Das werden wir dann gemeinsam feststellen, ob die Aussagen die Reichweite haben oder nicht. Abschließend noch einmal: Es ist eine richtige Entscheidung, die Sie von der CDU-Fraktion getroffen haben, keine Klage zu erheben.
Im Übrigen, Herr Kollege Lindner, sage ich Ihnen mit meinem letzten Satz: Drohen lassen wir uns von Ihnen nicht.
Sie wollen klagen. Das ist ein freies Land. Wenn Sie eine Mehrheit in diesem Haus finden, dann klagen Sie doch. Aber es ist bei Ihnen oft so: Gernegroß reicht noch lange nicht! Sie haben nicht ansatzweise eine Mehrheit in diesem Haus für eine Klage. Daher sehen wir dem dann auch mit der gebotenen Gelassenheit entgegen. – Vielen Dank!
Herzlichen Dank, wunderbar, punktgelandet! Vielen Dank, Herr Kollege Wechselberg! – Es folgt die Fraktion der CDU. Der Kollege Kaczmarek hat das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Reden machen mich doch sehr nachdenklich. Ich frage mich, lieber Herr Wechselberg, was sind denn eigentlich Ihre Maßstäbe? Wer ist denn eigentlich schuld, derjenige, der die Verfassung bricht, oder derjenige, der den Verfassungsbruch aufdeckt? Sie werfen uns vor, dass Sie die Verfassung gebrochen haben. Das kann doch nicht im Ernst Ihr Ansatz sein. Die Debatte, die wir heute führen, steht offensichtlich unter dem Motto: Tarnen und Täuschen. Sie tarnen sich als arme Opfer der offensichtlich übermächtigen Opposition, und Sie wollen die Öffentlichkeit über Ihre ureigene Verantwortung hinwegtäuschen. Regieren heißt Verantwortung tragen. Das ist ein Wort, das Ihnen offensichtlich leider fremd ist.
Was wir heute beobachten können, ist der wohl einmalige Vorgang, dass eine Regierungskoalition sich anmaßt, die Kontrollinstanz der Opposition zu sein – eine
Verkehrung der Rollen. Meine Damen und Herren von SPD und PDS, da bewegen Sie sich in einer großen Tradition, übrigens am 17. Juni passt das Zitat auch, nämlich der Dichter Bertolt Brecht sagte, allerdings auf diesen Tag gemünzt und etwas abgewandelt:
Die Opposition hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht besser, die Regierung würde die Opposition auflösen und sich eine neue wählen?
Meine Damen und Herren von der Koalition! Wir machen Politik nicht für Sie und auch nicht zu Ihrem Gefallen, sondern wir machen Politik für die Menschen in dieser Stadt, und dabei bleibt es auch.
Hören Sie endlich auf, sich hinter der Opposition zu verstecken. Stehen Sie zu Ihren Entscheidungen, und stellen Sie sich der Auseinandersetzung über Inhalte und Konzepte.
Die bellende Rede des Kollegen Krüger heute Mittag und der frenetische Beifall der Koalition haben es deutlich gezeigt: Sie haben Angst – Angst davor, dass Ihr verfassungswidriger Haushalt kippt,
Angst davor, die Konsequenzen zu ziehen. Die Angst können wir Ihnen nicht nehmen. Nur Sie selbst können sich diese Angst nehmen, indem Sie endlich einen verfassungsmäßigen Haushalt vorlegen. Ihre Angst, lieber Herr Liebich, ist nur zu verständlich. Sie haben alles auf eine Karte gesetzt. Sie haben behauptet, mit dem Gang zum Bundesverfassungsgericht werde schon alles gut;
so, als ob wir nur noch Kontonummer und Bankleitzahl angeben müssten, und dann überweisen Bund und Länder mal eben 35 Milliarden €. Auf diese Fiktion haben Sie Ihre ganze Haushaltspolitik aufgebaut. Kein langfristiges Sanierungskonzept, sondern kurzatmige, plakative Maßnahmen, immer nur mit dem Ziel, sich über die Zeit zu retten. Und was tun Sie denn nun, wenn das Bundesverfassungsgericht erwartungsgemäß keinen Überweisungsträger ausschreibt?
Haben Sie einen Plan B? – Nein, den haben Sie nicht. Dann bricht nämlich Ihr Haushaltskartenhaus zusammen.
Und für den Fall – deswegen schreien Sie auch so laut – wollen Sie schon mal vorbeugen und heute schon Schuldige festmachen. Wenn die Klage erfolgreich sein sollte, dann war es der Senat; scheitert die Klage, dann muss
wohl die Opposition schuld daran gewesen sein. – Nein, so leicht schleichen Sie sich nicht aus der Verantwortung.
Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir wünschen uns einen Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht im Sinne der Berlinerinnen und Berliner.
Aber wenn die Klage scheitert, dann haben Sie sich das Scheitern ganz allein zuzuschreiben und einem Finanzsenator, der nicht müde wird zu erklären, dass wir ein Ausgabe- und kein Einnahmeproblem haben. Die zahlungsunwilligen Bundesländer werden sich für diese Steilvorlage bedanken.
Auch das kann ich Ihnen nicht ersparen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt: Ihr Landeshaushalt für die Jahre 2004/2005 ist kein Sparhaushalt. Er ist ein Haushalt der falschen Prioritäten: die lange Nacht des Döner als staatlich geförderte Spaßveranstaltung statt Blindengeld für die Benachteiligten der Gesellschaft, esoterische Architekturgespräche, Ihr Lieblingsthema, statt Telebus für die Behinderten in dieser Stadt, Selbstbedienung an Managergehältern und Prämien in staatlichen Unternehmen statt Lern- und Lehrmittel für Schülerinnen und Schüler. Sie nehmen es den ärmsten und bedürftigsten Bevölkerungsschichten, und Sie haben nicht einmal Erfolg damit. Mit über 5 Milliarden € Netto-Neuverschuldung haben Sie einen traurigen Rekord in der Berliner Geschichte erreicht. Ihr Finanzsenator ist kein Sparmeister, sondern der Schuldenmeister. Über 3 Milliarden € Zinszahlungen erdrosseln jede Gestaltung, und der Schuldenberg von über 50 Milliarden € droht die Entwicklungschancen nachfolgender Generationen zu verschütten.
Ihr Haushalt, Herr Doering, ist einer, der die Chancen der Stadt nicht nutzt, sondern zerstört. Ihr Haushalt ist einer, der die Menschen nicht motiviert, sondern deprimiert. Ihr Haushalt ist einer, der die Zukunft nicht sichert, sondern jedes Vertrauen in die Zukunft nimmt. Die Stadt und ihre Menschen brauchen einen besseren Haushalt, einen Haushalt, der die Zukunftspotentiale tatsächlich nutzt, einen Haushalt des sauberen und transparenten Finanzgebarens statt rechtswidriger Verfahrensweisen. Noch haben Sie Zeit dazu. Legen Sie einen Nachtragshaushalt vor!
Die Redezeit ist zu Ende. Außerdem hat Herr Liebich sich lautstark schon die gesamte Zeit zu Wort gemeldet. Insofern kann er hinterher noch reden. – Sie haben Zeit dazu, nachzubessern. Legen Sie einen Nachtragshaushalt vor, der den Anforderungen des Verfassungsgerichts wirklich genügt. Nehmen Sie endlich die Verantwortung wahr, die Ihnen vom Wähler übertragen wurde. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege Kaczmarek! – Wir kommen zunächst zu einer Kurzintervention des Kollegen Matz, FDP. – Sie haben das Wort, bitte schön!
Schönen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich höre ja geduldig zu durch diese ganze Debatte, aber irgendwann ist einmal der Punkt erreicht, wo es einem stinkt. Wenn wir hier darüber diskutieren, warum denn der Schuldenberg so groß ist: Wann ist er denn so groß geworden? Wo kommt er denn her? – Das ist doch ein Indiz dafür, dass in Berlin über Jahre, über ein ganzes Jahrzehnt in den 90er Jahren verschlafen worden ist zu verhindern, dass ein solcher Schuldenberg anwächst.
Zum Thema Verantwortung: Hier sitzen 141 Abgeordnete, und ich bin sehr wohl der Auffassung, dass 77 davon in einer besonderen Verantwortung stehen, weil sie nämlich die Regierungsmehrheit tragen. Aber das heißt nicht, dass nicht insgesamt auch 141 Abgeordnete Verantwortung für das tragen, was in diesem Land finanziell passiert
und auch für das, was nicht passiert. Sie können natürlich der Regierung vorwerfen, dass sie verfassungswidrige Vorschläge macht oder dass sie verfassungswidrig irgendetwas nicht in Ordnung bringt. Das ist ein gutes Recht und vielleicht sogar manchmal wirklich die Pflicht einer Opposition. Aber dann würde ich gerne wirklich mal wissen, ob der monatelange Abwehrkampf der CDUFraktion gegen die Abschaffung der Reiterstaffel der Berliner Polizei vor diesem Hintergrund auch ein verfassungsmäßiges Verhalten gewesen ist – oder etwa nicht?
Und ich würde auch ganz gern wissen, ob die Ankündigung der Blockade einer Verfassungsänderung zur Zusammenlegung der Obergerichte von Berlin und Brandenburg auch ein guter Vorschlag ist, um Einsparpotentiale für Berlin und Brandenburg zu heben. Das ist etwas, wo auch Opposition ab und zu einmal gefragt ist, verantwortlich zu handeln und dafür zu sorgen, dass die Dinge nicht noch weiter aus dem Ruder geraten, als sie ohnehin schon aus dem Ruder geraten sind.
Und eine letzte Äußerung noch zum Thema Dolchstoßlegende, weil das so ein schöner Begriff ist. Den haben ja diejenigen erfunden, die ganz genau wissen, wie man das machen muss, wenn man einen Begriff irgendwo dranpappt und hofft, der bleibt kleben. Das ist nämlich ein relativ gut gewählter politischer Kampfbegriff, Dolchstoßlegende an der Stelle zu sagen. Aber es zieht trotzdem nicht, denn Sie müssten schon erklären, wie es angehen