Protocol of the Session on January 15, 2004

[Lebhafter Beifall bei der SPD und der PDS – Oh! von der CDU – Zuruf des Abg. Schruoffeneger (Grüne)]

Wir sehen den Haushaltsplan als ein Gefüge von Einnahmen und Ausgabeposten,

[Czaja (CDU): Oh, ist ja wunderbar!]

die nach sorgfältiger Abwägung in einer politischen Gesamtentscheidung getroffen wurden.

[Czaja (CDU): Das ist ja eine wegweisende Aussage!]

Trotz unserer Sparanstrengungen wird sich das Land nicht aus eigener Kraft aus der Spirale von Neuverschuldungen und steigender Zinsbelastung befreien können. Daher sind wir Berliner auf die Solidarität von anderen Bundesländern und auch von der verfassungsrechtlich verankerten Bundeshilfe angewiesen. An dieser Notwendigkeit ändert

auch die wütende öffentliche Front von elf Bundesländern gegen Berlin nichts, noch dazu, wenn es sich offensichtlich um ein Getöse handelt, das – ich nenne hier mal das Beispiel Hamburg – der Hamburger CDU in ihrem Wahlkampf helfen soll.

[Czaja (CDU): Ja, ja!]

Jeder hier im Hause weiß, dass der Hamburger Finanzsenator zugleich der Bundesschatzmeister der CDU ist – sehr durchschaubar!

[Gram (CDU): Weltverschwörung!]

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kaczmarek?

Nein, Danke schön! Herr Kaczmarek ist ja bald im Hauptausschuss, da können wir uns dann austauschen. – Berlin zieht seit Jahren ein Sparkonzept durch, das deutschlandweit seinesgleichen sucht. Ich kann mir wahrhaftig nicht vorstellen, dass sich das in anderen Landeshauptstädten noch nicht herumgesprochen haben soll. Wenn ich mir allein anschaue, in welchen Situationen wir Berliner die Vorreiterrolle übernommen haben! Die anderen Bundesländer haben sich angeguckt: Mal sehen, wie weit Berlin kommt. Dann ziehen wir nach. – Deshalb – und das möchte ich hier noch einmal betonen – sind wir auf Hilfe angewiesen. Man muss vielleicht doch noch einmal auf die Geschichte eingehen, warum wir in dieser Lage sind: Zu Beginn der 90er Jahre hat sich der Bund abrupt aus dem Landeshaushalt zurückgezogen und Berlin somit ins Bodenlose fallen lassen. Insgesamt hatte kein anderes Bundesland und keine andere Stadt nach der Wiedervereinigung derartige Lasten zu schultern wie Berlin.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der PDS – Dr. Lindner (FDP): Das haben wir gestern schon alles im Hauptausschuss gehört!]

Lassen Sie mich zum Abschluss noch drei Anmerkungen zu den Ergänzungen und Änderungen zum Haushaltsentwurf 2004/2005 machen und dazu, warum wir bei diesem Doppelhaushalt geblieben sind.

Erstens – das hatte ich vorhin schon gesagt –: Wir haben mitten in den Haushaltsberatungen das Verfassungsgerichtsurteil bekommen. Wir haben gestern im Hauptausschuss die 2. Lesung wieder aufgenommen, um nicht weiter Zeit ins Land gehen zu lassen. Die Zeitschiene, die wir gestern auch im Hauptausschuss besprochen haben, wird so sein, dass die Fachausschüsse bis zum 6. Februar Empfehlungen geben können und wir die Schlusslesung des Haushalts am 18. März in diesem Parlament führen. Mit einem Einzelhaushalt zu beginnen, wäre unsinnig gewesen. Wir werden die Winterferien durchmachen. Das sind wir dem Land Berlin schuldig. Deshalb ist diese Zeitschiene auch unbedingt einzuhalten.

Zweitens: Viele Zuwendungsempfänger, viele Projekte – ob es das Sportstättensanierungsprogramm oder das

Ganztagsschulprogramm ist – brauchen von uns Planungssicherheit.

Drittens – auch das darf ich als haushaltspolitische Sprecherin einmal sagen –: Wir sollten den Berlinerinnen und Berlinern nicht zumuten, nur über fehlendes Geld und eine Haushaltsnotlage zu reden. Berlin ist eine tolle Stadt. Es gibt viele andere Themen, die genauso zu besprechen sind. Das wünsche ich mir für dieses Parlament. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön, Frau Kollegin Spranger! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat jetzt Nicolas Zimmer. – Bitte schön!

[Pewestorff (PDS): Wo war ich? – Weitere Zurufe von der PDS]

Wo war ich? – Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Ich hoffe, das Warten hat sich für Sie gelohnt.

[Beifall bei der CDU – Pewestorff (PDS): Wer bin ich? – Heiterkeit]

Es gibt auch so etwas wie eine Redeliste. Wenn ich mich recht entsinne, ist das Ihre Aktuelle Stunde. Aber, bitte schön, wenn Sie nicht die Lust hatten, gleich am Anfang zu reden, weil Ihnen selbst vielleicht nicht ganz geheuer war, wozu Sie Ihre Aktuelle Stunde beantragt haben, helfen wir da gern weiter.

Frau Spranger, ich mag Sie ja, und es ist immer lustig und heiter, wenn Sie vorn am Mikrofon stehen. Ich habe zwar nicht so ganz verstanden, was das jetzt mit dem Thema der Aktuellen Stunde zu tun hatte, aber ich hoffe, es hat Ihnen insgesamt geholfen – sozusagen ein wenig das Pfeifen im Walde im Rahmen Ihrer Haushaltsberatung –, sich gegenseitig zu versichern, dass das schon richtig ist, was Sie da tun.

Warum war ich draußen? – Die „Abendschau“ hatte mich gebeten, etwas zur Bilanz von zwei Jahren Rot-Rot zu sagen. Dafür braucht man, ehrlich gesagt, nicht besonders lange, denn die Bilanz von Rot-Rot ist ja erschreckend schlecht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Gelächter bei der SPD und der PDS – Heiterkeit bei den Grünen]

Aber es trifft sich ganz gut, denn diese rot-rote Regierungskoalition ist ja mal angetreten – man kann es gar nicht oft genug sagen –, um den Haushalt zu sanieren. Das war jedenfalls das große Ziel, und damit beschäftigen wir uns auch heute wieder: Doppelhaushalt, Haushaltssanierung und mehr oder weniger kreative Vorschläge von einzelnen Fraktionen dieses Hauses. Darauf werde ich als Nächstes eingehen, nämlich auf den Vorschlag der Kollegen von den Grünen, Steuern und Abgaben zu erheben.

Frau Spranger

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vorhin gesagt, es sei diskussionswürdig, weil ich grundsätzlich der Auffassung bin, man sollte alle Ideen diskutieren dürfen. Das ist richtig. Häufig wird viel zu wenig über Ideen gesprochen, gerade auch in diesem Hause. Aber ich muss Ihnen eines sagen, was Sie möglicherweise etwas enttäuschen wird oder auch nicht, vielleicht haben Sie es schon vorhergesehen: Diesen Ansatz halte ich für falsch, falsch und nochmals falsch!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Nehmen wir mal die beiden Punkte heraus, wie ich sie verstanden habe – zunächst die Tourismusabgabe. Wenn ich mich richtig entsinne, kämpft Berlin um jede Besucherin und jeden Besucher, weil wir festgestellt haben, dass der Tourismussektor einer der Wirtschaftssektoren in der Stadt ist, wo wir mit einem Wachstum rechnen können, wo wir eigentlich noch nicht mal so viel tun müssen, weil die Stadt als solche attraktiv für Menschen ist, um zu sehen, wie sie wächst, sich entwickelt und was sie zu bieten hat. Allerdings haben wir auch immer wieder festgestellt, dass etwas mehr Marketing der Stadt nicht schlecht tun würde. Ich glaube, dass beispielsweise ein Marketing mit einer Tourismusabgabe das Schlechteste ist, was man an dieser Stelle tun kann.

[Schruoffeneger (Grüne): Aber mit den Mitteln der Tourismusabgabe vielleicht!]

Denn, Herr Schruoffeneger, es ist doch unstreitig, dass die volkswirtschaftlichen Effekte eines Besuchers in Berlin positiv sind. Das, was Sie ihm an Geld abverlangen, mag vielleicht in der Summe nicht viel sein. Es führt aber psychologisch dazu, dass er ggf. davon Abstand nimmt, in diese Stadt zu kommen, wenn er dafür Eintritt zahlen muss. Wenn ich das mal gegeneinander rechne, bin ich mir sicher, dass diese Abgabe im Ergebnis eher zu Einnahmeverlusten als zu einer Einnahmesteigerung führen wird und dass sie der Berliner Wirtschaft eher schlecht als gut tut. Deswegen halte ich sie für eine absolut verfehlte Idee. Im Übrigen: Ein Blick ins sonnige Mallorca, wo das Wetter definitiv schöner, die Strände länger und das Wasser klarer ist als hier

[Beifall der Abgn. Dr. Heide (CDU) und Henkel (CDU)]

und man kann dort auch toll Golf spielen –, hat uns auch gezeigt, dass man selbst dort, in einer Region, wo man mit regelmäßigen Touristenströmen rechnen kann, sehr schnell wieder davon Abstand genommen hat, weil man gemerkt hat, dass es insgesamt für den Standort eine ausgesprochen schädliche Idee war – wobei die Tourismussteuer dort ja sogar noch einen ökologischen Sinn hatte.

Nun kommen wir zu Ihrer Berlin-Notsteuer. Negative Effekte für den Wettbewerb der Länder untereinander liegen doch auf der Hand. Man könnte denken, dass es ein Vorschlag von unserem Kollegen Junghans aus Brandenburg ist, denn für den ist das eine ausgesprochene Wirtschaftsfördermaßnahme. Es könnte auch sein, dass das

eine Idee von Herrn Wieland war – quasi als Morgengabe auf dem Weg in den brandenburgischen Wahlkampf.

[Zurufe von den Grünen]

Denn eines erzielen Sie natürlich mit so einer BerlinNotsteuer: Sie sorgen dafür, dass die Abwanderung derjenigen, die es sich leisten können, aus der Stadt ins Umland eher zunehmen als abnehmen wird und dass dort Steuern gezahlt werden. Da zahlen sie nicht Ihre BerlinNotsteuer, sie zahlen auch die sonstigen Steuern nicht mehr, die wir in Berlin brauchen, nutzen aber weiter unsere Infrastruktur, die wir bezahlen. Ich glaube, dass das völlig nach hinten losgeht – neben dem administrativen Aufwand und der Tatsache, dass dann auch Konsumverzicht stattfindet, weil man nämlich an dem Ort kauft, an dem man lebt. Das wird dann in der Regel irgendwo in Rangsdorf, in Ludwigsfelde – oder was mir sonst noch so einfällt – der Fall sein, aber eben nicht in Berlin. Da muss man gar nicht lange rechnen. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie es mir nicht übel: Wir werden diesem Punkt mit Sicherheit nicht folgen können.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Nun hat uns der Senat in der Zwischenzeit die relativ dicke Nachschiebeliste, Haushaltsergänzungsvorlage, für den Doppelhaushalt 2004/2005 vorgelegt. Herr Zackenfels hat vorhin schon in seiner Begründung der Aktuellen Stunde angekündigt, dass er sich mit großer Verve auf die juristischen Spitzfindigkeiten der Opposition stürzen wird – oder auch nicht, weil er dazu nicht Stellung nehmen möchte. Es gibt eine Menge Manager, die auch so denken: Gesetze und so etwas sind vom Prinzip her eher hinderlich. Man kann viel besser Geschäfte machen und Bilanzen aufstellen, wenn man so etwas nicht hat. – Wenn man dann mal in den Wirtschaftsteil der Zeitung guckt, dann hat das international mittlerweile einen gewissen Auftrieb, angefangen von Enron, und das Ende finden wir bei Parmalat. – Sie müssen keine Sorge haben, Herr Zackenfels! Sie werden aller Voraussicht nach nicht verhaftet werden für Ihre Reden hier im Haus

[Zuruf des Abg. Zackenfels (SPD)]

was man gut oder schlecht finden kann, aber es ist so. Es gibt ja so was wie Immunität.

[Beifall bei der CDU]

Aber durchgehen lassen werden wir Ihnen das mit Sicherheit nicht. Die Verfassung und den Verfassungsgerichtshof missachten, das wird es mit uns hier im Haus nicht geben.

[Beifall bei der CDU]

Natürlich missachtet die Vorlage des Senators für Finanzen das Urteil. Sie haben es sich zunächst mal an einer Stelle ganz einfach gemacht. Wenn Sie das Urteil gelesen haben – wir erinnern uns –, dann gibt es zwei Tatbestände, die eine erhöhte Kreditaufnahme rechtfertigen können. Das ist zum einen die Abwendung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts einerseits und eine extreme Haushaltsnotlage – das ist der neue

Tatbestand, den das Verfassungsgericht geschaffen hat – andererseits. Die Frage ist – sie muss sich jeder stellen, der das Urteil liest –, ob das kumulativ oder alternativ gemeint ist. Heißt es, Sie können sowohl Maßnahmen zur Abwendung der Störung treffen und gleichzeitig den Kreditrahmen überziehen, weil Sie sich in einer Notlage befinden, oder nicht?

Das Urteil lässt Interpretationsspielraum zu. Sie müssen nur dazu irgendetwas sagen. Sie müssen sich jetzt entscheiden und sagen, dass Sie beides nehmen oder es an unterschiedlichen Stellen so oder so machen. Vielleicht ziehen Sie sich auch zurück auf die Haushaltsnotlage oder wenden die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ab. Sie haben lang und breit in Ihrem Vorspruch versucht dazulegen, warum es eine solche gibt. Dies wird in der Sache vermutlich sogar zutreffen. Sie müssen sich nur entscheiden. Es einfach nur voranzustellen und im Nachgang keinerlei Bezug mehr zu nehmen, ist mit Sicherheit nicht genug. Das hat das Gericht auch nicht gemeint. Im Urteil steht geschrieben, es müsse für jedes Mitglied des Abgeordnetenhauses nachvollziehbar sein, dass die Nichteinhaltung des Kreditbegrenzungsgebotes nicht Folge eines allgemein begrenzten Spielraumes zur Ausgabensenkung ist, sondern konkret für jede Ausgabe eine bestimmte konjunkturpolitisch begründete Entscheidung zu ihrer Aufrechterhaltung getroffen werden muss. Darauf kann ich nur verweisen, wenn Sie mit der Kreditaufnahme im Rahmen der Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts argumentieren wollen. Das bedeutet, dass Sie belegen müssen, wofür Sie das Geld verwenden, wenn Sie sich darauf berufen. Das tun Sie nicht. Sie wollen die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht mehr abwenden. Dies war Ihre Begründung. Ich erinnere mich noch sehr gut. Die nachgeschobene Begründung war nicht wirklich Ihre, sondern die von Herrn Wowereit, weil ihm in seiner Not nichts Besseres einfiel, als hier zu postulieren, es sei eben so, das Gleichgewicht sei gestört, also sollte dagegen etwas getan werden. Das haben Sie völlig beiseite gelassen. Sie haben jeglichen Anspruch aufgegeben, in irgendeiner Form steuernd auf die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin Einfluss zu nehmen. Das ist natürlich grundverkehrt. Auf diese Art und Weise werden Sie an keiner Stelle mit dem Berliner Haushalt zurecht kommen.

[Beifall bei der CDU]