Protocol of the Session on November 11, 2004

Wie verantwortungsvoll, demokratisch und transparent ist das Personalfindungsverfahren für die Opernstiftungsspitze?

Bitte schön, Frau Meister!

Vielen Dank! – Ich frage den Senat:

Wie bewertet der Senat die Vorgänge um die Besetzung des Postens des Operndirektors in der Stiftung Oper in Berlin unter den Gesichtspunkten

Transparenz des Verfahrens für den Stiftungsrat als zuständigem Entscheidungsgremium und

Transparenz des Verfahrens und Schutz vor Beschädigung für die in Rede stehenden Kandidaten?

Danke schön, Frau Kollegin Meister! – Nunmehr hat Herr Kultursenator Dr. Flierl das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich Ihre Fragen beantworte, gestatten Sie bitte, kurz das im Gesetz zur Errichtung der Opernstiftung vorgesehene Verfahren zu beschreiben. Nach diesem Gesetz schlägt der Stiftungsratsvorsitzende dem Stiftungsrat einen oder mehrere Kandidaten für die Position des Generaldirektors der Stiftung vor. Der Stiftungsrat entscheidet mit Mehrheit, er kann dies allerdings nicht gegen die Stimme des Stiftungsratsvorsitzenden. Bei den staatlichen Bühnen gilt ein anderes Verfahren. Hier liegt die Personalhoheit beim Kultursenator allein, während die Personalkommission des Senats den Vertrag genehmigt.

Grundsätzlich ließen sich auch andere Verfahren für Berlin denken, wie sie insbesondere in Städten und Kommunen angewandt werden. Wer dies allerdings fordert, sollte auch wissen, dass Spitzenkräfte aus dem Kulturbereich eher auf eine Kandidatur verzichten, als sich einer parlamentarischen Anhörung, einem Auswahlverfahren oder einem öffentlichen Hearing zu stellen. Diese Spitzenkräfte, die wir in Berlin brauchen, wollen angesprochen werden, und es soll mit ihnen intern verhandelt werden.

[Schruoffeneger (Grüne): Ich glaube, in Berlin bewirbt sich niemand mehr freiwillig!]

Grundsätzlich verweigere ich mich keinesfalls, Frau Ströver, solch einer Debatte, nur muss sie vor oder nach solch einem Personalverfahren geführt werden. Diese Debatte während eines vertraulichen Personalfindungsprozesses öffentlich zu führen, halte ich dagegen für falsch.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Ich habe in meiner Amtszeit bereits eine Reihe von Personalentscheidungen getroffen: Die Aufhebung des Vertrages von Udo Zimmermann an der Deutschen Oper – wollen Sie sich erst aussprechen oder wollen Sie mir zuhören? –

[Vereinzelter Beifall bei der PDS]

oder die Nichtverlängerung von Albert Kost an der Komischen Oper waren in der Öffentlichkeit nicht unumstritten,

[Dr. Lindner (FDP): Alles, was Sie machen!]

Präsident Momper

haben sich aber auf längere Zeit gesehen als richtig herausgestellt. Die Berufung von Frau Harms an die Deutsche Oper wurde einhellig begrüßt, obgleich sie ohne Mitwirkung des Stiftungsrates erfolgte. Gleiches gilt für die Verlängerung des Vertrages von Frank Castorf an der Volksbühne, die Bestellung von Mathias Lilienthal zum Leiter des Hebbel am Ufer, die Nichtverlängerung von Manuel Schöbel und die Berufung des designierten Intendanten Kay Wuschek am Caroussel-Theater, hier übrigens nach einem internen Auswahlverfahren mit externer Unterstützung.

Am Deutschen Theater und am Gorki-Theater hat sich, sehr verehrter Herr Braun, kein Intendantenkarussell gedreht, hier gab es klare und begründete, gleichwohl heftig diskutierte Entscheidungen, die auslaufenden Intendantenverträge nicht zu verlängern. Für das Gorki-Theater sind die Verhandlungen mit Armin Petras vor wenigen Tagen erfolgreich abgeschlossen worden. Vorbehaltlich der Zustimmung der Personalkommission des Senats wird Armin Petras mit Beginn der Spielzeit 2006/07 Intendant am Gorki-Theater. Für das Deutsche Theater verhandele ich derzeit mit Christoph Hein.

Ich komme zurück zur Opernstiftung. Die Suche nach einem geeignetem Generaldirektor für die Opernstiftung erwies sich erwartungsgemäß als schwierig. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Zum einen ergeben sie sich aus dem dreifach definierten Anforderungsprofil. Erstens sind Managementkompetenzen gefordert, zweitens die Fähigkeit zur konzeptionellen Entwicklung der Opernstiftung und zur kulturellen Kommunikation vor allem mit den Intendanten der künstlerisch und wirtschaftlich selbstständigen Opernbetriebe und des Balletts sowie drittens Fähigkeiten zur Repräsentation der Stiftung gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Dieses Profil ist keineswegs willkürlich gesetzt, sondern leitet sich aus den wirtschaftlichen Herausforderungen ab, vor denen die Opernstiftung in den kommenden Jahren steht. Die beschlossenen Zuschussabsenkungen von circa 17 Millionen   zum Jahr 2009 lassen sich nicht allein durch kluge Rationalisierungen und Synergieeffekte erzielen. Sie müssen zur Hälfte durch erhöhte Einnahmen – und das heißt auch durch publikumswirksame Resonanz und Repräsentanz der Stiftung und ihrer künstlerischen Betriebe in der Stadt und im In- und Ausland – kompensiert werden. Ein reines „Costcutting“ hilft hier nicht weiter.

[Schruoffeneger (Grüne): Sie haben das Problem nicht verstanden!]

Die Stiftung mit ihren Betrieben muss insbesondere auch kulturell-kommunikativ und in ihren Programmstrukturen stärker Profil und Ausstrahlung gewinnen. Hinzu kommt, dass Top-Leute zumeist in festen vertraglichen Bindungen stecken. Der für diesen Bereich übliche Vorlauf von mehreren Jahren kollidiert auch objektiv mit der kurzen Frist seit Errichtung der Opernstiftung vor nicht einem Jahr. Angesichts der Haushaltslage Berlin ist es auch nicht möglich – schon allein aus finanziellen Gründen –, sich kostspielige Transfers zu leisten. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass es in Deutschland bei kulturellen Spitzen

kräften eine empfindliche Generationslücke gibt: zwischen den erfahrenen, am Ende des Berufslebens Stehenden und den nachrückenden Jüngeren.

Meine Damen und Herren! Ich werde auch hier vor dem Parlament meine Linie nicht verlassen und mich zu Namen und Umständen von Verhandlungen und Gesprächen, die ich mit zahlreichen Kandidatinnen und Kandidaten in den vergangenen Monaten geführt habe, nicht äußern. Dies auch deshalb, weil ich über dieses Thema ausschließlich den Stiftungsrat zu informieren habe.

[Frau Dr. Klotz (Grüne): Und ausgewählte Journalisten!]

Darauf komme ich, Frau Klotz. Ich höre Ihnen zu, ich weiß, was Sie fragen, ich antworte darauf.

[Eßer (Grüne): Bislang nicht!]

Der gesamte Findungsprozess ist bis vor wenigen Tagen mit einer für Berliner Verhältnisse nahezu unerhörten Diskretion verlaufen,

[Schruoffeneger (Grüne): Das ist ein Wahrnehmungsproblem, glaube ich!]

die genau dem von Ihnen angefragten, Frau Meister, Schutz der in Rede stehenden Kandidatinnen und Kandidaten vor möglicher Beschädigung gedient hat. Ich kann Ihnen aber so viel sagen, dass ich mich bei der Suche durchaus breiter, auch internationaler Unterstützung und Beratung vergewissert habe. Ich kann auch sagen, dass es mehrfach konkrete Vorverhandlungen bis zum Austausch detaillierter Vertragsentwürfe gegeben hat. Dass diese Verhandlungen zu keiner Einigung und damit zu keinem Personalvorschlag an den Stiftungsrat geführt haben, hatte verschiedene Gründe. Diese waren sowohl finanzieller als auch persönlicher Natur. Sie basierten zum Teil auch darauf, dass angefragte Kandidatinnen und Kandidaten künstlerische Ambitionen hatten, die mit der Position des Generaldirektors nicht vereinbar sind. In einem anderen hoffnungsvoll und weit verhandelten Fall hat sich der Kandidat für ein künstlerisch und wahrscheinlich auch finanziell besseres Angebot entschieden. Am Ende blieben – jetzt kann ich auf Grund der Veröffentlichungen der vergangenen Tage die Anonymität verlassen – mit Michael Schindhelm aus Basel und Bernd Fülle aus Frankfurt zwei hervorragende Kandidaten in der engeren Wahl. Das war und ist nicht nur meine Meinung, sondern auch die des Stiftungsrates, der sich mit seinem Beschluss, auf seiner konstituierenden Sitzung beide Kandidaten anhören zu wollen, deutlich erklärt hat.

Als Stiftungsratsvorsitzender hatte ich dem Stiftungsrat eine Empfehlung abzugeben. Die für mich dabei entscheidende Frage lautete, wer von den beiden die ausgewogenste Kombination der genannten Anforderungskriterien erfüllt. Es ist normal und legitim, dass sich ein Kultursenator in solch einer Situation mit Teilen der kulturpolitischen Öffentlichkeit in der Stadt berät.

[Dr. Lindner (FDP): Schriftlich Bericht erstatten lässt!]

Ein Meinungsaustausch mit anderen Politikerinnen und Politikern, mit Künstlerinnen und Künstlern, Fachjourna

Sen Dr. Flierl

listinnen und Fachjournalisten muss auch in Zukunft möglich sein. Von den Managementqualitäten beider Kandidaten überzeugt, habe ich diesen Rat mit Blick auf die kommunikative, konzeptionelle und repräsentative Akzeptanz beider Kandidaten auf verschiedenen Ebenen und bei mehreren Gelegenheiten eingeholt. Dahinter jedoch eine Intrige zu vermuten, ist absurd.

[Dr. Lindner (FDP): Stasi-Vorwurf!]

Der Stiftungsratsvorsitzende muss bis zu seiner Empfehlung an den Stiftungsrat frei sein, seine Empfehlung abzuwägen. Das entscheidende Wort spricht der Stiftungsrat. Vorabstimmungen mit wen auch immer dürfen diese Verantwortung nicht einschränken.

Beide Kandidaten wussten vor der Stiftungsratssitzung, dass ich sie dem Stiftungsvorstand vorstellen wollte, und beide kannten meine Empfehlung an den Stiftungsrat zu Gunsten von Herrn Schindhelm. Herr Fülle hat danach zunächst öffentlich erklärt, er freue sich über das Angebot in Berlin, um dann, auf die Entscheidungskompetenz des Stiftungsrates hingewiesen, sich ebenso öffentlichkeitswirksam zurückzuziehen.

[Eßer (Grüne): Das wundert mich nicht!]

Der Stiftungsrat hat dennoch die öffentlich und intern vorgetragenen Einwände von Herrn Fülle, es sei doch mit ihm bereits intensiv gesprochen worden, ernst genommen und ihn erneut und ausdrücklich zur Anhörung eingeladen. Er hat nun ein zweites Mal abgesagt.

Lassen Sie mich zu den Vorwürfen des „Spiegels“ nur soviel sagen: Zu keinem Zeitpunkt habe ich irgendjemand Externes beauftragt, Informationen zu beschaffen oder Berichte zu liefern oder habe gar Einfluss auf die Medienberichterstattung genommen oder nehmen wollen. Die „Spiegel“-Berichterstattung weise ich entschieden zurück.

[Beifall bei der PDS]

Die darin gezogenen Vergleiche verharmlosen auf groteske Weise das Stasi-System.

Sehr geehrter Herr Braun! Wie kommt eine an mich gerichtete Mail in die Hände des „Spiegel“-Redakteurs? – Diese Frage kann ich Ihnen beim besten Willen nicht beantworten.

[Zuruf des Abg. Krestel (FDP)]

Ich weiß nicht, wo der „Spiegel“ seine Quellen hat. Der Redakteur wird sie mir und möglicherweise auch Ihnen nicht verraten. Ich jedenfalls gehe davon aus, dass die Mail nicht aus meinem Haus gekommen ist. Ich werde den durch diesen Vorgang geschlagenen Funken des Misstrauens meinerseits nicht durch weitere Verdächtigungen zum Glühen bringen.

In einem Punkt jedoch hat die Kritik der letzten Tage, haben auch Sie, Frau Ströver, mit Ihrer Anfrage Recht, und ich räume dies ausdrücklich ein: Das Angebot, sich mit Herrn Fülle im Beisein des „Tagsspiegels“ zu treffen,

hätte ich im Interesse aller Beteiligten ausschlagen müssen. Das war ein Fehler, der die Grenze zwischen Politik und Fachjournalismus unzulässig verwischt hat. Ich bedaure dies. Ich habe dies auch dem Stiftungsrat erklärt und sage es hier in aller Öffentlichkeit auch gegenüber Herrn Fülle.

Die Frage, ob das weitere Verfahren angesichts der Vorgänge fortgesetzt werden soll, hat allein der Stiftungsrat mit seinen durch Gesetz beziehungsweise mit seinen durch das Abgeordnetenhaus gewählten Mitgliedern zu entscheiden. Der Stiftungsrat hat heute Morgen eine Sitzung abgehalten, er hat sich über die Lage und das weitere Vorgehen verständigt und dazu folgenden Beschluss gefasst:

Der Stiftungsrat hat die Vorgänge der vergangenen Woche um die beiden Kandidaten für das Amt des Generaldirektors der „Stiftung Oper in Berlin“ in seiner heutigen Sitzung kritisch erörtert. Er ist zu dem Urteil gekommen, dass man an dem am 2. November 2004 beschlossenen Prozedere festhalten sollte, die beiden im Vorfeld ausgewählten Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Es ist zwar zu bedauern, dass Bernd Fülle aus mittlerweile bekannten Gründen beschlossen hat, der Einladung des Stiftungsrates nicht zu folgen; die Einladung des anderen Kandidaten, Michael Schindhelm, sollte aber nach der bereits beschlossenen Überprüfung seiner Biographie wie geplant stattfinden.

So weit zunächst zur Beantwortung Ihrer Frage.