Wir sind uns vermutlich einig, dass sich der Wert eines Menschen nicht nach den Noten bemisst. Aber wenn Kindern suggeriert wird, dass Leistung keine Rolle spielt, dann wird ihnen ein falsches Bild vermittelt.
Es ist nämlich durchaus entscheidend, was Kinder in der Schule lernen. Und wenn sie nicht einmal sicher lesen, rechnen, schreiben können, dann werden sie im Beruf Schwierigkeiten haben. Es ist keineswegs zwingend, dass es die Freude an der Schule verdirbt, wenn man dort auch etwas lernt.
Freude an der Leistung, an etwas, das man durch eigene Anstrengung schafft, vermittelt Selbstvertrauen, vermittelt Identität. Bestes Beispiel ist der Sport, da haben wir überhaupt keine Probleme, Disziplin und Fleiß zu bewundern.
Da geht es um fairen Wettbewerb, und dem Sieger gilt die Bewunderung. Ich frage mich, warum wir das in der Schule nicht vermitteln können, warum gute, höchste Leistungen in Mathematik, Deutsch oder Englisch zu wenig Anerkennung finden, warum die Schule es nicht schafft, den Schülern das Gelernte auch als etwas Wertvolles zu vermitteln.
Im Übrigen ist auch das Engagement der Eltern einzufordern. Davon war schon die Rede. An der Motivation der Kinder und ihrem Interesse an Bildung sind die Eltern maßgeblich beteiligt. Aber viele Väter und Mütter interessieren sich leider nicht für das, was in der Schule passiert. Sie überlassen den Lehrkräften die Verantwortung. Und wenn ich vorhin hörte, inzwischen solle die Schule auch noch das Frühstück machen, dann frage ich mich natürlich, ob da nicht grundsätzlich etwas falsch läuft.
Der einzige Ansatzpunkt in diesem Zusammenhang ist sicher die Ganztagsschule, denn sie ist – und das hat PISA auch ergeben – der Halbtagsschule insofern überlegen, als sie die Kinder länger in Betreuung hat und mehr Einfluss nehmen kann.
Ich komme zum Schluss. – Die Aufgabe, die uns gestellt ist, ist nicht nur eine Aufgabe der Bildungspolitik, es ist eine Aufgabe, die weit in die Gesellschaft reicht. Doch die Bildungspolitik muss die Rahmen setzen.
Ich möchte auf etwas hinweisen, das mir bei der Debatte fehlt, das ist der Aspekt der Qualitätssicherung, der Sicherung von Standards, der Sicherung von Vergleichbarkeit.
Frau Abgeordnete, der letzte Satz ist nun wirklich schon ganz schön lang. Ich bitte Sie, nach dem Halbsatz einen Punkt zu machen. Sie reden jetzt schon über eine Minute länger.
Es besteht der Verdacht, dass hier bei den Grünen ein gewisses Defizit besteht, auch diesen Bereich mit in die Bildungsdebatte einzubauen.
[Czaja (CDU): Eine rhetorische Meisterleistung war das! – Frau Harant (SPD): Danke! – Frau Senftleben (FDP): Bisschen charmanter!]
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Wahlkampf haben wir von Seiten der Regierungskoalitionsparteien zwei bestimmende Wahlkampfthemen erlebt. Das eine war alles, was zusammenhängt mit Bankgesellschaft und Parteispenden,
und das andere war die Bildungspolitik. Zum ersten Thema hat die SPD nun auch Ihren Spenden-GAU in Köln.
Und die Debatte über die Bankgesellschaft zeigt, dass führende Sozialdemokraten und insbesondere ehemalige Verantwortungsträger auch sehr stark involviert sind in die massiven Verluste dieser Gesellschaft.
Und wir haben auch das zweite Thema, bei dem es in der Rückschau nicht besonders gut aussieht. Es ist signifikant für die politische Situation in unserer Stadt, dass wir uns schon wenige Monate nach der Wahl über die Schulpolitik unterhalten müssen, weil die Wahlgewinner SPD und PDS ihre Forderungen zur Bildungspolitik, kaum an der Macht, längst schon wieder vergessen haben. Viele Wähler wollten sich auf die Versprechungen von SPD und PDS verlassen und hatten Hoffnung. Heute ist die Stadt von Ihrer Bildungspolitik regelrecht betroffen.
Kinder, das möchte ich einmal so formulieren, sind die „Rohdiamanten“ unserer Gesellschaft, die auf alle späteren Lebenserfordernisse angemessen vorbereitet werden müssen.
Die Berliner Bildungseinrichtungen sollen die Kinder zu mündigen lebenstüchtigen Persönlichkeiten heranreifen lassen, damit sie später – um im Bild zu bleiben – als „Brillanten“ erstrahlen können. Das setzt aber voraus, dass man sich auf Seiten insbesondere der SPD endlich von den 68er Ideologien befreit, die in der Bildungspolitik bis heute eine große Rolle spielen.
[Frau Dr. Tesch (SPD): Das hat mit PISA aber nichts zu tun! – Mutlu (Grüne): Jetzt holen Sie aber weit aus!]
Im Beitrag der Kollegin von der SPD haben wir ja deutlich festgestellt, dass mit PISA letztlich alles zu begründen ist, uns der alte Wein in den neuen Schläuchen serviert wird. Dabei wird auch wieder die Gesamtschule aus der Klamottenkiste der Bildungspolitik hervorgeholt, um sie als die Lösung allen Übels zu präsentieren.
Die PISA-Studie zeigt nämlich sehr wohl, dass es nicht, wie häufig vom linken politischen Spektrum kritisiert, fragwürdig ist, die Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen im kognitiven Bereich zu messen und zu vergleichen.
Es trifft eben nicht zu, dass – wie viele noch immer glauben – alle Menschen von Natur aus gleich seien und notfalls gleich gemacht werden müssten, sondern es handelt sich bei allen Menschen um Individuen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Neigungen. Deswegen ist auch ein Bildungssystem zu schaffen, das dem Rechnung trägt, und das sollte die erste Aufgabe der Regierenden sein.
Stattdessen wird jetzt darauf gesetzt, all das umzukehren, was in den letzten beiden Jahrzehnten, Gott sei Dank, durch die CDU in der Bildungspolitik verhindert worden ist. Und während Herr Wowereit in seiner Regierungserklärung die Öffentlichkeit bildungsideologisch immer noch versuchte einzulullen, entpuppt sich heute die Politik des Schulsenators – als „Qualitätsverbesserung“ bezeichnet – als eine hohle Phrase oder noch schlimmer, als Wahlbetrug an den Eltern.
Das fängt – um einzelne Punkte einmal aufzuzählen – bei der vorschulischen Erziehung an. Da hat in den 60er Jahren der damalige SPD-Schulsenator Evers das erfolgreiche Modell der Vorklasse an Berliner Grundschulen eingerichtet. In der aktuellen Diskussion nach Veröffentlichung der PISA-Studie wollen das andere Bundesländer sogar übernehmen. Was aber plant Rot-Rot? – Die Zerschlagung der Vorklasse.
Aber selbstverständlich. Das fängt schon damit an, dass den Vorklassenleiterinnen im Februar ihr Gehalt um zwei Stufen gekürzt worden sind und eine Nachberechnung dieser Absenkung für Januar vorgenommen wurde – ein Unding und eine Unverschämtheit gegenüber den Beschäftigten.
[Beifall bei der CDU – Frau Schaub (PDS): Das ist ein Unsinn! – Frau Dr. Hiller (PDS): Sie hätten besser zuhören müssen! – Zuruf der Frau Abg. Dr. Barth (PDS)]
Vielmehr sollen die Kinder offensichtlich in die Kitas gezwungen werden, weil das Vorklassenangebot wegfällt. Die richtige Antwort dagegen wäre aber, endlich all denjenigen Kindern den Besuch der Vorklasse ermöglichen, die das wollen, also ein bedarfsgerechtes Angebot zu machen. Das müsste dadurch unterstützt werden, dass die Vorklassenschüler, wie alle Schulkinder auch, in Horten mitbetreut werden können; etwas, das nicht angedacht ist, das nicht vorgesehen ist und was zum langsamen Austrocknen des Vorschulangebots mit beitragen soll.
Da passt es nur ins Bild, dass die schon seit vielen Jahren eingestellten Kurse zur Qualifikation der Vorschulerziehung nicht wieder aufgenommen werden, die Fortbildung für die Vorschulerzieherinnen also nicht mehr erfolgen und damit auch einer Austrocknung dieses Bildungszweiges Vorschub geleistet wird.