Protocol of the Session on April 1, 2004

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat nunmehr der Kollege Gaebler von der Fraktion der SPD zum Thema

Verkehrsunfälle verhindern durch zusätzliche Außenspiegel für Lkws

Bitte schön, Herr Gaebler!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Teilt der Senat meine Auffassung, dass das Anbringen eines zusätzlichen Außenspiegels bei Lkws und Bussen über 3,5 t zulässiges Gesamtgewicht, der die Sicht in den so genannten „toten Winkel“ ermöglicht, zur Verringerung bzw. Vermeidung von schweren Verkehrsunfällen beitragen kann,

[Doering (PDS): Das muss er doch teilen, das beschließen wir doch nachher!]

und was wird der Senat tun, um so schnell wie möglich eine Verpflichtung nach niederländischem Vorbild für die Ausrüstung dieser Kraftfahrzeuge zu erreichen?

2. Wird der Senat darauf hinwirken, dass die entsprechenden Fahrzeuge in landeseigenen Unternehmen, wie z. B. BVG, BSR, Polizei und Feuerwehr, kurzfristig auch schon vor einer rechtlich verbindlichen Regelung mit einem zusätzlichen Außenspiegel nachgerüstet werden?

Danke schön, Herr Kollege Gaebler! – Ich vermute mal, Frau Staatssekretärin JungeReyer wird die Frage beantworten. – Bitte schön, Frau Junge-Reyer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Gaebler! Wir stehen immer wieder erschüttert vor der Nachricht über schwere Verletzungen und tödliche Verkehrsunfälle bei Unfällen mit rechts abbiegenden Lastkraftwagen. Diese Erschüttung und diese Anteilnahme, die zunächst den Angehörigen, den Opfern gilt, verpflichtet uns aber vor allen Dingen dazu, zu prüfen, ob wir wirklich und tatsächlich alles tun, um solche Verkehrsunfälle zukünftig vermeiden zu helfen.

Nach wie vor sind vorbeugende Maßnahmen wichtig. Ich will daran erinnern, dass Herr Böger für die Schülerinnen und Schüler dieser Stadt mit der „Aktion toter Winkel“ noch vor dem letzten dieser Unfälle am 22. März in einer Aktion, die sich regelmäßig wiederholt, dazu beiträgt, zu sensibilisieren, auf Verhalten einzuwirken und die Schülerinnen und Schüler in dieser Stadt dazu zu veranlassen, noch vorsichtiger zu sein. Die Polizei veranstaltet ähnliche Informationen. Sie übt mit den Schülerinnen und Schülern dieser Stadt, und vor allem kontrolliert sie die rechts abbiegenden Lastkraftwagen.

Aber wir müssen uns die Frage stellen, ob wir auch alle technischen Möglichkeiten genutzt haben, nach denen Herr Gaebler gefragt hat. Dazu gehört das Anbringen eines weiteren Außenspiegels. Wir sind der Auffassung, dass durch das Anbringen eines solchen weiteren Außenspiegels der tote Winkel wesentlich verringert werden kann. Wie Sie wissen, hat das Bundesverkehrsministerium sich bemüht, die Umsetzung der bis Anfang 2005 terminierten EU-Richtlinie so schnell wie möglich in Kraft zu setzen. Wir unterstützen diese Bestrebungen der Bundesregierung, aber haben bereits mit dem Land Brandenburg vereinbart, dass Berlin und Brandenburg gemeinsam sich mit einer Bundesratsinitiative dafür einsetzen wollen, dass ein solcher zusätzlicher Frontspiegel verpflichtend vorgeschrieben wird.

Wir sind darauf angewiesen, bevor solche Regelungen in Kraft treten, an die Freiwilligkeit des Anbringens einer solchen Ausrüstung mit einem zusätzlichen Spiegel zu appellieren. Die Fuhrgewerbeinnung Berlin und die landeseigenen Unternehmen werden deshalb von uns aufgefordert, diesen Sicherheitsbedürfnissen zu entsprechen und eine zusätzliche Ausrüstung der Fahrzeuge vorzunehmen. Wir haben gemeinsam mit dem Fahrradbeauftragten des Senats in einer Pressekonferenz am Montag dieser Woche und in einer Bürgerversammlung, die heute stattfinden wird, diese Forderungen unterstützt.

Wir werden noch im April ebenfalls mit dem Fahrradbeauftragen in einem Workshop die Frage „Radfahrsicherheit – Aktion Rückspiegel ohne toten Winkel“ auf breiter Ebene mit dem Fuhrgewerbe, den Eigenbetrieben, den Fahrradverbänden, den Fahrzeugherstellern, der Polizei und dem Technischen Hilfswerk diskutieren, um so sicher wie möglich nicht nur die Akzeptanz, sondern die Verpflichtung in der praktischen Anwendung zu erreichen. Ich glaube, dass die Bereitschaft zu einer Investition in sehr geringer Höhe in der Abwägung der möglichen Rettung von Leben und Gesundheit gegen zusätzliche Kosten die Investition in mehrfacher Hinsicht rechtfertigt und sie lohnend macht.

[Beifall bei der SPD – Beifall der Frau Abg. Seelig (PDS)]

Danke schön, Frau Staatssekretärin! – Eine Nachfrage des Kollegen Gaebler – bitte schön!

Frau Staatssekretärin! Sie haben eben die EU-Rahmenregelung angesprochen. Halten Sie diese für ausreichend, da sie nicht ganz dem Vorbild der niederländischen Regelungen folgt?

Frau Staatssekretärin JungeReyer – bitte!

Ich glaube, dass sie nicht vollständig ausreicht, insbesondere im Hinblick auf die Frage der Nachrüstung. Hinsichtlich das Aspekts, dass

nicht nur neue Lkws ausgerüstet werden müssen, bedarf es einer klaren Haltung der Bundesregierung, im Rahmen einer solchen Bundesratsinitiative aber auch der Länder Brandenburg und Berlin.

Herr Gaebler eine Nachfrage – bitte!

Haben Sie denn schon eine Reaktion auf die Bitte von Senator Strieder an die Fuhrgewerbeunternehmen, eine freiwillige Lösung ins Auge zu fassen?

Frau Staatssekretärin JungeReyer!

Es gibt schon Zusagen zur Teilnahme an dem bereits erwähnten Workshop. Das ist für uns ein Zeichen, dass sich die Fuhrgewerbeinnung, aber auch die Eigenbetriebe ganz intensiv mit der praktischen Fragen der Handhabung, Anwendung und den technischen Fragen einer solchen Vorgabe, die wir als Senat machen wollen, auseinandersetzen. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir sehr schnell zu einer solchen Nachrüstung kommen können.

Herr Kollege Cramer – bitte!

Frau Staatssekretärin! Können Sie bestätigen, dass die Information der Fuhrgewerbeinnung, wonach der holländische Spiegel in Deutschland nicht zugelassen sei und es deshalb Probleme gäbe, falsch ist und dass er hier eingesetzt werden kann, und wenn dem so ist, würden Sie vor diesem Hintergrund eine Bundesratinitiative unterstützen, die sich für den holländischen Spiegel einsetzt – der den „toten Winkel“ auf 4 Grad verringert – und ebenfalls die Anweisung des Senats an den landeseigenen Fuhrpark erteilen, diesen holländischen Spiegel anzubringen, weil er mehr Sicherheit bietet als der sich ebenfalls in der Diskussion befindliche EUSpiegel mit 19 Grad?

Frau Staatssekretärin – bitte!

Herr Cramer! Gerade die Diskussion dieser technischen Einzelheiten und die Frage der Anbringung des holländischen Dobli-Spiegels soll Gegenstand einer ausführlichen Erörterung mit den Fachleuten sein. Sie wissen, dass es vor allen Dingen darauf ankommt, einen Spiegel zur Verfügung zu haben, der über die größtmögliche Flexibilität verfügt, wenn es darum geht, beim Rechtsabbiegen einen so großen Winkel wie nur möglich zu erfassen. Ob dies der Dobli-Spiegel in allen Fällen sein soll oder muss, hängt auch von den Vorrichtungen ab, an denen er gegebenenfalls im Weg der Nachrüstung seitlich oder als Frontspiegel zu befestigen ist. Wir wollen dies mit der Fuhrgewerbeinnung und anderen sehr intensiv diskutieren. Ich denke nicht, dass wir uns im Rahmen einer Bundesratinitiative auf ausschließ

lich ein Fabrikat oder einen Hersteller festlegen können und sollten, sondern dass wir mit den Fachleuten die Frage klären müssen, welcher Spiegel im Einzelfall der geeignete und derjenige ist, der die größte Sicht ermöglicht.

Kollege Radebold!

[Radebold (SPD): Hat sich erledigt!]

Dann ist Frau Matuschek an der Reihe!

Vielen Dank! – Frau Staatssekretärin! Wird der Senat das Programm zur Markierung von Radspuren auf den Straßen mit genau solcher Konsequenz vorantreiben, um dadurch die Sichtbeziehung zwischen motorisiertem und Radverkehr schon auf der Straße herzustellen, unabhängig von einem Spiegel?

Frau Staatssekretärin – bitte!

Der Senat wird sich im Rahmen des Workshops nicht nur mit den Fragen der Anbringung des Spiegels auseinandersetzen, sondern es werden auch andere Fragen – auch die von Ihnen angesprochene – zur Sicherheit der Radfahrerinnen und Radfahrer mit gleicher Ernsthaftigkeit und gleichem Nachdruck behandelt werden.

Danke schön, Frau Staatssekretärin!

Damit ist der Kollege Wansner von der Fraktion der CDU mit einer Frage an der Reihe über

Tempodrom – ehrliche Leistungen lohnen sich nicht!

Bitte schön, Herr Wansner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie viele Handwerker und sonstige Gewerbetreibende stellen im Zusammenhang mit der drohenden Insolvenz an wen welche Forderungen und in welcher Höhe?

2. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, dass die vorgenannten Gläubiger ihre Forderungen schnellstmöglich ausgeglichen erhalten, möglicherweise unter Rückgriff auf bisher Begünstigte der Stiftung Neues Tempodrom und der Steinbacher Treuhand?

Der Senator für Finanzen, Dr. Sarrazin. – Bitte, Herr Dr. Sarrazin!

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Fall eines Verkaufs des Unternehmens war mit den Gläubigern ausgehandelt worden, dass sie auf dem Weg des Vergleichs insgesamt 1 Million € erhalten. Dadurch, dass es

nun zu einer Insolvenz kommen wird, gibt es keinen Vergleich, und die alten Forderungen leben wieder auf. Es handelt sich um etwa 50 Gläubiger im Bereich der Handwerker und anderen Gewerbetreibenden. Nach dem augenblicklichen Sachstand geht es insgesamt um Forderungen von etwa 2,5 Millionen €. Es könnte sein, dass sich noch weitere Forderungen ergeben, wenn jetzt alles angemeldet wird.

Zur Frage 2: Die Insolvenz folgt gesetzlichen Regeln. Es wird vom Gericht ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser wird so verfahren, wie es nach dem Gesetz vorgeschrieben ist, das heißt, zunächst werden seine Kosten aus der Masse, die eventuell noch vorhanden ist, bedient, dann wird das Darlehen der Landesbank bedient – das ist grundbuchlich abgesichert –, was danach noch übrig ist, wird unter die übrigen Gläubiger nach dem Anteil ihrer Forderungen verteilt. Gegenwärtig muss man davon ausgehen, dass für diese kaum etwas übrig bleiben wird, wahrscheinlich gar nichts.

Von Seiten des Senats gibt es keine Möglichkeiten der Hilfe, weil das Verfahren gesetzlich geregelt ist. Wir haben im Jahr in Berlin 2 100 Konkurse. Es gibt überall Zahlungsgeschädigte. Die können wir nicht ungleich behandeln. – Danke schön!

Danke schön, Herr Senator! Eine Nachfrage des Kollegen Wansner. – Bitte schön, Herr Wansner!

Herr Senator! In der Amtszeit von Bausenator Strieder sind Zweidrittel der Arbeitsplätze im Baugewerbe weggefallen. Wir haben heute nur noch 10 000 gewerbliche Arbeitnehmer in diesem Bereich. Arbeitnehmer und Firmen haben sich beim Bau des Tempodrom darauf verlassen – als Pate hat immerhin Senator Strieder zur Verfügung gestanden –, dass sie ihr Geld erhalten. Sehen Sie sich deshalb nicht in der Verantwortung, den Menschen in der Stadt, insbesondere den Arbeitnehmern, zu helfen? Sind Sie mit mir der Auffassung, dass wir uns angesichts von 20 000 arbeitslosen Personen aus dem Baugewerbe keine weiteren Arbeitslosen in diesem Bereich mehr leisten können?

Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte schön!

Es ist so, dass man an zahlreichen Stellen gern helfen möchte. Und ich muss sagen, dass ich es auch für die Betroffenen bedrückend finde, nachdem sie ein Jahr gehofft hatten, nachdem sie schon auf einen Teil verzichtet hatten, dann jetzt am Ende gar nichts zu bekommen. Das ist in der Tat bedrückend. Mir ist allerdings die von Ihnen implizierte Kette der Verantwortung nicht transparent, muss ich offen gestanden sagen.