Protocol of the Session on January 15, 2004

schule nicht zur Verwahranstalt für Kinder und Jugendliche verkommt. Das schulische Ganztagskonzept muss zur Gewinnung eines eigenen Schulprofils im Wettbewerb

Präsident Momper

um Bildungs- und Erziehungsqualität den Schülern dienen. Um dies zu gewährleisten, muss die einzelne Schule ihrem Bildungsauftrag gemäß ihrer schulartspezifischen Ausprägung nachkommen können.

Seitens der rot-roten Koalition hat man sich mit dem

„Gesamtkonzept für die Ganztagsschule“ aber entschlossen, den freien Trägern im Hortbereich – d. h. den Schülerläden, den kleinen, auf die Betreuung von Schülern spezialisierten Einrichtungen – die Existenzgrundlage zu entziehen. Statt – wie in der rot-roten Koalitionsvereinbarung festgeschrieben – die bezirklichen Kitas in freie Trägerschaft zu überführen, stagniert dieses Vorhaben, und der Prozess der Überführung von bezirklichen Erziehern in die Schulverwaltung wird vorangetrieben. Statt den Schulen die Möglichkeit zur Kooperation mit erfolgreichen externen Bildungs- und Betreuungsanbietern wie den Schülerläden und freien Trägern zu geben, drohen unsere primären Bildungseinrichtungen zu „Ruhestätten des öffentlichen Dienstes“ zu werden.

Vorteile der Einbindung freier Trägerschaft in den

Schulbetrieb zur Entwicklung eines anspruchsvollen Schulprofils durch Wettbewerb um Qualität und Bürgernähe bei kostengünstigerer Leistungserbringung werden ignoriert. Bestehendes Bürgerengagement, wie es in den Schülerläden mit Elterninitiative existiert, wird vernichtet. Erst als der voranschreitende Prozess der Ausgrenzung bestehenden privaten Engagements seinen Höhepunkt erreichte und eine bestehende, auch räumlich enge Zusammenarbeit in Tempelhof-Schöneberg zu Gunsten bezirksamtsbeschäftigter Erzieher erfolgen sollte, hatte der Schulsenator ein Einsehen. Er erklärte sich bereit, „bestehende Zusammenarbeit“ nicht in Frage zu stellen. Au Grund gesetzlicher Regelungen und mangelnder Kooperationsbereitschaft der Grundschulen war in aller Regel die sinnvolle Zusammenarbeit zwischen freien Trägern und Schulen erschwert. Statt nunmehr dieser Zusammenarbeit aufgrund eines überarbeiteten Konzepts der Ganztagsbetreuung eine Chance zu geben, wird der bestehende Arbeitsteilung zwischen Schule und freien Trägern letztlich keine Chance zur Kooperation gegeben. Bestehende Erfahrungen, Beziehungskontakte zwischen Kind, Eltern und Erziehern werden so vernichtet. Dabei wäre es ein Leichtes, im Interesse von Pluralität und damit der Betroffenen durch Ausfinanzierung der Kooperationen den Qualitätswettbewerb zuzulassen und den freien Trägern eine Existenzchance zu geben. Dieser Weg wird aber nicht verfolgt, weil durch „Beschäftigungsgarantien im öffentlichen Dienst“ ein Umdenken oder gar Umsteuern zu mehr privatem Engagement und Qualitätswettbewerb gar nicht erst ermöglicht und bestehendes Engagement ja sogar vernichtet wird.

Wir Liberalen treten für eine Überführung aller Kitas

in freie Trägerschaft ein, so weit dies möglich ist. Das führt nicht zur Vernichtung der Arbeitsplätze der Bezirksamtsbeschäftigten Erzieher sondern nur zu einem Arbeitsplatzwechsel zu freien Trägern. Dies trägt nicht nur zu einer Intensivierung des Qualitätswettbewerbs bei,

sondern führt auch zu einer Entkopplung von Kitaaufsicht und Kitabetreuung.

Dieser Senat setzt leider immer mehr auf staatliches

und damit bürokratisches Handeln. Mit Bürgerengagement, Bürgernähe und Subsidiarität hat das nichts zu tun; der vom Regierenden Bürgermeister Wowereit eingeforderte Mentalitätswechsel bleibt allenfalls ein Lippenbekenntnis.

Auch die CDU-Fraktion hat offensichtlich diesen

Sachzusammenhang erkannt und immerhin drei Monate nach der FDP-Fraktion einen Antrag eingebracht, der auch mit dem der FDP-Fraktion in die gleiche Richtung zielt. Wir werden diesen Antrag daher auch unterstützen.

Wenn Sie von der rot-roten Koalition aber ihren Regie

renden Bürgermeister nicht „Lügen strafen wollen“ und Schule als geschlossenes System, sozusagen als monolithischen Block festschreiben wollen, haben sie heute die Gelegenheit, einen für die Schullandschaft neuen zukunftsorientierten Weg zu gehen. Nutzen Sie Ihre Chance!

Die Zielsetzung des Senats, allen Kindern durch den

Ausbau der Ganztags- und Betreuungsangebote für Grundschulkinder bis hin zu Ganztagsschulen als Regelangebot eine bessere Bildung, Erziehung und Betreuung zu garantieren und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten, wird von Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich unterstützt. Die Art und Weise, wie dieses Ziel von der Koalition verfolgt wird, ist jedoch nicht geeignet, die notwendige Veränderung von Schule hin zu einem Lern- und Lebensort, in dem Kinder und Jugendliche ganzheitlich in ihrer Entwicklung gefördert und unterstützt werden, zu bewirken. Wichtige Voraussetzungen dafür – wie ein klares pädagogisches Konzept und eindeutige Kooperationsbeziehungen zwischen den pädagogischen und sozialpädagogischen Fachkräften sowie eine entsprechende Qualifizierung der Leitungs- und Lehrkräfte und der sozialpädagogischen Mitarbeiter/-innen – gibt es erkennbar nicht.

Das vom Senat vorgelegte „Gesamtkonzept für die

Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern“ lässt auch nach der Überarbeitung zu wünschen übrig. Es handelt sich nach wie vor hauptsächlich um ein personalwirtschaftliches Konzept, mögliche Probleme bei der Überleitung des Personals im Zuge der Übertragung öffentlicher Kitas an freie Träger aus dem Weg zu räumen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer – und so stellt denn der auf Druck des Rates der Bürgermeister in das Senatskonzept eingefügte Satz: "Freie Träger können bei entsprechenden Kooperationsvereinbarungen mit öffentlichen Schulen die unterschiedlichen Betreuungsangebote standortbezogen fortsetzen bzw. übernehmen." die nach offiziellen Verlautbarungen auch vom Senat und den

Präsident Momper

Koalitionsfraktionen gewünschte Kooperation mit freien Trägern beim Ausbau der Ganztagsangebote an Schulen noch lange nicht sicher.

Nach wie vor überwiegt der Eindruck, zum Schuljahr

2005/2006 sollten alle Hortplätze aus den Kitas in die Schulen verlagert werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Schulen überhaupt über entsprechende Räume oder Konzepte verfügen. So jedenfalls kommt es bei den Schulen an. Die freien Träger sollen nach diesem Modell in Zukunft nur noch Plätze für Krippe und Kindergarten anbieten, die öffentlich Beschäftigten wandern in den Schuldienst – ohne Rücksicht darauf, ob die Erzieher/-innen vorher mit Krippen-, Kindergarten- oder Hortkindern gearbeitet haben. Dabei bleibt die Qualität der pädagogischen Arbeit auf der Strecke. Rot-Rot verspielt die Chance, an den Wünschen der Eltern orientierte und auf bestehende Kooperationen und Angebote – benachbarte Horte, Schülerclubs und Schulstationen, Vereine – aufbauende Ganztagsangebote unter dem Dach Schule zu entwickeln.

Statt die Kompetenzen der jetzt im Hortbereich arbei

tenden Erzieher/-innen und Träger für die Entwicklung von Ganztagsangeboten und den Umbau der Strukturen zu nutzen, betreiben Sie zunächst einmal einen Abriss. Schülerläden, die auf die Bildung und Betreuung von Schulkindern spezialisiert sind und einen großen Teil der Hortplätze anbieten, haben nach dem gegenwärtigen Stand keine reelle Chance, an den Ganztagsangeboten beteiligt zu werden.

Dabei gibt es in der freien Trägerschaft – Schülerläden

und Horte – ein großes Interesse, ihre Kompetenzen einzubringen und die Horte auch als Bestandteile von Ganztagsschulen weiterzuführen. Allerdings müssen hierfür die Rahmenbedingungen geklärt und machbar sein. Geklärt werden muss, welche Leistungen im Rahmen der VHG und von Hortarbeit an der Schule zu welchen Bedingungen erwartet werden. Auf der Basis festgelegter Standards können Kostensätze vereinbart und den Schulen Personal- und Sachmittel für die einzelnen Bausteine der Ganztagsangebote zur Verfügung gestellt werden. Das fordern wir in unserem Antrag „Perspektive Ganztag für alle Grundschulkinder – Kooperation von Schule und Jugendhilfe sicherstellen!“ – Drucksache 15/ 2183. Wie die heute hier behandelten Anträge der anderen Oppositionsfraktionen haben SPD und PDS – wider besseres Wissen – in der letzen Sitzung des Ausschusses für Jugend, Familie, Schule und Sport auch unseren Antrag abgelehnt.

Ich habe inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass

die Regierungsfraktionen unseren sinnvollen und richtigen Anträgen zur Verbesserung der Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen zustimmen. Nicht aufgeben möchte ich jedoch die Hoffnung, dass mit den Investitionsmitteln des Bundes in Berlin Ganztagsschulen entstehen, die den Kindern wirklich erweiterte Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten bieten, in denen Lehrer/-innen, Erzieher/-innen und Eltern gemeinsam Verantwortung für

die Entwicklung der Kinder übernehmen und für ein gutes Lernklima und gute Bildungschancen sorgen.

Ich appelliere deshalb an alle an der Entwicklung der

Ganztagsangebote Beteiligte: Nutzen Sie die Chancen, die im Ausbau der Ganztagsangebote an den Schulen liegen. Sorgen Sie dafür, dass Schulen und Horte freier wie öffentlicher Träger gemeinsam auf den Bedarf und die Bedürfnisse der Kinder und Eltern abgestimmte Konzepte für eine ganztägig geöffnete Schule entwickeln können! Schaffen Sie auf Landesebene die Voraussetzungen dafür, dass in den Schulen durch die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe und weiteren außerschulischen Trägern eine neue Lernkultur einzieht und unsere Kinder und Jugendlichen ganzheitlicher gefördert werden, damit sie in Zukunft bei PISA und anderen Vergleichstests besser abschneiden und ihr Leben besser bewältigen können.

Zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/1809 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Stimmen der Fraktionen der CDU, der FDP sowie der Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen FDP, CDU und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von PDS und SPD. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Zum CDU-Antrag Drucksache 15/2035 empfiehlt der Ausschuss mehrheitlich gegen die Fraktionen der CDU, der FDP und der Grünen die Ablehnung. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das sind die Fraktionen FDP, CDU und Grüne. Die Gegenprobe! – Das sind die Fraktionen von SPD und PDS. Damit ist der Antrag abgelehnt. Enthaltungen sehe ich nicht.

Die lfd. Nrn. 32 bis 33 sind bereits durch die Konsensliste erledigt.

Lfd. Nr. 33A:

Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 22/2003 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte

Beschlussempfehlung Haupt Drs 15/2425 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs

Der Dringlichkeit wird nicht widersprochen.

Der Ausschuss empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der Fraktion der Grünen die Annahme des Vermögensgeschäfts – Stichwort: Feuersozietät Berlin-Brandenburg –. Wer so beschließen möchte, den bitte ich das Handzeichen. – Nur Mut, Herr Goetze!

[Allgemeine Heiterkeit – Beifall]

Ich wiederhole: Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von

Präsident Momper

SPD, PDS, CDU und FDP. – Die Gegenprobe! – Keine Gegenstimmen. Dann ist das so beschlossen. Enthaltungen? – Die Fraktion der Grünen und ein CDU-Mitglied haben sich enthalten.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 34:

a) Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Abs. 1 Satz 3 VvB

Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland

Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drs 15/2356