Protocol of the Session on January 31, 2002

Danke schön, Frau Kollegin Müller! – Das Wort hat nun für die Fraktion der FDP der Kollege Augstin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir dieses Thema – die Überführung der Kitas in die Hand freier Träger – betrachten, dann kann das nicht nur ein finanzpolitisches Ziel sein, sondern es ist ein gesellschaftspolitisches Ziel. Ich zitiere den Kinder- und Jugendbericht; er hat das, was wir heute haben, eine „Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber der Familie“ genannt. Ich präzisiere das aus meiner Sicht: Es ist eine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Frauen,

[Beifall bei der FDP – Oh! bei der SPD]

die ihren gesellschaftlichen Anspruch auf freie Entscheidung genauso haben sollten, wie ihn der Mann hat.

[Beifall bei der FDP, der SPD und den Grünen]

Aber was tut die Gesellschaft dafür? – Sie schafft ein bürokratisches staatliches System von Kitas,

[Zuruf von der SPD: Pfui!]

die im Grunde genommen nicht leistungsfähig genug sind, das im Rahmen der Finanzkraft, die diese Gesellschaft aufbringt, hinreichend zu leisten. Viele Beispiele der freien Träger zeigen, dass es finanziell in privater Trägerschaft wesentlich besser geht. Das muss realisiert werden, und zwar nicht zu 75 %, sondern zu 100 %, [Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD und der PDS – Gelächter bei der PDS und den Grünen]

natürlich nur, soweit das überhaupt geht. Und da hinkt der Antrag der CDU, der einfach formal 75 % in den Raum stellt. Wir müssen sehen, dass viele der Kitas sinnvollerweise gar nicht überführt werden können, weil deren Laufzeit nur begrenzt ist. Es bringt keinen Sinn, eine Kita in freie Trägerschaft zu überführen, wenn sie ein Jahr später geschlossen wird. Warum muss sie geschlossen werden? – Weil diese gesellschaftspolitische Komponente hineinspielt, nämlich die Geburtenrate. Wir müssen natürlich darauf Rücksicht nehmen. Das ist ein erster Punkt, dass man nicht 75 oder gar 80 % sagen kann, man muss 100 % der möglichen Fälle umsetzen.

[Pewestorff (PDS): Zu wenig!]

Wir fordern den Senat auf, ein Konzept vorzulegen, das zu 100 % alle Möglichkeiten ausschöpft, private Initiative wieder ins Spiel zu bringen und damit auch die Familie nicht nur finanziell zu entlasten. Da gibt es im Übrigen den Ansatz der Bundestagsfraktion, der sagt: Wir wollen einen Kostenersatz für 100 %, das heißt, die Familie soll einen Gutschein erhalten, mit dem sie entscheiden kann, wo sie ihre Kinder in die Betreuung gibt. – Und noch etwas: Dieser Überführungsantrag müsste nicht nur eine Betreuung beinhalten – das ist heute schon ansatzweise gesagt worden –, sondern er muss auch den gesellschaftlichen Ansatz haben, dass es auch darum geht, gesellschaftspolitisch einen Inhalt zu konstituieren.

[Zuruf des Abg. Pewestorff (PDS)]

Da hat die Gesellschaft, d. h. die Familie, die Frauen, ein höheres Mitspracherecht. Das kann nur im Rahmen freier Träger erfolgen und nicht, wie das hier scheint, was im Koalitionsvertrag zum Ausdruck kommt, nämlich nur einen begrenzten Umfang umzusetzen nach dem Motto: Dann hat der Staat weiterhin Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse, die der Frau zukommen und der Familie, aber nicht irgendwelchen Bürokraten.

[Beifall bei der FDP – Gelächter bei der PDS – Pewestorff (PDS): Und warum redet ein Mann dazu?]

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Dieser einheitliche Ansatz, der hier von der CDU gefordert wird – –

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Nolte?

Ja, bitte schön!

Herr Dr. Augstin, ist Ihnen bekannt, dass es eine ganze Reihe von Eltern gibt, die sich wünschen, ihr Kind in einer bezirklichen Kindertagesstätte und nicht bei einem freien Träger betreuen zu lassen, und würden Sie dann auch diesem Wunsch der Eltern Folge leisten wollen?

Bitte schön, Herr Kollege, fahren Sie fort!

Wir werden sehen. Es gibt auch ideologisch begründete Sichtweisen, die einen solchen Wunsch präjudizieren. interjection: [Gelächter bei der SPD und der PDS]

Aber es muss ein langsamer Prozess stattfinden, wo die Eltern lernen, dass es sinnvoller ist, dass sie ein Mitbestimmungsrecht in den Kitas haben, als dass staatliche Einrichtungen ihnen die Kitas mehr oder weniger vorschreiben. Dass Sie aus Ihrer Tradition natürlich einen gesellschaftspolitischen Ansatz haben, der eine Indoktrinierung mehr zum Inhalt hat

[Zurufe von der PDS]

als eine bürgerspezifische inhaltliche Ausformung unserer Gesellschaft, das ist nachvollziehbar, und das ist ganz im Rahmen Ihrer Tradition.

[Gelächter bei der SPD und der PDS]

Herr Kollege gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Zackenfels?

Es genügt hier in der Aussprache, dass ich die Akzente für die Liberalen setze.

[Klatschen bei der PDS – Gelächter bei der SPD]

Im Ausschuss werden wir uns sicherlich auch inhaltlich noch weiter auseinandersetzen.

Daher möchte ich nur bezogen auf den Antrag von der CDU sagen, dem wir in der Tendenz zustimmen, der z. B. aber auch von einem einheitlichen Konzept spricht: Ein einheitliches Konzept kann es aus inhaltlichen Gründen gar nicht geben, weil wir bei den Kitas im Ostteil Rahmenbedingungen haben, so dass eine Überführung in private Hände schon deshalb schwierig wird,

[Over (PDS): Weil die kein fließendes Wasser haben!]

weil z. B. die Sicherheitsvorkehrungen, die notwendig sind und bei einer Überführung Probleme machen, dazu führen, dass die Kitas geschlossen werden müssten. Wir müssten im Prinzip die Gesetze ändern, die vorsehen, dass in einer Kita zwei Fluchtwege existieren. Mit anderen Worten: Dies kann nicht an einer prozentualen Zahl festgelegt werden, was wir realisieren.

[Pewestorff (PDS): Alles muss anders werden, aber nichts darf sich ändern!]

Beruhigen Sie sich, sehen Sie lieber zu, dass Sie zu einer sachlichen und fachlich bezogenen Auseinandersetzung kommen und nicht zu einer ideologischen Vorgabe,

[Klatschen bei der SPD und der PDS]

wie wir das schon wieder aus den Koalitionsvereinbarungen herauslesen müssen.

[Beifall bei der FDP]

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich komme damit auch zum Schluss.

[Bravo! bei der SPD und der PDS]

Wir meinen, der Ansatz des Antrages der CDU ist richtig, aber im Ausschuss kommt es darauf an, ihn so zu formulieren, dass er den Bedürfnissen, nämlich der Zukunft und vor allen Dingen dem Anspruch der Familie und der Frauen mehr gerecht wird. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Kollege! – Nunmehr hat Frau Dr. Barth für die Fraktion der PDS das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch zu später Stunde diese Aufregung – das hätte ich nicht gedacht. Eigentlich wollte ich meinen Redebeitrag zu Protokoll geben,

[Ritzmann (FDP): Können Sie machen!]

denn wir haben uns hier in diesem Hause schon sehr oft über die Übertragung von Kindertagesstätten an freie Träger verständigt. Mir ist nicht richtig klar, warum die CDU noch einmal Redebedarf geltend gemacht hat. Zunächst will ich zwei Vorbemerkungen zu meinen Vorrednern machen.

Herr Steuer, ich möchte jetzt nicht auf Ihren Rundumschlag zur Kitaproblematik und zur Koalitionsvereinbarung reagieren. Wir werden uns dazu im Jugendausschuss noch zur Genüge verständigen können.

(A) (C)

(B) (D)