Protocol of the Session on June 17, 2004

Der erfahrene Schulleiter weiß: Ohne Ecken rauchen sie auf dem Klo oder im Gebüsch,

[Dr. Lindner (FDP): Dann stehen sie halt vor der Tür!]

Andererseits: Rauchen auf dem Klo macht einsam und ist eklig. Rauchen auf dem Schulhof ist gesellig und schafft Vorbilder. Unzählige Schüler haben Rauchen gelernt, weil die coolen Oberstufler in der Raucherecke es vorgemacht haben. Ob sie es ohne dieses Vorbild gelassen hätten, reine Spekulation, aber nahe liegend genug, um die Abschaffung der Raucherecken vernünftig erscheinen zu lassen.

[Dr. Lindner (FDP): Es lebe das Verbot!]

Vertrauen Sie nicht auf freiwillige Initiativen, schließen Sie sich unserem Antrag an,

Vizepräsidentin Michels

[Liebich (PDS): Toll, Zwang statt Freiwilligkeit! – Zuruf des Abg. Hillenberg (SPD) – Anhaltende Unruhe]

dem fraktionsübergreifenden Antrag von 75 Abgeordneten dieses Hauses. Sie haben damit die breite öffentliche Unterstützung hinter sich.

[Dr. Lindner (FDP): Populismus!]

Umfragen im RBB und im „Tagesspiegel“ haben ergeben, dass mehr als 90 Prozent der Bevölkerung Berlins hinter diesem Antrag stehen. Ich bitte um Ihre Zustimmung!

[Beifall bei den Grünen, der SPD, der CDU und der PDS]

Danke schön! – Das Wort für den dringlichen Antrag hat jetzt im Namen der weiteren Mitglieder des Hauses, die den unterstützt haben, Frau Senftleben! – Bitte sehr, Frau Senftleben!

[Anhaltende Unruhe]

Ich freue mich, dass wir heute noch ein bisschen Stimmung kriegen!

Frau Präsidentin! Meine Herren,

[Beifall des Abg. Radebold (SPD)]

meine Damen! Frau Hämmerling, Ihr Antrag lautet: „Programm rauchfreie Schule durch ein generelles Rauchverbot an Schulen unterstützen.“ – Da finde ich es schon ein bisschen widersinnig, wenn Sie ein auf Freiwilligkeit beruhendes Projekt, nämlich die rauchfreie Schule, durch ein umfassendes Verbot unterstützen wollen.

[Beifall der Frau Abg. Schaub (PDS)]

Eigentlich führen Sie damit das gesamte Prinzip ad absurdum. Ich glaube, Frau Grunert – schade, dass sie nicht mehr da ist – würde sich freuen. Man könnte es nämlich auch damit gleichsetzen, dass man Sportvereinen durch die Einführung von Zwangsmitgliedschaft frischen Wind verschaffen wollte.

[Hoffmann (CDU): Quatsch! Bleiben Sie doch auf dem Boden!]

Aber es ist unbestritten: Rauchen schadet. Rauchen ist ungesund, insbesondere junge Menschen sind gefährdet. Rauchen sollten wir als ein soziales Problem auffassen. Cool sein, Gruppenzwang, das elterliche Vorbild,

[Unruhe – Liebich (PDS): Ruhe, ich verstehe nichts!]

aber nicht nur das, auch andere Vorbilder, alles Faktoren, die junge Menschen und leider auch immer mehr Kinder dazu animieren, zum Glimmstängel zu greifen. Kaum einer startet seine Zigarettenkarriere aus eigenem Antrieb, aber die Zahl derer, die mit der Qualmerei beginnen, liebe Frau Hämmerling, weil es ihnen ihre Lehrer und Lehrerinnen vormachen, dürfte gering sein.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen]

Sie, Frau Hämmerling, und Ihre Unterstützer reduzieren die Negativvorbilder auf die Lehrer und Lehrerinnen, und damit machen Sie es sich zu einfach.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mutlu?

Nein, im Augenblick nicht.

[Zuruf des Abg. Mutlu (Grüne)]

Wenn Sie die Vorbilder künftig in die Pflicht nehmen wollen, und nichts anderes steht in Ihrer Begründung des Antrags, dann ahne ich Böses. Das nächste Ziel wäre womöglich das Rauchverbot für Politiker und Politikerinnen,

[Allgemeines Gelächter und Beifall – Zurufe von allen Fraktionen]

die unbestritten eine Vorbildfunktion ausüben. Prima! Ein Rauchverbot für Universitäten, ein Rauchverbot für Hochschulen, an Ausbildungsstätten, wunderbar!

[Gelächter, Beifall und Gejohle – Dr. Steffel (CDU): Für Schwangere!]

Und an Ihren Beifall, meine Herren, meine Damen, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, an diesem Beifall sehe ich: Dieser Antrag ist offensichtlich der Anfang für weitere Missetaten in diesem Bereich.

[Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU, der PDS und den Grünen]

Ich frage ganz klar: Wollen Sie das Rauchverbot wie in den USA in öffentliche und private Räume hineintragen, Raucher vielleicht kriminalisieren?

[Dr. Steffel (CDU): Bravo! – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Protestrufe und Beifall von allen Fraktionen]

Nein! Eine solch restriktive Politik lehne offensichtlich nicht nur ich in diesem Hause ab, was ich an dem Beifall merke.

Doch jetzt zu dem eigentlichen Problem, um das es heute geht, Herr Steffel,

[Dr. Steffel (CDU): Ja!]

die rauchfreie Schule,

[Zuruf des Abg. Dr. Steffel (CDU) – Unruhe]

ein hehres Ziel. Und liebe Frau Hämmerling, dieses Ziel eint uns, aber der Weg trennt uns. Haben wir es eigentlich vergessen, – –

[Anhaltende Unruhe]

Wenn sich die CDU doch einfach ein bisschen benehmen könnte! –

[Beifall bei der FDP, der SPD und der PDS – Zuruf von der SPD: Können die nicht!]

Ich sage es noch einmal, Frau Hämmerling, das Ziel eint uns, der Weg trennt uns. Haben wir es eigentlich verges

Frau Hämmerling

sen, dass wir vor vier Monaten ein Schulgesetz verabschiedet haben,

[Frau Dr. Tesch (SPD): Ein sehr gutes Schulgesetz! – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

in dem die Eigenverantwortung der jeweiligen Schule groß geschrieben wird?

[Zuruf des Sen Böger]