Protocol of the Session on January 31, 2002

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Danke, Herr Kollege! Die Zeit war ziemlich überschritten. – Herr Lorenz hat für die SPD nun das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht um ein Denkmal – nun, dann wollen wir mal denken.

[Beifall und Heiterkeit bei der SPD, der PDS und den Grünen]

Es geht um ein Denkmal für Rosa Luxemburg. Man kann jetzt fragen, wofür dieses Denkmal seht, wie es gestaltet werden soll, welches Denken es anregen soll. Wer ernsthaft mit diesem Denkmal umgeht, der weiß, dass es auch des Streits unter den Demokraten bedarf.

Dass Rosa Luxemburg eine sehr kritisch zu sehende Frau ist, eine widersprüchliche, schillernde, wird niemand ernsthaft bestreiten. Wer sie wörtlich zitiert und meint, damit ihren Geist zu erfassen, der kann auch zu negativen Ergebnissen kommen.

[Beifall des Abg. Hahn (FDP)]

Von diesen Zitaten haben wir heute einige gehört. Ich glaube nicht, dass Sie sie in einen geschichtlichen Kontext gestellt haben. Das bedauere ich, aber wir können diese Diskussion, die in fünf Minuten nicht erledigt ist, später nachholen.

Die FDP hat diese Diskussion erweitert, als sie zu Rosa Luxemburg eine Alternative anbot, nämlich Gustav Noske. Dieser Vorschlag ist seitens der FDP sicherlich nicht ernst gemeint. Man könnte ihn als scherzhaft abtun. Ich tue das deshalb nicht, weil ich damit den Eindruck erwecken würde, als wäre der Vorschlag, eines Sozialdemokaten zu gedenken, ein Witz. Das kann es nicht sein.

[Dr. Lindner (FDP): Das müssen Sie selbst wissen!]

Deswegen gehe ich ernsthaft auf Ihren nicht ernsthaft gemeinten Vorschlag ein.

Die FDP hat – tun wir mal so, als handele sie ernsthaft – Gustav Noske darauf reduziert, dass er kommunistische Aufstände niederschlug. Gustav Noske hat diese Reduzierung nicht verdient. Diese Reduzierung diffamiert ihn. Noske hat es für erforderlich gehalten, diese Aufständler niederzuschlagen. Ob diese Entscheidung richtig war, ist umstritten. Wir müssen hier auch nicht entscheiden, ob das richtig oder falsch war. Das ist eine geschichtliche Bewertung, über die man ernsthaft reden kann. Eines wird man sagen können, nämlich das Noske das, was er tat, persönlich als notwendig erkannt hat beziehungsweise als notwendig begriffen hat. Das ist die eine Seite. Ich glaube aber nicht, dass er darauf stolz gewesen ist. Ich glaube nicht, dass ein Sozialdemokrat stolz darauf sein kann, auf Arbeiter schießen zu lassen – noch dazu durch eine Reichswehr, durch Freischärler. Es ist nicht richtig, sich dessen zu rühmen, dies für rememorabel, eines Denkmals für würdig zu halten. Das glaube ich von einem Sozialdemokraten nicht. Daher kann man über Noske reden, man kann seine Haltung und Handlung würdigen und sagen, er habe das Richtige getan. Aber dass man ihm jetzt unterstellt, er habe das in einem Denkmal verewigt wissen wollen, damit tun Sie ihm und insbesondere der Sozialdemokratie bitteres Unrecht.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Ich frage Sie ernsthaft, ob Sie mit diesem Antrag nicht vielleicht ein Selbsttor geschossen haben. Wenn ich Sie ernst nehme, geht es Ihnen darum, jemanden zu ehren, der sich um die Weimarer Republik verdient gemacht hat. So lautete Ihre Begründung. Es ist bedenklich, dass Ihnen da nur Gustav Noske einfällt. Mir fallen dazu viele Sozialdemokraten ein – aber auch Politiker der Mitte und Liberale: Rathenau, Stresemann und andere. Die fallen mir ein.

[Hahn (FDP): Es gibt noch mehr!]

Wenn Ihnen bei der Rettung der Demokratie nur der Einsatz von Militär einfällt, dann – das sage ich in allem Ernst – müssen wir Sozialdemokraten wissen, dass wir, falls diese Demokratie einmal in Gefahr gerät, wieder allein sein werden.

[Beifall bei der SPD und den Grünen – Gelächter bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Lorenz! – Herr Apelt hat nun für die CDU-Fraktion das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorab zu Herrn Lorenz: Sie werden natürlich nicht allein sein. Es wird Sie aber trotzdem nicht verwundern, dass die CDU sowohl gegen ein Denkmal für Rosa Luxemburg als auch für Herrn Noske ist. Wir könnten lange darüber diskutieren, wie wir das historisch bewerten. Einiges wurde hier gesagt. Es würde wohl den Rahmen der zur Verfügung stehenden Zeit sprengen.

Ich beschränke mich deshalb auf Rosa Luxemburg, denn die ist Teil der Koalitionsvereinbarung. Offenbar ist es den Koalitionären wichtig, das hineinzuschreiben. Als hätte die Stadt gegenwärtig keine anderen Probleme.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Die Frage, um die es geht, lautet: Ist es gerechtfertigt, dass wir den 13 Plätzen, Schulen, Straßen und Denkmalen, die es bereits für Rosa Luxemburg gibt, noch weitere hinzufügen, um sie zu

ehren? – Klar ist, dass nach heutigem Verständnis, Luxemburg eine erbitterte Gegnerin des Parlamentarismus war. Ich habe überlegt, wo sie heute in diesem Haus sitzen würde. Sie würde wahrscheinlich bei der PDS bzw. bei der Kommunistischen Plattform sitzen. [Frau Ströver (Grüne): Nein!]

In jedem Fall würde sie wahrscheinlich vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Das dürfte wohl klar sein.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der CDU]

Sie selbst war es, die sich am Ende des Weltkrieges und nach der Novemberrevolution – die sie übrigens als halbe, elende Revolution bezeichnet hat – vehement gegen eine parlamentarische Demokratie – gegen die Nationalversammlung, wie eben schon gesagt wurde – ausgesprochen hat und eine Räterepublik nach russischem Vorbild wollte. Sie selbst hat immer gesagt: Diktatur! Darauf kommt es an, nicht auf diesen Parlamentarismus. [Cramer (Grüne): Quatsch!]

Herr Cramer! Eindeutig sprach sie vom „Popanz Nationalversammlung“ und dem Ziel des Sozialismus – ihr Sozialismus, der da hieß – wortwörtlich –:

Sozialismus heißt nicht, sich in einem Parlament zusammenzusetzen und Gesetz beschließen. Sozialismus bedeutet für uns Niederwerfung der herrschenden Klasse mit der ganzen Brutalität.

Das ist Rosa Luxemburg. Welche Folgen das hatte, haben wir dann in Russland gesehen. Das war ihr Vorbild. Mit Lenin begannen ja schon die Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP – Cramer (Grüne): Sie haben ja keine Ahnung!]

Sie können ja nachher etwas dazu sagen, oder Sie fragen mich. Ich kann Sie leider akustisch nicht verstehen, Herr Cramer. – „Denn Sozialismus ist keine Frage der parlamentarischen Wahl, sondern eine Machtfrage.“ – so Luxemburg.

Luxemburg konnte sich nicht einmal bei den revolutionären Arbeiter- und Soldatenräten durchsetzen, denn die haben sich mit Dreiviertelmehrheit – Herr Hahn hat das schon gesagt – dafür entschieden, ihrem Widersacher, nämlich dem Sozialdemokraten und späteren Reichspräsidenten Ebert zu folgen. Sie haben gesagt: Wir wollen lieber den Parlamentarismus, wir wollen gar keine Diktatur. – Aber sie gab nicht auf und wurde zum Wortführer dieses berühmten Spartakus-Aufstandes, den dieser ebenso berühmte Herr Noske dann niederschlug. Ihre Hoffnung erfüllte sich nicht trotz der von ihr beschriebenen Brutalität.

Als die Wahlen zur Nationalversammlung nicht mehr zu verhindern waren, sagte sie dann – wortwörtlich –:

Es kommt darauf an, eine gewaltige Kundgebung der Wähler zustande zu bringen, indem sie gerade Leute wählen, die gegen die Nationalversammlung sind.

Ich frage Sie, welches Demokratieverständnis dahinter steckt, wenn man sagt: Wählt Leute in diese Nationalversammlung, die gegen diese Nationalversammlung sind! – Das erinnert auch ein wenig an die kommunistische Tradition in deutschen Parlamenten. [Beifall bei der CDU und der FDP]

Damit beginnt eigentlich das Elend der Demokratie, das Elend der Weimarer Republik, die von rechts und links bekämpft wurde. Es begann mit den Liebknechts und Luxemburgs – das gehört zur historischen Wahrheit – und den Kapps, und es endete mit den Thälmanns und Ulbrichts, den Görings und Hitlers.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zurufe von der PDS: Pfui! – Dr. Felgentreu (SPD): Das Ermächtigungsgesetz!]

Was heißt hier „Pfui!“? – Die haben oft gemeinsame Sache gemacht. Sie kennen den Berliner Verkehrsarbeiterstreik. Ulbricht und Goebbels haben sich gemeinsam eingereiht im Kampf gegen diese Weimarer Republik. Das sind historische Fakten. Da können Sie reden und schreien, so oft Sie wollen, Sie müssen sie zur Kenntnis nehmen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Wenn Sie Luxemburg wollen, dann sollten Sie konsequent sein und das Denkmal auf den Ebertplatz setzen, damit klar ist, dass die Verfechter der Diktatur nicht historisch, aber mit der rotroten Koalition gegen die Verfechter der Demokratie und des Parlamentarismus gewonnen haben. Luxemburg statt Ebert, Diktatur statt Parlament! – Oder Sie stellen – und das wäre noch konsequenter – das Denkmal vor dem Preußischen Landtag auf und schlagen in den Sockel den Satz, der auch Rosa Luxemburg zugeschrieben wird – in der Spartakus-Gruppe – und der lautete:

Der Kampf um die Demokratisierung geht nicht um Parlament, Wahlrecht oder Abgeordnetenminister und anderen Schwindel.

Wenn Sie meinen, dass Sie es wert sind, als Vertreter dieses Schwindels oder als Schwindler bezeichnet zu werden, dann bauen Sie dieses Denkmal, meine Damen und Herren! Die CDU jedenfalls hat ein anderes demokratisches Selbstverständnis. – Danke! [Beifall bei der CDU und der FDP – Pewestorff (PDS): Wie man sieht!]

Schönen Dank, Herr Kollege! – Jetzt hat Herr Brauer das Wort. – Bitte schön, Herr Brauer!

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass zu den größten Sünden der Wissenschaftspolitik der DDR die vordergründige Instrumentalisierung von Geschichtswissenschaft und Geschichte selbst gehörte.

[Beifall des Abg. Radebold (SPD)]

Sie, Herr Hahn, bedienen sich – allerdings unter umgekehrtem Vorzeichen – desselben Musters.

[Gelächter bei der CDU und der FDP]