Protocol of the Session on February 21, 2002

Herr Senator Sarrazin – bitte schön!

Es zeigt doch die schiere Zahl der Verfahren, Herr Abgeordneter, dass hier wirklich sehr viel geschieht. Es zeigt auch der für uns bestürzend hohe Anteil der Verfahren, die letztlich dann nicht zum Erfolg führen, dass die Materie nicht einfach ist. Man muss auch immer wieder unterscheiden, woher der Schaden entstanden ist. Von dem bisherigen Schaden, möchte ich mal sagen, ist ein relativ kleiner Teil durch dolose Handlungen im engeren Sinne entstanden. Der Rest war Inkompetenz, Fahrlässigkeit und Größenwahn; das ist in keiner Weise justitiabel.

Danke schön! – Wir kommen zur Frage des Abgeordneten Lüdeke über

Landesbürgschaft für Kredite der Firma Herlitz

Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Nach welchen Kriterien beabsichtigt der Senat, eine Landesbürgschaft für die Firma Herlitz zu vergeben?

Danke schön! – Wer möchte diese Frage beantworten? – Herr Senator Sarrazin. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch in diesem besonders bedeutenden Fall gelten unverändert die existierenden Landesbürgschaftsrichtlinien, welche bestimmen, wie in allen Ländern, dass Bürgschaften nur dann gegeben werden dürfen, wenn eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Unternehmen auch in der Lage ist, den verbürgten Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dazu gehört in allen Fällen, und auch in diesem Fall wird das dazugehören, dass das Unternehmen gemeinsam mit den beantragenden Banken ein nachvollziehbares, realistisches Sanierungskonzept vorlegt, innerhalb dessen nachzuweisen ist, dass sowohl am Ende die Maßnahme Erfolg haben wird wie auch, dass die verbürgten Kredite auch dann bedient werden können. Zum Ablauf: Es ist so, dass im Augenblick dieser Antrag von den antragstellenden Banken zusammen mit dem Unternehmen Herlitz bearbeitet wird. Sobald wir die Empfehlung des Bürgschaftsausschusses haben, werden die beiden Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Finanzen gemeinsam und – ich gehe davon aus – einvernehmlich über die Annahme der Bürgschaft entscheiden. Uns ist bewusst, es geht um über 800 Arbeitsplätze in diesem sehr alten Berliner Unternehmen. Uns ist aber auch bewusst, dass wir in derartigen Fällen darauf achten müssen, dass wir nicht für Dinge, die möglicherweise keine Erfolgsaussicht haben, noch einmal Landesgeld gefährden, was wir vielleicht anders besser einsetzen könnten. Derartige Fälle sind immer eine gewisse Gratwanderung.

Danke schön! – Herr von Lüdeke, Ihre erste Nachfrage, bitte!

Nun ist ja die Geschichte der Firma Herlitz in den letzten Jahren nicht gerade eine Erfolgsstory. Wenn also eine Prüfung ergeben sollte, dass die Vergabe einer Landesbürgschaft zumindest problematisch ist, wird dann der Senat definitiv darauf verzichten, diese zu vergeben?

Herr Senator Sarrazin, bitte!

Also, das ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um dem Resultat der Prüfung vorab vorzugreifen. Ich kann nur sagen, dass ich persönlich in der vergangenen Geschichte bereits sehr viele Landesbürgschaften abgelehnt habe und mich hinterher darin auch gerechtfertigt sah. interjection: [Wieland (Grüne): Das ist für Berlin aber mal was ganz Neues!] Wenn wir es also wirklich sehen – ich weiß aber nicht, wie es sein wird –, dass es keine überwiegende Chance gibt, hier in der Tat zum Erfolg zu kommen, dann sind andere Wege zu wählen.

Herr von Lüdeke, Ihre zweite Nachfrage? – Dann hat zunächst der Abgeordnete Schruoffeneger das Wort. – Bitte schön!

Herr Senator! Sie haben die Bürgschaftsrichtlinien angesprochen, die voraussetzen, dass es eine große Wahrscheinlichkeit gibt, dass das Unternehmen aus eigener Kraft wieder auf die Beine kommt. Ich möchte Sie daher fragen, ob diese Bürgschaftsrichtlinien auch für andere Bürgschaften des Landes, z. B. gegenüber landeseigenen Betrieben wie der Bank oder Wohnungsbaugesellschaften gelten, oder ob dort andere Kriterien greifen.

Herr Senator Sarrazin!

Diese Richtlinien gelten universal. Ob sie in der Vergangenheit immer adäquat angewandt wurden, kann ich nicht beurteilen.

[Wieland (Grüne): Aber wir!]

Danke schön! – Das Wort hat zunächst Frau Abgeordnete Paus. – Bitte schön!

Herr Senator Sarrazin! Es ist ja sehr erfreulich, dass inzwischen auch die Kriterien für die Vergabe von Landesbürgschaften thematisiert worden sind, gerade angesichts der Geschichte, die die Firma Herlitz in Berlin inzwischen hinter sich hat, nämlich lange Jahre des Versuches der Sanierung, die inzwischen dazu geführt haben, dass 70 % dieses Unternehmens bereits den Banken gehören, und jetzt gibt es wiederum die Debatte darum, inwieweit dieses Sanierungskonzept überzeugt. Sind Sie nicht auch zusammen mit mir der Ansicht, dass die erste Reaktion des Senats – es liegt ein Sanierungskonzept vor, das überzeugt; wir glauben an dieses Sanierungskonzept – eine Art der Politik und des Umgangs mit öffentlichem Geld ist, die sich dieses Land inzwischen doch mal abschminken sollte?

Herr Senator Sarrazin, bitte schön!

Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir prüfen; dass wir natürlich, wenn wir das tun, am Ende auch helfen wollen, wenn dies vertretbar ist, ist klar. Und so habe ich alle Äußerungen aus dem Senat bisher auch verstanden. Es ist für mich ganz klar, wenn wir dabei erkennen, dass in diesem Fall nicht mit einer Bürgschaft geholfen werden kann, dann werden wir es auch nicht tun. Es gibt auch andere Wege, in so einem Fall weiterzukommen.

Danke schön!

Damit kommen wir zur Frage der Abgeordneten Pop über

Azubis sind keine Sparschweine

Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Aus welchen Gründen werden trotz mündlicher Zusagen, Auszubildende des öffentlichen Dienstes, die Ende Februar die vorgezogene Prüfung bestehen, nicht übernommen?

2. Warum ist nicht einmal eine Übernahme für zumindest ein Jahr angedacht, um die Auszubildenden nicht in die Sozialhilfe zu entlassen und damit auch die Sozialkassen des Landes Berlin zu entlasten?

Danke schön! – Herr Senator Körting!

Frau Präsidentin! Frau Kollegin Pop! Ich nehme an, Ihre Anfrage bezieht sich auf die in der letzten Zeit in der Debatte befindlichen 23 Auszubildenden. Da muss ich eine Korrektur zu Ihrer Fragestellung anbringen, obwohl mir das sonst nicht ansteht: Keiner von diesen hat eine vorgezogene Prüfung gemacht. Bei diesen 23 handelt es sich um ganz normale Prüfungstermine, zu denen die Prüfungen gemacht wurden. Es gab Auszubildende in einer kaufmännischen Prüfung, die wir über den Durst ausbilden und in die Wirtschaft entlassen, die eine vorgezogene Prüfung Ende Januar gemacht haben. Da handelt es sich um 18, bei denen zu keinem Zeitpunkt jemals an die

Übernahme gedacht war; das sind Auszubildende, die wir sozusagen über den Durst ausbilden. Bei diesen 23 geht es um den normalen Prüfungstermin.

Ich muss noch eine andere Anmerkung machen, die sich auf die mündlichen Zusagen bezieht: Es gibt aus unserer Sicht für diese Auszubildenden und für weitere 980 in der Ausbildung Befindlichen, die bis zum Jahr 2004 die Ausbildung beendet haben werden, keine verbindliche Zusage. Insbesondere bei den Beamtenanwärtern ist dies eindeutig,

[Zuruf der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)]

weil es, Frau Kollegin Klotz, eine gesetzliche Regelung gibt, dass es keinen Übernahmeanspruch gibt.

Richtig ist, dass gegenüber diesen Mitarbeitern und den Auszubildenden in der Vergangenheit ein Erwartungshorizont geweckt wurde. Bei ihnen wurde die Erwartung geweckt, sie könnten mit einer Übernahme in den Landesdienst rechnen. Dies ist unter anderem geschehen, weil der damalige Innensenator 1999 in der Sitzung des Hauptpersonalrats gesagt hat: Wir haben eine bestimmte Übernahmepraxis. Bis zu einer bestimmten Note übernehmen wir. Bis zu der Note 3,49 übernehmen wir mit Zeitvertrag, wobei bei einer Bewährung weiter übernommen wird. – Diese Praxis ist von der damaligen Staatssekretärin Koller in einer Teilpersonalversammlung der Auszubildenden der Innenverwaltung am 10. April 2000 bestätigt worden. Dort wurde gesagt, dass bis auf weiteres so verfahren wird. Eine Zusage im rechtlichen oder gar beamtenrechtlichen Sinn ist dies mitnichten. Aber bei den Leuten wurde ein Erwartungshorizont geweckt. Es tut mir leid, dass ich diesem Erwartungshorizont nicht entsprechen kann.

Die Situation auf dem Personalsektor des Landes Berlin ist den Beteiligten durch die Debatten der letzten Wochen und Monate bekannt. Wir haben einen viel zu hohen Ausgabenanteil im Personalwesen. Wir sind hinsichtlich des Personals im Vergleich zu anderen Bundesländern überausgestattet. Die Koalitionsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, diesen Personalüberhang in Höhe von 500 Millionen Euro im Lauf der Legislaturperiode abzubauen und zusätzlich durch strukturelle Maßnahmen, die noch mit den Gewerkschaften zu verhandeln sind. Dies entspricht ungefähr einem Stellenabbau von 15 000 Mitarbeitern.

[Zurufe der Frau Dr. Klotz (Grüne) und des Abgn. Wieland (Grüne)]

Parallel zu dem schon stattgefundenen Stellenabbau, der teilweise noch nicht umgesetzt wurde, bedeutet dies, dass ein erheblicher Teil der Mitarbeiter auf Grund natürlicher Fluktuation ausscheiden soll. Es wird aber auch Mitarbeiter geben, die von uns nicht entlassen werden, aber für die eigentlichen Dienstaufgaben nicht mehr in dem bisherigen Umfang benötigt werden.

Im Bereich des mittleren Dienstes, um den es hier geht, ist die Situation mit dem Stand gestern folgendermaßen: Wir haben 52 Mitarbeiter der Besoldungsgruppe A 6 und 9 Mitarbeiter der Besoldungsgruppe A 7 im Überhang. Wir haben demnach 61 Mitarbeiter dieser Besoldungsgruppen im Überhang, die auf freien Stellen untergebracht werden müssen. Angesichts dieser Sachlage und der Finanzsituation des Landes Berlin wäre es für mich nicht zu verantworten, jetzt pauschal 23 weitere Mitarbeiter in den Überhang einzustellen, obwohl ich sie auf Dauer nicht brauchen kann. Das ist die Ausgangssituation, vor der wir stehen.

Um zu Lösungen zu kommen, haben wir uns bemüht und werden es weiterhin tun, individuelle Lösungen für die Betroffenen zu finden. Insbesondere stehen wir mit einigen Bundesbehörden in Gesprächen, die im mittleren Dienst noch einstellen. Gestern gab es ein erstes Informationsgespräch zwischen einer Bundesbehörde und den Beteiligten. Es gibt eine weitere Bundesbehörde, die eventuell interessiert ist. Ich bemühe mich, individuelle Lösungen zu finden. Ich werde mich auch nach dem 28. Februar nicht – im Hinblick auf deren Ausscheiden – von der Verantwortung lösen und vielmehr an Lösungen mitwirken. Wir bemühen uns um Lösungen.

(A) (C)

(B) (D)

Sen Dr. Körting

Interimslösungen, wie in der zweiten Frage angesprochen, nämlich auf Dauer eines Jahres im Anstellungsvertrag zu beschäftigen, können wir finanziell und verfassungsrechtlich nicht realisieren. Wir haben derzeit keinen Haushaltsplan für das Land Berlin. Dementsprechend kann ich nur solche Ausgaben tätigen, zu denen ich gesetzlich oder vertraglich verpflichtet bin – dazu gibt es, wie gesagt, keine Verpflichtung –, beziehungsweise solche, die zu einer ordnungsgemäßen Aufrechterhaltung der Verwaltung erforderlich sind. Ich kann keine Mitarbeiter im Rahmen von Zeitverträgen beschäftigen und gleichzeitig 61 Mitarbeiter der gleichen Gehaltsgruppe im Überhang haben. Das ist die bittere Wahrheit.

Das Einzige, was wir uns vorwerfen müssen, ist die Tatsache, dass wir den Beteiligten diese bittere Wahrheit nicht rechtzeitig genug annonciert haben – jetzt und auch in der Vergangenheit nicht. Diese Entwicklung des Landes- und Personalhaushalts hat sich nicht erst in den letzten vier bis acht Wochen ergeben, sondern hat sich auf Dauer abgezeichnet.

Wir sehen keine Möglichkeit, diese 23 en bloc zu übernehmen. Wir werden uns um individuelle Lösungen bemühen. Wir sehen auch keine Möglichkeit – das sage ich vorbeugend, weil sich die Debatte jetzt monatlich wiederholen wird –, die weiteren Tausend, die im Laufe der nächsten Zeit kommen werden, en bloc zu übernehmen. Über Einzellösungen muss man jeweils differenziert sprechen.

Vielen Dank! – Frau Pop, Sie haben eine Nachfrage. – Bitte schön!

Ihre letzten Ausführungen zu den weiteren 1000 Auszubildenden in der Verwaltung erwecken den Anschein einer Salamitaktik: Wir reden alle zwei Monate über 50, 30 oder 100 Auszubildende. Gibt es Pläne – wie in Ihrem Koalitionsvertrag festgelegt –, einen Einstellungskorridor zu schaffen? Herr Wowereit sagte, es sei höchstens ein Kriechgang. Gibt es Pläne für ein solches Konzept, um dem vorzubeugen, was gerade geschieht, nämlich dass ein Erwartungshorizont geweckt wird – was, wie ich heute gelernt habe, eben keine Zusage ist –, der nicht erfüllt werden kann? Gibt es langfristige Pläne für einen sogenannten Einstellungskorridor?

Danke schön! – Bitte, Herr Senator Körting!