Protocol of the Session on March 4, 2004

Ich verweise noch einmal auf das Rundschreiben, das die Schulverwaltung herausgegeben hat. Das sind 18 Seiten Regelungsinhalt. Für mich ist das wieder ein Ausdruck dafür, wie viel die Schulverwaltung für Schulen vorschreiben und wie viel Eigenständigkeit man den Schulen an dieser Stelle nehmen will. Das ist auch im Sinne der Verwaltungsreform fragwürdig.

)

Mit der Einrichtung von technischen Filtersystemen kommen wir nicht grundsätzlich an dieses Problem heran. Man kann – das haben die Vorredner bereits gesagt – alle diese Inhalte gar nicht erfassen, weil wir wissen, dass diese Filtersysteme im Grunde immer nur nachrangig agieren können und nie gegen das ankommen, was immer wieder an neuen technischen Möglichkeiten von denjenigen gefunden wird, die gegen diese Filter durchdringen wollen. Die schaffen es doch immer wieder, den Zugang zu diesen Internetangeboten zu finden.

Ein wichtiges Ziel ist es – darin sind wir uns wohl einig, und dazu hat der Senat auch schon bestimmte Vorarbeiten gemacht –, die Medienkompetenz zum sachgerechten Umgang mit Internetangeboten zu stärken. Diese Stärkung muss bei den direkt Nutzenden erfolgen, und darin müssen sowohl die Eltern als auch die Lehrer und Pädagogen in anderen Bereichen Kompetenz erwerben.

Ein Zweites – und das ist in der heutigen Debatte noch nicht gesagt worden: Wir müssen rechtswidrige Internetinhalte tatsächlich zur Anzeige bringen und damit alle dafür sorgen, dass solche Seiten dann auch von den Strafverfolgungsbehörden gesperrt werden.

(D

Wie gesagt: Ein technisches Problem liegt darin, dass diese Filtersystem leider sehr schnell zu knacken sind. Man hat selbstverständlich auch das Problem, wie man diese Filter justiert. Gibt man bestimmte streng einengende Schlagworte ein, so kann es sehr schnell dazu kommen, dass man damit Inhalte verbannt, die unbedingt im Rahmen der Informationsfreiheit zugängliche Internetangebote sein müssen. Gibt man sie zu schwach ein, kommt man nicht an die inkriminierten Seiten heran. Ich nenne ein Beispiel. Man hat es in den USA mal mit einem Filtersystem versucht – das wird jedenfalls kolportiert, ich weiß gar nicht, ob es stimmt, ich habe es nachgelesen –, das Wort breast – Brust – als Filterwort zu benutzen. Es wurde von einem Server gefiltert, das hatte zur Folge: Kochbücher mit Hühnerbrustangeboten fielen unter das Raster, und auch Informationen über Brustkrebsvorsorge fielen darunter. Nun sollen wir uns nicht mit den amerikanischen Verhältnissen vergleichen, aber ich will Ihnen sagen, hier ist ein Problem, wie Sie diese Filter setzen. Und ich denke, da hat bei uns die Informationsfreiheit grundsätzlich Vorrang.

Eine starke Bürgergesellschaft – und für eine solche halte ich die bundesdeutsche – muss Offenheit in der Mediengesellschaft aushalten. Ich sagte es bereits: Nicht alles kann reguliert werden, und damit müssen wir uns wahrscheinlich auch abfinden. In dem Sinne sind die so genannten weichen Maßnahmen des Umgangs mit Medienkontrolle sinnvoller als harte. Da ich Gelegenheit hatte, an einer Medienkonferenz der Adenauer-Stiftung teilzunehmen, Herr Steuer, kann ich Ihnen sagen, dass auch dort der Trend in der Diskussion durchaus in diese Richtung ging. Ich befinde mich dazu also gar nicht konträr.

Den vorliegenden Antrag nehmen wir dennoch mit in den Ausschuss für Jugend, Bildung und Sport – federführend –, aber auch in den Medienausschuss, und zwar vor allem, um das Thema mit Blick auf die Umsetzung des neuen Jugendschutzgesetzes zu behandeln. Es gibt einige neue Regelungen, die es durchaus wert sind, noch einmal betrachtet zu werden. Ich meine aber, dass restriktives Vorgehen an dieser Stelle sicherlich nicht helfen wird. Kleinkarierte Bestimmungen und ein Wust von Regelungen und Verboten sind sicher nicht geeignet, einen wirksamen Jugendschutz zu garantieren. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Das Wort hat nun Frau Ströver. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch von mir noch einige Anmerkungen zu dem Antrag der CDU-Fraktion: Es ist ziemlich groß formuliert, wenn man die „Installierung eines umfassenden Medienschutzprogrammes für Kinder und Jugendliche durch den Senat“ erwartet. Es geht hierbei um einen Schutz vor jugendgefährdenden Seiten, die im Internet angeboten werden. Aber nicht alles – und da befinde ich mich mit einigen Vorrednern im Konsens – ist mit staatlichen Direktiven zu regeln. Jeder – Bildungsinstitutionen, Eltern und selbstverständlich Jugendeinrichtungen aller Art – ist in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass solche schmutzigen Angebote aus dem Internet verschwinden und bei unseren Kindern und Jugendlichen keinen Schaden anrichten.

[Beifall bei den Grünen]

Herr Steuer von der CDU! Sie machen es sich zu einfach, indem Sie unterstützenswerte Ziele nennen, aber dabei nur technische Maßnahmen zur Durchführung fordern. Sie sagen nicht, wie diese technischen Filtersysteme überhaupt funktionieren sollen. Wir müssen vielmehr dahin gelangen, noch viel stärker kinderpornographische, Gewalt verherrlichende oder rechtsextremistische Inhalte gesellschaftlich zu ächten. Eine solche Nutzung des Internets wird immer noch als eine Art Kavaliersdelikt gesehen. Wir müssen allesamt noch viel mehr tun, dass hierbei eine Ächtung durch die Gesellschaft erfolgt.

[Allgemeiner Beifall]

[Zuruf des Abg. Gram (CDU)]

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der PDS]

Zu guter Letzt: Sinnvolle Einschränkungen sind da nötig, wo es die Privatsphäre anbetrifft, wo die einzelnen Eltern direkt und nicht durch einen Server mit Hilfe ihrer Medienkompetenz, die sie sich erwerben, Filter einfügen können. Das können auch Schulen und Jugendeinrichtungen machen. Aber wichtig ist, dass das von Seiten der Nutzer erfolgt und nicht von Seiten eines zentralen Serversystems.

Wir werden diese Frage sehr konkret in den zuständigen Ausschüssen diskutieren. Ihr Ansinnen ist richtig,

Wenn ich dann von der Senatorin höre, dass das alles ein Problem sei, aber dass man auf Grund der Bundesratsmehrheit eigentlich gar nichts machen könne, schließlich sei das alles auf Bundesebene anders entschieden worden; dann kann ich nur sagen: Dann nimmt man das Problem nicht ernst, und Ihre Antwort ist purer Populismus.

Wir nehmen das Problem ernst, in aller Deutlichkeit. Deswegen haben wir den Antrag geschrieben. Und wir wollen uns auch um die Bürger kümmern. Das ist eben der Unterschied. Wir verlautbaren nicht irgendetwas und tun so, als wären wir sozial, sondern wir handeln. Das ist der Unterschied zu Ihnen.

aber bezüglich der Methoden, wie man dahin kommt, müssen wir sehr differenziert vorgehen und können nicht einfach sagen: Filter und damit Schluss. Hier müssen wir die Meinungsfreiheit, die Medienkompetenz und die Unterdrückung von solchen zu ächtenden Inhalten in ein Verhältnis bringen. Das ist nicht ganz einfach, und ich hoffe, wir kommen gemeinsam zu sinnvollen Lösungen.

[Beifall bei den Grünen, der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Ströver! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung – federführend – an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport sowie mitberatend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten. – Widerspruch höre ich dazu nicht, dann ist so beschlossen.

Die lfd. Nrn. 20 bis 24 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 25:

Antrag

Bundesratsinitiative zur Minimierung des Armutsrisikos von einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürgern

Antrag der CDU Drs 15/2565

Die Fraktion der CDU hat um die Beratung gebeten. Hierfür steht den Fraktionen nach der Geschäftsordnung eine Redezeit von bis zu 5 Minuten zur Verfügung. Herr Hoffmann von der CDU-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet und erhält es hiermit. – Bitte schön, Herr Hoffmann!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Die Bundesratsinitiative ist groß angekündigt worden von der Sozialsenatorin, die jetzt nicht hier ist und dem beiwohnen kann. Wir hatten heute in der Fragestunde schon ein Stück weit dieses Thema mit Fragen, die deutlich machten, dass Sie offensichtlich wieder zurückrudern. Da sagen wir ganz deutlich: Wenn man so etwas ankündigt bei einem Problem, wo es echte Probleme gibt, dann muss man der Ankündigung auch Taten folgen lassen. Diese Taten haben wir für unseren Teil in diesen Antrag gegossen, der ganz bewusst nicht auf alle Gruppen eingeht – das ist heute auch schon angesprochen worden –, sondern sich an einer Gruppe ganz deutlich orientiert, die insbesondere betroffen ist. Und von welchen Problemen wir reden, denke ich, ist ganz deutlich. Ich will nur einmal Berliner Politik als Beispiel nennen: Um 15 % steigende Wasserpreise tragen auch dazu bei, dass man nicht mehr so mit seinem Geld haushalten kann, wie das vielleicht noch früher der Fall war. Deswegen ist es erforderlich, dass man sich dieses Problems annimmt. Und es ist tatsächlich so, dass die Menschen einen anschreiben und sagen:

Ich musste Zuzahlungen leisten, vieles ist teurer geworden, und mir bleiben noch 20 €, von denen

ich noch 14 Tage leben muss. Wie ist das möglich?

Das ist überhaupt nicht möglich. Darum muss hier dringend gehandelt werden.

[Beifall bei der CDU – Frau Dr. Schulze (PDS): Und was machen Sie?]

[Beifall bei der CDU – Frau Breitenbach (PDS): Sie haben doch mitgestrickt! Zuzahlung war doch Ihre Partei!]

Ach, Frau Breitenbach, wirklich! Solche unqualifizierten Zwischenrufe sind ja nun wirklich das Letzte. Bleiben Sie doch bei der Sache.

[Beifall bei der CDU]

Es geht darum, dass den Menschen, die wirklich dringend der Unterstützung bedürfen, die Möglichkeit eröffnet wird und dass es darüber eine Diskussion gibt. Ich finde, dass gerade Berlin mit seiner sozialen Situation und allen Problemen, die konzentriert in bestimmten Kiezen auftreten auch in der gesamten Stadt deutlich werden, sich dort engagieren muss. Ich finde es deswegen richtig, dass man einen solchen Antrag stellt und die Initiative ergreift, und zwar völlig unabhängig von irgendwelchen Mehrheiten in anderen Gremien. Es geht darum, dass die Abgeordneten eher die Interessen der Bürger vertreten und die Sorgen und Nöte ernst nehmen.

[Zuruf von der CDU: Genau!]

Da wissen wir, dass beim Gesundheitsmodernisierungsgesetz, wenn wir hier schon über dieses Gesetz reden, wo die zweiprozentige Grenze gilt, dass das eben in den ersten drei Monaten nicht der Fall ist, sondern dass wir da überhöhte Ausgaben haben und dass es dafür Lösungen geben muss, und zwar nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den kommenden Jahren.

Und wir wissen, dass bei der Grundsicherung auch die Pauschalbeträge nicht ausreichend sind. Das müssten Sie auch wissen. Wir haben mit den Betroffenen gesprochen, wir haben Veranstaltungen dazu gemacht, und immer wieder wird das als eines der Hauptprobleme herauskristallisiert. Ich verstehe nicht, wie man sich dagegen stellen kann, sondern ich verstehe nur, wenn man sagt: Ja, wir werden das mitmachen. Insofern bin ich ein Stück weit

Nein, wir haben genügend Gelegenheit, uns darüber im Ausschuss auszutauschen.

Ich will hier noch auf eins hinweisen: Auf eine Große Anfrage der SPDBundestagsfraktion vom November 1995 zur Armut in der Bundesrepublik hatte die damalige konservativliberale Bundesregierung – siehe Drucksache Nr. 3389 aus der 13. Wahlperiode – Folgendes geantwortet:

Die Sozialhilfe bekämpft Armut, sie schafft sie nicht. Wer die ihm zustehende Leistung der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, ist nicht mehr arm. Insbesondere ist die ansteigende Zahl der Sozialhilfeempfänger kein Hinweis auf wachsende Armut in unserer Gesellschaft.

So ist die Inanspruchnahme der Sozialhilfe hier weniger auf zu niedrige Einkommen als vielmehr auf zu hohe Kosten stationärer Hilfsmaßnahmen zurückzuführen.

Interessant, Herr Hoffmann, wie sich die CDU in der Opposition ändert!

enttäuscht von den großen Ankündigungen, wenn es in der Presse steht, um den großen Ruf zu wahren und zu sagen: Ja, wir von der PDS in dem Fall sind die großen sozialen Retter. – Sie machen eine große Presse, und hinterher findet nichts statt. Die Initiative wird einfach fallen gelassen.

[Beifall bei der CDU]

Das ist ein politischer Skandal. Und das ist auch wieder das, was wir hier in Berlin überhaupt nicht brauchen.