten, immer neue Kürzungen hinzunehmen. Wir können von den Abgeordneten auch nicht erwarten, immer neuen Risikoabschirmungen in Milliardenhöhe zuzustimmen, wenn gleichzeitig einige Herren sonnengebräunt mit üppigen Pensionen und Übergangsgeldern ausgestattet durch die Stadt laufen und in teuren Villen wohnen, die die Bank und damit das Land Berlin und damit alle Steuerzahler bezahlen. Das muss beendet werden!

[Beifall bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Außer den Herren Wienhold und Neuling, die jetzt Moabit von innen betrachten können, laufen alle anderen unbehelligt herum. Es war Zeit, dass die Staatsanwaltschaft durchgegriffen hat. Die von Wolfgang Wieland eingerichtete Sonderermittlungsgruppe wurde von der Justizsenatorin verstärkt. Wir haben wieder einen Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Klaus-Uwe Benneter eingerichtet, damit auch von politischer Seite alles aufgeklärt wird.

Herr Steffel, Ihre Entschuldigung vorhin hat sich sehr gut angehört. Aber lassen Sie mich dazu eine Anmerkung machen.

[Wegner (CDU): Entschuldigen Sie sich auch!]

Solange Sie immer noch nicht verstanden haben, den qualitativen Unterschied zwischen Aufsichtsräten – damit meinten Sie sicherlich nicht nur Peter Strieder und Annette Fugmann-Heesing, sondern auch Herrn Kurth und Herrn Branoner –,

[Zuruf des Abg. Niedergesäß (CDU)]

aber solange Sie den qualitativen Unterschied zwischen Aufsichtsräten, die höchstwahrscheinlich keine Informationen bekommen haben, auf deren Grundlage sie überhaupt Aufsicht führen konnten, und den Vorständen, die durch aktives Handeln zum Schaden des Landes Berlin und der Bank gearbeitet haben,