Protocol of the Session on October 28, 2004

in Verbindung mit

Dringlicher Antrag

Möglichkeiten des neuen Ausländerrechts für den Umgang mit aufenthaltsrechtlichen Härtefällen nutzen

Antrag der CDU Drs 15/3316

bereits durch die Konsensliste erledigt. Nunmehr wird zusätzlich die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz vorgeschlagen. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann ist diese zusätzliche Überweisung so beschlossen.

Wird der Dringlichkeit des Antrags der CDU, Drucksache 15/3316, widersprochen? – Das ist offenkundig nicht der Fall. Es wird ebenfalls die Überweisung an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung – federführend –, den Ausschuss für Gesundheit, Soziales, Migration und Verbraucherschutz sowie an den Rechtsausschuss vorgeschlagen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Lfd. Nr. 12:

Wahl

Zwei Vertreter oder Vertreterinnen der Berliner Gewerkschaften zu Mitgliedern des (ruhenden) Kuratoriums der Freien Universität Berlin sowie deren Stellvertreter(innen)

Wahlvorlage Drs 15/3253

Wir kommen zur einfachen Wahl durch Handaufheben. Die Kandidatinnen und Kandidaten entnehmen Sie bitte der Anlage der Drucksache. Wer die dort Genannten zu wählen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Das scheinen alle Fraktionen zu sein. Die Gegenprobe! – Keine. Enthaltungen auch keine. Dann ist das so beschlossen.

lfd. Nr. 19:

a) Beschlussempfehlung

Pro Berlin und Brandenburg (9): Staatsverträge brauchen parlamentarische Mehrheiten und keine Regierungsmehrheiten

Beschlussempfehlung BerlBra Drs 15/3220 Antrag der FDP Drs 15/2916

b) Antrag

Pro Berlin und Brandenburg (10): neue Perspektiven für die Hauptstadtregion als ein Motor der Entwicklung von Berlin und Brandenburg

Antrag der FDP Drs 15/3271

c) Antrag

Pro Berlin und Brandenburg (11): Die Fusion ist tot, es lebe die Fusion!

Antrag der FDP Drs 15/3276

Für die Beratung steht den Fraktionen eine Redzeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Der Kollege Dr. Augstin hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nachvollziehbar, dass die Koalitionsfraktionen dem Antrag der FDP „Staatsverträge brauchen parlamentarische Mehrheiten und keine Regierungsmehrheiten“ mit Ausflüchten begegnen wie zum Beispiel: Es bedarf dieses Antrags nicht, weil die Verfassung dies ohnehin vorsieht.

Tatsächlich müssten die Koalitionsfraktionen die Rüge am Senat mittragen, wenn der Senat das Parlament zu spät unterrichtet, insbesondere wenn es um eine Verfassungsänderung geht, wie im Falle der Zusammenlegung der Finanzgerichte. Wir sehen es der rot-roten Koalition jedoch nach, sollte sie unserem Antrag nicht zustimmen, sofern künftig eine frühzeitige Unterrichtung über die Verhandlungsergebnisse zu Staatsverträgen im Interesse der Angelegenheiten mit Brandenburg stattfindet.

Wir Liberale treten für eine Zusammenarbeit und letztlich auch eine Fusion mit dem Land Brandenburg ein, da die Vorteile dieser Partnerschaften im Interesse der überwiegenden Mehrheit der Bürger von Berlin und Brandenburg liegen. Dieses dringende Interesse ergibt sich vor allem aus der schwierigen wirtschaftlichen Lage beider Länder als Folge der politischen Teilung. Es erfordert höchste Anstrengungen, um die strukturelle Entwicklung der Region Berlin-Brandenburg voranzubringen. Hierzu sind die Rahmenbedingungen so zu fassen, dass

Heute hat die rot-rote Koalition aber die Gelegenheit eine weitere Chance im Hinblick auf den Terminplan in ihrer Koalitionsvereinbarung zu ergreifen. Möglicherweise ist dies die letzte Chance, nicht nur Lippenbekenntnisse für eine Fusion abzugeben, sondern sich auch der Verantwortung gegenüber der Region Berlin-Brandenburg, der Hauptstadtregion, zu stellen, indem Sie dem Antrag der FDP-Fraktion zustimmen. Dann kann ausgelotet werden, ob die Koalitionsvereinbarung in Brandenburg letztlich nur feststellt, dass eine Fusion „politisch und wirtschaftlich sinnvoll“ ist, oder ob die Brandenburger bereit sind, im Rahmen eines Zeitplans konkrete Schritte zu einer Fusion zu gehen. Die Hauptstadtregion muss sich endlich auf ihre Chancen und Stärken besinnen. – Danke schön!

die Attraktivität als Wirtschaftsraum steigt. Auch müssen rechtliche und operative Interessengegensätze zum Wohl der ganzen Region bereinigt und überwunden werden – Rechtsgleichheit schaffen, gemeinsame Einrichtungen und Institutionen. Die Schaffung effektiver Strukturen, geringerer Kosten der politischen Führung, Erhöhung der Verwaltungseffizienz, Verminderung von Doppelzuständigkeiten, wie etwa die Zusammenlegung von Einrichtungen, sind geeignet, auf Dauer die Kostenbelastung der beiden Länder zu vermindern.

Die Länderfusion, aber auch schon eine verbesserte Zusammenarbeit sind geeignet, die Einnahmeseite Berlins und Brandenburgs zu steigern, indem

eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Stadt eintritt;

eine Erhöhung des politischen Gewichts bei der Durchsetzung landesspezifischer Interessen gegenüber dem Bund, dem Bundesrat, der EU,

eine Verbesserung der sektoralen und räumlichen Verflechtungen zur Erhöhung der Attraktivität der Unternehmensansiedlungen und

eine gebündelte Förderung der Ansiedlung und Begleitung von Unternehmen bei geeigneteren einheitlichen Rahmenbedingungen für Industrie und Gewerbe erreicht werden.

Die FDP-Fraktion hat bereits eine Vielzahl von Anträgen eingebracht, die diesen Erfordernissen Rechnung tragen. Auf der Tagesordnung steht heute der Antrag „Neue Perspektiven für die Hauptstadtregion als Motor der Entwicklung von Berlin und Brandenburg“. Der Senat wird darin aufgefordert, mit dem Nachbarland Brandenburg in Verhandlungen über den längerfristigen Ausbau der regionalen Zusammenarbeit im Berliner StadtUmlandraum und damit für die Hauptstadtregion einzutreten und zwecks nachhaltiger Verbesserung der Situation zu prüfen, ob dazu eine gemeinsame Flächennutzungsplanung mit den benachbarten Gemeinden, ein Planungsverband oder auch die Gründung eines Zweck- oder Regionalverbandes hilfreich sind. In Anbetracht der fehlenden Bereitschaft des Brandenburger Parlaments den Prozess für eine Fusion voranzutreiben, liegt es in der Verantwortung des Berliner Parlaments und damit insbesondere auch der Regierungsfraktionen und des Berliner Senats, mit Nachdruck das Brandenburger Parlament und dessen Regierung in die Pflicht zu nehmen und deren Lippenbekenntnisse, wie sie in der Koalitionsvereinbarung zum Ausdruck kommen, auf den Prüfstand zu stellen. Es ist höchste Zeit dafür. Deshalb fordert die FDP-Fraktion in ihrem Antrag „Die Fusion ist tot, es lebe die Fusion!“ entweder den in der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien verabredeten Zeitplan einzuhalten oder einen neuen aufzustellen und hierfür eine neue, detaillierte und zeitlich bgestimmte Konzeption zu entwickeln. a

Bereits vor der Sommerpause hat die FDP-Fraktion mit einem Antrag den Senat aufgefordert, eine detaillierte Fusionskonzeption mit zeitlichem Ablaufplan vorzulegen,

in dem sowohl fusionsrelevante Aspekte wie auch konkrete Schritte zur Fusion dargelegt werden sollen. Leider ist dieser Antrag im Ausschuss wie auch die Anträge zur Einrichtung einer Verfassungskommission – eingebracht von der FDP-Fraktion, aber auch den Grünen – durch die rot-rote Koalition vertagt worden, was letztlich eine Verzögerung und damit Lähmung des Weges zu einer Fusion darstellt.

[Beifall bei der FDP – Frau Michels (PDS): Das ist unerhört, was Sie behaupten! Das stimmt nicht! – Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

Darauf können Sie nachher gern eingehen. Aber Tatsache ist, was ich eben gesagt habe.

[Beifall bei der FDP – Brauer (PDS): Die Stunde der Poesie: “Die Fusion ist tot, es lebe die Fusion!“!]

Danke schön, Herr Kollege Dr. Augstin! – Es folgt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Kollege Dr. Arndt. – Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Augstin! Nach Ihren Worten „Die Fusion ist tot, es lebe die Fusion!“ und „Lippenbekenntnisse sind vorbei“, stelle ich fest: Die Lippenbekenntnisse sind tot, es leben die Lippenbekenntnisse.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Die SPD-Fraktion wird beide Anträge „Pro Berlin und Brandenburg (9) und (10)“ ablehnen. Vorab: Auch für uns als SPD-Fraktion ist die Position zur Länderfusion des Landes Brandenburg nach Regierungsbildung und neuem Koalitionsprogramm eine große Enttäuschung. Wir befürchten, dass sich diese Entscheidung im internationalen Konkurrenzkampf, in dessen Mittelpunkt Unternehmen, Ressourcensicherung und Raumkonzepte stehen, für unsere Region und die Menschen, die hier leben, nachteilig auswirken wird. Wer auf die italienische Redewendung setzt „Wer allein spielt, verliert nicht.“, springt im Wettbewerb der Regionen zu kurz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bedauerlicherweise ist zurzeit viel Porzellan zerschlagen worden. Eine Idee, die wir gestern alle noch gelobt haben, scheint tot zu sein. Es spricht nicht für die politische Glaubwürdigkeit, wenn die Verantwortlichen so handeln wie jetzt und wieder ein Stück Glauben, Politik könne etwas verbessern, zerschlagen. Ich kann Brandenburgs Vorsicht angesichts der Berliner Haushaltssituation verstehen. Ich frage mich nur: War das nicht schon vorher bekannt? – Die Haushaltslage Berlins hat sich nicht erst in den letzten Wochen so dramatisch entwickelt.

Mir hat ehrlich gesagt schon Angst gemacht, dass Herr Platzeck vor Wochen die Neugliederung der Bundesländer forderte. Das war schon ein Wink mit dem Zaunpfahl. Er musste sich schon damals den Vorwurf gefallen lassen, dass der, der jetzt nach Neugliederung ruft, sich aber ziert, die Länderfusion zu befürworten, unredlich handelt. Aber gegenseitige Vorhaltungen helfen uns jetzt nicht weiter. Manchmal ist Zurückhaltung – ich richte das auch an die Adresse des Senats – besser. Wir verbauen uns sonst einen Weg, den diese Region dringend benötigt.

Die CDU-Fraktion plädiert für einen neuen Ansatz, eine Art kleine Fusion. Vereinbarungen und Verträge – auf welcher Ebene auch immer – könnten helfen. Insofern sind die Ansätze der FDP-Fraktion zu begrüßen, beispielsweise das Herunterbrechen der Zusammenarbeit von Senatsebene auf die Bezirke und die Gründung von Zweck- und Regionalverbänden. Für uns wird entscheidend sein, dass das große Ziel, nämlich die Fusion, nicht aus den Augen verloren wird.

Dennoch müssen wir die politische Haltung Brandenburgs zur Kenntnis nehmen. Es hilft uns nicht, an Lippenbekenntnissen, politischen Konzeptionen und Fahrplänen festzuhalten, die gestern noch gültig gewesen sein mögen. Dadurch würde viel Kraft gebunden und letztlich vergeudet. Beharrung statt regionalem Aufbruch wäre die Folge. Viele wichtige und notwendige Gemeinschaftsprojekte beider Länder würden sich weiter unzumutbar verzögern, in den Warteschleifen der Verwaltung enden oder öffentlich zerredet werden. Im Interesse der Menschen dieser Stadt sollten wir uns möglichst schnell auf die politische Realität einstellen und neue Wege der Zusammenarbeit suchen. Wir Berliner und Berlinerinnen haben gerade in diesem Punkt historische Erfahrungen, die unter weit fürchterlicheren und schwierigeren Bedingungen gemacht worden sind.

Für mich lautet das Gebot der Stunde einer neuen Politik für Berlin-Brandenburg: Eine Regionalpolitik der kleinen Schritte, insbesondere auf den Feldern Versorgung, Schulen, Gesundheit und Infrastruktur. Es geht schließlich um die Menschen in der Region BerlinBrandenburg und nicht um uns. In anderen Feldern wie der Wirtschaftsförderung, wobei es um die Ansiedlung von Unternehmen geht, wird die Zusammenarbeit in der Zukunft schwieriger werden. Hier wird die Konkurrenz durchschlagen. Eine Politik der kleinen Schritte ist eine Politik der Verträge. Eine solche Politik ist leider sehr verwaltungsintensiv und führt zu erheblichen finanziellen Aufwendungen, die die Steuerzahler unserer Region aufbringen müssen. Kooperationen sind nun einmal nur die zweitbeste Lösung. Minimieren können wir diese Aufwendungen durch eine mittelfristige Verständigung auf eine gemeinsamen Vision der Zukunft. Dabei sind die Exekutive und Legislative beider Länder gefordert.

In diesem Zusammenhang werden wir auch Ihren dritten Antrag beraten. In welcher Form, in welchem Ausschuss und wie wir uns auf die neue Situation in diesem Parlament institutionell einrichten werden, müssen wir allerdings erst einmal gemeinsam besprechen. Dies wird der Anfang einer neuen Politik gegenüber Brandenburg sein.

Festzuhalten bleibt: Die Fusion der Länder Berlin und Brandenburg wird durch eine neue Politik nicht verbaut. Die Fusion steht jedoch nicht mehr am Anfang, sondern am Ende eines Prozesses, entweder von unten oder im Rahmen einer Neuordnung der Bundesländer von oben. Aber: Viele Kolleginnen und Kollegen hier im Haus wissen aus eigener Erfahrung: Auch wilde Ehen können funktionieren, wenn unterschiedliche Werte beachtet und Regeln eingehalten werden. Sie können funktionieren, und darauf sollten wir bauen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!