Protocol of the Session on December 11, 2003

Sehen Sie sich einmal die Entwicklung der Primärsalden an. Sie scheint niemanden zu interessieren.

[Was? von den Grünen]

Doch! Herr Schruoffeneger hat gesagt, wir sollen nicht immer Ausgleichsvorschläge von Ihnen fordern.

[Frau Oesterheld (Grüne): Das hat er nicht gesagt!]

Es ist nicht damit getan, wenn wir über 10, 50 oder 75 Millionen € reden – das wissen Sie als Haushälter genauso gut wie ich –, sondern es geht um eine Gesamtkonzeption für die Entwicklung dieser Stadt. Und es geht darum, wenn Sie sich das Primärdefizit angucken, das wir zurzeit noch haben, dass wir dieses Primärdefizit noch um Milliarden Euro reduzieren müssen.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Nun schreien Sie doch nicht immer! Ich rede auch ganz ruhig. Das muss doch möglich sein! –

[Heiterkeit]

Wir müssen doch für diese Stadt gemeinsam das Ziel haben, den Haushalt in einen Ausgleich zu bringen. Mir kann niemand erzählen, dass er aus einem oder zwei Politikbereichen – oder „Einzelplänen“, für die Haushälter – rund 2 Milliarden € herausschneiden kann. Das funktioniert nicht. Die Situation in Berlin ist die, dass Sie in allen Politikbereichen Kürzungen vornehmen und dass die Prioritätensetzung darin liegt, in welchen Politikbereichen dieses weniger der Fall ist.

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Frau Fugmann-Heesing! Es wundert mich, dass Sie mit dem Hinweis auf andere Bundesländer von der langen, langen Regierungszeit der SPD hier und von Frau

Edelgard Bulmahn auf Bundesebene ablenken müssen. – Aber im Ernst: Da spricht der Wissenschaftssenator von der moderaten Beteiligung der Universitäten und der Konsolidierung des Landeshaushalts. Ich finde, das ist feige. Sagen Sie lieber ehrlich: Uns ist nichts Besseres zum Sparen eingefallen als der Rasenmäher, und den haben wir herausgeholt und ziemlich radikal auch bei den Unis rasiert. – Oder Sie müssten zugeben, dass Sie es mit dem Bekenntnis zu den Stärken des Standorts nicht ganz ernst meinen – im Gegenteil: Herr Gaebler, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, hat mir gerade deutlich gesagt, dass der Wiederaufbau der Humboldt-Universität unter Erhardt eine glatte Fehlinvestition war. Ich weiß nicht, wie viele Studierende auf der Zuschauertribüne von der Humboldt-Universität kommen: Sie alle sind nach Meinung des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD fehlinvestiert. Das wundert uns nicht; die Wissenschaftsfeindlichkeit der SPD ist hinlänglich bekannt.

(D

Nein, das möchte ich jetzt nicht. – Sie versuchen lustig, die Meinungsverschiedenheiten in der Koalition zu übertünchen. Hier der harte Wowereit, unnachgiebig gerade gegenüber den Studierenden – eigentlich kein schöner Zug für einen Regierenden Bürgermeister –, flankiert vom Finanzsenator. Von Herrn Sarrazin haben wir nichts anderes erwartet. Nur: Dass Sie, Herr Flierl, ihn im „Tagesspiegel“ mit seiner Ansicht, die Ausgaben für die Unis seien in erster Linie und überhaupt Kosten, auch noch unterstützen, das wundert mich. Sie sind derjenige, der Herrn Sarrazin klarmachen müsste, dass es Investitionen in die Zukunft sind, und der vielleicht auch dafür sorgen müsste, dass Herr Sarrazin sich als Oberbuchhalter Qualitätsurteile über die Qualifikation von juristischen Fakultäten, die er für mittelmäßig hält, verkneifen sollte.

Wir haben uns die Frage der Hochschulen nicht leicht gemacht. Es ist nicht so, dass hier mit einer „RasenmäherMethode“ an das ganze System herangegangen werden sollte.

[Zuruf des Abg. Eßer (Grüne)]

Wir haben im Forschungsbereich die höchsten staatlichen Ausgaben der letzten Jahre. Berlin tut hier sehr viel, aber – auch da muss ich Ihnen Recht geben – wir haben eine wirtschaftliche Situation in Berlin, die nicht dazu führt, dass die Wirtschaft in gleicher Weise Mittel in die Forschung gibt, wie es in wirtschaftlich florierenden Bundesländern der Fall ist.

[Henkel (CDU): Woran liegt das?]

Muss ich Ihnen das jetzt erklären? Kennen Sie die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes, übrigens auch in Ihrer Regierungszeit, nicht?

[Henkel (CDU): Doch, natürlich!]

Kennen Sie nicht die Probleme, die eine Stadt hat, die lange geteilt war, die eine subventionierte Wirtschaft in Ost und West hatte und die sich innerhalb kürzester Zeit an den Wettbewerb anpassen musste? Dass diese Stadt große strukturelle Probleme hat, ist Ihnen nicht bekannt? – Dann verstehe ich Ihre Politik allerdings.

Frau Abgeordnete! Ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass Sie nur eine Redezeit von drei Minuten haben. Die Zeit ist jetzt um. Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wir können die Diskussion außerhalb dieser Debatte gern fortsetzen. Ich bin sicher, in vielen Punkten werden wir doch noch zu gemeinsamen Erkenntnissen kommen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Danke schön! – Für die CDU-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete Grütters. Die CDU hat noch zehn Minuten Redezeit. – Bitte sehr!

Es ist schön, dass hier endlich einmal etwas los ist, da es um Wissenschaft geht. Auf den Weihnachtsmärkten von Berlin ist übrigens auch etwas los. Nur schade, dass Sie diese wunderbaren Aktionen wieder „abwürgen“ wollen – Oder haben Ihnen die nackten Nikoläuse etwa nicht gefallen, die den Markt an der Gedächtniskirche im Schnelldurchlauf belebten?

[Unruhe]

Da zeigen uns die Studenten, was der Stadt entginge, wenn man auf Dauer wirklich nur einen von vier Bewerbern um einen Studienplatz nach Berlin hereinließe.

[Zuruf des Abg. Brauer (PDS)]

[Abg. Gaebler (SPD) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Frau Abgeordnete! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gaebler?

[Brauer (PDS): Er sagte nicht: „Die Fakultäten“ sind mittelmäßig!]

Doch, das hat er sehr deutlich gesagt: Wir hätten zwei mittelmäßige Fakultäten in Berlin, die lauter Juristen ausbilden würden, die niemand brauchte. – Das steht wörtlich im „Handelsblatt“ vom 26. November 2003. Solche flotten Sprüche eines Mannes, der davon überhaupt nichts versteht, sind inzwischen leider die große Schule der Senatspolitik. Aber vielleicht stellen Sie doch noch fest, welche Sekundäreffekte durch die Wissenschaft entstehen.

Dass ein Student mit dem ersten Wohnsitz in Berlin von Ihnen noch Geld bekommt – fantasielose 110 € Begrüßungsgeld –, mag gerade noch hingehen. Nur dass Sie dann drei von vier Studenten wieder nach Hause schicken, passt nicht ins Bild. Dabei haben Sie nicht einmal einen Zukunftsentwurf für die Stadt und begreifen Berlin ausschließlich als Ausgabenproblem. Sie sollten sich einmal die Mühe machen, die ökonomischen Wirkungen

Frau Grütters

Nein, ungern! – Stattdessen fällt denen nichts Besseres ein, als über Doppel- und Mehrfachangebote herzufallen, Einsparungen bei den Univerwaltungen zu fordern und der CDU auch noch vorzuwerfen, sie hätte früher bei den Unis ja auch gespart. Erstens: Die wunderbare SPD war jahrelang mit dabei. Und zweitens haben wir bei der Wissenschaftspolitik unter CDU-Führung etwas entscheidend anders gemacht: Wir haben nicht in drei Jahren zusammen über 220 Millionen € aus den Unis gepresst, übrigens erpresst,

Frau Fugmann-Heesing, die Unis haben den Vertrag ja nur deshalb in dieser Form paraphiert, weil sie statt 75 Millionen € von Ihrem Herrn Sarrazin mit 200 Millionen € bedroht wurden. Wir haben das nicht einfach den Unis genommen, sondern mit intelligenten Strukturmaßnahmen gekoppelt. Ich darf Sie daran erinnern, dass es die CDU war, die die Hochschulverträge 1997 nach zehn mühsamen Verhandlungsmonaten mit dem Koalitionspartner SPD eingeführt hat. Ich darf Sie auch daran erinnern, dass wir die Erprobungsklausel möglich gemacht haben, um die Unis etwas freier vom Staat zu stellen – übrigens ohne große Begeisterung des Koalitionspartners SPD. Und ich darf Sie daran erinnern, dass die Unis weiß Gott nicht erst heute damit anfangen, ihre so genannten Doppel- und Mehrfachangebote abzubauen oder sich intern zu reformieren, im Gegenteil. Das alles gehört, Frau Fugmann-Heesing und Herr Flemming, auch zur Wahrheit und ehrlichen Aufarbeitung der letzten zehn Jahre großer Koalition.

Sie wissen ganz genau, dass die Unis dieser Stadt sich mehr bewegt haben als jede einzelne andere Einrichtung. Sie haben sich mühsam in den Gremien die Frage beantwortet, ob sie sich den linken oder rechten Arm abhacken sollen, haben Strukturpläne abgeliefert und vor nicht einmal drei Jahren ganze Bulliladungen zum Wissenschaftsrat gefahren, und sie haben sich vor allen Dingen allen Strukturveränderungen willig gebeugt und sogar zugestimmt, dass 10 % der nicht personalgebundenen Mittel nach Leistungsvorgabe vergeben werden. Dass das dem Regierenden nicht bekannt ist, zeigt nur, dass er sich für das Ressort eben nicht besonders interessiert. Der Vorgänger – und da muss ich Herrn Diepgen in Schutz nehmen – war an dieser Stelle wirklich anders. Vielleicht sollte sich Herr Wowereit von seinen Abgeordneten mal darüber informieren lassen, dass die Unis in der Tat seit zehn Jahren ihre Potentiale vernünftig abgebaut haben, weil schon damals im Gesamtparlament die Bereitschaft, etwas für die Hochschulen zu tun, nicht so ausgeprägt war, wie es sein müsste.

der Hochschulen zu ermitteln. Eine kleine Nachhilfe: In Berlin werden zusätzlich zu den öffentlichen Stellen fast 50 % weitere Arbeitsplätze geschaffen. Das sind fast 12 000 Vollbeschäftigte zusätzlich zu den 44 000 Arbeitsplätzen in den Berliner Unis. Hinzu kommen über 7 000 Plätze, die die Studierenden durch ihre Konsumnachfrage bewirken. Geht man davon aus, dass 30 % der Studierenden neben dem Studium arbeiten, dann stehen dem Arbeitsmarkt in Berlin 39 000 Arbeitskräfte zur Verfügung. Zusätzlich bieten die Unis dem regionalen Arbeitsmarkt jährlich knapp 15 000 Absolventen an. Jeder Student gibt in Berlin monatlich ca. 500 € aus, das sind immerhin knapp 800 Millionen € im Jahr, und die regionale Nachfrage der gesamten Wissenschaft liegt laut DIW bei 3,4 Milliarden € – ist das etwa gar nichts?

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Warum bauen Sie diese Zahlen nicht auch einmal in die Senatspolitik ein? Es wäre ja schon schön, wenn Sie mal so schlau wären, die Drittmittel in Höhe von 200 Millionen € zur Kenntnis zu nehmen, oder wenn Sie wüssten, was die Wissenschaftskongresse der Stadt bringen – immerhin einen Umsatz in zweistelliger Millionenhöhe. Und, Herr Flemming, Sie wissen ganz genau, dass Ihre schrägen Vergleiche bei den Kosten der Studienplätze in den einzelnen Ländern komplett daneben liegen. Wenn Sie sich mit Tübingen, Greifswald, Riesa oder Oldenburg vergleichen, kann das natürlich nicht hinhauen.

[Beifall bei der CDU – Dr. Flemming (SPD): Habe ich nicht gemacht!]

Oder ist Ihnen entgangen, dass Berlin die teuren Studienplätze in der Medizin und Landwirtschaft bezahlt, nicht aber diese Städte? Das wissen Sie ganz genau! Und Ihr Runninggag von den faulen Professoren, bei denen Sie lässig das Lehrdeputat mal eben nur um eine Stunde erhöhen müssen, wird auch nicht dadurch besser, dass Sie das seit zehn Jahren wiederholen.

[Beifall bei der CDU – Zuruf der Frau Abg. Dr. Hiller (PDS)]

Statt dessen fällt Ihnen nichts Besseres ein, Frau Fugmann-Heesing, als uns darauf hinzuweisen, wir sollten stolz auf die Wissenschaft sein. Jeder vertut sich mal in der Adresse, nicht wahr? Es wäre schön, wenn Sie bei Ihren Senatskollegen Wowereit, Sarrazin, Strieder und Herrn Gaebler etwas Erfolg mit dieser Politik hätten.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Flemming?

[Beifall bei der CDU]

[Zuruf des Abg. Wieland (Grüne)]