Protocol of the Session on November 13, 2003

[Frau Oesterheld (Grüne): Wir müssen bezahlen wie immer!]

Wer einer Institution wie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz den verantwortungsbewussten Umgang mit der Provenienz einer wertvollen Leihgabe abspricht oder ihn ihr nicht zutraut, muss sich doch selbst fragen lassen, wieso er glaubt, es besser zu wissen. Wenn nicht die Staatlichen Museen zu Berlin, welches Haus hier in Berlin sollte dann besser geeignet und im besten Sinne auch politischer hier in Berlin oder würdiger sein, diese Sammlung angemessen zu präsentieren?

Zur Sache, zur öffentlichen Kritik an der Sammlung und ihrer Herkunft: Da ist zunächst der Vorwurf, die Sammlung sei aus der Erbschaft der Flick’schen Firmen mitfinanziert worden. Sie wissen genau, dass Friedrich Christian Flick immer erklärt, er habe einen Großteil seines Vermögens selbst erworben und er sehe sich nicht in einer Schuld für Dinge, die in den Generationen vor ihm lägen. Vielmehr will er seine persönliche Verantwortung dafür übernehmen, dass das künftig nicht mehr passiert. Und wir alle wissen, er hat das auch in die Tat umgesetzt mit der Geste der Versöhnung: 5 Millionen € für die Stiftung zur Förderung von Zivilcourage gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz.

Der Forderung, er habe nicht in den Entschädigungsfonds eingezahlt, begegnet er mit dem Hinweis, dass die Flick-Nachfolgefirmen das in überaus hohem Maß getan haben und er der Einzige wäre, der es sonst als Einzelperson machen würde. Sie behaupten mit Ihrem Antrag, er wäre nicht der Einzige. Er selbst bestreitet das und sagt, er wäre die einzige Privatperson. Und deshalb, wenn das so ist, lehnt er das für mich nachvollziehbar ab. Er hat sich im Übrigen auch häufig genug mit deutlicher Distanz über das milde Urteil gegen seinen Großvater ausgedrückt, aber dafür kann er auch nichts.

Wenn sogar der jüdische Sammler Heinz Berggruen die Sammlung Flick als „Gewinn für die Stadt“ begrüßt, dann sollte sich das Abgeordnetenhaus dem anschließen, ohne den Museen Vorschriften machen zu wollen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der PDS]

Für die PDS-Fraktion hat nunmehr Frau Dott das Wort. – Bitte schön, Frau Dott!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ströver! Ich weiß nicht, gegen wen Sie kämpfen. Sie konnten tatsächlich sicher sein, mit so einem Antrag inhaltlich auf eine breite Zustimmung zu treffen. Das hat sich, glaube ich, in der Ausschussdiskussion auch deutlich gezeigt. Allerdings heißt das nicht, dass man in der Methodik der Sache gleicher Meinung sein kann. Und deswegen kritisiere ich Ihre Unterstellung, die in der Begründung Ihres Antrags – das habe ich im Ausschuss schon gesagt – zum Tragen kommt und den Senator trifft. Sie kennen ganz bestimmt seinen Artikel, den er unter der Überschrift „Falscher Jubel und bigotte Verdammnis“ geschrieben hat und der folgendermaßen beginnt:

Vieles im Zusammenhang mit den Verbrechen der Vergangenheit und persönlicher Verantwortung bedarf der Auseinandersetzung viel stärker, als es im öffentlichen Bewusstsein stattfindet, da bin ich völlig Ihrer Meinung. Das sage ich auch im Hinblick auf antisemitische und neonazistische Äußerungen der letzten Zeit und auch

als Nachfahre einer Familie, die zu 90 % ausgelöscht wurde. Eine große Familie war das, mein Großvater war einer von 18 Geschwistern. Vielleicht kann hier die Diskussion um die Präsentation der Flick-Sammlung förderlich sein. Sie muss aber weit über diesen Rahmen hinausgehen, sie muss tiefer gehen. Wir können hier keine Stellvertreterdebatte führen. Wir sollten uns hüten vor der Nähe zum Ablasshandel.

Danke schön, Frau Dott! – Nunmehr hat Frau Meister das Wort für die Fraktion der FDP. – Bitte schön, Frau Meister!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst einmal begrüßen wir, dass die Sammlung Flick hier in Berlin, im Hamburger Bahnhof, ausgestellt wird. Es handelt sich bei dieser Sammlung um eine ausgesprochen bedeutende Sammlung, sowohl vom Umfang als auch von der Qualität her. Über 2 500 Werke zeitgenössischer Kunst sind gerade im Hamburger Bahnhof eine ideale Ergänzung zur Sammlung Marx.

Die Debatte um die Flick-Sammlung erscheint als kompensatorische Empörung einer Gesellschaft, die ihre eigene verdrängten historischen Defizite auf den Flickerben als Enkel des personifizierten Unheils projiziert.

[Beifall bei der PDS]

Ich glaube, das ist eine deutliche Stellungnahme zu dieser Frage.

Ich denke, über der Diskussion steht die Frage: Wem gehört die Kunst? – Zuerst gehört sie ihrem Schöpfer oder ihrer Schöpferin, und dann: Gehört die Kunst – ich spreche ganz absichtlich allgemein – dem, der das Stück kauft, oder dem, der sie betrachtet, oder dem, der darüber nachdenkt oder der ihr sogar Anregungen entnimmt? Was ist denn Kunst eigentlich? Ein ideeller oder ein materieller Wert oder gar kein Wert? – Sicher alles zusammen, und darum ist diese Debatte so schwierig.

Fakt ist, eine Sammlung von rund 2 000 Werken von 150 Künstlern mit dem Schwerpunkt im 20. Jahrhundert bis hin zur Gegenwart soll in Berlin gezeigt werden. Frau Grütters hat auf einige Einzelheiten bereits hingewiesen. Allerdings wurde diese Sammlung von einer Familie angelegt, deren Vermögen zu nicht geringem Teil durch Beteiligung ihrer Firma an der Rüstungsproduktion der Nazis erworben wurde, einer Produktion, in deren Rahmen besonders Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen Fronarbeit geleistet haben. Nachfahren mehrten nach dem Krieg den Familienreichtum und besitzen eine wertvolle Kunstsammlung. Mitnichten sind in der bundesdeutschen Gesellschaft Kriegsverbrecher in Größenordnungen enteignet worden, sondern sie waren eng eingebunden in die Entwicklung der Nachkriegsgesellschaft. Nun hat sich Friedrich Christian Flick der Geschichte seiner Familie öffentlich gestellt. Er tut das in dem Bewusstsein, dass eine Präsentation der Flick-Sammlung – eigentlich, wieso Flick-Sammlung: also Flick hat sie gesammelt, aber es ist nicht Flick –

[Frau Ströver (Grüne): Er nennt sie so!]

gerade in Berlin nicht ohne Fragen nach der Verstrickung seiner Familie in Verbrechen, von Kriegsgewinnlertum und Verantwortung geschehen kann; allerdings nicht in der pädagogischen Form einer Gegendokumentation, wie Sie sie vorschlagen – da gebe ich Frau Grütters Recht, sie wies schon auf die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der politischen Einflussnahme direkt auf die Stiftung hin –, also nicht in dieser Form, sondern in einer angemessenen Form, die die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in eigener Verantwortung finden und ausführen soll. Denn wenn sie die Trägerin ist, hat sie hier auch eine Verantwortung.

[Beifall bei der PDS]

Deshalb: intensive politische Auseinandersetzung und Freude – oder wegen der Freude? – auf diese Präsentation von Kunst; denn – siehe oben –: Wem gehört die Kunst?

[Beifall bei der PDS – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Bezüglich der beiden Anträge habe ich das Gefühl, es ist ein Streit um des Kaisers Bart entstanden. So ganz weit liegen wir nicht auseinander und auch nicht mehr mit dem im Kulturausschuss entstandenen modifizierten Antrag. Das, was passieren soll, eine Reflektion der gesellschaftlichen Diskussion, wird nicht, wie es die Grünen gern hätten, ohne einen Blick auf die Familie Flick ablaufen können. Im Rahmen einer Reflektion wird man sich auch mit der Familie Flick auseinander setzen müssen und auch mit der Herkunft des Vermögens. – Wir wissen alle, dass das Vermögen nicht durch Sockenstricken entstanden ist. –

[Zurufe von der PDS]

Insofern begrüßen wir den ursprünglichen Antrag und halten ihn auch für ausreichend. Ein wesentlicher Teil ist, dass die gesellschaftliche Diskussion sich widerspiegeln kann.

Noch einmal ein Wort zur Flick-Sammlung. FriedrichChristian Flick kann seine historische Verantwortung nicht einfach austauschen oder relativieren durch die Zurverfügungstellung von großartigen Kunstwerken. Darin sind wir uns alle einig. Insofern unterstützen auch wir die Regierung darin, mit der SPK zusammen eine begleitende Ausstellung zu der Sammlung einzurichten, in der es genau um diese Diskussion in der Gesellschaft geht. Im Gegensatz zu Frau Grütters glaube ich, dass es auch unser Recht ist, auf die Stiftung zumindest hinzuwirken und einen Wunsch zu formulieren. Das machen wir sonst auch.

Ich lasse nun also einzeln über die Anlagen abstimmen. – Wer der Anlage 1 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön! Das sind alle Fraktionen mit Ausnahme der FDP und der Grünen. Wer stimmt dagegen? – Die Grünen. Ersteres war die Mehrheit. Damit ist das so beschlossen. Enthaltungen? – FDP.

Wer der Anlage 3 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen außer den Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Grünen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Enthaltungen kann es nicht geben.

Wer der Anlage 4 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD, PDS und die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU und FDP. Ersteres war die Mehrheit. – Enthaltungen sehe ich nicht.

[Zurufe von der PDS und den Grünen]

Dafür sind wir parlamentarisch tätig.

Wir müssen aber auch anerkennen, dass Herr Flick sich sehr intensiv mit der Geschichte seiner Familie auseinandergesetzt hat. In der „Zeit“ gab es dazu einen sehr schönen Artikel, worin unterschieden wurde zwischen Mitverantwortung und Mitschuld. Auch das müssen wir Herrn Flick zugestehen: dass er sich seiner Mitverantwortung durchaus stellt. Verantwortung heißt in diesem Sinne eben auch, Kunst von Künstlern präsentieren zu können, und zwar genau an dem Ort, an dem diese Künstler zur Zeit des NS-Regimes verfemt waren. Das heißt auch, Kunst an einem Ort zu präsentieren und damit auch den Bürgerinnen und Bürgern wieder zur Verfügung zu stellen, an dem diese zeitgenössische Kunst auf Grund unserer Geschichte nur lückenhaft vorhanden ist. Begleitet von einer Ausstellung, die den gesellschaftlichen Diskurs um die präsentierte Sammlung und die Familie Flick widerspiegelt, ist dies auch ein Stück deutsche Geschichte. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Frau Meister! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Der Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten empfiehlt mehrheitlich gegen die Stimmen der CDU bei Enthaltung der Grünen die Annahme des Antrags Drucksache 15/1957 in neuer Fassung. Wer so beschließen möchte, den bitte ich nun um das Handzeichen. – Danke schön! Die Gegenprobe! – Ersteres war die Mehrheit der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der CDU. Und die FDP? – Sie hat auch dagegen – –

[Ritzmann (FDP): Dafür gestimmt! Sie müssen hierher gucken!]

dafür gestimmt. Enthaltungen? – Die Grünen enthalten sich. – Also ist der Antrag in neuer Fassung im Wortlaut der Beschlussempfehlung Drucksache 15/2144 angenommen.

Lfd. Nr. 24 ist bereits durch die Konsensliste erledigt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 25:

Beschlussempfehlung

Änderungen des Berliner Flächennutzungsplans (FNP Berlin)

Beschlussempfehlung StadtUm Drs 15/2157 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 15/1770

Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Die Fraktion der CDU hat um die Einzelabstimmung der insgesamt acht Anlagen der Drucksache 15/1770 gebeten, die Sie bitte der Drucksache entnehmen wollen. Wie die Fraktionen im Einzelnen abgestimmt haben, ersehen Sie aus der Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2157.

Wer der Anlage 2 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen mit Ausnahme der Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Grünen. Ersteres war die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Enthaltungen kann es nicht geben.

[Zuruf von den Grünen: Es kann doch einzelne Enthaltungen geben!]

Wenn es einzelne Enthaltungen gibt, sollen die betreffenden Abgeordneten laut „Enthaltung“ rufen. Dann zählen wir sie auch mit.

[Heiterkeit]

Dann rufe ich auf die Anlage 5. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen außer den Grünen. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Dann war Ersteres die Mehrheit. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Grünen. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf die Anlage 6. Wer dieser seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, PDS, FDP und die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Dann war Ersteres die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Wer enthält sich? – Die CDU enthält sich.

Dann komme ich zu der Anlage 7. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen bis auf die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Niemand. Dann war Ersteres die Mehrheit. Dann ist das so beschlossen. Wer enthält sich? – Die Grünen.