Protocol of the Session on January 31, 2002

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Unter anderem durch Äußerungen des Schulsenators ist bei den Betroffenen der Eindruck entstanden, die Kürzung der Personalzuschüsse sei eine finanzpolitische Maßnahme. Hier liegt – so glaube ich – ein Missverständnis vor, das es heute auszuräumen gilt. Rechnen können wir. Wir wissen auch, dass Schulen in freier Trägerschaft für die öffentliche Hand günstiger als die staatlichen sind. Sie erhalten zwar weiterhin auch nach der Kürzung 90 % der Personalkosten. Aber für Betriebskosten, Gebäude und für alle anderen Kosten kommen sie zukünftig selbst, und zwar eigenverantwortlich, auf. Ich finde es schade, Herr Böger, dass Sie letzten Freitag gefehlt haben, sonst wüssten Sie, dass Schulen in freier Trägerschaft den Staat etwa 35 % weniger belasten als öffentliche Schulen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich sage Ihnen: Umgekehrt wird ein Schuh daraus! Wer im Bildungsbereich Einsparungen ohne Qualitätsverlust erzielen will, muss Schulen in freier Trägerschaft fördern, nicht „deckeln“. Wer hier intelligent sparen will, muss die freien Träger eigentlich geradezu hofieren, sie auffordern, neue Einrichtungen zu gründen, noch mehr Eigeninitiative zu zeigen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Warum dieses wider besseres Wissen nicht geschieht – das sollten wir in der heutigen Aktuellen Stunde klären.

Kann es vielleicht sein, verehrter Herr Strieder, dass Parteifreunde und Parteifreundinnen immer noch die Auffassung vertreten, Schulen in freier Trägerschaft sind „Schulen für die Reichen“?

[Dr. Lindner (FDP): Ja, so ist es!]

Dieser Ideologie aus den 70er Jahren muss ich folgende Tatsachen entgegenhalten, die Grundlage der Aktuellen Stunde sein müssen. Es funktioniert bei den freien Trägern so: Viele Schüler werden vom Schulgeld befreit; es gibt gestaffelte Beiträge, einkommensabhängig, bis maximal 110 Euro bei den kirchlichen Trägern. Und – siehe da – bei den Waldorf-Schulen, hat sich herausgestellt, liegt das Einkommen der Eltern unter dem Berliner Durchschnitt. Das wurde kürzlich erst nachgerechnet. Und nun kommen Sie daher und sprachen von „Schulen für die Reichen“! Das gilt es heute, in der Aktuellen Stunde, ins rechte Licht zu rücken.

Ein weiteres Problem macht die heutige Aktuelle Stunde notwendig: Bei den Kitas haben Sie in Ihrer Weisheit beschlossen, mindestens 50 % in freie Trägerschaft zu überführen. Warum? – Auch da haben Sie erkannt, es werden Einsparungen erzielt, und zwar in nicht unerheblichem Maße. Und das ist richtig! Sie überführen also Kitas in freie Trägerschaft, und auf der anderen Seite bedrohen Sie die Existenz der Schulen in freier

Trägerschaft, indem Sie die Personalzuschüsse kürzen. Daraus werde nicht nur ich nicht schlau, das verstehen ganz viele Menschen in dieser Stadt nicht.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Für die Schulen in freier Trägerschaft hat die Kürzung der Personalzuschüsse fatale Folgen. Zum einen gibt es dort die Möglichkeit, das Schulgeld zu erhöhen. Das wurde auch bereits durchgerechnet; die Erhöhung läge bei fast 50 %. Und dann, verehrte Kollegen und Kolleginnen von der SPD und der PDS, haben Sie endlich Ihre „Schulen für die Reichen“. Aber wir wollen das nicht. – Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, Schulen zu schließen. Das wiederum würde die öffentliche Hand mehr belasten, und das wollen wir ebenfalls nicht. Außerdem leisten die Schulen in freier Trägerschaft einen herausragenden Beitrag in unserer Bildungslandschaft. – Es tauchen bei allen Begründungen große Widersprüche auf. Deswegen haben wir heute die Aktuelle Stunde beantragt. Es scheint mir dringend und sinnvoll, dieses Thema heute hier im Plenum zu diskutieren.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Danke schön, Frau Senfleben! – Für die Fraktion der Grünen hat jetzt Frau Dr. Klotz das Wort zur Begründung der Aktualität! – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der SPD-Fraktion! Vielleicht können Sie dem Herrn Benneter eine Lese- und eine Rechenhilfe zur Verfügung stellen, damit er – wenn er nachguckt, wann in der Vergangenheit Regierungserklärungen erfolgten – feststellen kann, dass es das wirklich noch nie gab, dass eine Regierung nach ihrer Wahl als erste Amthandlung das Verschieben der Regierungserklärung beschließt. Das gab es weder 1991 noch 1995; das gab es im Jahr 2000 nicht, und das gab es übrigens auch nicht während der Zeit des rot-grünen Übergangssenats. Immer ist in der Sitzung nach der Senatswahl die Regierungserklärung erfolgt. Davon nehmen Sie Abstand und begründen das mit mangelnder Zeit. Ich sage Ihnen klar und deutlich: Das ist nicht in Ordnung; das ist kein Beitrag zu einer neuen Kultur auch der Debatte, auch hier im Haus, sondern es ist eine Missachtung des Parlaments. Deswegen haben wir diese Aktuelle Stunde heute beantragt.

[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]

Bei einem haben Sie richtig gerechnet, Herr Benneter: Manchmal lagen in der Vergangenheit zwischen Senatswahl und Regierungserklärung mehr als zwei Wochen Zeit. Aber das ist wohl nicht allen Ernstes ein Gegenargument, das Sie hier vortragen wollen; denn der Senat arbeitet – anders als das Haus hier – nicht als Teilzeitparlament und verfügt auch über eine ganze Senatskanzlei, die mit tatkräftiger Hilfe und Unterstützung die politischen Vorgaben in wohlklingende Worte formulieren könnte. Insofern verstehen wir nicht, dass Sie sich hier heute weigern, sich der parlamentarischen Debatte und den Argumenten der Opposition zu stellen. Vielleicht könnte dann auch das Niveau in diesem Parlament gehoben werden, das Herrn Gysi – so hat er es in dieser Woche öffentlich erklärt – als zu niedrig erscheint. Das wäre die Gelegenheit gewesen. Schade, dass Sie die Gelegenheit verpassen!

Die Koalitionsfraktionen argumentieren, dass das Thema, das die Stadt am meisten bewegt, die Abwicklung des BenjaminFranklin-Klinikums als Universitätsklinikum sei und deshalb wichtig als Thema der Aktuellen Stunde. Das ist richtig, aber ich sage Ihnen ebenfalls: Auch dieses hätten wir diskutieren wollen im Rahmen der gesamten Wissenschaftspolitik, die dieser Senat vorhat und die nicht der versprochene „Aufbruch zu neuen Ufern“ ist. Auch das wollen SPD und PDS nicht – jedenfalls nicht vor den Winterferien. Ich sage nochmals: Das ist wirklich kein guter Stil.

[Beifall bei den Grünen]

Wir hätten auch gern darüber geredet, wie es eigentlich mit dem Solidarpakt für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aussieht; wie er wirklich umgesetzt werden kann; welche rechtlichen Voraussetzungen dafür notwendig sind und wie Dialog und Kommunikation stattfinden können an Stelle von Konfrontation und Einladungen, die erst ein paar Stunden vor dem Termin abgesetzt werden; wie man die Gewerkschaften wieder ins Boot holen kann, anstatt sie permanent vor den Kopf zu stoßen. Wir hätten auch gern über die Bildungspolitik geredet, über die Notwendigkeiten, die für die Berliner Schulen aus der Pisa-Studie erwachsen, und darüber, ob eigentlich 68-jährige Lehrerinnen und Lehrer das richtige Signal für den Erneuerungsprozess in der Bildungspolitik sind.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Das alles hätten wir gern mit Ihnen diskutiert. Deswegen hier noch einmal die Aufforderung: Stimmen Sie unserem Antrag zu, eine parlamentarische Debatte zu ermöglichen über die Leitlinien einer Regierungserklärung! Das ist nötig, und zwar vor den Winterferien!

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Danke, Frau Dr. Klotz! – Ich lasse jetzt über das Thema der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS über die Abhaltung der Aktuellen Stunde seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke schön! – Die Gegenprobe! – Danke! Enthaltungen? – Die Ja-Stimmen war die Mehrheit mit den Stimmen der Regierungsfraktionen. Damit steht das Thema der heutigen Aktuellen Stunde fest. Ich werde diese Aktuelle Stunde wie immer unter der lfd. Nr. 1 aufrufen und mit der Großen Anfrage und den Anträgen zur lfd. Nr. 24 verbinden. Das hatten wir vorsorglich so im Ältestenrat vereinbart. Zur Redezeit und Redefolge werde ich die notwendigen Hinweise dann bei Aufruf dieser lfd. Nr. geben.

Ich weise wieder auf die Ihnen vorliegende K o n s e n s l i s t e sowie auf das Ve r z e i c h n i s d e r eingegangenen D r i n g l i c h k e i t e n hin, das Ihnen vorliegt.

Ich habe noch eine Bitte zur g e n e r e l l e n B e h a n d l u n g v o n D r i n g l i c h k e i t e n. Ich gehe davon aus, dass jeweils der Dringlichkeit zugestimmt wird und dies nicht extra bei Aufruf von Dringlichkeiten erwähnt werden muss. Sollte bei einzelnen Punkten einmal nicht der Dringlichkeit zugestimmt werden, so bitte ich die Fraktionsgeschäftsführer, mir das rechtzeitig mitzuteilen, damit dann darüber entschieden werden kann. – Zu dem Verfahren höre ich keinen Widerspruch. Dann werden wir heute und in den künftigen Sitzungen so verfahren.

Folgende M i t g l i e d e r d e s S e n a t s haben sich für ihre teilweise Abwesenheit während unserer heutigen Sitzung e n t s c h u l d i g t : H e r r S e n a t o r S t r i e d e r wird in der Zeit zwischen 16 und 19 Uhr an der Sitzung des Kuratoriums Denkmal für die ermordeten Juden Europas teilnehmen; H e r r S e n a t o r D r. F l i e r l wird ebenfalls daran teilnehmen, sofern die Behandlung der Aktuellen Stunde und der Großen Anfrage zum Thema Klinikum Benjamin Franklin bis zu dem Zeitpunkt abgeschlossen ist.

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gemäß § 51 der Geschäftsordnung

Das Wort hat als erster dazu der Abgeordnete Jürgen Radebold von der Fraktion der SPD zu einer Mündlichen Anfrage über

Sanierung des Ostkreuzes

(A) (C)

(B) (D)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wann ist mit einer öffentlichen Auslegung der Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens zur Sanierung und zum Umbau des Ostkreuzes zu rechnen?

2. Hält der Senat den Termin zum Beginn der tatsächlichen Umbau- und Sanierungsmaßnahmen im Frühjahr 2003 für realistisch, ist die Finanzierung dieses Projektes gesichert, und wann ist aus seiner Sicht mit dem Abschluss der Sanierungs- und Umbaumaßnahmen zu rechnen?

Danke schön, Herr Radebold! – Herr Senator Strieder hat das Wort zur Beantwortung. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Radebold! Das Ostkreuz ist seit Jahren sanierungsbedürftig. Wir sind in engem Kontakt mit der Bahn und gehen davon aus, dass die Auslegung in diesem Frühjahr – nach Ostern – stattfinden wird. Es hat sich alles etwas verzögert, weil durch das furchtbare Unglück in Eschede auf der einen Seite und neuere Urteile zu Lärmschutzmaßnahmen auf der anderen Seite Neuplanunungen notwendig waren, die zu Verzögerungen geführt haben. Also nach Ostern 2002 soll es nach dem gegenwärtigen Stand zur Auslegung kommen. Insgesamt rechnen wir damit, dass diese Sanierungsmaßnahmen 360 Millionen Euro kosten werden. Ob die tatsächlichen Bauten im Jahr 2003 beginnen können, ist unsicher, jedenfalls nicht zu Beginn des Jahres 2003, allenfalls Ende 2003. Sie wissen, dass es einige Maßnahmen im Bereich der Deutschen Bahn gibt, die zu erheblichen Kostensteigerungen geführt haben, von denen deswegen auch die Budgetplanungen der Bahn betroffen sind.

In welcher zeitliche Stringenz die Sanierungsmaßnahmen erledigt werden, ist heute noch offen und hängt auch von der Zurverfügungstellung der Mittel ab. Man geht davon aus, da diese Sanierungsmaßnahmen unter laufendem Betrieb erfolgen werden, dass sechs bis sieben Jahre jedenfalls für die Sanierungsmaßnahmen notwendig sein werden. Ich will aber nicht ausschließen, dass es auch insgesamt zehn Jahre lang Bauarbeiten dort geben kann.

Danke schön, Herr Senator! – Herr Radebold hat eine Nachfrage und erhält dazu jetzt das Wort.

Herr Senator! Wir sind uns sicherlich über die Dringlichkeit der Maßnahme einig. Der Bahnhof heißt nicht umsonst schon Rostkreuz, und dann müssen wir uns wohl freuen, wenn er die zehn Jahre überhaupt noch durchhält. Haben unsere Entscheidungen zum Doppelhaushalt eventuell auch noch auf den Baubeginn Einfluss?

Herr Senator, bitte!

Sie haben Recht! Das Ostkreuz ist technisch dringend sanierungsbedürftig. Die Reisenden, die dort umsteigen, erleben das täglich. Ich weise darauf hin, dass es auch ein besonderes Bauwerk ist, das über die Industriegeschichte unserer Stadt Zeugnis ablegt, und insofern auch unter Denkmalschutzgesichtspunkten schwierige Fragen zu beantworten sind. Die Maßnahme selbst ist eine Maßnahme der Deutschen Bahn und hat keine Rückwirkungen auf den Berliner Landeshaushalt.

Frau Matuschek hat eine Nachfrage. – Bitte!

Herr Strieder! Die Baumaßnahme Ostkreuz ist von einer erheblichen Bedeutung für das gesamte Gebiet ringsherum. Damit hängen auch mögliche Bebauungspläne auf der Nord- und der Südseite des Ostkreuzes

zusammen, insbesondere was die Anbindung der Straßenbahn anbelangt. Können Sie über den Stand der Bebauungsplanverfahren rings um das Ostkreuz herum berichten?

Herr Senator Strieder!