Protocol of the Session on June 17, 2004

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Die Wiedereinführung des schuldenfinanzierten Wohlstands Westberliner Prägung in einem Haushaltsnotlageland wird nicht funktionieren, und deshalb ist Ihre heutige Niederlage, Herr Zimmer, konsequentes Ergebnis der bisherigen Oppositionsarbeit der CDU.

Es bleiben allein der FDP-Fraktionsvorsitzende Lindner und seine wenigen Freunde hier im Berliner Parlament. So wortgewaltig er auch immer tönen mag, das reicht nicht aus, um die Berlinerinnen und Berliner mit einer Klage zu bedrohen. Welche ein Glück, kann ich dazu nur sagen. Denn: Das schadet Berlin – sagte Ihr Fraktionskollege Martin Matz der „Berliner Zeitung“. Wenn man damit Erfolg habe – so Martin Matz weiter –, müssten im Sozialbereich weitere Kürzungen beschlossen werden. – Das leugnete Martin Lindner überhaupt nicht. Er ist der letzte Neoliberale dieses Hauses. Er will kündigen, kürzen und streichen, koste es, was es wolle. Er will die Sozialhilferegelsätze senken, er will Berlins Kitaangebot auf den Bundesdurchschnitt senken, er will Massenentlassungen im öffentlichen Dienst. Dafür, Herr Lindner, gibt es in diesem Parlament keine Mehrheit, so lange Rot-Rot regiert.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Die Herren Studienräte, die, wenn sie sich in den Sommerferien genug erholt haben, gemeinsam mit frustrierten Polizisten beginnen wollen, Unterschriften zu sammeln, um diesen rot-roten Senat zu kippen, sollten sich genau ansehen, was dann auf sie zukäme.

Viele in dieser Stadt werden heute aufatmen. Erleichtert sind nicht nur die Mitglieder der Koalitionsfraktionen und des Senats, sondern vor allem auch der Industrie- und Handelskammer Berlin, der Handwerkskammer und der DGB-Gewerkschaften, die in einer für mich erstaunlichen Einmütigkeit auf die Oppositionsfraktionen eingewirkt haben. Es ist auch ihnen gelungen, Grüne und CDU von weiteren Abenteuern abzuhalten. Bei der FDP hatte das ohnehin keinen Sinn.

Ich hoffe, dass mit der heutigen Entscheidung auch generell die politische Auseinandersetzung zwischen den Parteien vom Gerichtssaal hierher in das Abgeordnetenhaus zurückverlagert wird.

[Niedergesäß (CDU): Dann zieht euch mal warm an!]

Streiten wir uns hier über unterschiedliche Konzepte und Vorschläge, dafür sind wir gewählt worden. Wessen politisches Programm lediglich daraus besteht, den politischen Konkurrenten vor Gericht zu zerren, der wird scheitern.

Rot-Rot führt die Stadt durch schwieriges Fahrwasser,

[Zimmer (CDU): In schwieriges Fahrwasser!]

nicht immer fehlerlos, das sei zugegeben, aber mit einem klaren Ziel. Wir haben keinen Grund zur Überheblichkeit, aber noch viel zu tun. Insofern betrachten wir den heutigen Tag als einen Etappensieg für die Stadt und deshalb als einen guten Tag für Berlin. – Ich bedanke mich!

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Liebich! Das Wort hat die FDP-Fraktion. Das Wort und das Pult hat der Kollege Dr. Lindner – bitte schön!

[Pewestorff (PDS): Der hat wirklich Freunde? – Wechselberg (PDS): 5,3 %!]

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Eine mögliche Klage gegen den Doppelhaushalt 2004/05 hat am 10. Dezember 2003 erste Nahrung bekommen. Da hat mir der Regierende Bürgermeister von Berlin geschrieben, dass er überhaupt nicht daran denke, auf Vorschläge der Opposition einzugehen – die ich ihm mit Schreiben vom 5. Dezember 2003 zum weiteren Verfahren gemacht hatte –, nämlich, zuerst einen Rumpfhaushalt für 2004 aufzustellen, um dann gemeinsam voranzuschreiten bei der Haushaltsaufstellung 2005, in Ruhe das Verfassungsgerichtsurteil vom Oktober 2003 auszuwerten, in Ruhe die Ergebnisse der Enquetekommission einzuarbeiten, um dann mit dem Ziel, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, es auch zu vermeiden, dass wir Politik in Gerichtssälen fortsetzen. Das hatte ich in klaren Worten angeboten. Ich hatte darüber hinaus angeboten dann einen wesentlich anderen Maßstab anzulegen als ursprünglich gedacht. – Das hat der Regierende Bürgermeister abgelehnt, mit einem kleinen, drei Absätze umfassenden Schreiben.

Damit nahm die Sache ihren Lauf. Sie haben Ihren ursprünglichen Etatentwurf durchgepeitscht. Vorschläge der Opposition, auch von uns,

[Wechselberg (PDS): Welche Vorschläge?]

um in beträchtlicher Höhe zu Einsparungen zu gelangen, haben Sie vom Tisch gefegt. Sie haben es durchgezogen. Deshalb kann es keinen vernünftigen Menschen inner- und außerhalb Berlins überraschen, dass der von den Fraktionen der FDP und der CDU beauftragte Gutachter, Professor Michael Kloepfer, zu dem Ergebnis kommt, dass auch der Doppelhaushalt 2004/2005 in jedem Fall verfassungswidrig ist. Fast alle Vorgaben aus dem ersten Urteil sind schlichtweg ignoriert worden. Deshalb ist es im Grunde für jeden geboten, einen solchen Verfassungsbruch nicht zu tolerieren. Die Behauptung, die Sie hier verbreiten, dass die Opposition Schuld habe, wenn Sie in Karlsruhe scheitern – darauf hat der Kollege Zimmer schon hingewiesen –, nennt der Professor eine Dolchstoßlegende. Es wird versucht, zwei Verfahren, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben – in Karlsruhe geht es um etwas ganz anderes –, miteinander in Verbindung zu bringen, ohne dass es eine rechtliche, politische und noch nicht einmal eine psychologische Verbindung zwischen diesen Verfahren gibt. Sie können uns mit einer solchen Dolchstoßlegende nicht ins Bockshorn jagen.

Deswegen haben wir als Rechtstaatspartei, die sich rechtstaatlichen Prinzipien besonders verpflichtet fühlt, heute in einer Fraktionssondersitzung beschlossen, dass wir als FDP-Fraktion eine Klagen gegen den Doppelhaushalt 2004/2005 anstreben.

[Beifall bei der FDP]

Wir haben uns das nicht leicht gemacht. Das ist eine ganz klare Ansage: Wir streben eine Klage gegen den Haushalt an. Aber wir bieten Ihnen gleichzeitig an, durch Maßnahmen, die zu ergreifen sind, zu einer durchgreifenden Sanierung der Staatsfinanzen Berlins zu kommen und damit auch zu erlangen, dass die FDP-Fraktion darauf verzichtet, eine Klage anzustreben.

[Liebich (PDS): Sie können doch gar nicht allein klagen! Sie haben nicht genug Stimmen!]

Herr Liebich, die Mitglieder der Fraktion der FDP reichen nicht aus, um eine Klage einzureichen. Aber es gibt noch andere Fraktionen, und es ist letztlich jedem einzelnen Abgeordneten vorbehalten, sich einer solchen Klage anzuschließen. Dann werden wir weitersehen.

[Liebich (PDS): Das ist eine gewagte These!]

Aber noch einmal: Das politische Ziel der FDP-Fraktion ist es nicht, in den Gerichtssaal zu gehen, das Ziel ist es vielmehr, zu einer durchgreifenden Sanierung zu kommen.

[Beifall bei der FDP]

Dafür machen wir Ihnen eine Reihe von Vorschlägen, die Sie schriftlich bekommen, die ich Ihnen, Herr Regierender Bürgermeister, gleich in einem Schreiben überreichen werde.

[Liebich (PDS): Die Vorschläge können Sie im Hauptausschuss machen, dafür ist er da!]

Hier im Parlament werden sie nach der Sommerpause als Anträge der FDP-Fraktion vorgelegt werden. Es sind eine Reihe von Vorschlägen, die ich in der verbleibenden Zeit nicht im Einzelnen darstellen will.

Das Wesentliche ist natürlich eine Verwaltungsreform. Wesentlich ist, dass endlich all die Vorschläge, die aus der Scholz-Kommission, der Enquetekommission usw. kommen, aufgenommen und in praktische Handlungsempfehlungen umgesetzt werden.

Spitzen Sie die Ohren – auf Ihrem SPD-Parteitag können Sie das anders darstellen, aber es entspricht dann nicht mehr der Wahrheit als das, was ist jetzt sage –: Der Abbau von 40 000 Stellen ist die Zielgröße, die Ihr eigener Senator in seinen Papieren formuliert. Es gab einen Folienvortrag dazu. Darin wurde der aktuelle Personalbestand mit 132 500 beziffert. Er möchte auf 109 000 herunter. Das sind 23 000 Stellen, und er geht davon aus, dass noch eine Überausstattung von 14 000 übrig bleibt. Das sind 37 500 Stellen. Unser Ehrgeiz ist etwas größer: Wir sagen: 40 000 Stellen. Aber wenn wir uns auf 40 000 Stellen einigen, dann wären wir bereit, eine Basis zu finden.

[Beifall bei der FDP]

Das kann nicht so funktionieren, wie Sie sich das vorstellen. Das geht nicht, indem man Stellen einfach nicht nachbesetzt. Man muss vielmehr den Stier bei den Hörnern packen und systematisch herangehen: Aufgabenkritik, Änderung des Verwaltungsaufbaus – dazu sind Sie allein schon durch die anstehende Fusion mit Brandenburg gezwungen –, Vereinfachung der Verfahren, Privatisierungen. Anders bekommen Sie das nicht hin. Wir fordern nicht dazu auf, 40 000 Stellen bis Mai 2006 abzubauen, sondern bis zum 1. Mai 2006 ein Konzept zu erarbeiten, das dann beraten werden kann. Sie haben lange Zeit, aber die Zielgröße ist eindeutig: 40 000 Stellen müssen systematisch abgebaut werden.

[Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Liebich (PDS)]

Das soll nicht Rot-Rot machen. Dazu sind Sie nicht in der Lage. Die Verwaltung muss das tun. Dazu muss sie sich externen Sachverstands bedienen.

Flankierend zur Umsetzung sind noch andere Maßnahmen erforderlich: Das Personalvertretungsgesetz muss geändert werden. Es dürfen keine weiteren Bestandssicherungsvereinbarungen getroffen werden. Die bisherigen sind zu überprüfen. Es gibt noch viel mehr. Alles ist aufgeschrieben worden. Niemand kann sagen, es fehle an Vorschlägen.

Ein weiterer Aspekt ist die konsequente Privatisierung des Landesvermögens. Auch hier beziehe ich mich auf Ihre eigenen Aussagen. Herr Sarrazin hat mehrfach gesagt, in Notlagen müsse das Land sein Vermögen verkau

fen. Auch hierzu gibt es klare Vorschläge. Sie reichen von der Berliner Energieagentur, über die KPM, die Messe und Vivantes bis hin zu den Wohnungsbaugesellschaften. Zunächst muss das Ziel die Mieterprivatisierung sein. Soweit das nicht möglich ist, ist das Ziel die schrittweise Privatisierung aller Wohnungsbaugesellschaften bis 2009. Wir haben dazu dezidierte Vorschläge gemacht. Auch zur BSR haben wir einen präzisen Plan gemacht, der niemanden überfordert. Wir sehen noch bis zum 31. Dezember 2007 das Monopol vor. Das selbe muss mit der BVG gemacht werden. Es muss endlich damit begonnen werden, diesen Schatz des Landes nicht zu versilbern oder zu verschleudern. Er muss sinnvoll eingesetzt werden, damit diese Stadt und ihre Bürger wieder eine Zukunft haben.

[Beifall bei der FDP]

Ein weiterer Punkt ist Tempelhof: Die Angebote müssen genutzt werden, um zu einer Entlastung zu kommen. Es muss ein Hauptpächter gefunden werden, der eine Kostenübernahme sicherstellt. Es muss verhindert werden, dass der Flugbetrieb eingestellt wird und der Steuerzahler auf den gesamten Liegenschaftskosten sitzen bleibt.

Wir haben Ihnen ein ganzes Bündel von Vorschlägen gemacht. Ich bitte Sie, diese seriös zu prüfen und mit uns darüber im Lauf der Sommerpause zu verhandeln.

[Zurufe]

Die Sommerpause wird ja nicht jeder dazu verwenden, wochenlang Urlaub zu machen. Man kann sicher auch miteinander verhandeln. Wir werden aber auch danach noch im Plenum Gelegenheit haben, über die Umsetzung dieser Vorschläge zu verhandeln. – Wenn Sie bereit sind, die wesentlichen Teile dieser Maßnahmen, die Ihr eigener Finanzsenator ebenfalls für richtig hält, vernünftig gemeinsam mit uns umzusetzen, dann werden wir darauf verzichten, eine Klage anzustrengen.

[Zuruf der Frau Abg. Breitenbach (PDS)]

Das ist ein vernünftiges Angebot. Wir wollen Politik machen. Wir wollen diesen Haushalt sanieren. Wir bieten Ihnen an, aus dem eindeutigen Verfassungsbruch von Rot-Rot einen Aufbruch für Berlin und seine Bürger zu machen. Nutzen Sie die Chance, einen deutlichen Schritt nach vorne zu machen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der FDP – Liebich (PDS): Die kleine FDP kann uns nicht bedrohen!]

Vielen Dank, Herr Dr. Lindner! – Bevor wir fortfahren haben wir die Freude, auf der Tribüne eine Abordnung von Abgeordneten der Nationalversammlung der Republik Kenia zu begrüßen. – Herzlich willkommen!

[Allgemeiner Beifall]

Für die Fraktion der Grünen hat nun der Kollege Eßer das Wort. – Bitte schön!