Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht zunächst ein kurzes Wort, weil Sie das eingangs auch sagten, Herr Ritzmann, zur Wahl der Aktuellen Stunde. Ich kann nur sagen, wenn Sie nicht praktisch jede Sitzung dazu nutzen würden, entweder einen Abwahlantrag zu stellen oder in irgendeiner anderen Form die Wissenschafts- bzw. Kulturpolitik des Landes Berlin zu thematisieren, hätte man Ihrer Aktuellen Stunde zustimmen können. Aber wenn Sie sich die letzten Sitzungen ansehen, werden Sie merken – ich glaube, zwei oder drei Abwahlanträge sind es inzwischen gewesen –, dass die Aktualität Ihrer
Forderung einfach nachweislich nicht gegeben gewesen ist. Deshalb ist sehr gut nachvollziehbar, dass die Koalition zur ersten Sitzung nach dem 1. Mai diesen zu einem Thema gemacht hat.
Vielen Dank, Herr Kollege Wieland! – Das war nicht seine letzte Wortmeldung heute, wie die Unterlagen hier sagen, aber es ist die letzte Sitzung, deshalb gestatten Sie mir einige Worte.
Heute war ja bereits über Glanz und Schimmer als Merkmale des Parlamentarischen geredet worden. Wolfgang Wielands Prinzip war eher, dass Reibung Hitze erzeugt. Er hat für die Schärfung der Auseinandersetzung, die Klärung der Begriffe seit 1987 mit kleinen Unterbrechungen hier im Haus gewirkt, und ich glaube, alle wissen, dass er dem Parlament fehlen wird. Die einen werden dies, die anderen werden das hineinlegen in diesen Satz. Unsichtbar wird er nicht bleiben, heute kommt er auch noch einmal ans Pult.
Jetzt ist es Zeit für den Senat. Herr Senator für Inneres, Herr Körting, Sie haben das Wort! – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Jahr 2002 gesagt, dass jeder Senator für Inneres dieses Landes nach dem 1. Mai blass aussieht. Die Blässe hält sich heute in Grenzen. Das ist mir aus den Beiträgen aller Fraktionen deutlich geworden. Mir bleibt nicht viel hinzuzufügen.
Mir bleibt der Dank an diejenigen, die sich engagiert haben, das sind die Anwohner im Kiez, in Kreuzberg, das sind die Vertreter des Bezirksamts, an der Spitze Frau Reinauer, das sind die türkischen und arabischen Verbände, mit denen wir vorher gesprochen haben und die dieses Mal in bewundernswerter Art und Weise vor Ort präsent waren und sich auch mit ihren Jugendlichen und Heranwachsenden vor Ort auseinander gesetzt haben, das ist auch – und ganz besonders – die Polizei, die nicht nur das Walpurgisfest und den 1. Mai zu bewältigen hatte, sondern die darüber hinaus eine Reihe von hochkarätigen Veranstaltungen davor hatte und die eine Reihe von hochkarätigen Veranstaltungen tagtäglich, auch am kommenden Wochenende, mit international in hohen Gefährdungsstufen eingestuften Besuchern wieder zu bewältigen hat. Das ist also die Polizei Berlins, die sich bewährt hat und der unser allgemeiner Dank gilt. In den Dank schließe ich ausdrücklich die Mitarbeiter anderer Landespolizeien – immerhin 11 Bundesländer haben uns mit Bereitschaftspolizei unterstützt – und den Bundesgrenzschutz ein.
Die Vertreter der Fraktionen haben vorgetragen, was es dieses Mal gegeben hat: eine Vielzahl von präventiven Maßnahmen, aber auch die notwendige Repression in der beweissicheren Festnahme von Menschen, die Straftaten begehen. Ich möchte das nicht alles wiederholen, ich möchte Rituale beenden. Dazu gehört auch, dass man nicht alles das, was vorher gesagt wurde, noch einmal in zehn Minuten zusammenfasst und wiederholt.
Ich bin der Auffassung, dass sich die Sicherheitspolitik, die wir in Berlin als Senat machen, zusammenfassen lässt mit dem Schlagwort: Wir sind für Sicherheit, und
wir sind für Augenmaß. – Insofern zeigt der 1. Mai 2004: Wir sind auf dem richtigen Weg. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Senator Dr. Körting! – Wir kommen zur zweiten Rederunde mit bis zu fünf Minuten pro Fraktion. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat der Kollege Zackenfels. – Bitte schön!
Ich glaube, die Bewohnerinnen und Bewohner in SO 36 erkennen an, dass Senat und Polizei sie dieses Jahr nicht im Stich gelassen haben, sondern ihnen genauso Schutz gewährt haben, wie er ansonsten gern den Villen in Zehlendorf zu Gute kommen mag. Dass das unter CDU-geführten Senatoren nicht der Fall war, sondern schwarze Parolen Wochen vor und Wochen nach dem 1. Mai von den Bildern brennender Autos zehrten, dürfte selbst in Ihrem Lager, Herr Henkel, unbestritten sein.
Mittelpunkt des 1. Mais in diesem Jahr war ein wahrhaft friedliches Fest, getragen von einer Vielzahl lokaler Akteure. Der Senat hat das Fest nicht ausgerichtet, aber er hat seinen Beitrag dafür geleistet, dass die Rahmenbedingungen geschaffen wurden, damit wir mit unseren Kindern dort friedlich feiern können. Für Sie, meine Herren von der CDU – und das haben Ihre heutigen Beiträge gezeigt – bleiben die Begriffe wie „Straßenterror“ leider weiterhin zentrale Begrifflichkeiten. Kollegin Hertel hat bereits die Verdienste von Polizei, Polizeitaktik, Senator für Inneres oder der besonnenen Demonstranten hervorgehoben. Dem will ich mich ausdrücklich anschließen.
Als direkt gewähltem Abgeordneten für diesen Bezirk kommt mir jedoch verständlicherweise eine besondere Verantwortung zu, die bisher nur relativ anonymisiert als Zivilgesellschaft zu Recht Gelobten zu nennen und ihnen zu danken: Türkische Gemeinde zu Berlin, Naunynritze, Stadthaus Böcklerpark, der Kurdische Kultur- und Hilfeverein, Kotti e. V., der „Goldene Hahn“, die Bewohnerinnen und Bewohner des Phoenixhauses, Shelter Security,
Damit unterscheiden wir uns grundlegend von den Oppositionsparteien in der Zeit der großen Koalition. Hier haben Abgeordnete der damaligen Opposition unter Führung von Herrn Over und Herrn Wieland immer Verständnis uns Sympathie für die linksradikalen Gewalttäter geäußert, sogar an diesen Veranstaltungen teilgenommen.
Bei der Diskussion darüber in diesem Haus haben sich seine Parteifreunde darüber köstlich amüsiert und ihm auch noch Zuspruch dafür gegeben. Herr Wieland forderte in seiner Rede zum 1. Mai 2001 – ich möchte Sie auch noch an Ihrem möglicherweise letzten Tag in diesem Parlament daran erinnern – nicht das Ende der Gewalt durch Chaoten, nein, er forderte den Rücktritt des Innensenators,
das Symphonische Blasorchester, Zentralorchester Berlin, die Betreiber des Jodelkellers, Manne, Christian, Mustafa, Pinsel, Günez e. V., dem HdB und vielen, vielen mehr. Last but not least natürlich der IG Oranienstraße, Familie Sönmez, Doris Rupp, Monika Wagner, Udo Flüter, Jochen Kolkmaier und Silke Fischer.
Diese Liste ist selbstverständlich nicht vollständig, sondern nur ein Auszug, und sie möchte diese Personen und Institutionen nicht vereinnahmen, aber ihnen an dieser Stelle stellvertretend auch für alle anderen den Respekt zollen, der ihnen gebührt. Ich sage einfach: Hut ab vor dem, was da geleistet wurde!
Selbstverständlich ist der Erfolg in diesem Jahr kein Garant für die Zukunft, vielleicht sogar zum Teil das Gegenteil. In dem Maße, in dem Teilen der Medien und Politik das Feindbild verloren geht, wird es auch weiterhin Versuche geben, Kreuzberg als Beispiel für Gewaltbereitschaft in sozialen schwierigen Quartieren einerseits oder willkürlicher staatlicher Gewalt andererseits zu verhaften. Es muss im Interesse von uns allen sein, die friedlichen Kräfte auch nächstes Jahr zu stärken. Friedlich heißt nicht friedfertig, und ich behaupte einfach, dass Kreuzberg SO 36 seinen eminent politischen Charakter beibehält, auch wenn Jugendliche und Polizisten keine Platzwunden aufweisen. Allen, die, so hört man, jetzt bereits für die nächsten 25 Jahre gewaltbereite Demos angemeldet haben, mag daher zum Schluss diese Warnung eines Anwohners gelten: „Macht kaputt, was Kreuzberg kaputt macht.“ – Ich bedanke mich ganz herzlich.
Vielen Dank, Herr Kollege Zackenfels! – Für die CDU erhält der Kollege Wansner das Wort. – Bitte schön!
[Mutlu (Grüne): Jetzt kommt der wahre Kreuzberger! – Zackenfels (SPD): Wo wohnen Sie denn, HerrWansner? – Wieland (Grüne): Der Gesinnungskreuzberger!]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zackenfels! Sie wollten vor zwei Jahren schon 60 000 Menschen nach Kreuzberg bekommen, um dort ein friedliches Fest zu feiern. Dies ist Ihnen damals schon nicht gelungen, und es wird Ihnen sicherlich auch in den nächsten Jahren nicht gelingen.
Die CDU hat in den letzten Jahren im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Informationsblätter mit folgendem Inhalt verteilt – Herr Präsident, Sie erlauben mir sicherlich, dies zu zitieren –.
Besetzen Sie wie in den vorigen Jahren gemeinsam mit den Mitgliedern der CDU FriedrichshainKreuzberg die Straßen, Plätze und Parkanlagen in unserem Bezirk!
Nehmen wir den Chaoten die Chance, unseren Bezirk in diesem Jahr wieder zu zerstören! 18 Jahre Krawall sind endgültig genug!
Mit diesem Aufruf an die Bevölkerung wollten wir den Einsatz der Polizei unterstützen und unseren Bezirk nicht wieder den linksradikalen Gewalttätern überlassen.
Ich erinnere nur an den Abgeordneten Over von der PDS, der am 1. Mai 2001 grölend mit einem Transparent durch die Straßen zog mit der Aufschrift: Polizeistaat.
den er für diese Gewaltausschreitungen damals verantwortlich machte. Frau Klotz, Sie bezeichneten den damaligen Innensenator noch als Desaster, bzw. Sie bezeichneten Herrn Werthebach als das Unheil.
Kein Wort damals von Ihnen zu den linken Krawalltätern! Fast höhnisch, schon ein wenig geistig verwirrt muss man sein,
wenn man an diesem 1. Mai 2004 – Sie sollten nicht so unruhig sein – die Äußerungen des Bundestagsabgeordneten Ströbele zur Kenntnis nehmen muss. Ich zitiere – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Parlamentspräsident –
Krawallmacher stoppen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele hat sich auf dem „Myfest“ in Kreuzberg lobend über die Polizei geäußert. „Der Bulle ist nicht mehr das Schwein“, sagte Ströbele zur Deeskalationsstrategie der Polizei.
Lassen Sie mich zum Schluss Dank an die Türkische Gemeinde in dieser Stadt sagen. Da unterscheide ich mich nicht von meinem Vorredner. Sie haben sich sicherlich engagiert und für einen friedlichen 1. Mai eingesetzt. Von Ihnen, Herr Körting, verlangen wir im nächsten Jahr etwas mehr Einsatz für die verletzten Polizeibeamten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir konnten in der letzten Rede noch einmal die geballte innenpolitische Kompetenz der Berliner CDU erleben.
Ich will darauf nicht im Einzelnen eingehen. Von den Vorrednern ist bereits auf die Debatte im Jahr 2001 verwiesen worden, also dem letzten 1. Mai unter CDUInnensenatoren. Ich habe seinerzeit in meiner Rede Herrn Werthebach gesagt, er verhalte sich so wie jemand, der mit dem Kopf gegen eine Wand rennt und als er merkt, dass er damit nicht durchkommt, die Konsequenz zieht, beim nächsten Mal noch mehr Anlauf zu nehmen. – Mir scheint, dass dieses Gegen-die-Wand-Rennen zumindest in Teilen der CDU auch ohne Werthebach fortgesetzt worden ist.