Protocol of the Session on May 13, 2004

Deswegen, zum Abschluss in diesem Haus: Im Preußischen Landtag wurden während der Novemberrevolution 1918 die entscheidenden Weichen hin zur Repräsentativen Demokratie gestellt. Hier wurde auch der Traum gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht von der Volkssouveränität der Gleichen wahr. Wir müssen uns fragen – und da tut es weh, wenn Schülerinnen und Schüler heute den Eindruck eines gelangweilten Schlaflabors erhalten –, ob wir diesem Anspruch gerecht werden und inwieweit wir in der Lage sind, uns der demokratischen Tradition dieses Hauses als gerecht zu erweisen.

[Lang anhaltender Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Danke schön, Herr Kollege Wieland. – Jetzt erhält der Kollege Over die Gelegenheit zu einer persönlichen Erklärung in Bezug auf die Rede vom Kollegen Ritzmann. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Unterstellungen des Abgeordneten Ritzmann gegen meine Person weise ich hier in aller Klarheit zurück. – Herr Ritzmann! Sie haben im Vergleich zur Presseberichterstattung vom Montag noch „einen draufgelegt“. Sie haben sich zu dem Strafverfahren, das nordrhein-westfälische Polizeibeamte gegen meine Person eingeleitet haben – ich weiß immer noch nicht, um welchen Vorwurf es eigentlich geht; das haben

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der FDP. Das Wort hat Herr Kollege Matz. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Satz, der unter Fachleuten sehr verbreitet ist, besagt: Wenn auf den Gräbern aller unentdeckt Ermordeten ein Lichtlein stände, wären die Friedhöfe hell erleuchtet. – Es geht um das Thema der unentdeckten oder ungeklärten Todesfälle, und dieses Thema hat auch zahlenmäßig eine gewisse Bedeutung. Eine Untersuchung des Rechtsmediziners Brinkmann aus Münster aus dem Jahr 1997 besagt, dass unter 350 angeblich natürlichen Todesfällen, die untersucht worden waren, 12 Tötungen, 49 Unfallopfer und 19 Todesfälle nach medizinischen Maßnahmen gewesen sind, obwohl zunächst von einer natürlichen Todesursache die Rede gewesen ist. Fachleute schätzen, dass es in Deutschland jährlich bis zu 1 000 Morde bzw. Tötungen gibt, die unentdeckt bleiben.

die Beamten in der Nacht zum 2. Mai noch diskutiert –, hiermit offensiv eingeladen. Ich fand Ihre Äußerung am Montag beachtenswert, als Sie sagten, der Kollege Over habe sich „bis an den Rand des für einen Abgeordneten Legitimen“ eingesetzt. Ich hätte mir gewünscht, Sie wären an dieser Stelle nicht zwei Meter weggegangen, sondern an meiner Seite geblieben wie andere Abgeordnete dieses Hauses. Faschismus ist keine Meinungsäußerung, Faschismus ist ein Verbrechen. – Danke!

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Danke schön! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 3:

II. Lesung

Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin

Beschlussempfehlung Recht Drs 15/2803 Antrag der Grünen Drs 15/2178

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel zu verbinden. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I und II, Drucksache 15/2178. – Eine Beratung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Abstimmung kommen können. Der Ausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme unter Berücksichtigung der in Drucksache 15/2803 beschlossenen Maßgaben. Wer also dem Gesetz zur Änderung der Verfassung von Berlin, Drucksache 15/2178, unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind alle Fraktionen. Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Eine. Dann ist das einstimmig so angenommen.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 4:

a) II. Lesung

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Leichen- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz)

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/2804 Antrag der CDU Drs 15/784

b) II. Lesung

Viertes Gesetz zur Änderung des Bestattungsgesetzes

Beschlussempfehlung GesSozMiVer Drs 15/2805 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/2539

[Gram (CDU): Das passt zu den Reden!]

Ich eröffne die II. Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der jeweils zwei Artikel zu verbinden. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.

Ich rufe also auf jeweils die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel 1 und 2 – Drucksache 15/784 und Drucksache 15/2539 – unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlung in Drucksache 15/2805.

Deswegen ist das ein Thema, mit dem wir uns noch einmal befassen sollten. Es ist zu fragen, ob der Senat mit der Vorlage des neuen Bestattungsgesetzes tatsächlich das getan hat, was man tun sollte, um mit diesem Problem einigermaßen umgehen zu können oder Verbesserungen zu erzielen. Nach Auffassung von Fachleuten in Berlin – darunter Gerichtsmediziner, der Bund Deutscher Kriminalbeamter oder auch die Bestatter – werden Leichenschauen auch, aber nicht nur in Berlin, oft nach dem Motto: „Deckel auf, Deckel zu“ durchgeführt. Da hilft dann auch nicht die Vorschrift, dass es statt einer Leichenschau eine zweite zu geben hat. Da hilft es auch nicht, dass in dem Gesetz, das uns heute zur Abstimmung vorliegt, die Bedingungen dafür, dass eine zweite Leichenschau stattzufinden hat, verschärft werden. Vielmehr muss eine wirklich intensive Leichenschau durchgeführt werden, damit man diesen unentdeckten Tötungsdelikten zumindest etwas besser auf die Spur kommen kann.

Dafür gibt es Vorschläge der Bundesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung in Berlin und des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Diese hätte man einbeziehen sollen und das Ganze auf der Ebene einer Rechtsverordnung und mit dem bestehenden Bestattungsgesetz – also mit den Regelungen, die wir heute schon haben – umsetzen können. Dann würde sich bei diesem Problem tatsächlich etwas zum Positiven ändern.

[Beifall bei der FDP]

Deswegen lauten unsere Forderungen:

Matz

Ich möchte am Schluss nicht unerwähnt lassen, dass in diesem Gesetzentwurf einiges steht, das durchaus unsere Zustimmung findet. So finden wir es z. B. angemessen und richtig, die Entscheidung über die Bestattung von Tod- und Fehlgeborenen in Zukunft den Eltern zu überlassen. Also, dieses Gesetz ist nicht von Grund auf schlecht, aber das, was es zum Thema Leichenschauen enthält, führt für die FDP-Fraktion dazu, dass wir sagen: Dieses Gesetz in der vorgelegten Form lehnen wir ab. Wir hoffen auf ein neues, besseres.

Das Wort hat nun Herr Kollege Kleineidam. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Matz! Ich bedanke mich bei Ihnen ausdrücklich für die plastische Einführung in das Thema. Sie haben noch einmal sehr nachvollziehbar dargelegt, warum es so wichtig ist, dass wirklich festgestellt wird, ob ein natürlicher oder unnatürlicher Tod vorliegt.

Wir haben es – und darauf sind Sie nicht so sehr eingegangen – bei der vorliegenden Gesetzesänderung mit der Frage der Feuerbestattungen zu tun. Wenn Verdachtsmomente auftauchen sollten, besteht nach der Feuerbestattung keine Möglichkeit mehr, weitere Untersuchungen zu veranlassen – anders als bei Erdbestattungen. Deshalb sind wir weiterhin der Meinung, dass es hierbei eine zusätzliche Sicherheit geben muss. Da reicht eine Leichenschau nicht aus, sondern eine zweite muss gewährleistet sein. Wenn ich es etwas flapsig formulieren darf: Das Vieraugenprinzip, das wir in vielen anderen Bereichen als Sicherheitskriterium haben, sollte auch hier gelten.

Erstens muss die Leichenschau in Berlin qualifiziert und gewissenhaft durchgeführt werden. Der Senat sollte auch den Missstand, der unter Fachleuten stadtbekannt ist, nicht länger verleugnen. Es ist wiederholt behauptet worden – auch in der Ausschusssitzung –, es gebe kein Problem.

Zweitens: Wenn wir solche qualitativ hochwertigen Leichenschauen hätten, dann würde auch eine genügen.

Drittens: Wir brauchen einen Bereitschaftsdienst, auf dessen Einrichtung sich die Kassenärztliche Vereinigung derzeit schon vorbereitet. Dabei sollten die Qualifikation sichergestellt und entsprechende Fortbildungsmaßnahmen gewährleistet sein.

Viertens: Wir brauchen flächendeckend diese eine qualifizierte Leichenschau – durchgeführt von ausgewiesenen Fachleuten.

Daneben wäre noch über die Frage nachzudenken – auch das ist etwas, mit dem sich der Gesetzentwurf überhaupt nicht befasst hat –, ob neben den Todesformen „natürlicher Tod“ oder „unnatürlicher Tod“ auch der „unerwartete Tod“ im Rahmen medizinischer Maßnahmen eine zusätzliche Begrifflichkeit sein könnte, die einzuführen helfen würde.

[Beifall bei der FDP]

Ich bin der Auffassung gewesen, dass wir die Diskussion über dieses Thema heute noch einmal führen sollten, weil die Kassenärztliche Vereinigung, nachdem wir in der Ausschussberatung mit Mehrheit – also den Koalitionsfraktionen – beschlossen hatten, dieses Gesetz in unveränderter Form durchlaufen zu lassen, ihre Initiative begonnen hatte und sich dabei auch darauf bezog, dass sie damit einer künftigen, noch zu erlassenden Rechtsverordnung gerecht werden wolle, die aber mit dem Gesetzestext, der uns heute vorliegt, so gar nichts zu tun hat.

Da dieses Thema – das Erlebnis des Todes und der Bestattung – fast alle Berlinerinnen und Berliner in einer gewissen Regelmäßigkeit im Freundes- und Familienkreis immer wieder beschäftigt, wäre es auch insgesamt angemessen, sich mit Bestattungen, mit dem Tod und unserem Umgang damit in Berlin zu befassen. Eine öffentliche Debatte beispielsweise über die Lockerung des Friedhofszwanges bei Feuerbestattungen wäre eigentlich überfällig – zumindest die Debatte darüber. Es gibt auch andere Bundesländer, die diese Debatte führen wie z. B. Niedersachsen.

Unter dem Aspekt des Gesundheitsschutzes spricht bei Feuerbestattungen nichts dagegen, den Friedhofszwang zu lockern, sondern es sind allein ethische und religiöse Aspekte, die bei dieser Debatte bisher noch nicht dazu geführt haben, dass ein Bundesland in die Offensive gegangen ist. Ich würde mich freuen, wenn wir diese Debatte unabhängig von dem heutigen Gesetz in Berlin vielleicht doch noch bekommen würden.

[Beifall bei der FDP]

Damit möchte ich überhaupt nicht gegen Ihre weiteren Ausführungen sprechen. Sie haben darauf hingewiesen, dass sich viele Institutionen darüber Gedanken machen, wie die Qualität der Leichenschau verbessert werden kann. Das ist richtig, und das findet unsere Unterstützung. Aber Sie haben selbst zu Recht gesagt, das liege eigentlich neben diesem Gesetz. Das kann in Form einer Rechtsverordnung im Detail weiter geregelt werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass die zuständige Senatsverwaltung diese Initiativen, die in diesem Zusammenhang entstanden sind, aufnehmen und auch verarbeiten wird. Es steht aber nicht im Widerspruch zu dem, was wir heute als Gesetzesänderung verabschieden wollen.

Bei dieser Gesetzesänderung ging es um Folgendes: Bisher hatten wir die Rechtslage, dass bei Feuerbestattungen in Berlin eine zweite Leichenschau stattfinden muss. Nun ist nach der Wende eine andere Entwicklung eingetreten, denn seitdem können Feuerbestattungen auch im Ausland durchgeführt werden. Dadurch ist die Situation entstanden, dass dann, wenn in Berlin Verstorbene in das Ausland verbracht werden, um dort feuerbestattet zu werden, keine zweite Leichenschau gesichert ist. Die Gesetzesänderung soll nur sicherstellen, dass auch in diesen Fällen so wie bisher bei den in Berlin Eingeäscher

Vielen Dank, Herr Kollege Kleineidam! – Für die CDU erhält das Wort der Herr Kollege Brinsa. – Bitte schön!